• Keine Ergebnisse gefunden

Aufgcschnittcne und beschmutzte Eecmplare werden nicht zurückgenommen.

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Aufgcschnittcne und beschmutzte Eecmplare werden nicht zurückgenommen."

Copied!
100
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)St. Pctcrsburgschen Monatsschrift. Aufgcschnittcne und beschmutzte Eecmplare werden nicht zurückgenommen..

(2) Inhalt. Seite,. t. Das achtzehnte Jahrhundert.. n.. Nina, oder die Liebenden am See Muron.. Von Herm. Berling ...................................................... 97.. Von Herrn Domvicar Bock ..... I1L. Eine Literairgeschichte für Damen.. .. .. .. 137.. (Fortsetzung.). .. .. 154.. Herrn Kollegicnrath v. Kotzebue IV.. Briefe aus Dorpat,. V-. Iwan Maseppa.. (Fortsetzung.). Pastor v. Bergmann. VI.. Kleinigkeiten.. v. Kotzebue VII.. *. ios. Don. Von Hrn.. ........ 169.. Von Herrn Kollegicnrath. .. .... ........................... iss. '. Theater.. Französisches Theater in St. Petersburg. .. 135.. Theaternotiz ............ i93..

(3) .. R u t h e n i a. oder:. Fünfter Jahrgang. St. Pctcrsburgschen Monatsschrift.. &. Tartu Ri:k 'k> *. Monat Februar. ------------------ ------------------- .-------------------. Das achtzehnte Jahrhundert. (Verfertigt 1799/ und bisher noch ungedruckt.) bedampft ist nun die langentflammte Fehde/ Die an die Schranken des Jahrhunderts schlug. Mit Jubel grüßt Saturn die sichre /Rhede, Und rüstet sich zum neuen Weltumflug. ' Beladen sind die Hallen des Planeten, Und bieten ihre Wunder uns zur Schau: Ihr Völker, strömt zum Kampfe der Athleten, Und füllt des Isthmus hochgewölbtcn Bau!. Halt Euch des Aberglaubens Fluch umklommen: Daß. wir vom großen Lichtpunkt ferner stehn. Seit wir Jahrtausende thyt nachgeschwommen, Als bey dem ersten scheuen Wirbeldrehn? — Erster Band.. 7. R q c m attiJsstgy.

(4) 98. .. .. .. ■. Zerbrich die Kett^ Mensch! Wie schmählich klammert Cie Dich an Schulbank und an Kloste^lvand! Fort aus dem Sumpf, wo trübe Mönchsbrut jammert, Und schwinge kühn der Wahrheit Feuerbrand!. .. *> •. Blick' auf! In seinem Purpurlicht entgleitet Der Genius, der das Jahrhundert führt, Dem Bruder einen goldnen Teppich breitet. Der säuselnd noch im Hain.die Harfe rührt.------Dein Element ist Licht! In grauser Ferne Beschwörst Du der Kometen/wilden Lauf, Drehst Dich im Wirbeltanz der letzten Sterne Und sprengst der Elemente Mystik auf. a). Den ew'gen Einklang aller Weltsysteme G, Verbürgtest Du der blöden Sinnlichkeit, Hast sie gestützt durch reine Theoreme, Zwey schlichten Grundgesetzen angcreiht. b) Des blitzbeschwingten Erdballs Prototypen Stahlst Du im Flug die treffende Kopie, Und schütztest die verwegensten Prinzipen Durch die Symbolik der Geometrie, c). Im Ocean der Sonnenregionen Hast Du der Ordnung schöne Bahn Geführt; Mit kühner Hand am Pol der Sternenzonen Die Genesis des Weltsystems berührt. Du hast durch wunderbare Syllogismen Der Existenzen letztes Glied erhellt, Im stürmischen Gebiete d^ Sophismen Den hohen Pharos der KmU gestellt, d). i.

(5) 99 Dem trägen Stoff der irdischen Maschine Gabst Du des Aethers leichten Flügelschwung r Und die Pygmäe wagt zur Sonnenbühne Den alten fabelnden Gigantensprung. e) Sie hascht in den entseeltesten Gestalten Des Lebens unsichtbares Organon; Lernt Typen der Vegetation entfalten, So wie die Locke des Hyperion. fg). Zwingt mit -cm Heldenarm des Iapethiden An ihr Gesetz -es Blitzes Schlangenhals; Sanft gängelt sie den flatternden Sylphiden Die steile Bahn des schwankenden Metalls, h) Durch die geheimnißvollcn Labyrinthe Der Harmonie lenkt sie die frcye Norm: Den schlauverhülltcn Schwung der Terz' und Quinte Zeigt sie dem Äug' in gürtelloser Form, i). Auf jedem Pfad, den Pyrrha'6 Erben schreiten, Beleuchtet Dein Kompaß die dunkle Spur; Und lieblich klingt vom Ufer ferner Zeiten Der Schlüssel zu den Cbiffern der Natur. Fackel selbst, o Cherub Deiner Brüder, Gab Dir der Erde freundlicher Trabant: Und röchelnd sank des Aberglaubens Hyder, Von Dir zuerst ins tiefste Herz gebrannt — —. Umflattert in der Fackel duft'gen Schimmern Morganens Zauberspiel den Horizont? — k) Dort raucht die Welt, stürzt ein Koloß in Trümmern; Die Antipoden richtet der Archont. 1).

(6) 100. -. Und hier? — Berauschte mich mit seinem Liede, Olympia, Dein königlicher Schwan? — m) Zu seiner Saule wallt der Heraklide, Die muntre Argo pflügt den Ocean'. Der alten Rhea SchooS hat sich gespaltet, Die Mumien der Urwelt gehen um; ' AuS zweyer Milliaden Staub entfaltet Sich jungfräulich das alte Latium. Die Vorzeit lispelt durch die Säulenreihen, Wie Mcmnons liebeflötcnder Gesang; * ) Und Nordens Schutzgeist ruft aus Wüsteneyen Die Kaiserstadt — sein schöner Lebensklang l —. Noch Einmal blick' herab, in Deinen Kronen, O Cherub, der noch im Zenith verweilt! Dir jubeln die beseelten Regionen, Von deren Licht uns noch kein Strahl ereilt; Und unter Dir in unbeschrankter Sphäre, ' In ihrer stillverklärten Majestät, Baut Weisheit ihre schimmernden Altäre Auf Marmorsäulen der Humanität.. < Mit Aetherblick cntwölkt sie die Systeme, Zu ihren Füßen rollt der Sektenrauch: Die Donnerwotke finst'rer Anathcme j Zerfließt in Dunst, wie eines Herbsttags Nebelhauch.'.. *) Die Memnonssäule war ein schwarzer Stein, der einen lieblichen Klang gab, wenn Aurorens Strahlen ihn berühr­. ten. Holde Mythen des Alterthums, über euch ist der wunderthätige Stab gebrochen!. x.

