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PFLEGEGRADE
Monique Engelhardt
ii INHALTSVERZEICHNIS
Pflegegrade 1
Pflegestufen / Pflegegrade und 1
Pflegestufencontrolling 1
Pflege- / Vergütungssatz 8
Pflegesatz 8
Vergütungssatz 10
Pflegereform 14
Pflegegrade statt Pflegestufen 17
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PFLEGEGRADE
PFLEGESTUFEN / PFLEGEGRADE UND PFLEGESTUFENCONTROLLING
Was geschieht, wenn ein Mensch plötzlich auf Hilfe und Unterstützung im Alltag angewiesen ist. Wie funktioniert das Einstufen, worauf achtet der Medizinische Dienst (MDK)?
Von der Entstehung der Pflegestufen, bis hin zur weiteren Entwicklung der Pflegegrade. Was verändert sich für einen Pflegebedürftigen, wie sind die finanziellen Mittel zur Hilfestellung „verteilt“?
Im Jahre 1995 wurde die Pflegeversicherung als fünfte Säule der Sozialversicherung eingeführt. Diese fünf Säulen der Sozialversicherung sind:
• Gesetzliche Krankenversicherung
• Gesetzliche Unfallversicherung
• Rentenversicherung
• Arbeitslosenversicherung
• Pflegeversicherung
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Seit der Einführung der Pflegeversicherung hat sich einiges verändert. Ein kurzer Überblick:
→ 1995: Einführung der Pflegeversicherung
→ 2002: das Pflegeleistungs- Ergänzungsgesetzt trat in Kraft
→ 2012: das Pflegeneuausrichtungsgesetzt (PNG) trat in Kraft
→ 2015: das Pflegestärkungsgesetz I (PSG I) trat in Kraft
→ 2017: das Pflegestärkungsgesetz II (PSG II) trat in Kraft
Die Aufstellung lässt erahnen, dass es ein langer Weg war, die notwendigen pflegerischen Dienstleistungen für Menschen mit Hilfebedarf über die Sozialversicherung zu finanzieren. Und wir sind mit dieser Entwicklung noch nicht am Ziel angekommen. Es wird weitere Veränderungen geben (und geben müssen), um pflegebedürftigen Menschen eine angemessene Hilfestellung bieten zu können.
Definition
Was versteht man unter dem Begriff Pflegebedürftigkeit?
„Pflegebedürftig [...] sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.“
(§ 14 SGB XI, Abs.1)
Die Begutachtung und Einstufung eines pflegebedürftigen Menschen erfolgt durch ein „Punktesystem“, das der MDK bzw. Medicproof anwenden. Der MDK ist zuständig für die gesetzlich krankenversicherten, Medicproof für die privat krankenversicherten Pflegebedürftigen.
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Das Punktesystem staffelt sich in den Selbständigkeits- und Fähigkeitsbereichen auf, die den Alltag eines Menschen widerspiegeln. Die pflegerelevanten Bereiche, die aus dem Alltag widergespiegelt und durch das Punktesystem bewertet werden, sind:
• Mobilität
• Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
• Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
• Selbstversorgung
• Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
• Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte
Die Unterkriterien zu diesen 6 Bereichen werden je nach Ausprägung der Fähigkeiten mit Punkten versehen und für die einzelnen Bereiche mit einer vorgegebenen Gewichtung für das Gesamtergebnis berücksichtigt. Mehr darüber erfahren Sie im Kapitel „Begutachtungsassessment (NBA)“.
Die Einstufung in einen Pflegegrad erfolgt anhand der errechneten Punkte:
• Pflegegrad 1:
Geringe Beeinträchtigung der Selbständigkeit (12,5 bis unter 27 Punkte)
• Pflegegrad 2:
Erhebliche Beeinträchtigung der Selbständigkeit (27 bis unter 47,5 Punkte)
• Pflegegrad 3:
Schwere Beeinträchtigung der Selbständigkeit (47,5 bis unter 70 Punkte)
• Pflegegrad 4:
Schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit (70 bis unter 90 Punkte)
• Pflegegrad 5:
Schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit mit besonderen Anforderungen für die pflegerische Versorgung (90 bis 100 Punkte)
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Wie kann man sich den Prozess einer solche Einstufung eines pflegebedürftigen Menschen vorstellen? Stellen Sie sich einen Menschen vor, der auf Hilfe und Unterstützung im Alltag angewiesen ist. Viele Menschen schämen sich dafür und sind zunächst gehemmt, überhaupt die Schritte zu gehen, die für die Einstufung in einen Pflegegrad notwendig sind.
