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Archiv "Methodische Mängel" (03.10.2014)

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680 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 40

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3. Oktober 2014

M E D I Z I N

DISKUSSION

Sektorenübergreifendes Case-Management

Die Autoren zeigen, dass ein Case-Management-Programm (CMP) für Patienten mit Herzinsuffizienz zu signifikant weniger Krankenhauseinweisungen, Wiedereinweisungen und Kranken- hauskosten führen kann. Entscheidend sind Verbesserungen im ambulanten Sektor (leitlinienbasierte Arzneitherapie, frühzeitige Facharzteinbindung, regelmäßige Nachkontrollen) (1).

Disease-Management-Programme (DMP) sind systemati- sche, zentral organisierte, auf evidenzbasierte Medizin gestützte Behandlungsprogramme für chronisch kranke Menschen (2).

Case-Management-Modelle (CM) konzentrieren sich dagegen auf ein optimales Behandlungsergebnis für einzelne Patienten (2). Demnach handelt es sich in der vorliegenden Arbeit um ein DMP.

Unklar bleibt bei der „engen Kooperation zwischen den unter- schiedlichen Leistungserbringern“ die Rolle des Krankenhauses bei der Senkung der Wiedereinweisungsrate. Mit dem Versor- gungsstrukturgesetz von 2011 soll das Entlassungsmanagement der Krankenhäuser verpflichtend verbessert werden. Für „schnei- dende“ Fächer wie die Gefäßchirurgie ist dies bedeutsam. So ha- ben beispielsweise multimorbide Patienten mit Diabetes mellitus und arterieller Verschlusskrankheit, die zur Vermeidung von Ma- joramputationen periphere Bypässe bekommen, nach der statio- nären Entlassung Wiedereinweisungsraten von 30 % nach sieben Wochen (3). Ein sektorenübergreifendes Case-Management kann die Wiedereinweisungsrate dieser Patienten und die Rate von Fallzusammenführungen signifikant senken, ohne die Liegedauer zu verlängern (3). Von größter Bedeutung ist dabei die Verbesse- rung der intersektoralen Kommunikation und Zusammenarbeit, um ein ambulantes Versorgungsnetzwerk zu koordinieren, bevor der Patient die Klinik verlässt. Entscheidend sind also die Aktivi- täten der behandelnden Klinik, während in der Arbeit von Hen- dricks (1) der Haupteffekt vom ambulanten Sektor ausgeht.

Unser CMP hat Einsparungen für das Krankenhaus bewirkt.

Wir wissen nicht, ob dadurch Mehrkosten im ambulanten Sektor entstehen. Auch in der obigen Studie (1) könnten den niedrigeren Krankenhauskosten erhöhte ambulante Kosten, zum Beispiel durch häufigere Arztbesuche, gegenüberstehen.

DOI: 10.3238/arztebl.2014.0680a

LITERATUR

1. Hendricks V, Schmidt S, Vogt A, Gysan D, et al.: Case management program for patients with chronic heart failure—effectiveness in terms of mortality, hospital admissions and costs. Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 264–70.

Methodische Mängel

Diese Untersuchung ist keine Feldstudie, da die Daten nicht zur Be- antwortung der Forschungsfrage erhoben wurden.

Bei Studien zum Vergleich der Effektivität von Behandlungen müssen Interventions- und Kontrollgruppe vergleichbar sein (1).

Dies ist in Zweifel zu stellen, wenn für die Interventionsgruppe eine ventrikuläre Funktionsstörung und ein Kardiologenkontakt erforder- lich sind, für die Kontrollgruppe hingegen nicht. Hier wurde ver- sucht, die Gruppen mittels Propensity-Score-Matching vergleichbar zu machen. Bei dieser Methode sollten möglichst alle Variablen ein- geschlossen werden, die das Ereignis oder die Gruppenzuteilung be- einflussen (und nicht nur Alter, Geschlecht und NYHA-Stadium), wozu eine schrittweise Regression nicht sinnvoll ist (1). Wichtige Parameter zur Erkrankungsschwere, wie die Anzahl der Hospitali- sierungen vor Studienbeginn, wurden weder berücksichtigt noch überhaupt berichtet.

Durch den Ausschluss von Patienten, die weniger als sechs Mo- nate am Programm teilnahmen, wird ein „immeasurable time bias“

(2) induziert. Patienten, die innerhalb dieser Zeit sterben, werden in der Interventionsgruppe nicht berücksichtigt, in der Kontrollgruppe jedoch schon. CorBene wurde 2005 entwickelt und es ist davon aus- zugehen, dass viele Patienten erst in den Folgejahren eingeschrieben wurden. Durch Beginn des Follow-up zum 1. 7. 2005, unabhängig davon, ob der Patient zu diesem Zeitpunkt bereits ins Programm ein- geschrieben war, verstärkt sich dieser Bias weiter.

