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Predigt beim Gottesdienst anlässlich „10 Jahre vietnamesische Gemeinde in Linz“ am Fest „Josef der Arbeiter“ / Tag der Arbeit in der Pfarre St. Franziskus in Linz.

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Lieben und Arbeiten

Predigt beim Gottesdienst anlässlich „10 Jahre vietnamesische Gemeinde in Linz“

am Fest „Josef der Arbeiter“ / Tag der Arbeit.

1. Mai 2017, Pfarrkirche St. Franziskus, Linz

Seit 10 Jahren gibt es die vietnamesische Gemeinde in Linz. Die Ursprünge dieser

Gemeinde gehen auf die Flucht der boat people in den 1970er Jahren zurück. Sie sind über die Philippinen nach Österreich gekommen. Heute hat die katholische Gemeinde der Vietna- mesen in Oberösterreich etwa 150 bis 160 Mitglieder. Sie sind von Arbeit und Wohnung her gut integriert. Ihr Patron ist der hl. Josef, der Arbeiter. Eine Holzfigur des Zimmermanns und Tischlers Josef wird am Beginn des Gottesdienstes in Linz-St. Franziskus gesegnet.

Josef steht für den Beistand auf der Flucht und für die Integration in der Arbeit. Josef, der

„Nährvater Jesu“, von Beruf Zimmermann, wird als „Gerechter“ bezeichnet. Josef trägt Sorge für Maria und widmet sich der Erziehung Jesu; er hütet und beschützt als Patron die Kirche.

„Da sprach der Herr zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Kain entgegnete: Ich weiß es nicht.

Bin ich denn der Hüter meines Bruders? (Gen 4,9)“ – Die Botschaft der Heiligen Schrift mutet uns zu, dass wir einander aufgetragen sind, einander Patron sind, füreinander sorgen, Ver- antwortung tragen, einander Hüter und Hirten sind. Dies nicht in einem schwärmerischen Sinn, dass wir einfach die Millionen zu umschlingen hätten, auch nicht in der Weise, dass wir für alles und für alle zuständig sind. „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40) Wer sich aber für keinen verantwortlich fühlt, wer für nie- mand Sorge trägt, der geht am Evangelium vorbei, bei dem ist etwas faul. „Eine ‚Mindest- Utopie’ müsse man verwirklichen – das ist ein Ausdruck, der verdiente, in unser Vokabular aufgenommen zu werden, nicht als Besitz, sondern als Stachel. Die Definition dieser Min- dest-Utopie: ‚Nicht im Stich zu lassen. Sich nicht und andere nicht. Und nicht im Stich gelas- sen zu werden.’“ (Hilde Domin, Aber die Hoffnung)

Grundlegende Lebensäußerungen des erwachsenen Menschen sind Arbeit und Sexualität.

Menschen erleben durch beide Dimensionen Schmerz und Glück, Scheitern und Gelingen.

Was immer den Menschen in diesen beiden Bereichen zustößt, bestimmt ihre Gottesbezie- hung und hat somit auch eine religiöse Relevanz. „Wir leben das Mit-Schöpfer-Sein aus in Arbeit und Liebe.“1 Der Zusammenhang von Lieben und Arbeiten geht auf Sigmund Freud zurück, der das Wesen einer nicht neurotischen Persönlichkeit durch die Fähigkeit, zu lieben und zu arbeiten, definiert.2

1 Dorothee Sölle. Lieben und Arbeiten. Eine Theologie der Schöpfung, Stuttgart 1985, 169.

2 A.a.O. 13. Sölle nennt keine Referenzstelle bei Sigmund Freud.

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Gesund oder krank machend?

Arbeit macht krank.3 In vielen Teilen der Gesellschaft und in den Medien ist das der Tenor.

VertreterInnen aus der Psychiatrie, sozialen Einrichtungen, des AMS und auch der Pensi- onsversicherungen widersprechen dem aber. Wolfgang Maier, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN): „Die Erschöpfung durch Arbeitsstress ist nur ein Aspekt. Arbeit schützt Menschen auch vor psychischen Erkrankungen.“ Das Risiko, ohne Arbeit zu sein, ist für psychisch Erkrankte bis zu 15-mal höher als für Gesunde.

