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Stellungnahme zu „Europe on the Move“ des Deutschen Gewerkschafts- bundes zum

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Deutscher Gewerkschaftsbund Bundesvorstand

Martin Stuber

Referatsleiter Infrastruktur- und Mobilitätspolitik

Robert Spiller

Referatsleiter EU Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

1. Hintergrund

Am 31.05.2017 hat die EU-Kommission ein Maßnahmenpaket mit Vorschlägen zur Überar- beitung zahlreicher Richtlinien zur Ausgestaltung des europäischen Transportsektors unter dem Titel „Europe on the Move – an agenda for a socially fair transition towards clean, competitive and connected mobility for all” offiziell vorgestellt. Das seit längerem angekün- digte Paket enthält Initiativen zur Überarbeitung von insgesamt sieben Richtlinien mit sowohl verkehrspolitischem als auch sozialpolitischem Regelungscharakter sowie eine Sozialpartner- konsultation und einen Innovationsbericht. Zudem werden ein Vorschlag zur Überwachung von CO2-Emissionen und zum Kraftstoffverbrauch von Lkw, ein Bericht zur Qualitätsüberprü- fung von Benzin- und Dieselkraftstoffen sowie eine Reihe ergänzender Studien vorgelegt.1 Schon bei der Veröffentlichung des Vorschlags zur Revision der Entsenderichtlinie 96/71/EG durch die EU-Kommission am 8. März 20162 wurde erkennbar, dass die EU-Kommission be- absichtigt, in diesem Kontext legislativ tätig zu werden. Zu diesem Zeitpunkt waren Ausmaß und Ausrichtung der zum Straßenverkehrspaket zugehörigen Initiativen noch offen. Der Ver- weis in der Revision der Entsenderichtlinie machte allerdings bereits früh deutlich, dass eine sektorspezifische Regelung für entsandte Beschäftigte im Transportsektor als geplante Aus- nahme von den Mindeststandards und Schutzbestimmungen, die für entsandte Beschäftigte bisher grundsätzlich gelten, zu erwarten ist.

Das Paket der nun vorgesehenen Maßnahmen und die dadurch berührten Regelungsmate- rien sind umfangreich. Die federführende EU-Kommissarin Violeta Bulc kündigte bei der Vor- stellung an, dass hiermit ein „Fundament für standardisierte, digitale Straßenlösungen, faire soziale Bedingungen und durchsetzbare Marktregeln“ geschaffen werden solle. Die Erwar- tungshaltungen, die von Seiten der Kommission an einen Erfolg des Pakets geknüpft werden, berühren dementsprechend verschiedene Kontexte: Es solle dazu beitragen, die sozioökono- mischen Kosten im europäischen Transportsektor insgesamt zu senken. Die durch Verkehr,

1 Alle Inhalte des Kommissionsvorschlags sind abrufbar unter https://ec.europa.eu/transport/modes/road/news/2017-05-31- europe-on-the-move_en

2 In Erwägungsgrund 10 des Revisionsvorschlags führt die EU-Kommission aus, dass sie sektorspezifische Vorschriften und Initiativen für hochmobile Sektoren wie den Straßentransport für wünschenswert hält.

stellungnahme

Stellungnahme zu „Europe on the Move“ des Deutschen Gewerkschafts- bundes zum

Maßnahmenpaket „Europe on the Move“ der EU-Kommission im Trans- portsektor (auch „Straßenverkehrspaket“) im Zusammenhang mit den Vor- schlägen in der Mitteilung COM(2017)283 und zu den Richtlinien und Ver- ordnungen 2006/22/EG, 96/71/EG, 561/2006/EG, 165/2014/EG, 1071 und 1072/2009/EG, 1999/62/EG, 2004/52/EG und 2017/0111 (COD)

Die Arbeitsbedingungen im europäischen Straßenverkehr ver- bessern

30.08.2017

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Verschmutzung und Lärm beeinträchtigten Gesundheitsbedingungen sollen verbessert und gleichzeitig den Bedürfnissen von Bürgern, Unternehmen und Umwelt Rechnung getragen werden. Da sich der europäische Transportsektor insgesamt durch tiefgreifende technologi- sche, ökonomische und soziale Transformationen mit stetig wachsender Dynamik verändere, müsse die Kommission hier frühzeitig und umfassend handeln.

Dieser Handlungsauftrag wird in den Kontext der „State of the Union“-Rede von Kommissi- onspräsident Juncker im Jahr 2016 gestellt. Juncker hatte eine EU, die schützt, stärkt und verteidigt, als Ziel und Anspruch formuliert. Die bei der Vorstellung skizzierten Zielsetzungen sind ambitioniert: der Verkehr auf Europas Straßen soll sicherer und zukunftsfähiger werden;

Straßengebühren sollen künftig intelligent ausgestaltet werden, gleichzeitig die CO2-Emissi- onen gesenkt und die Gesundheit geschützt werden. Als langfristige Ziele, die weit über den Transportsektor hinausgehen, werden eine Stärkung des Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Stärkung von sozialer Fairness, die Verbraucherinformati- onen ausgeweitet und letztlich die Dekarbonisierung auch des Verkehrssektors benannt.

Für den DGB stehen die Auswirkungen der Vorhaben auf die Beschäftigten im Vordergrund.

Immerhin sind 5 Millionen Europäerinnen und Europäer im Straßenverkehr tätig. Die übrigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind indirekt auf ihren Arbeitswegen und durch Um- weltauswirkungen betroffen. Die Straßeninitiative ist also ein lohnendes Handlungsfeld, in dem die Kommission für viele sichtbar zeigen kann, dass sie ihr Ziel, die soziale Dimension Europas zu stärken, ernst meint. Die unhaltbaren Zustände im Straßengüterverkehr müssen ein Ende haben. Erzwungene Übernachtungen in der Fahrerkabine, deutlich überschrittene Lenkzeiten bei fehlenden Ruhephasen, undurchsichtige Vertragskonstruktionen, die Beschäf- tigte mit vermeintlich hohen Löhnen und guten Beschäftigungsbedingungen locken und sich in der Realität als organisierte Lohn- und Sozialdumpingpraxis erweisen, dürfen nicht länger den Alltag vieler Beschäftigter in dieser Branche kennzeichnen. Das Problem der bisherigen Regeln ist vor allem ihre fehlende Durchsetzung durch Kontrollen und Sanktionen. Nun wer- den die Regeln der falschen Praxis angepasst oder ihre Anwendung verzögert.

In ihrem Vorschlag weist die Kommission darauf hin, dass die im Rahmen des REFIT-Pro- gramms durchgeführte Bewertung der Sozialvorschriften im Kraftverkehr „gezeigt (hat), dass diese weder effizient noch wirksam genug sind, um die Risiken einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und von Wettbewerbsverzerrungen eindämmen zu können.“3 Gründe hierfür seien Unzulänglichkeiten im Rechtsrahmen und deshalb eine unterschiedliche Umset- zung enthaltener Bestandteile sowie die Gefahr einer „Fragmentierung des Binnenmarktes“.

2. Pläne der EU-Kommission

Die Pläne der Kommission werden in der Mitteilung „Europa in Bewegung“

COM(2017)283 mit dem programmatischen Untertitel „Agenda für einen sozialverträgli- chen Übergang zu sauberer, wettbewerbsfähiger und vernetzte Mobilität für alle“ im Über-

3 2017/0121 (COD), S. 2

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blick unterbreitet. Die Agenda soll den europäischen Mobilitätssektor stärken, um Beschäf- tigung, Wachstum und Investitionen zu fördern. Sie soll die übergreifende Strategie der Straßeninitiative beschreiben. Ausgangspunkt ist die These der Kommission, dass Europas Verkehrswirtschaft bisher weltweit geschätzte Spitzenqualität geliefert hat. Auch in Zukunft soll Europa die besten emissionsarmen, vernetzten und automatisierten Mobilitätslösungen und Fahrzeuge herstellen und anbieten und über die modernste Infrastruktur verfügen. Die Kommission will, dass Europa bei der Gestaltung des durch Digitalisierung, Automatisierung und alternative Energiequellen vorangetriebenen Wandels auf globaler Ebene eine Führungs- rolle einnimmt.

Die Mitteilung zum Straßenverkehr wird in den Kontext anderer politischer Rahmenrege- lungen der EU gestellt. Genannt werden u.a. die Energie-Union, der digitale Binnenmarkt, die Agenda für Arbeitsplätze, Wachstum und Investitionen sowie die Strategie für emissions- arme Mobilität und die Investitionsoffensive für Europa. Zudem wird auf die europäische Säule sozialer Rechte verwiesen. Deren Ziele der Schaffung eines gerechten Europas und der Stärkung seiner sozialen Dimension müssten auch im Mobilitätssektor gelten.

Wichtige Herausforderungen aus Sicht der Kommission sind eine nachhaltigere Abwick- lung des Verkehrs bei weiter steigender Nachfrage, die Änderung des Verbraucherverhaltens und der Erhalt von Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Mobilitäts- sektors im Zeichen von Dekarbonisierung, Automatisierung und neuen Nutzungskonzepten.

Digitale Geschäftsmodelle, also online-Plattformen, kooperative Dienste und Smartphone- Apps, die Verkehrsdaten in Echtzeit anbieten, gewinnen für die Kommission an Gewicht. Sie fordert eine Investitionsoffensive für die vernachlässigte Infrastruktur, wobei sie gleicherma- ßen Verkehrs-, die Telekommunikations- und Ladeinfrastruktur im Blick hat.

Damit einher geht ein notwendiger Wandel bei den Kompetenzen. Das automatisierte Fah- ren erfordert mittel- bis langfristig Umschulungen. Kompetenzentwicklungen, Qualifikatio- nen und entsprechende Schulungsmodule sind allerdings nicht Gegenstand der Straßeniniti- ative. Es wird lediglich auf andere EU-Programme verwiesen.