(7) 101. Hier Und Daß Und. sink' ich nieder, wo Ler Wurm sich windet, in der Thrane klingt das volle Herz: ( Weisheit nur in Formeln Freystatt findet, mit der Wahrheit spielt der freche Scherz!. Die Kunst durchwandelt ihre Paradiese, Die Stirn mit königlichem Band geschmückt; Und Sittlichkeit krümmt sich im Burgverliese, Tief unter ihrem Fersenfchlag gebückt! . . . . Soll ewig, weil in steter Wechselwendung Sich Tag und Nacht um unsre Kugel drchn, Der Mensch und seine menschliche Vollendung, Auch sie nur zwischen Licht und Schatten stehn?. Soll nur die Hälfte seiner Kraft beleuchtet, Und ewig Nacht die andre Hälfte seyn? Jetzt nur der Geist vom Himmelsthau befeuchtet, Des Herzens Muskelkammer jetzt allein? Soll die Kultur in irdischen Gebieten Nur stets,t>ie spielende Ellipse zieh» Entstellt zum scheuslichen Hermaphroditen, Von ihrem ejgenen Geschlecht verschrie'n? —. Bezaubernd steigt auf schwellenden Arkaden Ler Wissenschaft, ^des Kunstreichs Magazin; ES drangen sich in glanzenden Paraden Um uns Museen und Akademien: — t Geschieden sey das Gold vom trüben Schwalle, Des Unkrauts Wucher von dem ttzacht'gen Halm; Und Eintracht, das Palladium Ler Halle, ; / Gereinigt von tzes Haders finsterm Qualm..

(8) J02. Bedenkt's/ ihr prahlenden Orakelheerden! Vernimm cs, blöder Papagoycnschwarm! . Die eitle Wissenschaft soll ^Weisheit werden. Die Kunst soll wandeln an der Mchrhcit Arm^ Stets biete der Geschmack d'rn wilden Ranken Der Phantasie die Scharfe seines Stahls, Und das Genie verehr', in heil'gcn Schranken, Den Maaßstab eines höchsten Ideals.. Das höchst^ Ideal ist nur vorhanden Als Leuchthurm auf dem weiten Ozean: Am Ufer der Vollkommenheit zu landen, Bleibt ewig wohl ein süßer Dichterwahn. Doch daß, ,0 Mensch, du Menschenwürde wagen Und dem Verdienst Verdienst entgelten magst, Darum sey nach des Ideals Geprägen Der kühnste Flug gestempelt, den Du wagst.. Verbännt von Euch die feige Pöbelklage: Zu streng sey die Kritik deck Erdensohn. Nicht, daß ein jeder Künstler Kronen trage, Nein, ihn zu richten, sitzt sie auf dezn Thron. Verscheucht den Wahn, daß am Skamanderstrome Nur des Genies verklarte Wiege stand, Des Scharfsinns unverletzliche Axiome Stagyra nur allein für Euch erfand.. Haucht des Verstandes peinste Abstraktionen Der Staatskunst rostigen Maschinen ein Laßt Konsequenz nicht bloß in Lettepy wohnen Und in dem Lebensplan ein Fremdling seyn,.

(9) 103. Das Kant nicht nur in tragen Theoriccn Den Stiergcfechten der Katheder gnügt. Und Schiller? Kanon hoher-Kunstmagicen In feilen Ephemeren nur verfliegt! n). Wenn diese Konjunktion der hohen Sterne Dem Schattenball das goldne Scepter neigt/ Gann röthet sich der Morgen in der Ferne, Der uns das Eiland der Vollendung zeigt; Dann flüchtet von den Sterblichen die Plage Der alten mütterlichen Lüsternheit: Dann schwankt in's schöne Gleichgewicht die Waage Der Menschenbildung und der Menschlichkeit. Schwell' um Dich her Dein leuchtendes Gefieder, Des scheidenden Jahrhunderts Genius! Entschweb' und gicb dem nächsten Deiner Brüder Dreymal den Friedens- und den Segenskuß! Begcistre ihn zum , Trost der Millionen, Die muthig aufschaun aus der Lethargie: Vom Trümmerberg gebändigter Dämonen, Vom Golgatha gebrochner Hierarchie!. Und Du, o jugendlicher Sohn der Erde, Dem Mayenblüthe noch die Stirn umfliegt, Entreiße Dich dem feigen Mutterhcerde, Wo Wollust Dich an ihrer Spindel wiegt. Auf! stürze Dich mit kraftgeschwellten Flanken In des Jahrhunderts neuen Helhestkampf! Erzittre vor dezzi richtenden -Gedanken, Nicht- vor der Lästerzunge gift'gem Dampf..

(10) 104. Ergreif der tönenden ^Minute Flügel, Als hing an ihm der Ring der Ewigkeit, Als wehte noch vom Patrioten^ügel v. Der Lelzwcig Griechenlands, der Römcrzeit. Laß die Begeistrung nicht vom Zweifel morden: Daß Deine Zeit zu spat der Pupp' entkroch. Unendlich viel ist schon vollendet worden, Unendlich viel ist zu vollenden noch! >. Vott strengen Wicgenbanden fest umschlossen, Ringt immer noch der zarte Duldungssinn; Die Glorien der Sittsamkeit zerflossen, Als Echo schweift sie selbst am Felsen hin. Lös' auf den Säugling, der auf Foltern,rastet, Die Charis setz' in ihren Tempel ein! - ' Lösch' aus den Schandfleck, der auf Zünften lastet, Und lehre Menschenseelen menschlich seyn!. Eine große Werkstatt hinbcschieden, An Ein Gesetz der Wirksamkeit geknüpft: Verfolge den der Fluch der Danaiden, Der dem Beruf zur Thatigkeit entschlüpft. , , Wem Edles, auch das kleinste, nur gelungen, Wer es mit allen Fibern fest umschlingt: Hat einen Zweig des Menscheng.lücks geschlungen, Wenn auch kein Obelisk sich für ihn schwingt.. Humanität war Lvosung dieser Aera, Der Weisen lieblich lockendes Problem; Sie arte nicht zur flatternden Chimära: Der neuen reiche sie das Diadem!.

