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Zeitarbeit in anderen Ländern – Lehren für Deutschland?

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Academic year: 2022

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DGB-Bundesvorstand Web: http://www.dgb.de Henriette-Herz-Platz 2 Tel.: 030 / 240 60 - 0 10178 Berlin Fax: 030 / 240 60 - 324

Annelie Buntenbach, Statement

Mitglied des Geschäftsführenden DGB-Bundesvorstandes Vorstellung der Studie:

Zeitarbeit in anderen Ländern – Lehren für Deutschland?

Pressekonferenz, Berlin, 20. August 2009 Es gilt das gesprochene Wort!

Bei der Neuordnung der Leiharbeit (Hartz I) hat der Gesetzgeber 2004 das Ziel formuliert, die Leiharbeit zu liberalisieren, gleichzeitig aber die sozialen Standards für die Beschäftigten zu verbessern.

Vereinfacht gesagt, die Beschränkungen der Branche wurden aufgehoben – im Gegenzug sollten die Beschäftigten ein deutlich höheres Einkommen erhalten.

Gleichzeitig sollte Leiharbeit die Funktion eines Sprungbrettes in reguläre Beschäftigung erhalten.

Heute stellen wir fest: Weder die arbeitsmarktpolitischen noch die sozialpolitischen Ziele wurden erreicht. Im Gegenteil: Die Einschränkungen der sozialen Sicherheit der Leiharbeitskräfte im Vergleich zu anderen Beschäftigten, insbesondere die durchweg schlechte Entlohnung und die fehlende Arbeitsplatzsicherheit sind inakzeptabel.

Mit der liberalisierten Leiharbeit entsteht ein Zweiklassenarbeitsmarkt, reguläre Arbeitplätze werden verdrängt.

- Das Lohnniveau ist derart niedrig, dass nach unseren Berechnungen jeder achte Leiharbeiter ergänzende Leistungen der Grundsicherung in Anspruch nehmen muss.

Dies belastet die Grundsicherungsstellen und damit die Steuerzahler pro Jahr mit rund 500 Millionen Euro. Diese Subventionierung einer Branche ist durch nichts zu rechtfertigen.

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Statement von Annelie Buntenbach 20. August 2009 in Berlin

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- So verdienen Leiharbeitskräfte z.B. in NRW1 im Durchschnitt über alle Tätigkeitsbereiche 1.550 Euro brutto. Dieses Lohnniveau liegt damit um 7 % niedriger als 1999.

Bei qualifizierten Tätigkeiten liegt das Lohnniveau 35 % unter vergleichbaren Einkommen, bei Helfertätigkeit sogar um 45 % unter dem Einkommen von Helfern in anderen Branchen.

Wie Studien zeigen, ist die Situation in den anderen westdeutschen Bundesländern vergleichbar. In Ostdeutschland liegt das Lohnniveau sogar noch deutlich niedriger. Auch die Zahlen des Statistischen Bundesamtes von gestern bestätigen diese Einschätzung.

- Dies zeigt, dass von „Gleicher Bezahlung“ nicht ansatzweise die Rede sein kann.

- Die Arbeitsplätze sind unsicher, Hire and Fire ist an der Tagesordnung. 53 % der beendeten Arbeitsverhältnisse waren kürzer als drei Monate. Seit Sommer letzten Jahres sind ein Drittel der Arbeitsplätze verloren gegangen.

Kein anderer Sektor hat in so kurzer Zeit so viele Jobs abgebaut. Kurzarbeit zur Arbeitsplatzsicherung wird nur selten genutzt.

Die Risiken der Nichtbeschäftigung werden weitgehend durch die Beschäftigten und die Arbeitslosenversicherung getragen. Wenn der Auftrag beendet ist, werden die Beschäftigten in der Regel entlassen und erhalten Arbeitslosengeld oder vielfach direkt Hartz IV. Der Sprung in feste Beschäftigung im Entleihbetrieb ist mit einer Übernahmequote von max.

15 % eher die Ausnahme.

- Zu befürchten ist, dass mit Ablaufen der Krise die Zahl der Beschäftigten in Leiharbeit wieder zunimmt, in absehbarer Zeit die Millionengrenze überschritten wird und die Verdrängungsprozesse weiter beschleunigt werden.

Diese Praxis missachtet die EU-Richtlinie über Leiharbeit, und sie widerspricht der Absicht des Gesetzgebers. Der erlaubt ein Abweichen vom Equal-Pay-Prinzip nämlich nur dann, wenn ein „angemessenes Schutzniveau“ gewährleistet bleibt.

Auch die EU-Richtlinie sieht Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen vor, die das Gesamtschutzniveau für Leiharbeitnehmer wahren.

Inzwischen sind jedoch die Arbeitsbedingungen in der Branche oftmals schlechter als vor der Reform im Jahre 2004. Zurückzuführen ist dies vor allem auf die Schmutzkonkurrenz von Vereinigungen, die Tarifverträge der DGB-Gewerkschaften möglichst unterlaufen wollen.