In der Mitteilung kündigt die Kommission Maßnahmen in vier Bereichen an, in denen sie Impulse setzen will: für nachhaltige Mobilität, Binnenmarktregeln, Digitalisierung und Infra- struktur. Den Übergang zu sauberer Mobilität will sie durch strengere Emissionsnormen, de- ren unabhängige Überwachung und durch bessere Verbraucherinformationen zum Beispiel über Emissionswerte, multimodale Reiseketten oder Verkehrsinformationen in Echtzeit be- schleunigen. Zudem setzt sie auf die Ausweitung der Straßennutzungsgebühren. Die Maut soll zukünftig für alle Fahrzeugklassen gelten. Das Verursacherprinzip soll durch eine stre- ckenorientierte Gebührenstaffelung verstärkt werden. Zudem soll die Erhebung externer Kos- ten und Staugebühren erleichtert werden.

Vom vernetzten und automatisierten Fahren und Fortschritten bei den Fahrerunterstützungs- systemen verspricht sich die Kommission eine Verbesserung der Verkehrssicherheit und die Verwirklichung des Ziels „Vision Zero bis 2050“.

Die beschleunigte Bereitstellung von Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, insbesondere Ladestationen für Elektrofahrzeuge, ist die Voraussetzung für einen breiten Markteintritt der

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Elektromobilität. Die Kommission will, dass die Korridore des transeuropäischen Verkehrs- netzes bis 2025 flächendeckend mit Ladestationen ausgestattet werden. Außerdem will sie die Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (COM(2016)765) so ändern, dass ca. 6 Mio. Ladestationen in Wohn- und Geschäftsgebäuden eingerichtet werden.

Die soziale bzw. beschäftigungsrelevante Dimension des Straßenverkehrspakets wird zu- nächst im Richtlinienvorschlag 2017/0121 COD abgebildet, der eine Revision der Richt- linie 2006/22 EC über Sozialvorschriften für Tätigkeiten im Kraftverkehr und eine Lex specia- lis für der Entsenderichtlinie 96/71/EG zur Arbeitnehmerentsendung im Straßentransport- sektor enthält. Die enthaltenen Vorschläge sehen folgende Änderungen vor:

Beschäftigte im grenzüberschreitenden Straßentransport sollen künftig von den Bestimmungen der Entsenderichtlinie 96/71/EG ausgenommen werden, wenn ihre Entsendung kürzer als für eine festgelegte Mindestdauer stattfin- det. Wird ein Beschäftigter im grenzüberschreitenden Straßentransport im Rahmen ei- ner Entsendung für weniger als 3 Tage im Monat pro Mitgliedsstaat eingesetzt, gelten für ihn künftig die Urlaubs- und Mindestlohnbestimmungen seines Herkunftslandes.

Dies stellt eine Umkehr der Regelung der Entsenderichtlinie 96/71/EG dar, da diese die Geltung der genannten Bestandteile in Artikel 3, Abs. 1, Satz 1ab dem ersten Tag nach den Regeln des Aufnahmestaates festschreibt. Diese dreitägige Bemessungsgrenze muss dabei nicht auf reine Kalendertage entfallen, sondern wird bei einer täglichen Ar- beitszeit von bis zu 6 Stunden auch auf halbe Arbeitstage aufgeteilt. Der Betrachtungs- zeitraum ist dabei stets ein Kalendermonat.

Kabotagefahrten im Anschluss an grenzüberschreitenden Straßenverkehr sind künftig unbegrenzt zulässig, müssen aber innerhalb von fünf Tagen er- folgen. Kabotagefahrten gelten nicht als grenzüberschreitender Straßenverkehr, sie sol- len von der zeitlich begrenzten Ausnahme der Entsendung nicht betroffen sein. Hier gelten die Bestimmungen der Entsenderichtlinie ab dem ersten Tag vollumfänglich, so wie es schon bisher der Fall war(siehe (EG) 1072/2009, Art. 8(2)). Die Kabotagefahrten können dabei nicht nur in diesem Zielstaat durchgeführt werden, sondern auch in be- nachbarten Mitgliedsstaaten („contiguous member states“), solange am Ende der 5- tägigen Kabotage die letzte Entladung wieder im ursprünglichen Zielstaat erfolgt.

Festlegung mitgliedsstaatlicher Kontrollbefugnisse. Die Mitgliedsstaaten dürfen nur die folgenden Kontrollmaßnahmen durchführen, um zu prüfen, ob die Entsendebe- stimmungen zu Mindestlohn und Urlaub korrekt eingehalten werden. (Geschlossene Liste von erlaubten Kontrollmaßnahmen)

- Bis spätestens zum Beginn der Entsendung als Stichtag müssen an die zuständigen Behörden des Ziellandes übermittelt werden: Identität des Unternehmens, An- sprechpartner im Niederlassungsstaat, Zahl und Namen (nicht Geburtsdaten!) ent- sandter Fahrer, Dauer und Rahmen der Entsendung, Kennzeichen der eingesetzten Fahrzeuge, Art der Verkehrsdienstleistungen

- Verpflichtetes Mitführen der Entsendemeldung durch den Fahrer; ebenso: Nach- weis über Erbringung von Verkehrsdienstleistungen im Zielstaat, Aufzeichnungen des Fahrtenschreibers; Arbeitsvertrag oder gleichwertiges Dokument; Kopien der Entgeltabrechnungen der letzten beiden Monate;

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- Verpflichtung des Arbeitgebers, nach der jeweiligen Transportoperation auf Ver- langen die Unterlagen der zuständigen Behörde des Zielstaates der Entsendung zu übermitteln.

Durchführung von Kontrollen. Straßenverkehrsunternehmen können nach schwer- wiegenden Verstößen auch auf dem Betriebsgelände kontrolliert werden. Kontrollen werden mindestens für 2 % der relevanten Fahrten in einem Mitgliedsstaat durchge- führt. Sie werden auf Basis einer länderübergreifenden Risikoeinstufung durchgeführt, deren Daten zwischen den Behörden der Mitgliedsstaaten auszutauschen sind. Bei der Risikoeinstufung wird an vergangene Verstöße angeknüpft, sodass eine kontinuierliche Prüfwahrscheinlichkeit auf Basis bereits festgestellter Prüfverstöße entsteht.

Risikoeinstufung. Die Kommission verpflichtet sich, eine einheitliche Formel für die Berechnung der Risikoeinstufung von Verkehrsunternehmen festzulegen. Zur Festlegung der Formel gehören spezifische Kriterien wie die Nutzung eines intelligenten Fahrten- schreibers.

Auch der Vorschlag für die Verordnung 2017/0123 (COD) zur Änderung (EG) Nr.

1071/2009 und (EG) 1072/2009 im Hinblick auf ihre Anpassung an die Entwick- lungen im Kraftverkehrssektor reagiert auf die missbräuchliche Praxis im grenzüber- schreitenden Güterverkehr. Die Kommission problematisiert das unterschiedliche Kontrollni- veau in und die mangelhafte Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Zulassungskriterien für dauerhafte Niederlassungen von Unternehmen und deren Zuverläs- sigkeit sowie auf illegale Kabotage-Beförderungen.

Die Maßnahmen zielen auf die Einschränkung von Briefkastenfirmen durch Änderungen an den Kabotage- und Niederlassungsvorschriften und eine Teilausweitung des Anwen- dungsbereiches der Verordnung auf leichte Nutzfahrzeuge, also Kleinbusse und leichtere LKWs bis 3,5 t. Dieses Segment ist bisher kaum reguliert. Eine Einschränkung für gebiets- fremde Transporte wie bei den schweren Lkw gibt es nicht, auch eine Lizenz ist nicht not- wendig. Es reicht eine Gewerbeanmeldung. Die Sicherheitsvorschriften sind vergleichsweise lax, oft fehlt sogar eine ausreichende Ladungssicherung. Die Fahrzeuge haben keine digitalen Fahrtenschreiber eingebaut.

Obwohl dieses Geschäftsmodell um sich greift, sollen die leichten Nutzfahrzeuge nur teil- weise verpflichtend in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Die konkretisierten Anforderungen an eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung (Art. 5) gehören dazu:

Räumlichkeiten mit angemessener verwaltungstechnischer Ausstattung und Einrichtung, in denen seine wichtigsten Unternehmensunterlagen aufbewahrt werden (Geschäftsverträge, Buchführungs- und Personalverwaltungsunterlagen, Arbeitsverträge, Dokumente mit den Daten über die Lenk- und Ruhezeiten sowie alle Unterlagen, zu denen die zuständige Be- hörde Zugang haben muss. Nicht obligatorisch sind die Zulassungsanforderungen für Ver- kehrsunternehmer. Das gilt auch für die neu zur Bewertung einzubeziehenden schweren Ver- stöße gegen nationale Steuervorschriften oder die EU-Vorschriften für die Entsendung von Arbeitnehmern. Hier soll es den Mitgliedstaaten weiterhin freigestellt bleiben, ob sie diese

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Regeln auch auf Firmen mit Fahrzeugen unter 3,5 t anwenden. Erst 2024 sollen die Staaten über diese Firmen Bericht erstatten.

In dieser Verordnung soll auch die Begrenzung der Zahl der Kabotage-Beförderungen im Anschluss an eine grenzüberschreitende Beförderung abgeschafft werden – „um Kontrollen zu erleichtern und Unklarheiten zu beseitigen.“ (s.o.)

Die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten auf Basis der einzelstaatlichen elektro- nischen Register der Kraftfahrtunternehmen wird konkretisiert, Fristen für den Informations- austausch sollen festgelegt werden. (Art. 16, 18).