(11) Da§ Thier durchta^rmelt in verhüllten Krümmen Den ew'gen Zirkel der Vergänglichkeit; Du aber, ^Mensch, sollst prüfend aufwärts klimmen Die goldne Leiter der Vollkommenheit. '. Berling.. Anmerkungen.. a) Und sprengst rc. — Fortschritte der Chemie. Die großen Verdienste unserer Lavoist'ers find ein wenig kurz weggekommen; abgerechnet aber, daß die Manipulationen der Chemie eben kein poetischer Ge­ x genstand sind, hat sie sich auch, die holde Jungfrau, am spätesten aus ihren gold'ncn Träumen lo§gerissen. .. b) Newtons Lehre von -der Attraktion und der schwere. In Rücksicht Newtons mag der Verfasser von dem Verbrechen des Anachronismus sich wohl nicht gänzlich reinigen können. Der unsterbliche Dritte , starb 1726, hatte also im siebzehnten Jahrhundert schon die unermeßlichen Tiefen seines Scharfsinns auf­ geschlossen. Gewiß ist es aber, daß viele seiner Ent­ deckungen erst im achtzehnten unumstößlich begründet wurden. mögen die beyden Jahrhunderte selbst mit einander abmachen. Sind wir doch über den Zeitpunkt so mancher andern Entdeckung und Erfin­ dung noch nicht einig, z. B. der Buchdruckcrey, des K Schiesspulvers u. f. w., ja nicht einmal darüber, welche Nation sich die Estre dieser Erfindungen zueig­ nen darf; und die Chinesen behaupte», schon^ viele Glücksgüter dieser Erde vor 2 oocxy Jahren gtnossen zu haben, wenn wir bescheidenen Europäer diese Ha«.

(12) io6. '. selnuß im Unermeßlichen erst kennen seit Jchovgh sprach: es werde Licht. c) Die Ausmessung der Meridiangrade gegen den Nordpol und unter der Linie, deren Resultat New­ tons Behauptung, die Erde sey keine vollkommene Kugel, außer Zweifel setzte. UebrigenS bewegt sich die Erde auf ihrer jährlichen Bahn um die Sonne mit einer Geschwindigkeit, die den Flug einer Kano­ " neNkugel mehr als dreyßigmal übertrifft. Einige Jahr­ hunderte früher hatte man sich durch diese Behaup­ tung ein Auto Da>Fe zuziehen können; heut' zu Tage ist man diskreter,' fragt höchstens: woher weiß man das aber? und zuckt die Achseln, — weil man es nicht zum Brod brauchen kgnn. ,. d). Kgnts philosophisches System.. e). Erfindung der Montgolficre.. f g) Fortschritte der Naturgeschichte und Bo­ tanik. — Newton spaltete Sonnenstrahlen.. h) Benjamin Franklin.. * i) Versuche der Akustik und Entdeckungen jm Gebiete der Musik. Den Wochen - Komponisten — wie Voltaire einen gewissen Ephcmeristcn l’homme aux semaines nennt — sey es gesagt, daß hier die Rede vosi der Mechanik der Tonschwingungen und dem Gehör, als der Grundlage aller Musik, die Rede ist; nicht vom Dö-r^-mi, oder Sol-mi-fa. Diese mögen sie unter sich.selbst klimpern.- Mit dem Gehör und dem Klang hat es gleiche Bewandniß, wie mit dem Auge und der Farbe: sie existiren beyde nur in so fern sie Beziehung auf unsere Sinne haben; so, daß wenn keine Ohren in der Welt waren, es auch keine Musik gäbe,, wenn fejite Augen, auch keine.

(13) 107. Farbe. Daher klingt die himmlische Musik eines Mo­ zart einem Eselsohr, mär' e§ auch der goldne Esel des, ApulejuS, oder ein noch schlimmerer Vogel, ich meine dem geflügelten der Deanne d'Arc, immer wie Eselsgeschrey.. k) Die Fate Morgane der Sicilianer.. 1) Stiftung der nordamerikanischen Freystaaten. m) . Nota bene, die poetischen Schwane singen alle! Als da sind: der Schwan der . Bober, der Tiber, die lieblichen Schwane der kleinen Jlme nicht -u dergrssen. — Freylich kann man sich im Vogelge­ sang irren, und oft für Schwanengesang halten, was am Ende doch nur Rabengcschrey war. n) Schillers merkwürdige Reccnsion der Bürgerschen Gedichte in der Literaturzettung 1789. Nach­ her ist sie in seinen verrnischten Schriften erschienen — dies ändert nichts. Sie enthält für die höhere Schule der Aesthetik mehr, als Batteux und Sulzer für diesen Gegenstand gethan haben. Doch wer lieft sie? Die weoigftens nicht, die sie lesen sollten. — Wie wenige kennen heut' zu Tage Du sch'S Briefe zur Bildung des Geschmacks! — Wer wirft einen Blick auf Gellerts ehrliche Selbstkritik verschiedener seiner Fabeln, obgleich Kinder und Stubenmädchen sie auß einem Winkel in den andern werfen!. Laftt uns dem redlichen Lehrer der Jugend nach-ahmen und bekennen, daß, trotz diesem maulredneri­ schen Index, das vorangehende achtzehnte Jahrhun­ dert in seiner inneren Geftakt, im Gang der Hand­. lung, eine geü)isse Schiefheit, einen gewissen Bug hat, den es seinem Zwecke gemäß nicht haben sollte, und der das Erbtheil faft aller in Gelegenheitssünden. /*. \.