Infobox
Pflegeberatung
„Seit dem 1. Januar 2009 hat jeder das Recht auf eine Pflegeberatung. Diese kann zu Hause, in der Pflegekasse oder auch in den sogenannten Pflegestützpunkten erfolgen. Dort werden Pflegebedürftige und deren Angehörige beraten und es gibt Hilfe zur Antragstellung sowie zu vielen anderen Dingen, die die Pflege betreffen.“
(Quelle: krankenkassenzentrale.de)
In den meisten Fällen erhalten pflegebedürftige Menschen den Rat, sich Unterstützung zu holen, durch den behandelnden Arzt oder einen Angehörigen.
Häufig dauert es eine ganze Weile, bis der Pflegebedürftige dazu bereit ist.
Jetzt wird meist der Kontakt zur Kranken- oder Pflegekasse hergestellt, z.B.
durch einen Anruf.
Der Antrag auf Leistungen aus der Pflegeversicherung ist vom Pflegebedürftigen selbst oder einem Bevollmächtigten bei der Pflegekasse zu stellen – diese ist an die Krankenkasse angegliedert. Die Krankenkassen sind verpflichtet, einen Antrag, den ihr Mitglied an sie gerichtet hat, an die Pflegekasse weiter zu leiten.
Der Antrag kann formlos gestellt werden – d.h., bereits das Telefonat gilt als Antragstellung, wenn geäußert wird, dass „ein Antrag auf Leistungen der Pflegekasse“ gestellt wird. Da sich ein Telefonat und dessen Inhalt jedoch schwer nachweisen lässt, sollte nach Möglichkeit der Antrag per Mail oder Brief gestellt werden. Die Pflegekasse schickt dem Pflegebedürftigen in der Regel nach der Kontaktaufnahme neben generellen Informationen ein Antragsformular und ein Pflegetagebuch zu.
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Die Antragsformulare beinhalten Fragestellungen wie:
• Wer ist auf Hilfe und Unterstützung angewiesen?
• Welche Leistungen werden beantragt?
• Wer hilft und unterstützt den Hilfesuchenden?
• Liegen Krankheiten vor, die zu der Hilfe- / Pflegebedürftigkeit führen?
• Seit wann besteht die Hilfe- / Pflegebedürftigkeit?
Die Antragsteller werden von den Pflegekassen gebeten, ein Pflegetagebuch zu führen. Das Pflegetagesbuch verschafft den Mitarbeitern der Kranken- / Pflegekassen sowie des MDK, Gutachtern und den Angehörigen einen Überblick über den Zeitbedarf für die notwendigen Hilfeleistungen.
Das Pflegetagebuch kann im späteren Gespräch genutzt werden, um auf die Pflegesituation einzugehen. Einzelne Punkte und Bereiche können so detaillierter besprochen werden.
Folgende Daten werden im Pflegetagebuch aufgenommen:
• In welchem Zeitraum wurde es geführt
• Name / Daten des Pflegebedürftigen
• Name / Daten des gesetzlichen Vertreters, Bevollmächtigter, Betreuer
• Name / Daten der Person, die das Pflegetagebuch führt
Bereiche, zu denen ein Pflegebedürftiger bzw. dessen Angehörige im Pflegetagebuch Einträge vornimmt, sind:
• Körperpflege
• Mobilität
• Ernährung
• Hauswirtschaft
• Formen der Hilfe
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Das Pflegetagebuch soll den Pflegealltag widerspiegeln, deshalb sollte es mindestens über ein bis zwei Wochen geführt werden. Dabei sollte Ihnen bewusst sein, dass es sich in den meisten Fällen um die Sicht eines Angehörigen handelt, der die Pflegesituation aus seiner Perspektive beschreibt und dokumentiert. Zeiten, die von ihm in das Pflegetagebuch eingetragen werden, sind die Zeiten, die ein Laie (hier der Angehörige) für die Pflege seines Angehörigen einsetzt. Aus diesem Grunde sollte das Pflegetagebuch über mehrere Tage ausgefüllt werden, um den Ablauf und die Durchführung der Pflege für Gutachter und Mitarbeiter der Kassen rekonstruierbar zu machen.