Im Vorschlag 2017/0122 (COD) geht es um die Neuregelung der Vorschriften zu Lenk- und Ruhezeiten (561/2006 EG) sowie eine Überarbeitung der Positionsbestimmung mittels Fahrtenschreibern (165/2014 EU). Die Kommission hat nach Ex-Post-Bewertung und Kon- sultation der Interessenträger folgende Hauptprobleme bei der Lenkzeiten-Verordnung iden- tifiziert: unangemessene Arbeitsbedingungen für die Fahrer, Wettbewerbsverzerrungen zwi- schen den Unternehmen und hoher Verwaltungsaufwand. Die Revision enthält:

Neuregelung der Ruhezeiten. In vier aufeinanderfolgenden Wochen hat der Fahrer zwar vier regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten von mindestens 45 Stunden einzulegen. Er kann diese Ruhezeiten jedoch zwei Wochen nacheinander auf 24 Stunden reduzieren. In diesem Fall soll ein Ruhezeit-Ausgleich ohne Unterbrechung vor dem Ende der dritten Woche nach der betreffenden Woche genommen werden.

Jeder Ausgleich für eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit ist mit einer regelmäßi- gen wöchentlichen Ruhezeit von mindestens 45 Stunden zu verbinden.

Ort der Ruhezeit: Kraftfahrer dürfen eine wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden oder mehr nicht in einem Fahrzeug verbringen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Fahrer eine geeignete Unterkunft mit angemessener Ausstattung bereitzustellen.

Rückkehrrecht: Verkehrsunternehmen müssen die Arbeit ihrer Fahrer so organi- sieren, dass diese innerhalb von drei aufeinanderfolgenden Wochen mindestens einmal in der Lage sind, eine wöchentliche Ruhezeit am Heimatort zu verbringen.

Um ihren Heimatort zu erreichen, können Fahrer den Beginn ihrer wöchentlichen Ruhezeit aufschieben, wenn sie die täglichen und wöchentlichen Höchstlenkzeiten und die erforderliche Mindestdauer der wöchentlichen Ruhezeit einhalten.

Ruhezeiten während Transport: als reduzierte wöchentliche Ruhezeit kann zu- künftig auch gelten, wenn Fahrer ein Fahrzeug begleiten, das auf einem Fährschiff oder mit der Eisenbahn befördert wird.

Fahrt im Team. Wenn Kraftfahrer im Team fahren, kann die vorgeschriebene Fahrtunterbrechung fahrend abgegolten werden, wenn das Fahrzeug von einem anderen Fahrer gelenkt wird.

Aufzeichnungspflicht. Die Zeiten, die durch Fahrer für andere Arbeiten als Lenk- tätigkeiten aufgewendet werden oder die als Bereitschaftszeiten zu werten sind, müssen durch die Fahrer aufgezeichnet werden. Diese Aufzeichnung soll EU-weit

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harmonisiert werden, um „Arbeitsmuster der Kraftfahrer, die ggf. zu einer Ermü- dung führen und eine Gefahr für die Sicherheit im Straßenverkehr bedeuten kön- nen“, entgegenzuwirken.

Intelligente Fahrtenschreiber: Die Rahmenbedingungen und Merkmale des Einsatzes von intelligenten Fahrtenschreibern sollen verbessert werden, um stets den genauen Standort eines Fahrzeugs ermitteln zu können. Falls herkömmliche Fahrtenschreiber verwendet werden, die einen Länderwechsel nicht automatisch aufzeichnen können, sollen Fahrer im Rahmen eines Grenzübertritts unmittelbar danach dokumentieren, dass sie diesen vollzogen haben.

Richtlinie 2017/0128 (COD) über die Interoperabilität elektronischer Mautsys- teme und die Erleichterung des grenzüberschreitenden Informationsaustauschs über die Nichtzahlung von Straßenbenutzungsgebühren in der Union

Die Kommission schlägt eine vollständige Überarbeitung der Richtlinie 2004/52 EG vor, weil die grenzüberschreitende Zusammenarbeit aller elektronischen Mautsysteme in Europa im letzten Jahrzehnt nicht vorangekommen ist. Es ist nicht gelungen, Bordgeräte eines euro- päischen elektronischen Mautdienstes (EETS) zu verbreiten, die mit allen elektronischen Mautsystemen kompatibel sind.

Die Kommission stellt fest, dass die EETS-Rechtsvorschriften dazu beigetragen haben, dass es bis heute keinen EETS-Anbieter für Straßennutzer gibt. Ihr Problem sei die Verpflichtung, innerhalb von zwei Jahren in allen Mitgliedstaaten ein Angebot für ihre Dienste zu unterbrei- ten. Zweitens müssten auch leichte Nutzfahrzeuge – also Kleinbusse und -transporter, aber auch PKWs – mit hochpreisigen satellitengestützten Bordgeräten ausgestattet werden, ob- wohl hier bisher kein Mautsystem Satellitenortung verwendet.

Zukünftig sollen die EETS-Anbieter ihre Kosten für Bordgeräte senken dürfen, indem sie auch im Fahrzeug bereits genutzte Hard- und Software wie Satellitennavigationssysteme oder Smartphones als Bordgeräte nutzen dürften. Aus dem gleichen Grund ist es EETS-Anbietern bis 2028 gestattet, Haltern leichter Nutzfahrzeuge Bordgeräte zur Verfügung zu stellen, die nur mit 5,8 GHz-Mikrowellentechnik verwendet werden können.

Neben diesen Problemen potentieller EETS-Anbieter steht das Eintreiben fälliger Mautgebüh- ren von gebietsfremden Fahrzeughaltern im Mittelpunkt der Richtlinie. Beim Informations- austausch über Nichtzahler sollen dieselben Instrumente genutzt werden können wie bei Verkehrsdelikten gemäß Richtlinie 2015/413.

Der Schutz personenbezogener Daten soll bei EETS gewahrt werden. In Art. 8 wird er kon- kretisiert. Die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass personenbezogene Daten gelöscht oder gesperrt werden, wenn sie nicht länger benötigt werden. Zudem muss eine Frist für die Speicherung der Daten festgelegt werden. Die Mitgliedstaaten müssen außerdem dafür sor- gen, dass die personenbezogenen Daten ausschließlich zur Erleichterung des grenzüber-

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schreitenden Informationsaustauschs über die Nichtzahlung von Straßenbenutzungsgebüh- ren verwendet werden. Jede betroffene Person hat das Recht, Information darüber zu erhal- ten, welche personenbezogenen Daten übermittelt wurden.

Richtlinie 2017/0114 (COD) zur Änderung der Eurovignetten-Richtlinie 1999/62 Der Vorschlag hat nicht zum Ziel, eine verpflichtende europäische Maut einzuführen. Es geht darum, gemeinsame Maßstäbe festzulegen, wenn nationale Mautsysteme eingeführt wer- den. Das Ziel der Initiative sind Fortschritte bei der Anwendung des Verursacher- und Nut- zerprinzips. Die Kommission vertritt die Ansicht, dass Straßengebühren Anreize für einen sauberen, effizienteren Verkehrsbetrieb setzen und eine nachhaltigere Finanzierung der Inf- rastruktur gewährleisten können. Harmonisierte Kraftfahrzeugsteuern und ‚gerecht erhobene Infrastrukturgebühren‘ sollten entsprechende Preissignale setzen.

Nun räumt die Kommission ein, dass die Richtlinie diesbezüglich bisher wenig bewirkt hat:

die Instandhaltung der Straßen wird weiterhin vernachlässigt, gebietsfremde Nutzer werden diskriminiert, Staus und Emissionen nehmen nach wie vor zu. Zwar gibt es bereits eine Ge- bührendifferenzierung nach Umweltverträglichkeit. Die Richtlinie enthält bisher jedoch keine Elemente, die speziell auf die Senkung verkehrsbedingter CO2-Emissionen zielen. Diese wa- ren im Jahr 2014 noch um 17 % höher als im Jahr 1990. Wenn sich die jetzigen Trends fortsetzen, werden die für 2030 und 2050 gesetzten EU-Klimaziele nicht zu erreichen sein.

Dies soll sich durch die Revision ändern: Ausnahmen für Lkw unter 12 t, zeitabhängige Ge- bühren und eine Obergrenze für die Anrechnung externer Kosten sollen abgeschafft werden.

Stattdessen soll eine zusätzliche Staugebühr und eine stärkere Differenzierung der Maut nach CO2-Emissionen eingeführt werden. Außerdem will die Kommission zukünftig Busse, Pkw und Kleintransporter in den Anwendungsbereich der Richtlinie einbeziehen, um für den ge- samten Straßenverkehr einheitliche Tarife bei den Infrastrukturgebühren zu schaffen.

Die Kommission schlägt vor, die Euro-Emissionsklassen abzuschaffen. Die CO2-Emissionen sollen zukünftig in allen Fahrzeugklassen für die Mautdifferenzierung ausschlaggebend sein, wenn nach einem Jahr auch amtliche CO2-Emissionsdaten für LKWs vorliegen. Emissionsfreie Fahrzeuge sollen maximal 25% des Maut-Höchstsatzes zahlen.

Der Änderungsvorschlag der Kommission enthält zahlreiche Hinweise, dass die Kommission die Einigung mit der Bundesregierung über die deutsche Infrastrukturabgabe (Ausländer- Maut) nur als eine Zwischenlösung ansieht. Die Diskriminierung gebietsfremder Nutzer ist ein zentrales Argument gegen die Vignette und für entfernungsabhängige Mautgebühren.

Vignetten dürfen mit Inkrafttreten der Richtlinie nicht mehr eingeführt werden und müssen bis Ende 2028 abgeschafft werden. Dass gilt auch für die Ausländer-Maut, die dann in eine fahrleistungsabhängige Maut umgewandelt werden müsste (Art. 7 (7)). Zudem muss ab 2024 der Abstand zwischen Jahres-, 2-Monats- und 10-Tages-Vignetten geändert werden.

Während die 2-Monats-Vignette derzeit in Deutschland etwa 40% der Jahresvignette kostet und die 10-Tagesvignette ca. 20 %, dürfen es dann nur noch 30 bzw. 8% sein – bis 2028.

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Ab 2024 wäre auch für alle LKWs ab 3,5 t (Artikel 7 (8) und (9)) nur noch eine fahrleistungs- abhängige Maut zulässig, Vignettensysteme müssen bis dahin abgelöst werden. Die derzeit in Deutschland geltende Mautpflicht erst ab 7,5 t wär ab 2020 nicht mehr zulässig.

