• Keine Ergebnisse gefunden

Arzneimittel: Fehl- und Überversorgung vermeiden

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Arzneimittel: Fehl- und Überversorgung vermeiden"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

216 Bayerisches Ärzteblatt 4/2002

KVB und BLÄK informieren

Im Jahr 2001 verschrieben die Ärzte bundesweit für rund 21 Milliarden Euro Arzneimittel – 10 % mehr als im Vorjahr. Wie man den Kostenanstieg in den Griff bekommen kann, darüber diskutier- ten Experten Ende Februar bei einer Fachtagung des BKK Landesverbandes Bayern in München.

Eingeladen waren Vertreter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK), der Kassen- ärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), der öffent- lichen Gesundheitsforschung und der Pharmain- dustrie.

Zielvereinbarungen – ein zahnloses Gebilde

Enttäuscht wurde die Hoffnung, Arzneimit- telbudgets durch Zielvereinbarungen zwi- schen Ärzten und Krankenkassen kostenneu- tral ersetzen zu können. Schuld daran, so die Experten, seien zwei Gründe: Die Vereinba- rungen wären zu spät gekommen und hätten sich als ungeeignet erwiesen, die Ausgaben zu steuern. „Die Zielvereinbarungen sind ein zahnloses Gebilde“, kritisierte Dr. Peter Schwoerer vom MDK, „die Bilanz 2001 ist vernichtend: Die Wirtschaftlichkeit wurde nicht erreicht, die Betreuung der Patienten ist fragwürdig.“ In Süd-Württemberg seien die Arzneimittelausgaben trotz dieses Instru- ments um 11,7 % gestiegen, in Bayern – ohne Zielvereinbarungen – lediglich um 8,7 %.

Fehl- und Überversorgung

Professor Dr. Ulrich Schwabe vom Pharma- kologischen Institut der Universität Heidel- berg, Herausgeber des Arzneimittelreports, widerlegte die Daten des Verbandes der For- schenden Arzneimittelhersteller (VFA). Der Verband hatte behauptet, Deutschland habe erhebliche Versorgungsdefizite auf mehreren Gebieten. Der VFA, so Schwabe, würde ver-

schreibende Ärzte verunsichern und fehllei- ten, auf Kosten der Effizienz.

Beispiel Diabetes: Der Pharmakologe legte dazu umfangreiche Daten vor. Demnach schlucken und spritzen deutsche Typ 2-Dia- betiker 38 % mehr Medikamente als nötig – wenn man die Daily Drug Dose (DDD) zu Grunde legt, die die WHO ermittelte. 2,6 Millionen Diabetespatienten in der Gesetz- lichen Krankenversicherung (GKV) erhielten Arzneimittel, die eigentlich für 3,6 Millionen ausreichten und würden somit deutlich über- therapiert. Dabei sei es viel effizienter, Ge- wicht zu reduzieren, wie eine finnische Studie zur Lebensstiländerung beweise. Schlechte Noten jedoch für deutsche Patienten: Ernäh- rungsstil mangelhaft.

Anreiz statt Drohung

Ein wesentlicher Diskussionspunkt bei der Veranstaltung waren die verschiedenen An- sätze, Kosten bei den Arzneimittelausgaben einzusparen. Dem bundesweiten Vorgehen, kollektive Zielvereinbarungen für alle Ärzte abzuschließen, erteilte der stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes der KVB, Dr.

Wolfgang Hoppenthaller, eine klare Absage:

„Wir brauchen bedarfsgerechte Richtgrößen für Bayerns Ärzte. Das, was die Bundesebene vorsieht, hilft uns nicht weiter“. In Bayern soll ein anderer Weg gegangen werden. Auch die Vertreter der Krankenkassen zeigten sich diesem Ansatz gegenüber sehr aufgeschlos- sen.