Das Pflegetagebuch dient dabei „nur“ zur Unterstützung, als Anhaltspunkt, um auf alle Bereiche nach Bedarf eingehen zu können. Zeiten, die ein Laie für die Pflege benötigt, unterscheiden sich deutlich von den Zeiten, die der Gesetzgeber für eine professionelle Pflegeleistung vorsieht. Im weiteren Verlauf dieses Studienbriefs erhalten Sie einen Einblick in die gesetzlichen Vorgaben der Pflegezeiten.
Unter dem folgenden Link haben Sie die Möglichkeit, ein Pflegetagebuch einzusehen.
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikatio nen/Pflege/Praxisseiten_Pflege/10.4_Service_Material.pdf
Unter diesem Link haben Sie die Möglichkeit, sich näher mit dem Thema der Begutachtung auseinander zu setzen. Der MDK hat hier auch ein kleines Filmchen zur Info eingestellt.
https://www.mdk.de/versicherte/pflegebegutachtung/
In der nachfolgenden Tabelle sehen Sie die gesetzlichen Vorgaben für die verschiedenen Bereiche. Sie werden bemerken, dass in den meisten Fällen keine eindeutigen Zeiten, sondern Zeitspannen angegeben sind. Darin kommt zum Ausdruck, dass dieselbe Tätigkeit bei unterschiedlichen Pflegebedürftigen mit unterschiedlichen Einschränkungen auch unterschiedliche Zeiten in Anspruch nehmen.
Ein MDK Mitarbeiter dokumentiert anhand dieser Zeiten genau, welche Einschränkungen der Pflegebedürftige hat, bzw. wofür die durch ihn angegebene Zeit benötigt wird.
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Tätigkeit
Zeiteinheit in Minuten Bereich der Mobilität
einfache Hilfe beim Aufstehen/zu Bett gehen 1-2
Umlagern 2-3
Ankleiden gesamt 8-10
Ankleiden nur Ober- oder Unterkörper 5-6
Entkleiden gesamt 4-6
Entkleiden nur Ober- oder Unterkörper 2-3
Transfer auf/zum Rollstuhl, Toilettenstuhl/Toilette/Dusche je 1 Gehen in Bezug auf die Verrichtungen tatsächlich
benötigte Zeit Körperpflege
Ganzkörperwäsche 20-25
Oberkörperwäsche 8-10
Unterkörperwäsche 12-15
Waschen Hände/Gesicht 1-2
Duschen 15-20
Baden 20-25
Zahnpflege 5
Kämmen 1-3
Rasieren 5-10
Wasserlassen (inkl. Intimhygiene) 2-3
Stuhlgang (inkl. Intimhygiene) 3-6
Wechseln von Windeln nach Wasserlassen (inkl.
Intimhygiene, Entsorgung) 4-6
Wechseln von Windeln nach Stuhlgang (inkl. Intimhygiene,
Entsorgung) 7-10
Wechseln kleiner Vorlagen 1-2
Richten der Bekleidung 2
Wechseln/ Entleeren des Urinbeutels 2-3
Wechseln/ Entleeren des Stomabeutels 3-4
Ernährung
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Mundgerechte Zubereitung (Zerkleinern der Nahrung in
mundgerechte Stücke) 2-3
Aufnahme der Nahrung (fest, breiig, flüssig) 15-20
Verabreichung von Sondenkost 15-20 Minuten
pro Tag 1. Abbildung: Orientierungshilfe zur Pflegezeitbemessung (Stand Nov. 2010)Quelle:
Eigene Darstellung (nach Sozialverband VdK Rheinland-Pfalz e.V.)
