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Enhancement – Die ethische Debatte

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Buchbesprechung

Ärzteblatt Sachsen 3 / 2010 117

Enhancement – Die ethische Debatte

Schöne­Seifert, B., Talbot, D. (Hrsg.) mentis Paderborn 2009

ISBN 978­3­89785­604­2

Dieses Werk steht in engem Zusam- menhang mit dem Buch über Enhan- cement der gleichen Herausgeber, das in diesem Heft auf Seite 116 rezensiert wurde. Die Abhandlungen betrachten Enhancement als eine breitgefächerte Strategie zur Verbes- serung von Geist, Körper und Nach- kommen aus sportmedizinischer (Doping), ästhetisch-chirurgischer und gentechnischer Sicht und versu- chen, bioethische Maßstäbe an die Problematik anzulegen. Zunächst geht es um Grenzziehungen von Therapie und Enhancement und die moralische Bewertung entsprechen- den Vorgehens. Der Begriff „Enhan- cement“ lasse sich sehr unterschied- lich interpretieren und dementspre- chend fielen auch Bewertungen aus (Juengst).

Politischen Antworten auf Enhance- menttechniken wendet sich Brock zu, indem er den Interventionsrahmen sehr weit zieht: vom gesetzlich vor- geschriebenen Impfen und Präven- tionsmaßnahmen einerseits bis zu sanktoniertem Verhalten (etwa Dro- gen). Als moralisch problematisch nennt der Autor Wettbewerbsverzer- rungen, Gesundheitsgefahren; es sei deshalb eine sehr nuenzierte Betrach- tung erforderlich.

Sportdoping als „dramatischste Medikamenteneinnahme“ wird in mehreren Beiträgen angesprochen (Murray, Foddy et al.). Es werden dabei sowohl die ethischen Implika- tionen erörtert, wie auch eine völlige Freigabe erwogen. Mit der Schön- heitschirurgie und der Frage, ob sie Luxustherapie oder Grundversorgung sei, befasst sich K. Davis. Mehr als zwei Millionen Amerikaner unterzö- gen sich im Jahr kosmetischen Ope- rationen. Dieselben seien ein typi- sches Beispiel für Enhancement.

Gehören sie in den Pflichtbereich des Arztes? Die Autorin Little spricht in diesem Zusammenhang von fragwür- digen Normen und einer Ethik der

„Komplizenschaft“.

Über die rasant wachsende Branche der Schönheitschirurgie machen sich G. Franklin et al Gedanken in Bezug auf die „Binnenmoral“ der Medizin, die sich in rollenspezifischen Pflich- ten und klinischen Tugenden erwei- sen und in einem gewissen Gegen- satz zu – aus der Konsumentensou- veränität resultierenden Geschäfts- beziehung zwischen Arzt und Patient – stehen. Patientenautonomie und Konsumentensouveränität seien wohl zu unterscheiden. Insoweit seien ethische Bedenken gegeben. Weitere Autoren vermögen im Enhancement im Sinne des Gehirndopings keine ethischen Probleme zu erkennen (Caplan). Eine besondere Rolle bei diesen Substanzen spielt Fluctin, wie an Fallbeispielen (Kramer) dargestellt wird. Ein besonders lesenswerter Artikel (Whitehous, Juengst et al.) befasst sich mit neuesten Entwick- lungen in der Kognitionsforschung und medizinphilosophischen Sichten des Problems, wobei auch die „mora- lischen Fallstricke“ nicht unerwähnt bleiben. Eine öffentliche Debatte wird gefordert, in die der Autor Elliott eingreift, in dem er u. a. pro- nonciert, die „kosmetische Pharma- kologie“ des Prozac (=Fluctin) werfe ähnliche Fragen auf, wie die Psycho- delie der 50iger und 60iger Jahre durch LSD und Meskalin. Ein speziel- les Kapitel des Buches befasst sich mit „Enhancement am Nachwuchs“, der Rolle gentechnischer Maßnah- men, um die „bestmöglichen Kinder, die wir haben können“ zu erreichen.

Die Autoren (Buchanan et al.) mei- nen resümierend, solange „das Recht des Kindes auf eine offene Zukunft respektiert wird, sollte es keine Ein- wände dagegen geben, dass Eltern mit Hilfe genetischer Eingriffe best- möglichen Nachwuchs heranzie- hen“.

Der verwirrte Leser fragt sich natür- lich, was passiert, wenn aus der familiären Entscheidung eine gene- relle Möglichkeit wird, eine ganze Gesellschaft zu manipulieren, und die Möglichkeiten in die Hände von Systemen geraten – das 20. Jahrhun- dert hat deren mehrere hervorge- bracht – die eigenen Machtideolo- gen folgend die Menschen in ihrem Sinne formen wollten?

Der Philosoph Jürgen Habermas setzt sich in seinem Beitrag mit dem Gegensatz des „von der Natur aus Gewordenen“ und des „Hergestell- ten“ auseinander. Solange der Be - griff der Heilung von Krankheit diene, sei es erwünscht. Gefahren drohen aus einer „Technisierung“ der mensch- lichen Natur. In zwei besonders prä- gnanten Abschnitten des „President´s Council on Bioethics“ (einem ethi- schen Beratungsgremium des ameri- kanischen Präsidenten) zu geneti- schen Enhancement mit psychotro- pen Substanzen bei Kindern werden die Gefahren derartiger Strategien besonders herausgestellt.

Der letzte Abschnitt des Buches befasst sich mit der Alterung der Gesellschaft und den diesbezügli- chen Möglichkeiten, die Lebensqua- lität zu verbessern. Besonders wer- den jedoch die epidemiologische Situation und die sozialen Folgen der zunehmenden Alterung der Gesell- schaft auch unter dem Aspekt vom Leben zum Tode hin erörtert.

Das Werk versammelt Artikel, die in den letzten 10 Jahren verfasst wur- den und in die Enhancementproble- matik vor allem aus medizinischer – speziell bioethischer und philosophi- scher – Sicht einführt. Alle Beiträge sind sehr lesenswert und für den medizin-ethischen Diskurs bedeut- sam. Sie zeigen dabei die durchaus ambivalente Sicht gegenüber be - stimmten Entwicklungen, immer hin- und hergeworfen zwischen der Ent- scheidungsfreiheit des Bürgers und den möglichen Gefahren, wenn alle naturwissenschaftlich möglichen Stra- tegien einer Leistungsverbesserung, ästhetischen Verbesserung oder gar genetischen Verbesserung des Men- schen ausgeschöpft würden.

Es ist dem Rezensenten kaum mög- lich, auch nur annähernd einen Überblick über die Fülle an Informa- tion dieses Buches zu geben; die wenigen Schlaglichter soll nur das Interesse an einer bemerkenswerten Schrift wecken.

Prof. Dr. med. habil. Otto Bach Vorsitzender der Sächsischen Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung

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