(14) empfangenen Produkte zu seyn scheint, die aber auszugleicheu der Verfasser weder Zeit noch Interesse hat. Doch den Pharisäern biete Voltaire'6 Ausspruch die Spitze:. Censeurs malins, je vous meprise tous, Je connois mes defauts mieux que vous.. d. Vers.. s. II. Ninon, oder die Liebenden am See Muron. Dell *ten April.. '. Liebe Schwester! ' Ich. schreibe Dir aus der. herrlichen Schweiz, zu der mich oft'meine Sehn­ sucht hintrugals ich noch die Luft unserer vater­ ländischen Ebenen sog.. Mein ganzes 5?erz fühlt. sich erweitert unter den erhabenen Scenen einer. neuen Natur^. Nur Du fehlst mir,. um Dir. zuweilen, wenn die Brust zu eng wird für den balsamischen Strom des neuen Lebens, der mir hervorquillt, die Hand zu drücken, und Dir meine. Empfindungen einzustrahlen, nicht zu sagen.—. Wie groß ist Gott il| der Natur!. Mein Ver­. langen nach Dir ist nicht verschwunden,. aber. in ein sanftes Schmachten ist es aufgelöst, das mir süße Nahrung gewahrt, und das ich unge-.

(15) iog. hemmt in der freyen Schweizerluft ausströmen. lasse.. Das ist mein erster Brief, den Du seit. meiner Rückkehr aus Italien von mir erhältst.. Ich wünsche von Kerzen, daß er auch Dich in der melancholischen Stimmung,, die sich meiner. bemächtigt hat, finden möge; denn ich vermag. mich jetzt nicht aus der trüben Laune zu reißen, um Dich mit heiterer» Zeilen zu unterhalten.. Der. Eindruck, der diese in mir hervorbringt, ist die Empfindung. des Schmerzes über meine Tren­. nung von Dir.. Du hast es Dir also selbst zu­. zuschreiben, wenn ich Deine vermuthliche Erwar­. tung eines Gemäldes der mich umfluthenden und umwogenden und umsummenden Natur unbefrie­. digt lasse.. Wie soll ich Dir sagen, geliebte Schwester!,. wie mir zu Muthe ward, als ich Deine mir nachruftnde Stimme nicht mehr vernahm, und jede. Umwälzung des Rades mich weiter und weiter. von Dir entfernte?. Oft schaute ich mich sehnend. nach dem Kimmel um, der über Dir liegt, und trübe Wolken, trüb wie mein Inneres, verhüllten ihn. Der Wolkenschleyer öffnete sich, und ich wollte mich Hineinstürzen in daS glühende Abend­ roth, und vergaß, daß die noch nicht darin sey,. die ich mir im Kimmel, ihrer Keimach, suchen zn. dürfen glaubte.. t. • • •. Trennung ist einer der erhabenen Momente, die dem Leben einen größern Schwung geben, die.

(16) 110. uns über alles Kleinliche hinwegheben, und in. denen sich die Macht der Religion wirksam zeigte Wie niederschmetternd muß für einen kanadischen. '■ Wilden der erste Abschied von. der väterlichen. Splitte, von Vater, Weib und Kind seyn, da Va­ terlandsliebe bey ihm so mächtig, und Religion. von dieser Seite so unwirksam ist! — Aber da zeigt sich die himmlische Religion Jesu im vollsten Glanze.. Meere, Thaler und Berge trennen die. Liebenden von einander, die Klagen und Seufzer. des Geschiedenen dringen llicht zu der Verlassenen. hin, aber ihre Seelen trennt kein Raum, und die. Erhabenheit ihrer geistigen Flamme währet selbst über das Grab hinaus.. Ich glaube nicht, daß es traurige Vorfälle im Leben gebe, in denen nicht die Religion tröstend. uns zur Seite gehe, und unsere Thränen abtrockne. Obwohl noch jung,. hast Du selbst mir durch. Standhaftigkeit im Leiden in Deinen vor einigen Jahren langwierigen Krankheiten oft einen reden­. den Beweis von der Untrüglichkeit der tzülfsleistungen des Glaubens gegeben.. Wie viel dieset'über­. haupt in einer reinen und lautern Seele, wie die Deinige ist, vermag, und wie hellsehend und. untrüglich der religiöse Sinn in einer solchen Seele sey, davon war ich lange schon überzeugt.. Die Religion mäßigt den Schmerz, sie ver­. langt nicht gänzliche Verdannung aller Leiden­ schaften in uns (denn ohne diese wäre ja keine. i.

(17) 111. kämpfende Tugend möglich), nur Beherrschung und vernunftmäßige Anwendung. derselben. auf. erhabenere Gegenstände, als die Befriedigung des. Ehrgeitzes, des Zornes, der Rache und jeder unlau­ tern Flamme, die d^m 5)eil unserer Seele nach­. theilig ist, und^mit diesem Erdenleben erlischt.. Ich kann diesen Brief nicht schließen, liebe Schwester! ohne Dir zu sagen, daß ich den liebli­. chen See beschisst habe, wo Rousseau einige Zeit, vor den Verfolgungen seiner Feinde gesichert, zu­. brachte, wo er auf der, mit Reben und Frucht­. baumen bedeckten, Insel ruhig dem Wellenspiel. zusah, duftende Krauter sammelte und sich hinge­ bend ohne Ruder, auf dem leichten Nachen liegend, von den sanfteren Fluchen hintreiben ließ, um sich die ginnenden .Ufer und über sich den dunkelblauen. sternbesäten Teppich.. Mit einem süßen Schauer. verweilte ich ar^jeder Stelle, wo er gesessen haben. tuugfe, verloren im Anblick der herrlichen ihn um­ gebenden Natur.. Jean Jacques war ein religiöses. Lebe wohl,. Gemüth!. Fortunata, und vergiß. nicht, Deine Freundin Amalia von mir zu grüßen. ). ,. Chaux de Fond, den aten April.. Wer Natur und Ländlichkeit empfinden will,. verkomme hieher.. Dergroße Schöpfer des^Welt-. alls scheint mir hier in prachtvollem Feyerkleide zu. glanzen, und jeder Tag ist ein Festtag.. Das.