1 http://www.mags.nrw.de/08_PDF/001/zeitarbeitnrw.pdf

Die Ergebnisse in NRW werden auch durch eine Studie der Arbeiterkammer Bremen bestätigt.

http://www.arbeitnehmerkammer.de/presse143/pressearchiv/zeitarbeit.html

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Statement von Annelie Buntenbach 20. August 2009 in Berlin

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In einem Wettbewerb, der vorwiegend über den Preis läuft, bestimmen diese niedrigen „Tarifverträge“ das Lohnniveau und lassen für faire Bedingungen keinen Spielraum.

Während Teile der Arbeitgeber an fairen Bedingungen interessiert sind, macht sich ein Teil der Arbeitgeber zu Handlangern dieses Handelns.

Die Praxis der in der Studie der Hans-Böckler-Stiftung untersuchten Länder zeigt, dass es auch anders geht.

- Leiharbeit funktioniert auch dann, wenn Equal Pay ab dem ersten Tag gilt.

Wie das Beispiel Frankreich zeigt, sind die Entleiher sogar bereit, Risikozuschläge zu zahlen. Dies ist auch gerechtfertigt, weil die Beschäftigten den Unternehmen einen Teil des Arbeitgeberrisikos abnehmen und hoch flexibel sind.

- Selbst in Großbritannien ist das Equal-Pay-Prinzip deutlich wirksamer durchgesetzt

als in Deutschland. Die Sozialpartner haben sich mit der Regierung darauf verständigt, dass spätestens nach 12 Wochen nicht mehr vom Grundsatz der gleichen Bezahlung abgewichen werden darf.

- Auch tarifvertragliche Regelungen sind möglich, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Entweder geschieht dies im Rahmen des herkömmlichen Systems der industriellen Beziehungen (wie in Dänemark oder Schweden) oder weil der Staat durch Allgemeinverbindlich-Erklärungen Dumpingkonkurrenz über Tarifverträge verhindert (wie in Österreich oder der Schweiz).

Hierzu muss sich der Gesetzgeber bekennen. Doch dies ist in Deutschland offensichtlich nicht gewollt, insbesondere die Parteien CDU/CSU und die FDP machen sich regelmäßig zum Lobbyisten der Leiharbeitsbranche, indem sie die derzeitigen Zustände rechtfertigen und jegliche Gesetzesänderung ablehnen.

Der DGB erneuert deswegen die Forderung, nach der Bundestagswahl den sozialen Schutz der Leiharbeitnehmer durch gesetzliche Änderungen zu verbessern.

Dazu gehört:

1. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz muss so geändert werden, dass grundsätzlich ab dem ersten Tag der Beschäftigung im Entleihbetrieb das Prinzip der Gleichbehandlung beim Entgelt und den übrigen Arbeitsbedingungen gilt. Ausnahmen dürfen nur in einem engen Rahmen zugelassen werden, z. B. wenn in Tarifverträgen für tarifgebundene Betriebe Einarbeitungszeiten zugelassen werden.

2. Die Stabilität der Beschäftigung muss durch die Wiedereinführung des so genannten Synchronisationsverbotes verbessert werden. Dies hat zur Folge, dass die Arbeitgeber nicht die Dauer der Beschäftigung von der konkreten Einsatzzeit in einem Entleihbetrieb abhängig machen dürfen.

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Statement von Annelie Buntenbach 20. August 2009 in Berlin

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3. Die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte der Betriebs- und Personalräte müssen gestärkt werden. Insbesondere die Betriebs- und Personalräte der Entleihbetriebe sollen die Möglichkeit erhalten, eine korrekte Eingruppierung und gesetzeskonforme Vergütung der Leiharbeitskräfte zu kontrollieren.

4. Betriebliche Weiterbildung ist in Verleihunternehmen deutlich seltener als in der übrigen Wirtschaft. Der Zugang der Leiharbeitskräfte zu Weiterbildungsangeboten muss verbessert werden. Auch dies fordert ausdrücklich die EU-Leiharbeitsrichtlinie.

5. Wegen der besonderen Missbrauchsmöglichkeiten muss ein Verleih ins Baugewerbe weiterhin untersagt bleiben. Derzeit ist ein Verleih nur zwischen Betrieben des Baugewerbes untereinander möglich, wenn bestimmte Bedingungen eingehalten werden.

6. Die Überwachung der Verleihbetriebe ist unzureichend. Verstöße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz können nur sanktioniert werden, indem die Verleiherlaubnis entzogen wird. In der Praxis ist dies jedoch eine zu hohe Hürde, weil der Entzug das komplette Unternehmen gefährdet. Der DGB schlägt deswegen vor, unterhalb dieser Grenze weitere Tatbestände einzuführen, die bei Verstößen mit Geldbußen geahndet werden können.

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