Wie Arztkontakte aufgrund einer Herzinsuffizienz ermittelt wur- den, bleibt unklar, zumal Diagnosen im ambulanten Bereich fallbe- zogen abgerechnet werden. Zwei Kontakte pro Jahr bei Hausärzten und Kardiologen erscheinen viel zu niedrig, wenn man bedenkt, dass jeder Versicherte jährlich durchschnittlich 18 Arztkontakte auf- weist (davon 10 zu Hausärzten/Internisten) und die Werte für über 70-Jährige auf mehr als 30 ansteigen (3).

Abschließend denken wir, dass die Studie aufgrund methodischer Mängel nicht als Basis für politische Entscheidungen geeignet ist.

DOI: 10.3238/arztebl.2014.0680b zu dem Beitrag

Case-Management-Programm für

Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz:

Effektivität in Bezug auf die Mortalität, Krankenhauseinweisungen und -kosten

von Dipl.-Oek./Medizin (FH) Verena Hendricks M.Sc.,

Dipl.-Oek./Medizin (FH) Simone Schmidt, Prof. Dr. med. Achim Vogt, Dr. med. Detlef Gysan, Dipl.-Oek./Medizin (FH) Volker Latz, Dr. med. Ines Schwang, Prof. Dr. med. Reinhard Griebenow, Prof. Dr. med. Dipl.-Kfm. (FH) Rainer Riedel in Heft 15/2014

2. Case Management Society of America: „Definition of Case Management“.

www.cmsa.org/Home/CMSA/WhatisaCaseManager/tabid/224/Default.aspx (last accessed on 22 July 2014)

3. Rümenapf G, Geiger S, Schneider B, et al.: Readmissions of patients with diabetes and foot ulcers after infra-popliteal bypass surgery: attacking the problem by an integrated case management model. Vasa (Eur J Vasc Med) 2013; 42: 56–67.

Prof. Dr. med. Gerhard Rümenapf Diakonissen-Stiftungs-Krankenhaus, Speyer n.u.g.ruemenapf@t-online.de

Dr. rer. nat. Johannes Georg Boettrich Dr. rer. nat. Norbert Nagel

Melsungen

Dr. med. Stephan Morbach Marienkrankenhaus Soest gGmbH, Soest

Interessenkonflikt

Prof. Rümenapf bekam Vortragshonorare von der Firma B. Braun Melsungen AG.

Dr. Boettrich und Dr. Nagel sind Angestellte der Firma B. Braun Melsungen AG.

Dr. Morbach wurde honoriert für Beratertätigkeit (Advisory Board) von den Firmen Novo Nordisk, Urgo Pharma und Olympus.

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Deutsches Ärzteblatt

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Heft 40

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3. Oktober 2014 681

M E D I Z I N

Schlusswort

Die Forschungskollegen Hoffmann und Schink weisen auf mögliche Limitationen in der medizinisch-ambulanten Ver- sorgungsforschung hin. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen.

Bedauerlicherweise sind bei einer versorgungsforschungsori- entierten Betrachtung von Patienten und Behandlungsergeb- nissen in der Routinebehandlung Grenzen gesetzt.

Es wurde außer Acht gelassen, bereits vor der Einführung von krankheitsspezifischen Versorgungsprogrammen eine Grund - lage für eine wissenschaftlich hochwertige Evidenz zur Bewer- tung der Kosten und des medizinischen Nutzens zu ermögli- chen. Dies ist unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass es unter Alltagsbedingungen tendenziell schwierig ist, einen Haus- oder Facharzt in seiner täglichen Routineversorgung dafür zu gewinnen, entsprechende Patienten- und Behandlungs - daten zu Evaluations- und Forschungszwecken zu erheben.

Dar über hinaus gestaltet es sich noch schwieriger, analoge Daten eines Vergleichskollektivs zu erheben. Demzufolge wurde in unserer Studie mit Hilfe des Prospensity-Score- Matchings auf die Routinedaten der beteiligten gesetzlichen Krankenkasse zurückgegriffen (1).

Aufgrund limitierten Datenumfangs ist die gewählte Vorge- hensweise mit qualitativen Einschränkungen hinsichtlich der theoretischen wissenschaftlichen Anforderungen an die Da- tenqualität in der Versorgungsforschung verbunden. Da weder Zusatzdaten zu Komorbiditäten noch soziodemografische Daten seitens des Kostenträgers für die Untersuchungen zur Verfügung gestellt werden konnten, wurden in das Matching- verfahren lediglich die Variablen „Alter, Geschlecht und Krankheitsschweregrad (NYHA-Stadium)“ einbezogen. Die damit verbundenen Einschränkungen hinsichtlich der Grup- penheterogenität (Selection-Bias) wurden diskutiert und sind den Autoren grundsätzlich bewusst. Allerdings stellt sich die Frage, inwieweit wir bei der heutigen Diskussion um HTA- basierte (HTA, „Health Technology Assessment“) Ergebnisse und deren Limitationen nicht bereit sein müssen, auf der Basis der verfügbaren Routinedaten, erste zukunftsorientierte Aus-

sagen aufzuzeigen, um so die Versorgungsqualität der Patien- ten weiter zu verbessern, und dies vor allem bei begrenzten Ressourcen.