(18) Auge ergötzt sich an dem mannichfaltigen uüd fri­ schen Orün der Gebirge, durch das der Wider­. schein des glimtnenden Abendroths gemildert wird,. und das in dem klaren Spiegel der sanfthinströ­. menden Fluthen sich wiederholt.. Alles pranget. mit frischeren Farben, als anderswo: der tzimmel. ist heiterer, das Gras duftiger und die Blumen lieblicher.. Alles ist Leben, alles Seele ausgießen­. der Gesgng.. Die ganze feyerlich - schweigende. Schöpfung in diesem Thal ist mir ein stummer hochstiegender Hymnus. Wann ich im duftenden Grase liege und das purpurne Frühroth heraufoammert, als ob es im. Namen Gottes uns begrüße und uns einlade zur Feyer der unendlichen Schöpfung, und hinzufallen. und anzubeten ihn, den Namen nicht nennen; und wann allerwarmend und allernahrend, wie eine. liebende Mntter, die Sonne heratzfsteigt, und die Wolkenumlagerten Riesenhäupter der Berge von. ihrem Strahl erglänzen,: und die dämmernden ^Lhäler noch dunklsr werden,. und der Himmel. mit all seinen farbigen Wolkenbildern sich in das. ruhige^Thal herabsenkt und sich liebend um hoch­ ragende Alpen schmiegt, und der Himmel der Erde in inniger Umarmung den Vermahlungskusi giebt; dann fthl' ich die ^eele, den lebenden Funken. der Gottheit, allmächtig in mir auflodern, und. Sehnsucht ergreift mich nach dem Unbekannten, und ich möchte, die Welt dann auch in einer.

(19) Lkoßen UmarmuW umfassen und an mein klopfen­ des 5)erz pressen.. • ' b. '. O Fortunata! hattest Du dieses Gefühl, wann. wir in schweigender Mitternacht Klopstocks Früh-. lingsfeye« oder Ossians hnnmelanstrbmende Ge­ sänge lasen, und Dein Auge gottbegeistert strahlte,. und wir fester uns um^)langen, tinb Deine Seele rn seligem Umschlingen, wie durch eine elekterische Kette, die himmlische Flamme, von der sie selbst. "tntbranrit war,. mir mittheilte; hattest Du da. dieses hohe Gefühl in dem Maaße , wie es hier. mich ergreift und mein ganzes Wesen in süßes Un-. bewußtseyn auflöst, (und Du hattest es, denn immer fühlte ich Dich, Beglückte! an mächtiger. Empfindung anstaunend. über. mich,). wie. muß. ich dann. vor der Größe Deiner Seele mich. beugen, die nicht des Anschauens des 5?errlichsten. in der Schöpfung bedarf, um aufzulodern von heiliger Opferflamme.. Ich kann Dir nur nach­. was Du damals voll hoher Gluth. empfinden ,. empfandest, und was ich nur ahnete.. Und auch. dieses Nachempfinden ist dem Schwächern nie feu­ riger, schäumender Wein, der alle seine Sinne. berauscht.. Was ich wie balsamische Luft in lan­. gen durstigen Zügen einathme, das hauchest Du. in einem kräftigen Lebensathem ans Deiner Seele aus.. Wenn ich Dich hier an meine Stelle setzen. könnte, so glaube ich, Deine ganze zarte, gefühl­ volle Seele würde,! wie die Saiten einer Aeolsharfe, Erster Band.. 8.

(20) ii4. vom Sturmwinde * ergriffen,. erliegen unter der,. schmelzenden Harmonie und der Lebendigkeit der Farben der Schöpfung.. Mir entsinkt die Feder.. Wer' diese'Schönheiten beschreiben kann , dem. werde ich nimmer glauben, wenn er mir sagt, daß.. /. er sie fühle. —-. '. Du kannst Dir nicht Vorteilen, wie fleißig und. wohlhabend hier der Landmann ist.. Gesundheit,. und Frohsinn strahlt aas seinen Augen und kachelt auf seiner Wange, und nirgends habe ich schönere. Frauen gesehen, als hier.. Frevheit erhalt den. Wadtlander muthig und arbeitsam, und würzt. sein zwar frugales, do6) gesundes Mahl.. Sein. Vaterland, seine Heimath liebt er, wie den Apfel. in seinem Auge, und seine Kinder bilden einen fröhlichen Kreis' um ihn her,. Jugend aufs neue.erblkchen sieht.. in dem er seine Wie muß einem. siebenzigjahrigen Greife zu Muthe seyn, wenn ihm. bey der Feldarbeit seine Tochter, ein sechs- oder siebenjähriges Mädchen, mit ihren kleinen Händ­. chen den Schweiß von der Stirn wischt, oder sein. munterer Knabe.ihm hüpfend einen Hut voll erfri­ schender Trauben bringt, um sein hinfälliges Alter zu erquicken!. Wann der gesprächige Greis an. langen Winterabenden beym Kaminfeuer seinen. Kindern vom frommen Bruder Klaus, oder von den Siegen des kriegerischen Hirtenvolks erzählt,. und sie mit unverwandtem Blick und, glühenden Wangen die Thaten einer bessern Vorzeit einsau-.

(21) /. H5. k. gen, und zu ähnlichen Unternehmungen ihre schwa­. chen Arme gestärkt glauben!. Ich kenne hier man­. chen solcher redlichen Greise, der sich unter seinen. Kindern und Enkeln glücklich fühlt, und an dessen " Seitss'eine ehrwürdige Matrone bey gegenseitiger. Treue alterte; der in wichtigen Angelegenheiten, die entweder die Sicherheit der ganzen Dorfschaft. oder das Privatwohl betreffen, der Rath und die Stütze der unerfahrnen Dorfjugend und ein erha­. benes Muster der Frömmigkeit ist. Wie oft erquickte mich in der Zzütte des biedern J. ein Glas Milch. ünd eilt Stück grobes Vrod, wann ich, von mei­. nen botanischen Wanderungen ermüdet, bey ihm einsprach.. Wie liefen mir dann freudig die Kinder. entgegen, und wie herzlich drückte er mir bcym. Abschiede die 5)and.. Nie werde ich die gute Auf­. nahme vergessen, die ich hier fand, und die Art,. mit der man mir alles, was die kleine ländliche Wirthstl)aft vermochte, auftischte.. Du fragst, wie lange ich hier noch verweilen werde, und ob ich nicht meine Rückreise beschleu­. nigen wollte?. Es ist mir nicht möglich, alle. Schönheiten dieses Landes im Fluge zu genießen; ich muß den köstlichen Nektar Tropfenweise ein­. schlürfen, um alle seine Süßigkeit zu empfinden. Italiens Bildergallerietf konnte ich eher durchlau­. fen, weil ihre Schätze nur Schönheiten der Kunst dem betrachtenden Auge darbieten, weil alle Kunst. gegen die herrliche Natur todt ist; aber hier könnte. ;. '. 8 *.