In Ihren Praktika werden Sie wahrscheinlich den täglichen „Spagat“ der Pflegekräfte mitbekommen zwischen dem Zeitaufwand, den sie für die einzelnen Pflegebedürftigen benötigen und den gesetzlichen Zeitvorgaben.
Für eine politische Auseinandersetzung ist hier nicht der geeignete Ort – wir möchten Ihnen an dieser Stelle allerdings bewusst die täglichen Herausforderungen des Pflegepersonals aufgrund der vorgegebenen Rahmenbedingungen näherbringen, um Ihnen ein besseres Verständnis Ihrer zukünftigen Kollegen zu ermöglichen.
PFLEGE- / VERGÜTUNGSSATZ
Wir gehen hier noch einmal auf den sogenannten Pflegesatz / Vergütungssatz ein.
Veränderungen durch das Pflegestärkungsgesetz II, wie spiegelt sich das finanziell wider? Welche Möglichkeiten (durch die Finanzielle Unterstützung) hat ein Pflegebedürftiger, wenn er auf Hilfe und Unterstützung angewiesen ist?
Pflegesatz
Die nachfolgende Tabelle verdeutlicht die Veränderungen in den Leistungen der Pflegekassen, die sich durch das Pflegestärkungsgesetzt II ergeben haben.
Sie können hier die Entwicklung durch die Neuerung der Pflegereform gut erkennen.
Sie sehen die Pflegestufen, die als solche vor dem 01.01.2017 bezeichnet wurde. Die Veränderung durch die Umstellung auf entsprechende Pflegegrade
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seit dem 01.01.2017 können Sie einmal ohne und einmal mit der
„PEA“ ersehen.
Die Abkürzung „PEA“ bezeichnet Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz. Sie erinnern sich: Die Alltagskompetenz sagt über einen Menschen aus, ob er einen erheblichen Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung hat. Dieser Bedarf richtet sich hauptsächlich an Menschen mit Demenz und psychischen Einschränkungen. Menschen mit einer eingeschränkten Alltagskompetenz haben einen Anspruch auf besondere Betreuungsleistungen, zusätzliche Pflegeleistungen und häusliche Betreuung.
Sie werden feststellen, dass durch die Neuerungen des Gesetzes höhere Geldbeträge für die pflegebedürftigen Menschen zur Verfügung gestellt werden, die den Pflegenden und deren Angehörigen mehr Freiraum und mehr Möglichkeiten geben sollen, die pflegerische Unterstützung ggf. durch einen Pflegedienst, eine Pflegeperson, oder eine Betreuungsperson zu ermöglichen.
Pflegestufe 0 mit PEA → Pflegegrad 2
Leistungsbeschreibung 2016 2017 Differenz
Pflegegeld 123 € 316 € 193 €
Pflegesachleistung 231 € 689 € 458 €
Vollstationäre Pflege 231 € 770 € 539 € Pflegestufe 1 ohne PEA → Pflegegrad 2
Leistungsbeschreibung 2016 2017 Differenz
Pflegegeld 244 € 316 € 72 €
Pflegesachleistung 468 € 689 € 221 €
Vollstationäre Pflege 1.064 € 770 € – 294 € Pflegestufe 1 mit PEA → Pflegegrad 3
Leistungsbeschreibung 2016 2017 Differenz
Pflegegeld 316 € 545 € 229 €
Pflegesachleistung 689 € 1.298 € 609 €
Vollstationäre Pflege 1.064 € 1.262 € 198 €
Pflegestufe 2 ohne PEA → Pflegegrad 3
Leistungsbeschreibung 2016 2017 Differenz
Pflegegeld 458 € 545 € 87 €