Die Anrechnung externer Kosten soll zukünftig nach LKW-Größe differenziert werden. Die Aufschläge auf die Lkw-Maut für Lärm und Luftverschmutzung sollen sich an Referenzwerten orientieren. LKWs, die die strengste EURO-Abgasnorm einhalten, sollen für vier Jahre befreit werden (Art. 7c (3)). Bei leichten Nutzfahrzeugen und Pkw wird das RDE-Verfahren verbind- lich ab 2022 angewendet, gute Werte sollen sich in Mautermäßigungen niederschlagen.

Verordnung 2017/0111 (COD) über die Überwachung und Meldung der CO2-Emis- sionen und des Kraftstoffverbrauchs neuer schwerer Nutzfahrzeuge

Die CO2-Emissionen und der Kraftstoffverbrauch von LKWs, Bussen und Reisebussen wurden in Europa bisher weder zertifiziert noch überwacht. Die Kommission nennt drei Gründe dafür, dies mit dieser Verordnung zu ändern. Die Kraftstoffkosten machen erstens bei den Spediti- onen ein Viertel der Betriebskosten aus. Die Kraftstoffeffizienz ist folglich das wichtigste Kaufkriterium für sie. Zweitens stehen die europäischen Hersteller in Konkurrenz zu den Märkten in den USA, Kanada, Japan und China, wo in den letzten Jahren Emissionsnormen eingeführt wurden, um Innovationen zu fördern. Auf dem Stadtbusmarkt nimmt der Wettbe- werb im Bereich der Elektrofahrzeuge bereits zu, insbesondere durch chinesische Hersteller.

Drittens argumentiert die Kommission, dass die schweren Nutzfahrzeuge bereits 5 % der Gesamtemissionen in der EU und ein Viertel der Straßenverkehrsemissionen ausmachen. Der Verkehrssektor müsse – wie der Energiesektor oder die Landwirtschaft auch – seinen Beitrag zu Erreichung der Klimaziele leisten.

Die Kommission erwartet nicht nur fundiertere Kaufentscheidungen der Verkehrsunterneh- men und stärkere Innovationsanreize. Anhand der Daten könnten LKWs mit niedrigerem Kraftstoffverbrauch gefördert werden, z.B. durch Besteuerung und Straßennutzungsgebüh- ren. Zudem bilden sie die Basis für die Durchsetzung künftiger CO2-Emissionsnormen auch in Europa. Ein jährlicher Bericht soll für Transparenz bei den Emissionstrends und der tech- nologischen Entwicklung sorgen. Die Behörden der Mitgliedstaaten sollen dazu verpflichtet werden, Daten über die Neuzulassung bereitzustellen. Die Hersteller müssen die technischen Daten vorlegen und sind für deren Richtigkeit und Qualität verantwortlich.

3. Bewertung

Der DGB kritisiert den Begründungszusammenhang des Straßenverkehrspakets grundsätz- lich, da hierdurch impliziert wird, dass angemessene Arbeitsbedingungen von der Tauglich- keit der konkreten Beschäftigung für eine möglichst binnenmarktkonforme Wirtschaftstätig- keit abhängen. In diesem vermeintlich herzustellenden Gleichgewicht spiegelt sich tatsächlich die beabsichtigte Unterordnung sozialer und beschäftigungsrelevanter Legisla- tivaspekte unter das Primat des zu liberalisierenden Binnenmarktes wieder. Damit verharrt

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die Kommission in ihrer elementaren politischen Fehlorientierung. Bereits in der Vergangen- heit haben der DGB und andere darauf hingewiesen, dass das REFIT-Programm als Instru- ment zur Vereinfachung und Effizienzsteigerung von Verwaltungsakten nicht dazu verwen- det werden darf, Sozialvorschriften neu zu bewerten und ggf. zu einem Abbau oder einer Flexibilisierung der damit verbundenen sozialen und beschäftigungsrelevanten Schutzrechte beizutragen. Mit Blick auf den Inhalt des Maßnahmenpakets wurde leider genau dieser Weg seitens der Kommission eingeschlagen.

Die einzelnen sozialen und beschäftigungspolitischen Maßnahmen zeigen, dass es hierbei nicht um eine Aufwertung bestehender Regelungen, sondern um deren Flexibilisierung geht.

Die zeitlich befristete Aussetzung der Geltung der Lohn- und Urlaubsbestimmungen der Ent- senderichtlinie und die vorübergehende Reduzierung der Pausenzeiten für Fahrer im Sinne verlängerter Lenkzeiten können nicht ernsthaft als eine Verbesserung der Arbeitsbedingun- gen verstanden werden. Gerade angesichts der Begründung, dass bestehende Rechtsvor- schriften nicht vor einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen schützen, mutet es absurd an, dass genau dieser Schritt von der Kommission durch die Revision vorangetrieben wird.

Zu den einzelnen Vorschlägen:

Mitteilung „Europa in Bewegung“

In der einführenden Mitteilung macht schon der Titel des Maßnahmenbereiches „Ein fairer und wettbewerbsorientierter Binnenmarkt für den Straßenverkehr“ deutlich, dass die soziale Dimension nicht im Mittelpunkt steht. Im Gegenteil: Die starke Wettbewerbsposition des Straßengüterverkehrs wird ausgebaut. Es geht nicht darum, illegale Lohndumping-Strategien zu unterbinden, sondern Leerfahrten zu verringern, die „Marktfragmentierung“ zu vermei- den oder angeblich unnötige Verwaltungsvorschriften wie die Anmeldung der Zahl von Ka- botagen abzuschaffen.

Bei der Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen steht in der Mitteilung nicht im Mit- telpunkt, illegale Kabotage zu verhindern oder der problematischen Praxis vom Briefkasten- firmen entgegenzutreten und die Sozialvorschriften im Straßenverkehr durch umfangreichere Kontrollen rigoros durchzusetzen, um die unbefriedigende soziale Situation der Fahrer zu verbessern. Vielsagend kündigt sie lediglich „mehr Klarheit bei der Anwendung der EU-Vor- schriften über die Entsendung von Arbeitnehmern" an. Es gehe um eine „angemessene und wirksame Anwendung des Mindestlohngesetzes auf internationale Dienstleistungen“(S.13).

Wenn die Kommission behauptet, ihre Maßnahmen stellten sicher, „dass die Fahrer sehr regelmäßig nach Hause zurückkehren können“, so kann der DGB keinen Fortschritt erken- nen, wenn sie weiterhin drei Wochen ununterbrochen in der Kabine verbringen müssen. Zu- dem ist das Verbringen der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten außerhalb des LKW nicht mehr kontrollierbar, wenn der Vorschlag der Kommission Realität wird.

Der DGB erwartet „eine bessere Einhaltung und Durchsetzung der Vorschriften durch intel- ligente digitale Technologien“ – vor allem der Sozialvorschriften. Wenn die Kommission hin- gegen die Nutzung der Vorteile von Digitalisierung, Automatisierung und intelli- genten Mobilitätsdienstleistungen skizziert, werden die Chancen der Digitalisierung für effizientere Transport- und Logistikketten, eine optimierte Infrastrukturnutzung, geringeren

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Verwaltungsaufwand für Unternehmen oder für den einfachen Wechsel zwischen öffentli- chen und privaten Verkehrsmitteln erwähnt. Die CO2-Emissionen könnten gesenkt, Güter auf umweltfreundlichere Verkehrsträger verlagert, PKWs besser belegt werden – aber die bes- sere Durchsetzung der Sozialvorschriften steht nicht auf der Agenda. Der DGB drängt auf die schnellstmögliche und verpflichtende Einführung des „Smart Tachograph“ und elektroni- scher Frachtdokumente.

Im Zentrum des Interesses der Kommission steht die koordinierte Einführung massenmarkt- tauglicher, teilautomatisierter und vernetzter Fahrzeuge bis 2020. Der DGB hält das für sehr optimistisch, begrüßt aber, dass die Kommission der Erprobung im öffentlichen Straßenver- kehr große Bedeutung beimisst. Haftungsfragen, Datenaustausch und das Eigentum von Da- ten werden problematisiert – aber auch die Beschäftigungsfrage ist für die Akzeptanz in der Öffentlichkeit von großer Relevanz.

Der DGB teilt die Erwartung der Kommission, durch die Vernetzung digitaler Informati- onen in Echtzeit die Effizienz von Verkehrsnetzen zu erhöhen. Sie kann die kombinierte Nut- zung verschiedener Verkehrsträger zur Beförderung von Gütern und Personen erleichtern und die umweltfreundlichste Transportwahl, also gerade auch Bahn und Schiff, befördern. Wenn sich am Wettbewerbsrahmen jedoch nichts ändert, dürfte die Vernetzung die preisgünstigste Variante stärken. Dies gilt es zu berücksichtigen, wenn wie angekündigt neue Rechtsvor- schriften zum Kombinierten Verkehr die Verlagerung von Transporten von der Straße unter- stützen sollen.

Bei den Investitionen in eine moderne Mobilitätsinfrastruktur geht es auch aus Sicht des DGB nicht nur um das physische Verkehrsnetz. Auch die Infrastruktur für alternative Kraft- stoffe und die interoperable digitale Infrastruktur müssen grenzüberschreitend vernetzt wer- den. Die hierfür notwendigen umfangreichen Investitionen sollen durch die Investitionsoffen- sive für Europa mobilisiert werden. 9 % der Investitionen sollen in den Verkehrssektor gelenkt werden. Wenn die Synergien zwischen Verkehrs-, Energie- und Telekommunikati- onsinfrastruktur genutzt werden sollen, sind erhebliche Koordinierungsaufgaben zu erfüllen, die nur die – entsprechend ausgestattete – öffentliche Hand leisten kann.