(22) 116. nur eine gänzlich verbildete Seele mit siüchtigein. Blick vorüber gehen.. Du kannst mich also sobald noch nicht zurück­. erwarten, und wenn ich Deines Umganges auch einige Zeit langer entbehre, so entschädigt mich doch unser Briefwechsel, den auch von Deiner. Seite fleißig zu unterhalten Dich ich bitte, für die. mündliche Mittheilung, da ich Deine Seele immer. ?. am meisten liebe.. Chaux de Fond, den uten April.. Ich habe die Bekanntschaft des Pfarrers in '. ** 91. gemacht, als ich vor zwey Tagen dahin ging.. Es ist nur anderthalb Stunden von hier entfernt,. und ich werde ihn, den herrlichen Mann, öfter. besuchen.. Es giebt Menschen, bey deten Anblick. einem ein seliger Friede anwandelt, und denen. man sich nicht nähern kann, ohne der inner» Ruhe theilhaftig zu werden, die sie ersilllt.. So geht es. auch mir mit dem wunderbaren Manne.. Meine. Briefe werden oft von ihm voll seyn, und Du mußt mir nicht zürnen, wenn ich manche Züge von ihm in der^Fülle des Herzens Dir wiederhole.. So dachte ich mir immer das Ideal eines Geistli­ chen, das ich so selten realifirt fand; so mußte er. aussehn; solche heitere Ruhe und tiefe Weisheit auf seiner' gewölbten Stirn ruhen und aus seinen Augen strahlen; so mußte er sich bewegen, sprechen \ -.

(23) H7 utrd handeln.. Liebreiche Freundlichkeit schwebt um. 'ben Zug seines Mundes, sein Gesicht ist ein ange­ nehrpes Oval und seine schn^rzbraunen Locken. '. fallen in kunstlosen Ringeln von seiner Scheitel. Ich beschreibe Dir ihn so genau, weil der Mann überaus interessant ist und Dir gewiß unaussprech­. lich gefallen würde.. Ich kenne nur noch zwey. Gesichter, die ihm an hohem Interesse und im. Ausdruck reiner Religiosität und hohen Seelen­ adels gleich kommen, Lavater und unsern treff­ lichen Prediger Lorenz in W ** .. Wie voll evange­. lischer Milde ist er in den kleinsten seiner 5)andlun-. gen!. Ich bin schon ganz bekannt mit ihm, ob­. gleich ich ihn erst vorgestern kennen gelernt (mit dergleichen Menschen verständigt man sich bald),. und ich erfreue mich seines Zutrauens und seiner Achtung.. Ich habe ihm so viel Gutes von Dir. erzählt, liebe Schwester! daß er Dich sehnlich zu. kennen wünscht, vorzüglich seipe Frau, die ein zartes Gemüth hat und eine brave 5Zauöhä!terin. ist, und mich bat, wenn id) an Dich schreiben würde, Dich herzlich von ihr zu grüßen.. Er hat. einen Sohn, den eMselbst unterrichtet, ein hoff­ nungsvoller Knabe voll Munterkeit und kindlicher. Unbefangenheit, von ungefähr acht Jahren.. Die. ganze Einrichtung seines Zzauses, an das ein rei­ zender Blumengarten stößt, ist bequem und ge­. schmackvoll.. Am liebsten verweilte ich bey seiner. Büchersammlung,. die die auserlesensten Werke.

(24) ii8. enthalt, und in der sich äußer den griechischen und. lateinischen Klassikern, den Kirchenskribenten, den Reformatoren deO sechszehnten Jahrhunderts und andern Büchern aus dem theologischen Fach, von Neuern Fenelons, Saurins, Bourdaloue's, Massillonö Schriften,. und von den vaterländischen. Schriftstellern auch Klopstock, Lavater, Bodmer, Geßner, Kaller, Göthe, meine Lieblinge, befin­. den.. Er erbot sich mit einer edlen Zuvorkommen­. heit, mir alles, was mir gefallen würde, wahrend. meines Auftnthalteöchieselbst, zu leihen, mm es auf den Alpen zu lesen.. Wie mancher seligen. Stunde seh' ich hier noch entgegegen, die mir das Lesen dieser Schriften und der Umgang mit dem. trefflichen Pfarrer gewähren wird! —-. >. Ich kann nicht umhin, Dir eine Geschichte zu. erzählen,. deren Augenzeuge ich gestern gewesen. bin, urw die, da der Gegenstand derselben das Glück. eines. durch Unschuld. und Liebe seligen. Paares ist. Dich nicht ungerührt lassen wird. Bey dieser Gelegenheit lernte ich den redlichen Wirten. seiner Gemeine schon als einen zärtlichen Vater. der ihm anvertrauten SeeleGund als einen thäti-. gen Christen kennen, dessen ganzer einfacher Got­ tesdienst Einfalt des Kerzens und gute Zzandlungen sind, der das Christenthum in thatiger Menschen­. liebe übt. Es war ein warmer, heiterer Apriltag, und. wir gingen nach meinem lieben Thal, aus dem.