Pflegesachleistung 1.144 € 1.298 € 154 € Vollstationäre Pflege 1.330 € 1.262 € – 68 € Pflegestufe 2 mit PEA → Pflegegrad 4
Leistungsbeschreibung 2016 2017 Differenz
Pflegegeld 545 € 728 € 183 €
Pflegesachleistung 1.298 € 1.612 € 314 € Vollstationäre Pflege 1.330 € 1.775 € 445 €
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Pflegestufe 3 ohne PEA → Pflegegrad 4
Leistungsbeschreibung 2016 2017 Differenz
Pflegegeld 728 € 728 € 0€
Pflegesachleistung 1.612 € 1.612 € 0€
Vollstationäre Pflege 1.612 € 1.775 € 163 € Pflegestufe 3 Härtefall mit u. ohne PEA → Pflegegrad 5
Leistungsbeschreibung 2016 2017 Differenz
Pflegegeld 728 € 901 € 173 €
Pflegesachleistung 1.995 € 1.995 € 0€
Vollstationäre Pflege 1.995 € 2.005 € 10 €
4. Abbildung: Die Pflegereform 2017– Überleitung von Pflegestufen zu Pflegegraden
Quelle: Eigene Darstellung (nach gkv-spitzenverband.de)
Für die Versorgung in den Bereichen vollstationärer Pflege, teilstationärer Pflege, sowie der Kurzzeitpflege gelten folgende Vereinbarungen:
„Die Höhe der Entgelte für stationäre Pflegeleistungen (Pflegesätze) vereinbaren der Träger der Einrichtung, die Pflegekasse und der zuständige Sozialhilfeträger (§ 85 SGB XI). Die Pflegesätze werden für alle Bewohner des Heims nach einheitlichen Grundsätzen bemessen. […] Der Pflegesatz umfasst die Vergütung für die pflegerische Versorgung und soziale Betreuung sowie für die zusätzliche Betreuung und Aktivierung der Pflegebedürftigen aller Pflegegrade. […] Zuschläge für besonderen Komfort oder zusätzlicher Leistungen vereinbaren (§ 88 SGB XI)“ (Quelle: Auszug aus aok- gesundheitspartner.de)
Vergütungssatz
Beim Thema Vergütungssatz betrachten wir die Rahmenempfehlungen für ambulante, hauswirtschaftliche und pflegerische Versorgungen.
Gehen wir doch erst einmal zu Beginn auf die gerade erwähnten Unterschiede ein. Was bedeutet es, wenn ich einen Menschen ambulant, hauswirtschaftlich und pflegerisch unterstütze?
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Was verstehen wir unter dem Begriff der ambulanten Versorgung?
Hier unterscheiden wir bei der Erklärung unter zusätzlichen Betreuungsleistungen nach §45 SGB XI und der ambulanten Pflege nach SGB XI
Zu den zusätzlichen Betreuungsleistungen nach §45 SGB XI zählen:
▪ Beaufsichtigung von Pflegebedürftigen (um der Pflegeperson eine „sichere“ Auszeit zu ermöglichen)
▪ Unterstützung bei sinnvoller Beschäftigung (z.B.
gemeinsam lesen, Gesellschaftsspiele, Fotos ansehen, Spaziergang)
▪ Pflegebedingte Botengänge
▪ Begleitung bei (z.B.) Arztbesuchen, Behördenbesuchen
▪ Hilfsmittelbesorgung
▪ Hauswirtschaftliche Versorgung
▪ Gespräche führen (Unterhaltung fördern)
Zu dem Bereich der ambulanten Pflege nach SGB XI gehört:
▪ Körperbezogene Pflegemaßnahmen (waschen, anziehen)
▪ Pflegerische Betreuungsmaßnahmen
▪ Essenanlieferung
▪ Verabreichung von Sondennahrung mittels Schwerkraft oder Pumpe
Was verstehen wir unter dem Begriff der hauswirtschaftlichen Versorgung?