Überlegungen hinsichtlich eines möglichen „immeasurable time bias“ sind aus Sicht des Lesers möglich – würden aber den Anforderungen der Autoren nicht entsprechen. Nach den vorliegenden Daten der gesetzlichen Krankenkasse sind in den ersten sechs Monaten keine in das Versorgungsprogramm eingeschriebenen Patienten verstorben. Es folgt weiterhin der Einwand hinsichtlich der „ausgewiesenen ärztlichen Kontak- te“; dabei muss bei einem Evaluationsverfahren ein Maßstab definiert werden, nachdem beispielsweise die Arztkontakte als Studienkriterium integriert werden. Hier wurde das Krite- rium „diagnosebezogene Arztkontakte“ definiert.

Alle Untersuchungen, die Analysen von primär für Abrech- nungszwecke erhobenen GKV-Routinedaten enthalten, unterliegen bestimmten Limitationen (2–4). Gerade im Hinblick auf die Ein- schränkungen in der Umsetzung von HTA sowie von prospektiven randomisierten kontrollierten Studien (RCT) zur Bewertung von Ergebnissen der Routineversorgung multimorbider Patienten ist es dringend erforderlich, Versorgungsforschungsdaten zu evaluieren und zu publizieren (5).

Es wäre ein Fehler, wenn man aufgrund methodischer Ein- schränkungen, die sich bedauerlicherweise bei den meisten gesund- heitsökonomischen Bewertungen der bisher etablierten Behand- lungsprogramme von multimorbiden Patienten finden lassen, auf die Nutzung der bisher gewonnen Daten und Erkenntnisse zur Op- timierung der Versorgungssituation verzichten würde. Vielmehr müssen Ergebnisse aus Versorgungsroutine-Studien gerade den ge- sundheitspolitischen Entscheidern Impulse geben, valide und reli- able Daten für eine bestmögliche wissenschaftliche Evidenz zu ge- nerieren und die HTA-Perspektive vor der Umsetzung von Versor- gungsprogrammen zu berücksichtigen.

DOI: 10.3238/arztebl.2014.0681 LITERATUR

1. Hendricks V, Schmidt S, Vogt A, et al.: Case management program for patients with chronic heart failure—effectiveness in terms of mortality, hospital admissions and costs. Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 264–70.

2. Stock S, Drabik A, Büscher G, et al.: German diabetes management programs improve quality of care and curb costs. Health Aff (Millwood) 2010; 29:

2197–205.

3. Miksch A, Laux G, Ose D, et al.: Is there a survival benefit within a German primary care-based disease management program? Am J Manag Care 2010;

16: 49–54.

4. Lindner R, Ahrens S, Köppel D, Heilmann T, Verheyen F: The benefit and efficiency of the disease management program for type 2 diabetes. Dtsch Arztebl Int 2011;

108: 155–62.

5. Gartlehner G, West SL, Mansfield AJ, et al.: Clinical heterogeneity in systematic reviews and health technology assessments: synthesis of guidance documents and the literature. Int J Technol Assess Health Care 2012; 28: 36–43.

Für die Autoren

Prof. Dr. med. Dipl.-Kfm. (FH) Rainer Riedel Verena Hendricks, M.Sc.

Institut für Medizin-Ökonomie & Medizin

Versorgungsforschung Rheinische Fachhochschule Köln gGmbH University of Applied Sciences, Köln

riedel@rfh-koeln.de

Interessenkonflikt

Das Institut für Medizin-Ökonomie & Medizinische Versorgungsforschung der Rheinischen Fachhochschule Köln, das mit der wissenschaftlichen Begleitung des CorBene-Programms beauftragt war, erhielt von den teilnehmenden Betriebskrankenkassen eine Aufwandsent- schädigung für die Erfassung und Analyse der Daten.

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

LITERATUR

1. Johnson ML, Crown W, Martin BC, Dormuth CR, Siebert U: Good research practices for comparative effectiveness research: analytic methods to improve causal inference from nonrandomized studies of treatment effects using secondary data sources: the ISPOR Good Research Practices for Retrospective Database Analysis Task Force Report-Part III. Value Health 2009; 12: 1062–73.

2. Suissa S: Immeasurable time bias in observational studies of drug effects on mortality. Am J Epidemiol 2008, 168: 329–35.

3. Grobe TG, Döring H, Schwartz FW: Barmer GEK Arztreport. Sankt Augustin:

Asgard-Verlag 2010.

4. Hendricks V, Schmidt S, Vogt A, et al.: Case management program for patients with chronic heart failure—effectiveness in terms of mortality, hospital admissions and costs. Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 264–70.

PD Dr. PH Falk Hoffmann

Universität Bremen, ZeS, Abteilung Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung, Bremen hoffmann@zes.uni-bremen.de

Dr. rer. medic. Tania Schink

Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS GmbH, Abteilung Klinische Epidemiologie, Bremen

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Referenzen

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