Die kommunale Handlungsebene will die Kommission durch eine Städtemobilitätspart- nerschaft stärken. Das Ziel ist die Ausarbeitung eines ab 2018 umzusetzenden Aktions- plans. In der öffentlichen Auftragsvergabe sieht sie zu Recht einen wichtigen Hebel, um die Marktentwicklung für innovative und emissionsarme Produkte voranzutreiben. Wenn die große Chance, Fahrzeuge des öffentlichen Nahverkehrs mit emissionsarmen Alternativen auszustatten und so Leitmärkte zu schaffen, genutzt werden soll, müssen die lokalen Be- schaffungsstellen allerdings mit erheblich mehr finanziellen Mitteln ausgestattet werden.

Derzeit kosten Elektrobusse noch das Dreifache von Dieselbussen, zudem muss eine parallele Ladeinfrastruktur finanziert werden.

Auch der DGB sieht Batterien als Schlüsseltechnologie an. Obwohl frühzeitig For- schungsmittel für verschiedene Stadien der Batterie-Wertschöpfungskette zur Verfügung standen, ist es der Industrie bisher nicht gelungen, eine vollständige Wertschöpfungskette

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aufzubauen. Der Ansatz der Kommission, ein integriertes europäisches „Batterie-Öko-Sys- tem“ zur Förderung von Elektromobilität und Energiespeicherung zu unterstützen, erscheint vielversprechend. Das Recyceln von Batterien könnte angesichts knapper Ressourcen die Ba- sis für ein neues Geschäftsmodell der Kreislaufwirtschaft in der Automobilindustrie sein.

Richtlinienvorschlag 2017/0121 COD hinsichtlich der Entsendevorschriften im Straßenverkehr (Lex specialis)

Ausnahmen der Entsendevorschriften im Bereich des grenzüberschreitenden Verkehrs. Die Entsenderichtlinie wurde beschlossen, um die Beschäftigungsbestimmungen aller entsandten Beschäftigten sektorübergreifend zu regeln. Sie ist als Mindestrichtlinie ge- dacht, deren Bestimmungen sie nicht unterschreiten dürfen. Werden die entsandten Beschäf- tigten im „grenzüberschreitender Verkehr“ von der Entsenderichtlinie auch nur zeitlich be- grenzt ausgenommen, wird die Idee eines sozialen Mindestschutzstandards für Löhne, Urlaub und Arbeitsbedingungen ad absurdum geführt. Die Binnenwirkung hierbei ist, dass künftig entsandte Beschäftigte, die hinsichtlich der Arbeitsbedingungen ohnehin häufig ge- nug Beschäftigte zweiter Klasse im Vergleich zu heimischen Beschäftigten sind, noch einmal unterteilt werden in Entsandte mit vollen und mit begrenzten Entsendeansprüchen. Der DGB lehnt die Ausnahme einzelner Sektoren vom Anwendungsbereich der Entsenderichtlinie grundsätzlich ab.

Grundsätzlich wird durch dieses Vorhaben womöglich ein fatales Signal gesetzt. Andere Sek- toren, Branchen oder Dienstleistungen könnten darauf spekulieren, für ihre Wirtschaftstätig- keit auf dem Binnenmarkt ebenfalls „günstigere“ Wettbewerbsbedingungen zu erhalten.

Zudem besteht die Gefahr, dass auch einzelne Tätigkeiten anderer Branchen wie zum Bei- spiel im Baugewerbe der Straßentransport von Baumaschinen und Baumaterialien als Arbei- ten im Straßenverkehr gewertet werden könnten. Das würde es Unternehmen ermöglichen, Tariflöhne und branchenspezifische Mindestlöhne zu umgehen, indem sie diese Tätigkeiten zukünftig auslagern und grenzüberschreitend organisieren.

Die Begründung, dass hochmobile Sektoren eine besondere legislative Grundlage hinsichtlich geltender Entsendebestimmungen und Verwaltungsanforderungen benötigen, läuft darauf hinaus, bestimmte Berufsbilder einer gesonderten Bewertung hinsichtlich der notwendigen Mindeststandards für Beschäftigung zu unterziehen. Der DGB kritisiert, dass die politische Intention hier genau entgegengesetzt verlaufen sollte: Verwaltungsvorschriften und Mindest- bestimmungen sind im Zweifelsfall dazu da, sicherzustellen, dass den von Ihnen berührten Beschäftigtengruppen keine Nachteile in der jeweiligen Berufspraxis entstehen und eine langfristige Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen unterstützt wird. Der hier von der Kommission gewählte Ansatz steht diesem Anspruch diametral entgegen und unterstützt tatsächlich nur jene Interessenträger, die sich von einem Abbau von Schutzbestimmungen und einer weitergehenden Liberalisierung des Binnenmarktes Wettbewerbsvorteile verspre- chen, die sie im Zweifelsfall zu Lasten der Beschäftigten bereit sind durchzusetzen.

Die 3-Tage-Regelung wird damit begründet, dass sonst kein hinreichender Bezug zum Land, in dem die Tätigkeit verrichtet wird, bestünde. Das ist nicht nachvollziehbar: schon durch die

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reine Fahrertätigkeit hat zumindest den Bezug, dass der Fahrer hier tätig ist, die Regeln die- ses Landes zu beachten hat und bei Ruhepausen auch Kontakte zu den Menschen aufnimmt.

Beim Be- und Entladen wird ein Bezug zum Auftraggeber bzw. Abnehmer und den dort Be- schäftigten hergestellt.

Aber vor allem geht es darum, dass der Fahrer im Auftrag seines Arbeitgebers tätig wird. Der hat ein Dienstleistungsangebot unterbreitet, und zwar nicht nur mit dieser einen Fahrt. Es geht insgesamt um sein Geschäftsmodell. Deshalb muss die Summe der üblichen Geschäfts- tätigkeit, also die Summe der Fahrten aller von ihm beschäftigten Fahrer betrachtet werden.

Das macht dann den Bezug des Arbeitgebers und seiner eingesetzten Fahrer zu diesem Land aus (sog. Summeneffekt nach Prof. Mankowski4). Es geht um die Dienstleistungsfreiheit des Arbeitgebers insgesamt. Von daher bestimmt sich auch der Wettbewerb, nicht von der Be- trachtung einzelner Fahrten oder der Verweildauer oder Tätigkeit des Fahrers.

Die Gefahr der 3-Tage-Regelung bzw. jeder zeitlichen Herausnahme besteht auch darin, dass es gezielte Tourenplanungen gibt, die die Einzelfahrten des Fahrers so legen, dass diese Frist nicht überschritten wird, also nie die Regelungen des Aufnahmestaates Anwendung finden.

Schließlich begrenzt sich die monatliche 3-Tage-Regel auf die einzelnen Mitgliedstaaten und kann somit beliebig akkumuliert werden. Auch das spricht für die Betrachtungsweise des Summeneffektes, denn dann wird deutlich, dass Arbeitgeber mit vielen Fahrern die Regelung eher umgehen können als kleine Firmen mit wenigen Fahrern.

Vereinheitlichung der Entlohnungsgrundlage und Gewährleistung fairer Entloh- nung

Der durch die Kommission veröffentlichte Vorschlag führt paradoxerweise das Argument der Komplexitätsreduktion und Effizienzsteigerung bestehender Regulierungen im Sinne der REFIT- Strategie ins Feld, während in der jetzigen Form voraussichtlich aber eine gegenteilige Situation befördern wird. Durch die geplante Aufteilung der Geltung der Bestimmungen der Entsenderichtlinie auf Kabotage und grenzüberschreitenden Verkehr wird der bürokratische Mehraufwand voraussichtlich vervielfacht, während gleichzeitig massive Unsicherheiten bei Berechnung und Lohnzusammensetzung entstehen. Dies kann weder im Sinne einer Verbes- serung der Beschäftigungsbedingungen noch im Kontext eines vereinfachten und effiziente- ren Binnenmarktzugangs verstanden werden. Die Entsenderichtlinie bietet demgegenüber eine umfassende Mindestgrundlage für die Festlegung aller Beschäftigungsbedingungen und stellt somit ein geeignetes und zudem durch die gegenwärtige Revision auch zeitgemäßes Instrument für die Umsetzung transparenter und verbindlicher Regeln im Straßenverkehrs- sektor dar. Der DGB fordert deshalb die unterschiedslose Beibehaltung der Geltung der Be- schäftigungsbedingungen gemäß den Inhalten der Entsenderichtlinie für alle Beschäftigten.

4 „Die Unionsrechtskonformität des Mindestlohngesetzes – unter besonderer Berücksichtigung des grenzüberschreitenden Straßenverkehrs“, Prof. Dr. Peter Mankowski, Hamburg, Rechtsgutachten,

erstellt im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbunds und des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V., 11. April 2017

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Insgesamt stellt eine Abweichung von den Bestimmungen der Entsenderichtlinie eine Insti- tutionalisierung bestehender Sozialdumpingpraktiken in hoch mobilen Sektoren dar. Ein sol- cher Ansatz steht im Widerspruch zum Bemühen der Kommission, die soziale Dimension der EU zu stärken und konterkariert den auch im Revisionsvorschlag zur Entsenderichtlinie er- kennbaren Ansatz, gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort als Qualitätsstandard für entsandte Arbeit innerhalb der EU festzuschreiben. Der DGB positioniert sich ausdrücklich gegen dieses Ansinnen und die daraus hervorgehenden fatalen Implikationen für soziale Ge- rechtigkeit und faire Beschäftigung in der EU.