Arbeit ist ein Platzanweiser in der Gesellschaft. Sie stiftet Sinn im Leben, gibt den Menschen einen Rahmen. Psychotherapie und Psychiatrie bieten vorübergehend Unterstützung und Weisung. Dauerhaft hilft und stabilisiert aber nur ein Arbeitsplatz. Arbeit ist also eine wichtige Voraussetzung für das seelische Wohlbefinden. Auf dem Arbeitsplatz werden soziale Kon- takte geknüpft und gepflegt, und das Gefühl, gebraucht zu werden, ist ebenfalls nicht zu un- terschätzen. So finden sich bei Menschen, die ihre Arbeit verloren haben und länger arbeits- los bleiben, vermehrt psychische Erkrankungen wie Depressionen. Auf der anderen Seite können persönliche Konflikte auf der Arbeit (Stichwort Mobbing), belastende Arbeitsbedin- gungen wie ständiger Leistungsdruck und Schichtarbeit, Unsicherheit des Arbeitsplatzes, an- dauernde Überlastung, aber auch Unterforderung, mit dazu beitragen, dass Menschen, de- ren Widerstandskraft bereits fast aufgebraucht ist, psychisch erkranken oder eine bereits vor- handene psychische Erkrankung sich verschlechtert.4

Untersuchungen zeigen: Je selbstständiger eine Arbeit ausgeführt wird, umso gesünder ist sie. Andersherum ausgedrückt: Auf Kommando arbeiten macht krank. Das bezieht sich sowohl auf die Arbeitsinhalte als auch auf Arbeitstempo und Arbeitszeit. Und: Es ist weniger die Quantität der Arbeit, die krank macht, als vielmehr ihre Qualität. Zur Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahren wird leider nur wenig geforscht. Es zeigt sich hier, dass die Jugendlichen nicht nur durch ihre Arbeitslosigkeit krank werden, sondern häufig gesundheitliche oder soziale Faktoren bereits das Arbeit-Finden erschweren.

Für die große Mehrheit der Menschen, die zu psychischen Erkrankungen neigen, ist Arbeit ein eher schützender Faktor, da sie meist mit einer klaren Tagesstruktur, Sozialkontakten und günstigenfalls auch mit Erfolgserlebnissen verbunden ist. Bei Menschen, die durch genetische Faktoren oder frühe Lebenserfahrungen eine erhöhte Vulnerabilität hinsichtlich einer Depression oder anderer psychische Erkrankungen haben, kann z. B. eine Überforde- rungssituation oder erhöhte Anspannung durch einen unsicheren Arbeitsplatz als Auslöser für eine Erkrankung fungieren, so wie viele andere Faktoren wie Arbeitslosigkeit, Urlaubsan- tritt, bestandene Prüfungen, Partnerschaftskonflikte etc.

Arbeitslos zu sein ist darum meist mit mehr körperlichen, aber vor allem auch mit psychi- schen Erkrankungen verbunden. Häufig ist es für die Betroffenen besser, irgendeiner als keiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen, auch wenn sie nicht ihrer Qualifikation entspricht.

In einem großen Dilemma befinden sich hier Menschen im arbeitsfähigen Alter, die bereits psychisch krank sind. Sie spüren, dass sie den normalen Belastungen des ersten Arbeits- marktes nicht standhalten können. Ihr Umfeld, aber auch sie selbst erwarten aber, dass es

3 Vgl. dazu Mental health und Arbeitswelt. Mental health in the Work Environment, in: Imago Hominis. Quartal- schrift für Medizinische Anthropologie und Bioethik 21 (2/2014).

4 Vgl. dazu Klaus Dörner, Monokultur der Effizienz: Arbeitswelt als Auslöser psychischer Krankheiten, in: Imago Hominis 21 (2/2014) 111-114.

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gehen müsste. Die Folge sind erneutes Auftreten ihrer Krankheitssymptome oder die Ausbil- dung anderer Erkrankungen.

Was bedeutet das?

Arbeit kann (psychisch) krank machen.

Keine Arbeit kann (psychisch) kränker machen.

Es kommt auf eine Gesundheit erhaltende Gestaltung der Arbeit an.

Auch ein mäßiger Job ist meist besser für die psychische Gesundheit als kein Job.5

Arbeit hat Zweck, braucht aber Sinn6

Der Sinn liegt nicht in der Funktionalität und im vordergründigen Nutzen der Arbeit. Die Ein- stellung zur Arbeit unterliegt einem enormen geschichtlichen Wandel. In der Antike war Arbeit ein Tun des Sklaven und der unteren Schichten, Freisein von Arbeit dagegen ein Kennzeichen der eigentlich menschlichen Würde. Benedikts „ora et labora“ stellte Arbeit und Kontemplation auf eine Stufe. Unter christlichem Einfluss wurde Arbeit nahezu sakralisiert.

Biblisch wird das Kultivieren der Welt durch Arbeit zum Auftrag. Mit der Aufwertung der Arbeit werden aber auch der Besitz und das Besitzen Wollen wichtig – und zu einer Gefahr.

Arbeit kann auch zum Rausch und zur Verführung werden (Workaholismus). Der Mensch wird besessen von der Maschine oder Arbeit wird Ausdruck einer Verzweiflung.