(25) 129 ■. ich Dir dieses schreibe. chen Gang,. *. Wir hatten einen herrli­. zwischen hohen Bergen. und. auf. Gipfeln mit wkiten Aussichten, von denen sich. Durchblicke in schattigte Thaler, mit Dörfern be­. säet, und auf den dahinströmenden Doubs öffne­ ten, der sich durch grünende Anger schlängelt.. J „Lieber. fing der Pfarrer an, indem er. mir die 5)and drückte und mich seelenvoll ansah,. „ergreift Sie der Anblick der erwachenden Schö­ pfung im Frühling auch jedesmal so mächtig, wie. mich'L. Ich gestehe Ihnen, daß mir dieser Genuß. immer neu bleibt,. Sehen Sie, wie die jungen. Blätter der Buchen mit Hellem Grün prangen und. der Anger mit gelben und blauen Blumen besät ist, und das Auge sich in dem hohen Himmelsge­. wölbe verliert, und die Brust sich erweitert fühlt. in der freyen Luft, die unsere glühende Wange kühlt.. Wahrlich,. der Gott,. der daS All mit. Schöpferkraft hervorgerufen, muß ein erhabenes Wesen seyn!" " , Alls er dies sagte, sah er mich mit einem sanft­ forschenden Blick an, und ich glaubte, daß ein. Jünger des Herrn vor mir stünde in seiner Klar­. heit, und hätte vor ihm hinsinken mögen, von heiligem Schauer durchdrungen. »Aber ebendiese. Ehrerbietung, die er mir einflößte, hielt mich. zurück und fesselte mit Staunen meine Zunge. Der reizende Sitz unter dichten Buchen, die an dem Ufer des Doubs ihre Zweige weitschattend.

(26) ISO. hinstreckten, lockte uns an, hinunter zu steigen und da zu verweilen.. Wir fanden ein Mädchen. an dem tiefen Vette des Flusses sitzen und nach­ Ihre Gesichtszüge. denkend in die Wellen blicken.. waren interessant, verriethen aber lange genährten innern Gram, und ihre Augen waren vom Wei­. nen roth; das blonde 5)aar floß ihr aufgelöst um. den Nacken.,. Sie war wohlgekleidet, und glich. im goldnen fliegenden 5)aar der holden Komala. in Ossians Gesängen. Bescheiden grüßte sie uns, als sie uns erblickte und wollte sich entftrnesi; aber die zutraunerweckende offne Miene des Pfarrers, der auf sie zuging und sie theilnehmend um die. Ursache ihres Kummers fragte, fesselte ihren Fuß.. Ich will Dir die Geschichte ihres Leidens kürz­. .. lich erzählen,^wie wir sie von ihr hörten.. Aber. könnte ich Dir auch die rührende Einfalt hinmalen,. mit der sie sie vortrug! Sie war aus der Franche Comte gebürtig und. hatte wohlhabende Eltern.. Ihr Vater war ein. angesehener Fabrikant. und. ihre Mkktter. verlor sie schon im siebenten Fahr ihres Atters durch den Tod.. Sie hat noch einen Bruder, der. in Militärdienste ging, und von dem sie seit zwey Jahren nichts erfahren können.. £)<c verheerenden. Folgen der Revolution in Frankreich trafen auch. sie.. Ihr Vater ward von einer Parthey, zu deren. Gegnern er sich bekannte, ermordet. Das unglück­. liche Mädchen, das damals erst zehn Jahr alt.

(27) 131. \ war, entfloh den Händen der Henker und rettete. sich über die Gränze in dies Gebirge.. Hier fand. sie bey einer chlen Wittwe Mitleiden, die, da sie. keine eigene Kinder hatte, sie als ihr Kind annahm und alles an ihr that, was ihre Kräfte vermoch­. ten.. Sie sah nicht auf den Unterschied der Reli­. gion ( Sophie war eine Katholikin ), und es war ihr genug, daß sie eine hülfsbedürftige Waise war,. die noch einer. Mutter bedurfte.. Die redliche. Frau ward auch ihre zwevte Mutter.. Ohne ihr,. in Hinsicht ihres Gewissens, den geringsien Zwang anzuthun, gab sie das Mädchen selbst, da sie daS. erforderliche Alter erreicht hatte, weil es in dieser Gegend an katholischen Geistlichen fehlt, zu einer -. Anverwandtin nach $ , *. wo sie unterrichtet ward. und das Abendmahl nach den Begriffen ihres Be-. kenntnissrs genoß.. Diese redliche Frau lebte mit. ihrer Pflegetochter zwar nicht in Ueberfluß, doch anständig von dem Ertrage eines kleinen Stück Lan­. des , von zweyen Kühen und von der Wäsche, die sie für einige Personen in der benachbarten Gegend besorgte.. Bey diesem Geschäft war Sophie ihre. treue Gehülfin.. Die Arbeit und die Reinheit dee. Luft in dem Gebirge erhielten beyde gesund, und. die Schuldlosigkeit und Heiterkeit ihrer Lebensweise. erhielt sie bey Frohsinn. Eine unglückliche Leidenschaft störte die Ruhe. der zufriedenen Hütte, und raubte dem armen Ge­ schöpf den Frieden, den ihr in diesem abgeschie­.

(28) 199. denen Thal Natur und Einfalt der SKtm gewahrt. hatten. Eie verliebte sich in einen jungen Menfchen aus dem nächsten Dorfe, Namens Eduard, den dieselbe' Leidenscl)aft unwiderstehlich zu dem. liebenswürdigen. Mädchen. hinzog.. Kirmeß lernten sie einander kennen,. Auf. einer. und ihre. Seelen flogen sich mit hem Feuer der ersten Liebe entgegen.. !. In einer Felsengrotte, an deren Eingang Sophke einen Rosenbusch gepflanzt hatte, den sie täglich mit Wasser aus den Flutheu des Doubs. begoß, wo ehrwürdiger Schatten und feyerliches Schweigen verscherrchte Liebe einlud, verabredeten -sie ihre Zusammenkünfte. Da trafen sie sich, wenn. das Abendroth sich hinter den Alpen herabtauchte,. und das Mädchen ihre Tagesarbeit verrichtet hatte.. Dann flog sie dem harrenden Jüngling. entgegen, umschlang ihn mit ihren Armen und. drückt^tljnen glühenden Kuß auf seine Lippen. So kamen sie einige Zeit unter dM Felsenhange zusam­ men, als auf einmal, wie Wetterwolken am hei­. tern Himmel,. x. Zweifel über die Erlaubtheit ihrer. Liebe in der Seele des Mädchens aufstiegen und sie beunruhigten. Nach langem Hin- und Her­ schwanken, in welchem die Liebe oft die Oberhand. behielt, faßte sie endlich den langerkampften Vor­. satz , ihren Eduard nicht mehr an dem verabredeten Ort zu besuchen.. Lange harrte der Jüngling ver­. gebens, die Sonne ging unter, die Nacht mit.