Kontrollen und die Bekämpfung illegaler Geschäftspraktiken. Der DGB begrüßt grundsätzlich die Absicht der Kommission, die gegenwärtig verbreitete illegale Praxis der Umgehung von Mindestbeschäftigungsbedingungen und Arbeitsstandards durch Briefkas- tenfirmen und missbrauchswillige Marktakteure angehen zu wollen. Diese Problematik be- schränkt sich nicht auf hochmobile Sektoren, hat dort aber in den letzten Jahren parallel zum Wachstum des europäischen Güterverkehrs eine besorgniserregende Entwicklung erfahren.5 Die vorgeschlagenen Maßnahmen stellen aus Sicht des DGB einen Mix zu schwacher bzw.

falsch ausgerichteter Einzelvorschläge und zum Teil richtiger Ansätze dar. Insbesondere die Einschränkung der Mitgliedsstaaten durch eine geschlossene Kontrollliste lässt in Ver- bindung mit der Kontrolldichte von nur 2 % aller relevanten Fahrten kaum eine effektive Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping im grenzüberschreitenden Straßenverkehr erwar- ten – zumal keine Sanktionen im Falle des Unterschreitens dieser Quote gibt. Auch die ein- seitige Nachweispflicht des Fahrers, der alle erforderlichen Dokumente bei sich zu führen hat und im Zweifelsfall den Grenzübertritt noch manuell dokumentieren muss, kritisiert der DGB.

Die Haftung für Verstöße muss beim Unternehmen liegen. Denn zahlreiche festgestellte Ver- stöße gegen bestehende Regelungen im Transportsektor sind arbeitgeberseitig motiviert.

Deshalb ist die vorgesehene Pflicht zur Übermittlung entsenderelevanter Informationen an die zuständige Prüfbehörde spätestens zum Beginn der Entsendung ungeeignet, um vorab eine Prüfgrundlage zu bilden. Das Nachhalten der entsenderelevanten Unterlagen durch das jeweilige Unternehmen ist zwar ein richtiger Ansatz. Er hat jedoch durch die Einschränkung, nur auf Verlangen vorgelegt werden zu müssen, voraussichtlich nur begrenzte Wirkung. Hier wäre eine klare Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur Durchführung häufigerer Kontrollen in Verbindung mit einer zeitlich ausreichenden Vorabübermittlung und einer verpflichtenden Nachprüfung der Information nach Ablauf einer Frist verbindlicher und erfolgversprechender.

Dass Unternehmen letztlich nach schwerwiegenden Verstößen auch auf dem Betriebsge- lände kontrolliert werden können, ist als Schritt in die richtige Richtung zu werten. Da Zoll- kontrollen und Arbeitsinspektionen jedoch nicht in allen Mitgliedsstaaten auf vergleichbarem Niveau gewährleistet werden, wäre auch in diesem Fall eine deutliche Verpflichtung zur Prü- fung bereits ab einer festgestellten Verstoßwiederholung wünschenswert.

5 Vgl.: Untersuchung des ETUC zu Briefkastenfirmen und Umgehung von Mindestbeschäftigungsbedingungen u.a. im euro- päischen Transportsektor: https://www.etuc.org/press/letterbox-type-practices-avoiding-taxes-and-exploiting-workers-across- eu#.WUzbfIVOK71

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Grundsätzlich alle Verwaltungs- und Kontrollanforderungen, die nicht unter die geschlossene Liste fallen, als potenzielle Einschränkung des Binnenmarktes zu sehen, ist ein fataler Eingriff in die Kontrollkompetenzen der Mitgliedstaaten. Schon im Zuge der Verhandlungen zur Durchsetzungsrichtlinie der Entsenderichtlinie wurde eine Schließung der Kontrolllisten aus- giebig diskutiert, wobei sich die Gesetzgeber schließlich auf eine offene Liste geeinigt haben.

Der neue Vorstoß der Kommission schafft somit nicht nur Rechtsunklarheit mit den Bestim- mungen der Durchsetzungsrichtlinie, sondern erschwert es den Kontrollbehörden der Mit- gliedstaaten zukünftig ihre Praxis an neue Entwicklungen anzupassen. Eine Kontrollliste darf also lediglich einen indikativen Charakter haben, um den Mitgliedstaaten eine Orientierungs- hilfe bei der Durchführung effektiver Kontrollen zu geben. Eine geschlossene Liste lehnt der DGB ausdrücklich ab.

Zu begrüßen ist der Ansatz eines europaweiten Risikoeinstufungssystems für auffällig gewordene Unternehmen inklusive einer einheitlichen Risikoeinstufungsgrundlage. Um hier effektive Ergebnisse sicherzustellen, ist es erforderlich, die zugrunde gelegten Daten nicht nur auf Aufforderung der zuständigen Behörde des Zielstaates der Entsendung zu übermit- teln. Die Datenbasis muss für alle beteiligten Behörden jederzeit in Echtzeit zur Verfügung stehen. Ausdrücklich darf eine solche Risikoeinstufung aber nicht dazu führen, dass eine Schwerpunktverlagerung der Prüfung ausschließlich auf jene Unternehmen erfolgt, die be- reits auffällig geworden sind. Im Sinne einer sicherheitsförderlichen Prävention und der Ver- hinderung missbräuchlicher Praktiken ist stattdessen auch eine parallele Quote von unab- hängigen Überprüfungen auch bei bisher unauffälligen Unternehmen sicherzustellen.

Verordnung 2017/0123 (COD) zur Änderung (EG) Nr. 1071/2009 und (EG) 1072/2009 im Hinblick auf ihre Anpassung an die Entwicklungen im Kraftver- kehrssektor

Ausweitung der Obergrenze für Kabotagefahrten. Für Kabotagefahrten sollen die Lohn- und Urlaubsbestimmungen der Entsenderichtlinie weiterhin vollumfänglich gelten. Da- mit bleibt der gegenwärtige Status Quo gesichert, was keiner Verbesserung der Beschäfti- gungsbedingungen. Stattdessen stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob die Kommission, im Gegensatz zu ihrer gängigen Praxis, endlich Vertragsverletzungsverfahren gegen diejenigen Mitgliedsstaaten einleitet, die Kabotagefahrten nicht in die Bestimmungen der Entsende- richtlinie aufnehmen.

Hingegen ist deutlich zu kritisieren, dass die Kommission mit ihrem Vorschlag ein neues Schlupfloch für Lohndumping und Betrug im Straßentransport schafft: Kabotagefahrten, die Transportoperationen innerhalb eines Mitgliedstaates umfassen, sind von grenzüberschrei- tendem Straßenverkehr zu unterscheiden, bei dem ein Auftrag über eine oder mehrere Län- dergrenzen hinweg stattfindet. Gerade bei Fahrten in dichter zeitlicher Reihenfolge mit meh- reren Entladeschritten und über mehrere Ländergrenzen hinweg (z.B. in den vielbefahrenen Transportkorridoren zwischen Italien, Österreich und den Balkanstaaten oder in den Grenz- regionen zwischen Polen, Tschechien und Deutschland) stellt sich folgende Frage: Wie trenn- scharf ist künftig die notwendige Abgrenzung zwischen grenzüberschreitendem Verkehr als

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potentiell günstigerem (weil nicht sofort den Bestimmungen der Entsenderichtlinie unterlie- gendem) Transport, und reinen Kabotageoperationen, die ausschließlich auf dem Gebiet ei- nes anderen EU-Mitgliedsstaates erfolgt? Für die im europäischen Straßentransport beschäf- tigten Fahrer ergibt sich in solchen Fällen die voraussichtlich nur schwer einzuschätzende Frage nach der Höhe des für sie jeweils geltenden Lohnanspruchs, während missbräuchlich agierende Briefkastenfirmen und jene Arbeitgeber, deren Geschäftsmodell aktiv auf der Mi- nimierung von Lohnkosten beruht, einen zusätzlichen Anreiz erhalten können, nach einer für sie geeigneten Umgehungsstrategie zu suchen. Eine verbindliche und einheitliche Entloh- nungsgrundlage, die bei jeder Fahrtoperation (egal, ob grenzüberschreitende Entsendung oder Kabotageoperation) unterschiedslos denselben Lohn auf Basis der geltenden Regelun- gen des Zielstaates berechnet, würde hier einfacher und transparenter wirken und zudem das Risiko der missbräuchlichen Richtlinienauslegung von vornherein minimieren.

Der geplante Wegfall der gegenwärtig noch bestehenden numerischen Obergrenze für Ka- botagefahrten wirft aus Sicht des DGB zudem Fragen hinsichtlich langfristig arbeitsmarktre- levanter Auswirkungen auf. Statt wie bisher maximal drei Kabotage-Operationen in 7 Tagen sollen Spediteure aus einem anderen europäischen Mitgliedsstaat künftig innerhalb von 5 Tagen eine unbegrenzte Zahl von Fahrten durchführen können. Diese Pläne wecken insbe- sondere in Ländern mit ohnehin hohem Kabotageaufkommen Befürchtungen, dass hierdurch negative Auswirkungen auf „heimische“ Spediteure und Arbeitsplätze zu erwarten sind.6 Insbesondere das bereits bestehende Problem dauerhafter und damit illegaler Kabotage, die aufgrund zu seltener Inspektionen und Zollkontrollen ohnehin nur stichprobenartig aufge- deckt wird, wird potentiell verschärft. Denn das Prüfkriterium der Überschreitung der höchs- tens zulässigen drei Kabotagefahrten würde zukünftig entfallen. Auch ist die einfache Un- terscheidbarkeit von Kabotage und Internationalem Transport durch den möglichen Grenz- übertritt im Anschluss an eine vorhergehende internationale Transportoperation nicht mehr gegeben.Die neue Formulierung von Kabotage im Aufnahmemitgliedstaat sowie in „be- nachbarten Mitgliedstaaten“ (contiguous Member States) ist irreführend, da hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass Kabotage einen grenzüberschreitenden Charakter haben könn- te. Kabotage ist jedoch eine rein innerstaatliche Angelegenheit und die Formulierung des

„benachbarten Mitgliedstaats“ führt eher zu Rechtsunsicherheit statt zu einer Klarstellung.

Kontrollen und Bekämpfung von Briefkastenfirmen

Der DGB fordert die Kommission auf, einen entschiedeneren Weg bei der Bekämpfung des weitläufigen Betrugs im europäischen grenzüberschreitenden Straßenverkehr zu gehen. Die im Rahmen des Maßnahmenpakets vorgesehenen Schritte gehen nur zum Teil in diese Rich- tung. Sie nehmen die Dokumentations- und Nachweispflichten der Unternehmen nur zweit- rangig ins Visier und sorgen vor allem nicht für eine verbindliche, engmaschige Kontrollpflicht seitens der involvierten Mitgliedsstaaten.

