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Gesundheitsversor- gung im Spannungs- feld von Ethik und Effizienz

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Gesundheitsversor- gung im Spannungs- feld von Ethik und Effizienz

Medizinische Ethik und Erfordernisse wirtschaftlicher Effektivität stellen sich nicht selten als Gegensatzpaar dar.

Wir Ärzte stehen im Konflikt dieser beiden Gegenpole, indem wir einer- seits bestmögliche medizinische Ver- sorgung mit begrenzten Mitteln rea- lisieren müssen. Andererseits ernüch- tert uns, wenn wir unser ethisches Selbstverständnis gleichgesetzt sehen mit Verantwortlichkeit für diese Be - grenzung und schlimmer noch, wenn wir für den unumgänglichen Res- sourcenverbrauch bestraft werden wie beispielsweise beim Pharmare- gress. Zugleich wächst der Druck durch profitorientierte Strukturen und deren Manager, unser Tun in bare Münze umzuwandeln. Spätes- tens dann, wenn gigantische büro- kratische Ausgabebremsen wie DRG, DMP etc. in bedrückender Art und Weise aufgebaut werden, sind ärztli- che Motivation und Altruismus in ernster Gefahr.

Beleuchten wir die beiden Kontra- punkte genauer, so bedeutet Ethik die Akzeptanz menschlicher Sitten und deren Selbstverständnis. Es ent- steht eine Betrachtung von Men- schen und deren Beziehungen zuein- ander. In der Medizin zentriert sich diese in der Betreuung von Hilfsbe-

dürftigen. Betreuung beinhaltet den Wortstamm der Treue, des Vertrau- ens, schafft also für uns Ärzte eine besondere Sphäre der Verantwor- tung. Oder mit anderen Worten: Wir benötigen als Vertreter eines freien Berufes entsprechende Entschei- dungsfreiräume im medizinisch-sozi- alen Gefüge, ohne dem in der Wirt- schaft üblichen ökonomischen Diktat unterworfen oder gar davon abhän- gig zu sein. Dies entpflichtet uns keineswegs, Erfordernisse der Wirt- schafts- und Gesellschaftsethik zu beachten.

Effizienz dagegen setzt den Nutzen von Maßnahmen ins Verhältnis zum Aufwand und ist die Grundlage des ökonomischen Prinzips. In Bezug auf die Gesundheitsversorgung heißt das Ökonomisierung und Vermarktung der Medizin. Die Schere zwischen gesellschaftlich Machbarem und medizinisch Möglichem klafft immer weiter und fördert zunehmende Spannungsfelder, die mehr und mehr bürokratischer, organisatorischer und juristischer Reglementierungen be - dürfen. Durch politische Einfluss- nahme verkommen Ärzte zu Dienst- leistern und Patienten zu Kunden fern jeglicher ethischer Bezüge. Was wundert, dass Moral und Ethik auch und gerade jüngerer, zunehmend verunsicherter Ärztegenerationen ins Wanken geraten, dass ein Verlust der Menschlichkeit (eigentlich sprechen wir von Humanmedizin) eintritt und eben der Mensch als Ganzes durch die Effizienz von Spezialisierung und Differenzierung aus dem Blickfeld schwindet.

Gibt es eine Synthese zwischen den beiden Kontrapunkten Ethik und Effizienz, eine Auflösung des Gordi- schen Knotens?

Einen Beitrag, den ökonomischen Druck ethisch abzufedern, könnte eine systematische Priorisierung medizinischer Leistungen erreichen.

Unser ärztliches Handeln besteht aus Priorisierungen: Der Notfall hat Vor- rang vor dem „geplanten Zugang“.

Eine Chemotherapie beim multimor- biden älteren Menschen will wohl- überlegt sein – um nur zwei Beispiele zu nennen.

Die Gesellschaft muss handeln, ge - meinsam mit beispielsweise Patien- tenvertretern, Juristen, Theologen, Politikern, Philosophen und Ärzten Regeln aufstellen, Grenzen ziehen und plausibel machen. Dies hat nichts mit Rationierung zu tun, die eher aus Not statt aus Vernunft geboren wird. Mancher sollte sich zum Verständnis der Wortinhalte den Duden zu Rate ziehen. Eine gesell- schaftliche Diskussion über Priorisie- rungsinhalte stellt außerdem einen gewissen juristischen Schutz in unse- rer täglichen diffizilen Entscheidungs- findung dar.

Ein auf Effizienz hin orientiertes medizinisches Handeln kann ethisch dann vertretbar sein, wenn der Pati- ent dabei im Mittelpunkt ärztlichen Tuns bleibt. „Auf Kosteneffizienz ge - trimmte Apparatemedizin ist genau das, was die Patienten nicht wün- schen“ (Gesundheitsbarometer 2009 von Ernst & Young).

Eine weitere Chance besteht in der Überwindung von Sektorengrenzen.

Der Patient ist weder ein ambulantes noch ein stationäres Wesen, er ist Teil eines „Gesamtkunstwerks“ (Prof.

Dr. med. habil. Dietrich Grönemeyer).

Wir brauchen wieder mehr Zuwen- dung, Verständnis und Einfühlung.

Jeden von uns kann es treffen, die meisten wird es treffen… .

Und damit bin ich bei der wichtigs- ten Bedingung, dieses System modern, effizient und zugleich ethisch zu erhalten: Unsere Rückbesinnung auf die ärztliche Freiberuflichkeit, die drei wesentliche Aspekte vereint: Das ist die Beachtung des Allgemein- wohls, die ärztliche Kompetenz und die Akzeptanz der Individualität ärzt- licher Tätigkeit.

Der Arztberuf ist in seinem Bekennt- nis zu humanen Grundwerten eine Berufung, die keinem Werteverfall unterliegen darf: „Wenn wir dem nachgeben, wird der Patient zum Werkstück in der Gesundheitsindus- trie“ (Prof. Dr. Dr. h.c. Karsten Vilmar).

Dr. med. Rainer Kobes Vorstandsmitglied

Editorial

450 Ärzteblatt Sachsen 8 / 2010

450 Ärzteblatt Sachsen 8 / 2010

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