Unter der „Überschrift“ der hauswirtschaftlichen Versorgung wurden bis zum 01. Januar 2017 folgende Leistungen zusammengefasst:
▪ Einkaufen
▪ Kochen
▪ Reinigen der Wohnung
▪ Spülen
▪ Wechseln und waschen der Wäsche und Kleidung
▪ Beheizen der Wohnräume
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Ab dem 01. Januar 2017 hat sich der Bereich der Hauswirtschaft etwas verändert. Wir sprechen jetzt nicht mehr „nur“ von der Hauswirtschaft, sondern von der Haushaltsführung. Hier finden zur Ermittlung des Pflegebedarfs die Fähigkeiten in den Bereichen
▪ Mobilität
▪ Kognitive Fähigkeiten
▪ Kommunikative Fähigkeiten
▪ Verhaltensweisen
▪ Psychische Problemlagen
▪ Selbstversorgung (Bewältigung und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen im Alltag)
Seit dem 01. Januar 2017 gehören zu der sogenannten Haushaltsführung, folgende Bereiche dazu:
▪ Hauswirtschaftliche Tätigkeiten
▪ Einkäufe
▪ Gartenarbeit
▪ Tierpflege
▪ Begleitung, Hol- und Bringedienste
▪ Betreuung von Kindern, Behinderten oder Älteren
▪ Einfache Reparaturen und Instandhaltungen
▪ Unterstützungen bei amtlichen und bürokratischen Tätigkeiten
Zusätzliche Betreuungsleistungen können seit dem 01. Januar 2017 für alle Pflegebedürftigen mit den Pflegegraden 1 – 5 abgerufen werden. Monatlich kann ein Betrag von bis zu 125€ abgerufen werden.
Der Betrag ist zweckgebunden und soll zur Entlastung der Pflegeperson eingesetzt werden. Er ist gedacht zur Förderung des Alltags, der Selbstständigkeit und der Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen.
Der Betrag in Höhe von bis zu 125€ wird nicht bar ausgezahlt. Der Pflegebedürftige tritt zunächst in Vorleistung, reicht dann Rechnungen und Quittungen bei seiner Pflegekasse ein und erhält den Betrag zurück. Viele ältere Menschen sind überfordert, durch diese Vorgänge. Aus dem Grund arbeiten viele Leistungserbringer mit einer sogenannten Abtretungserklärung, sodass die Pflegekasse mit dem Leistungserbringer direkt abrechnen darf.
Diese Zusätzlichen Betreuungsleistungen können jedoch nicht von „jeder Mann“ abgerufen werden. Ein Leistungserbringer muss nach Landesrecht
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anerkannt sein. Informationen, wer Leistungserbringer sein darf, oder wie man eine solche Anerkennung erhalten kann, sollte man sich bei den Pflegekassen im eigenen Umfeld einholen.
Die zusätzlichen Betreuungsleistungen können für folgende Angebote in Anspruch genommen werden:
▪ Betreuungsgruppen für Personen mit Demenz
▪ Tagesbetreuung in Kleingruppen
▪ Einzelbetreuung durch anerkannte Helfer
▪ Mobilisation unter Begleitung
▪ Besuchsdienste
▪ Sinnvolle Beschäftigung (z.B. Lesen, Gesellschaftsspiele, Kochen oder Backen)
▪ Familienentlastende Angebote
▪ Angebote der Beschäftigung und Aktivierung
▪ Spezielle Angebote zur Beschäftigung von Demenzkranken
Die Vergütungssätze für die ambulante und die stationäre Versorgung eines pflegebedürftigen Menschen unterscheiden sich. Die ambulante Versorgung eines pflegebedürftigen Menschen umfasst neben der pflegerischen Versorgung, die hauswirtschaftliche Versorgung und die Betreuung.
Die stationäre Versorgung umfasst die Versorgung durch vollstationäre Pflege, teilstationäre Pflege, sowie die Kurzzeitpflege.