6 Berechnungen der österreichischen Dienstleistungsgewerkschaft vida gehen davon aus, dass hiervon rund 14.000 Arbeits- plätze in der heimischen Transportbranche betroffen sein können. Außerdem muss mit Steuerausfällen von 500 Mio. Euro im Jahr gerechnet werden.

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Die vorgesehene Verpflichtung von Unternehmen, ihre Niederlassungen in jenen Mitglieds- staaten zu errichten, in denen sie eine echte wirtschaftliche Tätigkeit entfalten, und diese durch Nachweis von dort angesiedelten Mitarbeitern und Geschäftsaufträgen zu verifizieren, ist grundsätzlich zu begrüßen. Wenn die Zulassungsanforderungen an Verkehrsunternehmer noch verschärft werden, könnte die Bekämpfung von Briefkastenfirmen, also Unternehmen, die ihren Sitz in einem Land mit niedrigen Lohn- und Preisniveaus anmelden, tatsächlich aber auf Märkten mit hohen Lohn- und Preisniveaus operieren, vorangebracht werden.

Bisher enthält auch die geänderte Fassung allerdings nur Kriterien, die für die unmittelbare Geschäftstätigkeit unverzichtbar sind. Eine Büroausstattung lässt sich in jeder größeren Stadt bei Bedarf buchen. Auch die Formulierung in EG 1071/2009, Art. 5 d), die Niederlassung müsse im „angemessenen Umfang Vermögenswerte halten und Mitarbeiter beschäftigen“

ist unzureichend, um die Verbundenheit mit dem Mitgliedstaat zu belegen. Dafür müssten z.

B. Grundbesitz, sonstige Immobilien, Vermögen, Sacheigentum, sozialversicherungspflich- tige Dauerarbeitsverhältnisse und Eigenverantwortlichkeit bei der Geschäftsführung nachge- wiesen werden.

Zudem müssen die vorhandenen Instrumente für eine bessere Durchsetzung der Sozialvor- schriften genutzt werden: Die Bundesregierung hat auf eine kleine Anfrage (Bundestags- Drucksache 18/12522) zum Nutzen der elektronischen Register der Kraftverkehrsunterneh- men (Verordnung EG Nr. 1071/2009, Artikel 16) für die grenzüberschreitende Durchsetzung der Rechtsvorschriften geantwortet:

„Seit Ende des Jahres 2012 werden beim Bundesamt für Güterverkehr in der elektronischen Verkehrs- unternehmensdatei (VUDat) Unternehmensstammdaten (Name, Rechtsform, Anschrift, Namen der Verkehrsleiter, Art der Zulassung, Zahl der eingesetzten Fahrzeuge, etc.) gespeichert. Eine Vernetzung mit den Unternehmensregistern der übrigen EU-Mitgliedstaaten wird über das Europäische Register der Kraftverkehrsunternehmen (ERRU) sichergestellt. Die Konsolidierung oder Vernetzung der VUDat mit Aufzeichnungen der Berufskraftfahrer über die Anwendung der sozial- und arbeitsrechtlichen Vor- schriften ist europarechtlich nicht vorgesehen.“

Die Voraussetzungen dafür müssen geschaffen werden.

Dass Kleinbusse und -transporter nur teilweise in die Regelungen der Verordnung 2017/0123 (COD) einbezogen werden, ist angesichts massiver Verstöße gegen Sozialvor- schriften nicht nachvollziehbar.7 Während die Kommission ihre Aufgabe darin sieht, „zur Professionalisierung von im Bereich der leichten Nutzfahrzeuge tätigen Unternehmen bei[zu]tragen“ (S.7), machen sich diese Geschäftsmodelle das Lohn- und Sozialkostengefälle in der EU zu Nutze. Die Fahrer verbringen ihre Freizeit und die Wochenenden auf Raststätten, wo sie auf den nächsten Auftrag zu warten haben. Ob die Fahrer tatsächlich den Mindestlohn bekommen und Sozialabgaben gezahlt werden, lässt sich kaum überprüfen.

72015 und 2016 hat das Bundesamt für Güterverkehr jeweils Bußgelder in Höhe von ca. 7 Millionen Euro wg. Verstößen gg.

Sozialvorschriften im Straßenverkehr erhoben. Auch alle weiteren Zahlen aus der Bundestagsdrucksache 18/12522 vom 29.5.2017 „Bekämpfung von Sozialdumping im Straßengüterverkehr“, Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Faktion Bündnis 90 / die Grünen.

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Die Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Union wird durch solche Geschäftsmodelle missbraucht. Große Fuhrparkflotten aus Deutschland werden auf dem Papier nach Mittel- und Osteuropa verlagert, sind jedoch dauerhaft in Deutschland stationiert und werden von Deutschland aus disponiert. Die Paketdienste als Auftraggeber wiederum behaupten, keinen direkten Einblick in die Bücher zu haben, sie müssten sich auf die Zusagen der Subunterneh- men verlassen. Zu begrüßen ist in diesem Zusammenhang, dass Art. 14 a in (EG) 1072/2009 vorschlägt, gegen Verlader und Spediteure Sanktionen zu verhängen, wenn sie wissentlich Verkehrsdienste in Auftrag geben, die gegen die Verordnung verstoßen.

Deutschland ist von der anvisierten Kontrolldichte von 3 % ab 2022 weit entfernt. 2016 wurden von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit 4635 Arbeitgeberprüfungen im Speditions- und Logistikgewerbe und vom Bundesamt für Güterverkehr 10.673.586 LKW-Kontrollen durchgeführt. Damit wurden nur ca. 2,2% der 481.688.590 tarifreinen Teilfahrten überprüft.

Angesichts einer Zunahme der Fahrten um 34% seit 2014 ist unbedingt mehr Personal not- wendig. Im Bundesamt stagniert die Zahl der Beschäftigten im Außendienst seit Jahren bei 690 Personen.

Die Potentiale des digitalen Fahrtenschreibers müssen schleunigst für die Kontrolle der Ein- haltung der Sozialvorschriften genutzt werden. Seine verpflichtende Einführung darf sich nicht über 15 Jahre hinziehen. Der DGB fordert, dass neue LKWs ab sofort auf dem Stand der Technik ausgerüstet sein müssen und für alle Fahrzeuge im internationalen Transport der Smart Tachograph ab 2020 verpflichtend sein muss. Unternehmen, denen Regelverstöße nachgewiesen werden, sollten zum sofortigen Einbau digitaler Tachographen verpflichtet sein.

Richtlinienvorschlag 2017/0122 (COD)

Obwohl die Ex-Post-Bewertung im Richtlinienvorschlag 2017/0122 (COD) zur Neurege- lung der Vorschriften zu Lenk- und Ruhezeiten (561/2006 EG) und in Bezug auf die Posi- tionsbestimmung mittels Fahrtenschreibern (165/2014 EU) einen breiten Raum einnimmt, kommen die katastrophalen Arbeitsbedingungen und das erzwungene Berufsnomadentum der LKW-Fahrer kaum vor. Nur einmal wird „fortdauernder Missbrauch der Vorschriften über Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten [–] wegen mangelnder Flexibilität bei ih- rer Anwendung“ (S. 5) thematisiert – also quasi durch schlechte Gesetze erzwungen. Folge- richtig nimmt die Kommission „ungeeignete Sozialvorschriften“ und „abweichende Interpre- tationen der Vorschriften“ zum Ausgangspunkt ihrer Vorschläge. Die rechtwidrige Praxis, die im Übrigen auch gegen die Charta der Grundrechte der EU verstößt, wird hingegen nicht deutlich zur Sprache gebracht: Lohndumping, Vergütung nach Kilometern, monatelange Ruhe- und Freizeit im LKW.

Stattdessen wird die „gängige Praxis“ mehrmals zum Maßstab erhoben – wohlwissend, dass die empirische Basis für die Kenntnis der realen Bedingungen dünn ist: Die Kommission ge- steht ein, dass weder ihre Umfragen unter Kraftfahrern (140 der insgesamt 345 Antworten aus den Niederlanden, 127 aus Großbritannien), noch bei den Unternehmen (von 73 Ant- worten 58 aus Ungarn) repräsentativ sind.

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Der zweite Argumentationsstrang der Kommission ist die Vereinfachung und Klärung beste- hender Vorschriften, die kleine Unternehmen überfordere. Es gehe darum, dass "der unnö- tige Verwaltungsaufwand für Unternehmen reduziert" wird (S. 4). Dabei verkennt sie, dass die Flexibilisierung der Lenk- und Ruhezeiten nicht den KMU zu Gute kommt, sondern vor allem von großen Transportunternehmen für Effizienzgewinne genutzt werden kann.

Die Kommission resümiert das Ergebnis der Konsultationen teilweise einseitig. Die mangel- hafte Durchsetzung geltenden Rechts wird kaum problematisiert. Es wird sogar der Eindruck erweckt, Gewerkschaften seien gegen eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit der Kraftfah- rer in ihrem Heimatort (S. 7). Dabei teilt der DGB lediglich die dokumentierten Bedenken der Durchsetzungsbehörden, dass die vorgeschlagene größere Flexibilität bei der Anwendung der Vorschriften für die Lenk-und Ruhezeiten zu neuen Missbrauchstatbeständen führen könnte und dass eine wirksame Überwachung kaum möglich ist. Es besteht die Gefahr, dass die verkürzte wöchentliche Ruhezeit mangels wirksamer Kontrollen zur Regel und die regu- läre wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden bestenfalls einmal im Monat genommen wird.

