A 444 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 10|
8. März 2013PERKUTANE KORONARINTERVENTION
A. radialis ist Zugang erster Wahl
Niedrigere Blutungskomplikationen und höherer Patientenkomfort haben europäische Fachgesellschaften zu der gemeinsamen Empfehlung veranlasst, die Handarterie als Punktionsstelle für eine PCI der A. femoralis vorzuziehen.
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ie Punktion der Femoralarte- rie in der Leistenbeuge galt lange Zeit als klassische Eintritts- pforte für Kathetersysteme bei per- kutaner Koronarintervention (PCI).Erst 1989 ist zur Reduktion blu- tungs- und immobilisationsbeding-
ter Komplikationen die Punktion der A. radialis am Handgelenk als alternativer Zugangsweg beschrie- ben worden. Obwohl frühzeitig ver- gleichbare prozedurale und klini- sche Resultate gezeigt werden konnten, etablierte sich der radiale Zugang weltweit sehr unterschied- lich: In Kanada, Frankreich, Italien und den skandinavischen Ländern wurde er bald als Standard gewählt, in Deutschland war man zunächst zurückhaltender.
Das dürfte sich nun ändern, denn europäische Fachgesellschaften un- ter Leitung der Europäischen Ge- sellschaft für Kardiologe (ESC) ha- ben die A. radialis als Punktions- stelle erster Wahl für eine PCI emp- fohlen (Eurointervention 2013, on- line 28. Januar). Vorteilhaft ist ihre günstige anatomische Lage: Sie liegt oberflächlich, und weder gro- ße Venen noch Nerven verlaufen in unmittelbarer Nähe der Arterie.
Folglich verringert sich das Risiko,
diese Strukturen zu verletzen – ein Umstand, der vor allem antikoagu- lierten und adipösen Patienten zu- gutekommt.
Da die Hand zudem über eine doppelte arterielle Blutversorgung verfügt, ist im Fall einer Kompli -
kation mit Verschluss der A. radialis (circa drei Prozent) in der Regel die Perfusion durch die A. ulnaris wei terhin gewährleis- tet. Die Funktionsfä- higkeit des Hohlhand- bogens sollte vorab mit dem Allen-Test überprüft werden. In- folge ihres oberfläch- lichen Verlaufs und ihres geringen Durch- messers ist die Arterie gut komprimierbar, Nachblutungen sind seltener, und das Anlegen eines grö- ßeren Druckverbandes ist nicht er- forderlich. Der Patient kann viel- mehr direkt nach der Untersuchung vom Kathetertisch aufstehen und muss nur kurz im Krankenhaus überwacht werden. Die geringeren Liegezeiten gehen nicht nur mit er- höhtem Patientenkomfort einher, sie führen potenziell auch zu gerin- gerer Personalbelastung und Kran- kenhauskosten.
Die Punktion ist allerdings technisch anspruchsvoller
Diesen Vorteilen gegenüber steht die Tatsache, dass die transradiale Intervention einen höheren techni- schen Anspruch an den Untersucher stellt und das Durchlaufen einer Lernkurve erfordert. Erschwerend kommt hinzu, dass bei älteren Pa- tienten häufiger stark gewundene Gefäßverläufe der nachgeschalteten A. subclavia und eine Dilatation der Aorta ascendens beobachtet wer-den. Um die nötigen manuellen Fertigkeiten dauerhaft zu erhalten, empfehlen die ESC-Experten, dass der Anteil diagnostischer oder the- rapeutischer Kathetereingriffe via Radialiszugang an Zentren bei mehr als 50 Prozent liegen sollte und jeder Untersucher jährlich auf ein Minimum von 80 solcher Proze- duren kommen sollte.
Gefäßspasmen und postinterven- tionelle Gefäßobliterationen treten vor allem bei Patienten mit den hierfür typischen Prädiktoren Rau- chen, weibliches Geschlecht und kleine Gefäßkaliber auf. Neben dem Gebrauch kleinerer Katheter (4/5 F) empfehlen sich eine ad - juvante Heparingabe sowie eine pe- riprozedurale spasmolytische Phar- makotherapie.
Die retrograde Passage der gro- ßen thorakalen Gefäße kann zudem geringfügig höhere Durchleuch- tungszeiten nach sich ziehen. Wegen der potenziell besseren Abschir- mungsmöglichkeiten vor Streustrah- len muss dies aber nicht automatisch zu einer höheren Strahlenbelastung für den Untersucher führen.
„Die praktischen Vorteile des transradialen Zugangswegs sind in internationalen Studien klar nach- gewiesen worden“, so Prof. Dr.
med. Josef Ludwig vom Universi- täts-Herzzentrum Erlangen, einer der deutschen Pioniere dieser Tech- nik, im Gespräch mit dem Deut- schen Ärzteblatt. Aus der Reduk - tion der Blutungskomplikationen scheint nach derzeitiger Studien - lage jedoch kein genereller pro - gnostischer Vorteil zu resultieren.
Allerdings mehren sich Belege da- für, dass vor allem Patienten mit ST- Hebungs-Myokardinfarkt (STEMI) auch von einer Reduktion der Mor- talität bei transradialer PCI profi-
tieren.
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Dr. med. Vera Zylka-Menhorn Die Punktion der
A. radialis sollte circa einen Zenti - meter proximal des
Proc. styloideus in Seldingertechnik erfolgen – vorsich- tig, zur Vermeidung von Spasmus und Dissektion. Heparin-
gabe verhindert thrombotische Komplika tionen.
Foto: dpa