Infobox
Ambulante Versorgung eines pflegebedürftigen Menschen
„Um eine wirksame und wirtschaftliche pflegerische Versorgung sicherzustellen, schließen die Landesverbände der Pflegekassen mit den Vereinigungen der Träger der ambulanten Pflegeeinrichtungen und unter Beteiligung des MDK, der Arbeitsgemeinschaft der örtlichen Träger der Sozialhilfe sowie des Verbandes der privaten Krankenversicherung für jedes Bundesland Rahmenverträge ab (§ 75 SGB XI). Diese sind für die Pflegekassen und die zugelassenen Pflegedienste unmittelbar verbindlich.“ (Quelle: Auszug aus www.aok-gesundheitspartner.de)
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Die Vergütungen, die ein Dienstleister für seine Tätigkeit erhält, sind in den §§
75 SGB XI, 89 SGB XI verankert. Im weiteren Verlauf erfahren Sie mehr darüber. Das Abrechnungssystem für vertraglich verbundene Dienstleister ist sehr komplex und umfangreich.
Merke
Jeder Anbieter muss sich an die gesetzlichen Vorgaben halten. Eine Differenzierung in der Vergütung nach Kostenträgern ist nicht zulässig. Für diese Vergütungsvereinbarungen haben die Spitzenverbände der Pflegekassen kurz nach Einführung der Pflegeversicherung eine Empfehlung abgegeben.
PFLEGEREFORM
Was bedeutet die Pflegereform in der täglichen Arbeit? Was hat sich geändert ab dem 01.01.2017?
Die Reform sollte eine Erleichterung für einen Pflegebedürftigen darstellen. Wie erkenne ich diese Erleichterung im Alltag und was genau hat sich verändert, vielleicht sogar verbessert?
All diese Fragen, sowie Themenschwerpunkte, werden wir in diesem Kapitel erläutern und Ihnen näherbringen.
Am 01. Januar 2015 trat das erste Pflegestärkungsgesetz (PSG I) in Kraft.
Bereits im Jahr 2015 erhielten Pflegebedürftige, sowohl deren Angehörige mehr Unterstützung durch die Pflegeversicherung. Die Leistungsbeträge wurden angehoben. Leistungen im Bereich der Kurzzeit- und Verhinderungspflege wurden bereits im Jahr 2015 ausgebaut und konnten bereits seit dieser besser miteinander kombiniert werden.
Wir fassen für Sie kurz zusammen, was sich bereits im Jahr 2015 verändert, bzw. verbessert hat:
▪ Leistungsbeträge der Pflegeversicherung wurden ausgebaut
▪ Kurzzeit- und Verhinderungspflege wurden ausgebaut und können besser kombiniert werden
▪ Niedrigschwellige Betreuungsleistungen in der ambulanten Pflege wurden ausgeweitet
▪ Mittel für Umbaumaßnahmen (z.B. barrierefreie Duschen) wurden auf bis zu 4000€ erhöht
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▪ Leistungen im Demenzbereich wurden verbessert, so haben seit dem Jahr 2015 Menschen mit Demenz die Möglichkeit, auch Leistungen der teilstationären Tages- oder Nachtpflege sowie Kurzzeitpflege in Anspruch zu nehmen
Zitat des Bundesministeriums für Gesundheit:
„Die Verbesserungen durch das erste Pflegestärkungsgesetz wurden bei der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und der fünf neuen Pflegegrade in Verbindung mit den neu festgesetzten Leistungsbeträgen zum 01. Januar 2017 übernommen und teilweise erneut ausgeweitet.“
(www.bundesgesundheitsministerium.de)
Zum 01. Januar 2017 trat das sogenannte Pflegestärkungsgesetz II in Kraft.
Die Pflegebedürftigkeit wurde neu definiert und aus drei Pflegestufen wurden fünf Pflegegrade.
Auf dieser Grundlage erhalten Pflegebedürftige gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung, ob sie von körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen betroffen ist.
Durch das neue Begutachtungsinstrument und die Veränderungen des Pflegestärkungsgesetz, kann die individuelle Lebenssituation des Pflegebedürftigen erfasst und begutachtet werden.
So wird es möglich, eine individuelle Versorgung und ggf. den Erhalt der Selbständigkeit zu erhalten.
Ein besonderes Augenmerk liegt hier auf die Einstufungsmöglichkeit bei Menschen mit Demenz.
Durch die bereitgestellten, individuellen und passgenauen Hilfen sollen neben der Selbständigkeit, ebenso die Fähigkeiten des Pflegebedürftigen erhalten und gestärkt werden.