In der Praxis dient die Flexibilisierung der Ruhezeiten dazu, mindestens dreiwöchige Touren ohne regelmäßige wöchentliche Ruhezeit zu legalisieren. Entsprechend soll zukünftig in Art. 8 Absatz 6 b ermöglicht werden, dass die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit von mindestens 45 Stunden zweimal durch eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit von mindes- tens 24 Stunden ersetzt werden kann. Die ausgleichende Ruhezeit muss erst nach der dritten Woche, also nach 20 Tagen genommen werden. Die Erläuterung, dass diese Änderung die derzeitigen Anforderungen in Bezug auf maximal tägliche und wöchentliche Lenkzeiten nicht berührte, findet sich im Vorschlag nicht wieder. Sie dürfte in der Praxis auch kaum Bestand haben: Wenn die Höchstarbeitszeit von 90 Stunden in zwei Wochen nicht überschritten wer- den soll, dürfte nach maximal 56 Stunden in der ersten Woche in der zweiten Woche nur 34 Stunden gefahren werden. Wenn aber wegen des legalen zweifachen Aufschubs der regulä- ren wöchentlichen Ruhezeit jeweils nur 24 Stunden reduzierte Ruhezeit genommen würden, wäre der Fahrer am Ende zu 1,5 Tagen Inaktivität verpflichtet. Es ist kann vermutet werden, dass die Fahrer die Lenkzeiten ausweiten, um die Ruhezeit nach drei Wochen im Block neh- men zu können. So werden aus 90 schnell 122 Stunden (zwei Wochen mit je 56 Stunden Fahrzeit). So wird Missbrauch nahegelegt, der im Kontrollfall kaum zu belegen ist.

Es erscheint zunächst positiv, dass der Vorschlag aufwendige Regelungen entwickelt, um sicherzustellen, dass die Fahrer ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit nicht im LKW ver- bringen müssen. Dabei werden zwei Optionen eröffnet. Entweder der Arbeitgeber stellt eine geeignete Unterkunft mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen zur Verfügung. Wahlweise kann der Fahrer seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit auch am Wohnort oder in einer von ihm selbst gewählten privaten Unterkunft verbringen. In Art.

8 (8 b) wird zudem noch betont, dass die Arbeit der Fahrer so geplant werden muss, dass er innerhalb von drei Wochen mindestens eine reguläre Ruhezeit am Wohnort verbringen kann.

Aber auch diese detaillierten Regeln stehen nicht zwangsläufig im Widerspruch zur gängigen Praxis, in der die Fahrer real mehrere Monate unterwegs sein können. Denkbar wäre bei- spielsweise, dass die Unternehmen Sammelunterkünfte in mehreren Zielländern einrichten.

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Die Erläuterung zur Änderung des Art. 8 ist vielsagend: sie dient zur "Anpassung der wö- chentlichen Ruhezeiten an den im Sektor spezifischen Bedarf" (S. 10). So soll auch die Durch- setzung vereinfacht werden. Zukünftig findet allerdings die Kontrolle der Ausgleichszeiten für die reduzierten wöchentlichen Ruhezeiten – wenn überhaupt – vornehmlich am Heima- tort statt, wo sie gemeinsam mit der regulären regelmäßigen Ruhezeit verbracht werden sollen.

Auch die Änderung in Art. 9 dient dazu, die Ruhezeiten-Regelung an den spezifischen Bedarf des Transportsektors anzupassen. Um die Beförderung durch ein Fährschiff oder die Eisen- bahn als Ruhezeit nutzbar zu machen, wird eine Ausnahmeklausel für das Ein- und Auspar- ken eingeführt. Gleiches gilt für die Fahrtunterbrechung in voller Fahrt für Fahrer-Teams..

Das hat negative Auswirkungen auf die Fahrer und die Straßenverkehrssicherheit. Denn die Pause im fahrenden LKW kann definitiv nicht den notwendigen Ruheeffekt haben.

Die unzureichende Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten bei der Durchsetzung der Re- geln ist zweifellos ein Schwachpunkt. In der Erläuterung für den entsprechenden Art. 22 wird deshalb darauf hingewiesen, dass die gegenseitige Amtshilfe zwischen den Mitgliedstaaten

„unverzüglich und innerhalb klar vorgegebene Fristen“ zu erfolgen habe. In der entsprechen- den Änderung des Artikels heißt es jedoch lediglich, Amtshilfe sei „ohne ungebührliche Ver- zögerung“ zu leisten. Für Anfragen aus Zielländern, ob im Entsendeland z.B. der Ausgleich für die reduzierte Ruhezeit belegbar genommen wurde, ist diese Formulierung unzureichend.

Richtlinie 2017/0128 (COD) über die Interoperabilität elektronischer Mautsys- teme

Die Richtlinie 2017/0128 (COD) ist eine umfassende Überarbeitung ihrer Vorgängerin von 2004/9, womit ein neuerlicher Anlauf genommen wird, Argumente für einen europäischen elektronischen Mautdienst (EETS) zu bündeln. Der DGB bleibt trotz der vorstellbaren Effizi- enzgewinne, die ein mit allen europäischen Mautsystemen kompatibles Angebot hätte, skep- tisch. Es gibt auf nationaler Ebene kaum Interesse daran, die jeweiligen Mautbetreiber dem europäischen Wettbewerb auszusetzen. Ihnen wird von den jeweiligen Behörden eine privi- legierte Stellung eingeräumt. Zudem sind nationale Mautsysteme – sofern sie nicht privati- siert werden – willkommene Quellen für die nationalen Haushalte.

Dabei ist die Kritik der Kommission am derzeitigen Prozedere durchaus berechtigt: Wenn in den Mitgliedstaaten für die Mautsysteme unterschiedliche Spezifikationen vorgeschrieben werden, besteht die Gefahr, dass immer mehr teure, aber untereinander inkompatible On- Board-Units in den Fahrhäusern angebracht werden müssen. Eine Vielzahl von Techniken ist für Nutzer und Fahrzeughersteller nicht akzeptabel, das Risiko von Fehlbedienungen steigt.

Dies ist auch der Ertrag einer defensiven, herstellerorientierten Standardsetzung. Vielleicht hat auch die Orientierung an Mehrwertdiensten zur technischen Hochrüstung beigetragen.

In Art. 10 ist ein Streitbeilegungsverfahren zwischen Mauterhebern und EETS-Anbietern vor- gesehen. Fragen des Verbraucherschutzes werden jedoch nicht adressiert. So gibt es zwar ein Antwortformular für den Fall, dass das Verkehrsdelikt (?) nicht zugegeben wird. Aber es

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ist keine Streitschlichtungsstelle vorgesehen, die vermeintliche Mautbetrüger dabei unter- stützt, gegen ein unangebrachtes oder fehlerhaftes Verfahren wegen Nichtzahlung von Stra- ßenbenutzungsgebühren (Art. 6) vorzugehen.

Die Akzeptanz des Ziels einer effektiveren Zusammenarbeit der europäischen Mautsysteme dürfte durch die Fokussierung auf das zweite Ziel die Erleichterung des grenzüberschreiten- den Informationsaustausches über nicht zahlende gebietsfremde Straßennutzer im neuen Vorschlag eher abnehmen. Bei einer konsequenteren Rechtsdurchsetzung über Staatsgren- zen hinweg ist mit Widerständen zu rechnen.

Dabei geht es einerseits um datenschutzrechtliche Fragen. Auch wenn versichert wird, dass der Vorschlag mit den Artikeln 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in Einklang gebracht wird, dass also die erhobenen Daten nicht für andere als die hier ver- folgten Zwecke verwendet werden dürfen und die Speicherung der Daten nur zeitlich be- grenzt – aber ohne konkrete Frist – erlaubt ist, beurteilt der DGB das Vorhaben kritisch.

Irritierend ist, dass in Art. 1 Absatz 2b) die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass auch unabhängig von der Existenz eines Bordgerätes Informationen über Nichtzahler ausge- tauscht werden können. Sie sollen auch „für die grenzüberschreitende Durchsetzung von City Mautgebühren und Staugebühren sowie andere Systeme mit automatischer Nummern- schilderkennung“ (S. 11) nutzbar sein. Erkennbar wird hier das Konzept eines EU-weiten Gebührensystems für Straßennutzung, in dem die vom DGB abgelehnte PKW-Maut ein Bau- stein ist. Die EU-weit geringe Unterstützung für dieses Projekt sollte die Kommission ernst nehmen.

Richtlinie 2017/0114(COD) zur Änderung der Eurovignetten-Richtlinie 1999/62 Die Kommission kritisiert in der Richtlinie 2017/0114(COD die mangelhafte Instandhaltung der Straßeninfrastrukturen. Die öffentlichen Ausgaben für die Straßeninstandhaltung sind von 2006 bis 2013 um circa 30 % zurückgegangen. Auch der DGB kritisiert die Folgen:

Negative Wirkungen für die Wirtschaft, die Gesellschaft und die Umwelt durch höhere Fahr- zeugbetriebskosten, höhere Schadstoff- und Lärmbelastung, längere Fahrzeiten und mehr Unfälle.

Der DGB unterstützt die differenzierte Behandlung von schweren und leichten Nutzfahrzeu- gen. Die Belastung der Infrastruktur durch letztere ist unvergleichlich geringer, weshalb der DGB eine PKW-Maut für eine ineffiziente und ungerechte Maßnahme hält.

Der DGB hat grundsätzliche Vorbehalte gegen eine PKW-Maut. Zweifellos ist das Verursacherprinzip ein wichtiger Bezugspunkt auf dem Weg in eine emissionsarme Mobilität.

Zusätzliche Benutzungsgebühren für PKW werden jedoch aus mehreren Gründen kritisch ge- sehen. Sie sorgen zwar für mehr finanzielle Mittel, es fehlt aber der Nachweis, dass sie eine sozial und ökologisch nachhaltigere Entwicklung der Infrastruktur gewährleisten können.

Die Straßenverkehrsinfrastruktur wird überwiegend aus Steuermitteln – u.a. von Autofahrern – finanziert. Das ist gerechter als eine Finanzierung der Infrastruktur über Benutzungsgebüh- ren, weil die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Steuerzahler berücksichtigt wird. Zudem

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