Arbeit hat Zweck, braucht aber Sinn. Zweck ist zielgerichtetes Tun, mit dem erreichten Ziel ist die Arbeit abgeschlossen. Sinn hat kein Ziel in der Zeit. So ist Musik sinnvoll, aber nicht zweckhaft. Kühe geben nachweislich mit Mozarts Musik mehr Milch, sie wurde aber nicht für den Stall geschrieben. So sollte ein Beruf nicht nur Zweck (Geld, Ansehen, Feierabend) ‚ haben, sondern auch eine innere Befriedigung in sich tragen. Dann ist ein Beruf auch sinn- voll. Sinn hängt aber auch mit Sinnlichkeit zusammen. Die überbordende virtuelle Welt ist daher nicht nur Chance, sondern auch Gefahr. Leben können wir nur in der wirklichen, hand- greiflichen Welt. Im Deutschen hängen Leib-Leben-Liebe zusammen; alle grundlegenden menschlichen Vollzüge, von der Geburt über die Liebe bis zum Sterben vollziehen wir nur wirklich, nicht virtuell.

Lieben und Arbeiten

Kraft dessen, dass der Mensch vor Gott steht, hat er auch einen besonderen Schöpfungsauf- trag empfangen: Der als Bild Gottes geschaffene Mensch wird ausdrücklich in Gen 1,26f zur kreativen Weiterführung und Aneignung der Welt ermächtigt. Dabei ist freilich ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen, dass ihm dieser Schöpfungsauftrag in der Form eines Segenswortes übertragen wurde. Daraus folgt, dass auch nur unter den Bedingungen des göttlichen Segens menschliches Schaffen lebensförderlich ist. Nicht unter selbst zu wählen- den Voraussetzungen und Zielen ist dem Menschen die Welt anvertraut, sondern unter der Segensvoraussetzung Gottes. Folglich lässt sich aus dem so genannten Schöpfungsauftrag nicht ableiten, dass der Mensch mit der Welt machen kann, was er will. Wo er die Welt zer- stört und ausbeutet, schafft er nicht mehr unter den Bedingungen des göttlichen Segens. „Im Wort der göttlichen Offenbarung ist diese fundamentale Wahrheit zutiefst eingeprägt, dass

5 http://www.forschung-fuer-uns

6 Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, Arbeit und Lebenssinn im Zeitalter seelischer Erkrankungen, in: Imago Hominis 21 (2/2014), 115-121.

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der Mensch, als Abbild Gottes geschaffen, durch seine Arbeit am Werk des Schöpfers teil- nimmt und es im Rahmen seiner menschlichen Möglichkeiten in gewissem Sinne weiterent- wickelt und vollendet, indem er unaufhörlich voranschreitet in der Entdeckung der Schätze und Werte, welche die gesamte Schöpfung in sich birgt.“7

Arbeit im Sinne der Gottebenbildlichkeit ist Teilhabe an der Kreativität Gottes, ist Selbstver- wirklichung, ist Versöhnung mit der Natur und sie stiftet Gemeinschaft. Sigmund Freud sieht das Wesen der gesunden, nicht neurotischen Persönlichkeit in der Fähigkeit zu arbeiten und zu lieben.8 „In der Arbeit beziehen wir uns aufeinander. In gewissem Sinn ist alle Arbeit Mit- Arbeit, auch die Arbeit, die wir als Vor-Arbeit, nämlich als zeitliche und sachliche Vorsorge leisten. Der Arbeitslose verliert den Draht zu den anderen, er oder sie fühlt sich vom Leben abgeschnitten. … Arbeit schafft Gemeinschaft. … Wir erfahren, dass wir etwas tun, das von anderen gebraucht wird. … In diesem Sinn ist humane Arbeit eine sozio-psychologische Vorbedingung des Friedens.“9

Wenn aber zuletzt im Alter die Beziehungen weniger werden, wenn ein Mensch nichts mehr leisten und arbeiten kann, so schrumpft damit nicht auch die Würde eines Menschen. Die Würde eines Menschen ist in keinem Fall antastbar, weil sie ihm von Gott selbst zugespro- chen wird: Gott hat den Menschen nach seinem eigenen Bild, als sein Abbild erschaffen.

„Die Würde sprechen wir uns nicht zu, darum können wir sie einander auch nicht abspre- chen. Sie ist uns vorgegeben, sie darf nicht angetastet werden.“ (Bischof Franz Kamphaus) Friederike Mayröcker hat ihren langjährigen Partner Ernst Jandl bis zuletzt gepflegt. Nach dessen Tod wurde sie gefragt, ob es denn nicht deprimierend sei, mit ansehen zu müssen, wenn ein Mensch, der nichts mehr halten kann, nach und nach seine Würde verliert. Ihre Antwort: „Er hat in dieser Phase an Würde gewonnen.“ (Requiem für Ernst Jandl)

+ Manfred Scheuer Bischof von Linz

7 Johannes Paul II., Laborem exercens. Über die menschliche Arbeit, Rom 1981, 25.

8 Vgl. Dorothee Sölle, Lieben und arbeiten. Eine Theologie der Schöpfung, Stuttgart 41987, bes. 10.

9 Dorothee Sölle, Lieben und arbeiten 127.

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