Bevor die Pflegereform in Kraft getreten ist, hatten es manche Menschen sehr schwer, in der Begutachtung die notwendigen Punkte zu sammeln, die man benötigt, um eine Pflegestufe zu erhalten. Dies galt insbesondere für Menschen mit psychischen und demenzbedingten Einschränkungen.
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Stellen Sie sich einen demenzkranken Menschen vor:
Oftmals wären diese Menschen rein körperlich in der Lage, ihren Alltag alleine zu bewältigen. Die Einschränkungen aufgrund ihrer Demenzerkrankungen führen aber dazu, dass die selbständige Bewältigung mancher oder vieler der kleinen Alltagsverrichtungen nicht mehr funktioniert. In einem solchen Fall war und ist es notwendig, dem Menschen eine Anleitung oder - je nach Schweregrad - auch eine Unterstützung zu ermöglichen.
Diese Anleitung und Unterstützung im angemessenen Umfang, die durch die Einstufung in eine „Pflegestufe“ (vor dem 1. Januar 2017) ermöglicht wurde, war für Menschen, ohne oder mit nur sehr geringen körperlichen Einschränkungen, schwer zu erreichen. Seit der Pflegereform im Jahr 2017 werden auch psychische und geistige Einschränkungen bei der Feststellung des Pflegebedarfs berücksichtigt, um so dem pflegebedürftigen Menschen die Hilfe und Möglichkeit zukommen zu lassen, die er benötigt, um seinen Alltag zu bewältigen.
Infobox
Änderung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs durch das Pflegestärkungsgesetz II
„Erstmals werden alle für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit relevanten Kriterien in einer für alle Pflegebedürftigen einheitlichen Systematik erfasst. Für sie entsteht ein gleichberechtigter Zugang zu Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung, unabhängig davon, ob sie von körperlichen, geistigen oder psychischen Einschränkungen betroffen sind.“
Quelle: gesundheit-soziales-hamburg.verdi.de
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PFLEGEGRADE STATT PFLEGESTUFEN
2. Abbildung: Überleitung Pflegestufe zu Pflegegrad Quelle: vdk.de
Merke
Wenn ein pflegebedürftiger Mensch während einer Begutachtung durch den MDK „beurteilt“ wird, wird er in der vorhandenen „Selbständigkeit“ beurteilt.
Der MDK Mitarbeiter schaut auf die vorhandenen Fähigkeiten und Möglichkeiten, sowie auf die Bereiche, bei denen der pflegebedürftige Mensch eine Anleitung, bzw. Unterstützung durch eine zusätzliche Pflegeperson benötigt.
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Personen, die bereits vor der Pflegereform, also vor dem 01.Januar 2017 in eine Pflegestufe eingestuft wurden, wurden durch die Pflegekassen nach dem Wechsel automatisch - ohne Wiederholungsprüfung - in den neuen Pflegegrad eingestuft. Hierfür hat der Gesetzgeber den sogenannten Bestandsschutz garantiert.
Infobox
Umsetzung des Wechsels von der Pflegestufe zum Pflegegrad
„Dabei gilt der Grundsatz: Pflegebedürftige mit ausschließlich körperlichen Einschränkungen erhalten anstelle der bisherigen Pflegestufe den nächsthöheren Pflegegrad.
Pflegebedürftige, bei denen eine eingeschränkte Alltagskompetenz (PEA) festgestellt wurde, werden zwei Pflegegrade höher eingestuft.“
Quelle: gkv-spitzenverband.de
Ein Mensch, der ausschließlich aufgrund körperlicher Einschränkungen in eine Pflegestufe eingestuft wurde, wurde durch die Pflegereform ab dem 01. Januar 2017 in den nächst höheren Pflegegrad eingestuft.
Hat ein Mensch zu den körperlichen Einschränkungen zusätzliche Einschränkungen der Alltagskompetenz – z.B. durch eine Demenz-Erkrankung oder eine geistigen Behinderung - wurde er durch die Pflegereform um zwei Pflegegrade höher eingestuft.