Laut KVB funktioniert das Prinzip nur mit der Einbeziehung und der Mitarbeit jedes einzelnen Arztes. Für jede Praxis soll eine Zielvorgabensumme festgelegt werden. Bei deren Festsetzung werden die individuelle Praxisstruktur, die Altersstruktur der Patien-

ten und alle Praxisbesonderheiten entspre- chend berücksichtigt. Damit jeder Arzt die Vereinbarung einhalten kann, gibt es einen Beratungsservice. Basierend auf aktuellen Daten will die KVB zeitnah ihre Ärzte über den Stand des jeweiligen Verordnungsvolu- mens informieren. Liegt der einzelne Arzt über den vereinbarten Werten, analysieren Experten gemeinsam mit dem Betroffenen die Praxissituation und definieren gegebenen- falls neue Ziele. Während der Vertragslauf- zeit bleibt der Arzt vor Regressen verschont.

Im Gegenzug muss sich der Arzt verpflich- ten, in Qualitätszirkeln mitzuwirken. Halten die bayerischen Ärzte insgesamt ihre indivi- duellen Zielvereinbarungen ein und schöpfen dadurch Wirtschaftlichkeitsreserven aus, fließt das eingesparte Geld wieder zurück in die ärztliche Versorgung. Ärzte, die keine in- dividuellen Zielvereinbarungen abgeschlossen haben, unterliegen weiterhin den kollektiven Richtgrößen und bleiben vom Individualre- gress bedroht. Dasselbe trifft auf die Ärzte zu, die aus dem Vertrag aussteigen bzw. de- nen die KVB den Vertrag kündigt.

Damit das Kooperationsangebot der Kran- kenkassen kein Lippenbekenntnis bleibt, müssen Taten folgen. „Solange wir von den Kassen keine validen Daten bekommen, kön- nen wir keine Verantwortung für das Verord- nungsvolumen übernehmen“, stellte Dr. Hop- penthaller abschließend fest.

Dr. Tim Freyer (BLÄK), Michael Anschütz (KVB)

Arzneimittel: Fehl- und Überversorgung vermeiden

Dr. Wolfgang Hoppenthaller (stehend) schildert das „Da- ten-Dilemma“: „Wir kaufen zurzeit Daten ein, die uns eigentlich die Kassen kos- tenlos liefern müssten.“

Dr. Heinz Michael Mörlein, Vorstandsmitglied der KVB (sitzend) antwortet NDR-Moderator Bernd Seguin: „Es kam schon öfters vor, dass ein bayerischer Weg auf die Bundesebene übertra-

gen wurde.“ Fotos: KVB

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die eine oder der andere waren dann doch überrascht davon, dass sich das Auge in den letzten 18 Monaten ganz schön oder eben nicht verändert hat, aber nach dem ersten

• Wir brauchen mehr Betreuungsmöglichkeiten, damit gerade für Alleinerziehende die Vereinbarkeitsfrage gelöst werden kann und Kinder aus armen Familien eine gute

„Verantwortung“ klingt ja auch viel besser als: muss Macht ausüben, muss militärisch aktiver werden, muss wieder mehr für Ver- teidigung ausgeben, muss begreifen, dass

• Haben die Kinder sich im Laufe der Geschichte gewünscht, in dem anderen Geländewagen oder im Hotel zu sein.. • War ihre Entscheidung rückgängig zu machen, nachdem der

Denken die Kinder, dass es richtig ist, sich vorschnell eine feste Meinung über einen anderen Men- schen zu bilden, so wie die Kinder das mit Gregor gemacht haben?. Sind sie

Denken die Kinder, dass es richtig ist, sich vorschnell eine feste Meinung über einen anderen Men- schen zu bilden, so wie die Kinder das mit Gregor gemacht haben.. Sind sie

Über zwei, zur Gegenüberstellung gebrachte Situations- schilderungen, kommen die Schüler ins Gespräch bezüg- lich der Frage: Verantwortung tragen für andere und Ver- antwortung

eröffneten Bund Deutscher Milchviehhalter, Mission EineWelt, Arbeitsge- meinschaft bäuerliche Landwirtschaft und Bund Naturschutz, die auch im bayerischen