(29) 123. ihrem Gefolge von Sternen stieg am Himmels­ bogen herauf,, und Sophie erschien nicht.. Oes­. ters wiederholte er seinen Gang nach der Fels­ grotte, und immer blieb die Erwartete aus.. Er. machte sich die schrecklichsten Vorstellungen von .v.. der Ursache ihres Wegbleibens.. '. sie sich krank, bald von ihrer Pflegemutter, der. .. Bald dachte er. ihr Umgang verrathen worden,. zurückgehalten.. Aber zu der 5?ütte Sophiens getraute er sich nicht. ^zu gehen.. Er härmte sich ab, und eine Krankheit. streckte ihn endlich auf das Lager hin, und machte. es ihm unmöglich, die geliebte Stelle zu besuchen.. Rach einem Monat fand er ein Mittel, ihr ein. e. Briefchen zustellen zu lassen, in dem er sie mit allen. Schwüren der Liebe beschwor, ihn noch einmal zu sehen, und da er vielleicht vor Schmerz sterben würde, ihm das Glück zu gewahren, sie zum letz­. tenmal an sein tzerz drücken zu dürfen. Auch Sophie war unaussprechlich beunruhigt über seinen Zustand gewesen, und ihr tzerz hüpfte. hoch auf, als sie diese Zeilen von ihm las.. Bedenklichkeiten verschwanden,. Alle. und sie flog auf. den Flügchr überwältigender Liebe zu ihm.. Unter. ' dem Vorwande, daß sie eine heilsame Arzney aus. Krautern zu bereiten verstünde, erschien sie vor seinen Eltern und näherte sich ihm.. Wie erschrack. sie, ihn so verstellt und verändert zu finden. Seine. •. Gesichtszüge, glichen denen eines Sterbenden. Bit­ tersüß war das Gefühl der beyden Liebenden, als. /.

(30) 124. sie einander nur anblicken, aber ihre Empfindun­ gen nicht äußern durften.. Kaum befanden sie sich. einen Augenblick allein, so sank Sophie in seine. Arme und drückte verstummend einen Kuß auf feine Lippen. Jetzt fühlte sie erst die Ueberschweng-. lichkeit ihrer Liebe.. Plötzlich trat der Vater herein.. Er bemerkte die Bewegung und ^ie fliegende Rbthe auf dem Antlitz seines Sohnes und Sophiens, und. faßte Verdacht.. Dieser Vorfall und andere Um­. stande bestärkten Eduards Eltern in der Ueberzeugung von der Liebe ihres Sohnes zu Sophien. Sie forschten der Herkunft und dem Stande des Mädchens nach, und erfuhren, daß sie eine katho­. lische Christin sey.. Dies war bey den einfältigen. Leuten hinreichend, um wider die Verbindung der. Liebenden zu seyn. eine Landstreicherin. Sie betrachteten die Arme als. und verboten ihrem Sohne. aufs schärfste allen fernem Umgang mit dem Mäd­. chen, bey Androhung ihres Zorns.. Sophie erfuhr. dies von ihm, als er mit Thranen von ihr Ab­ schied nahm, und versank in trübe Schwermuth.. Der redliche Pfarrer hat dies Paar wieder zu­ sammengeführt und Sophiens Thräuen abgetrock­. net. Erkannte die Eltern des Jünglings, sprach mit ihnen, führte ihnen eindringend den Geist der. christlichen Liebe und Eintracht zu Gemüth, dem sie sich unbefangen hingeben müßten; zeigte ihnen so klar, daß nur Glaube uns selig und zu Christen. mache, der innige Glaube an Jesus, den göttlichen.

(31) .. 125. '. Mittler; schilderte ihnen so lebendig und erschüt­. ternd, was das Glück eines in Unschuld, Reinheit und Liebe seligen Paares zerstören heiße, daß die. Eltern voll tiefer Rührung nachgaben. Noch desselben Tages legte der Pfarrer ihre. FZande ineinander.. Chaux de Fond, den -ten Mqv». ,. Ich habe mir hier bey guten Bauersleuten in einem Häuschen am Fuß des Gebirges eine. Stube gemiethet, unb denke, hier diesen Monat hindurch zu wohnen.. Meine Wirthin hat mir ein. reinliches Bett gegeben, und bringt mir alle Mor­ gen ein Glas Milch und ein Butterbrodt zuch Frühstück.. Auch esse ich Mittags und Abends bey. diesen guten Leuten, die wenig von mir bezahlt. nehmen. Ich habe Sophien wieder gesehn:. wie so. anders, als da wir sie zuerst am Ufer des Doubs mit verweinten Augen erblickten! "Ihr Gesicht hat tiefen Eindruck auf mich gemacht und ist mir seit­. dem nicht mehr aus dem Sinn gekommen.. Sie. drückte mir freundschaftlich die Hand und sagte mir mit holdem Erröthen, wie überschwänglich glück­. lich sie mit ihrem Eduard lebe. Sie wollte mir danken, ich lehnte aber allen Dank von mir ab und lenkte ihn auf den Pfarrer,. der durch die rührende Klarheit seiner Ueberre-.

(32) 126. dungskraft die 5?erzen der Eltern bewegt hatte. Tausendfältiger Segen auch dafür über den herr­. lichen Mann! Wie leicht und froh muß sein Zzerz seyn, wenn. er sich nach den Geschäften eines durch seine Wohl-. thaten bezeichneten Tages niederlegt, mit heirerm Vertrauen zu Gott emporblickt und die Reihe seiner. guten Handlungen überschaut! Wie süß muß dann der Schlummer dieses Gerechten seyn!. . , Gestern, am isten May, besuchte ich ihn wie­ der.. Ich war lange nicht da gewesen. ■ herzlich. empfing er mich, mir beyde 5)ande schüttelnd». Auch seine Gattin begrüßte mich mit einnehmender Freundlichkeit.. Der kleine Philipp kam zu mir. und zeigte mir sein Schreibebuch und seine Zeich­ nungen.. Wir setzten uns in eine Geisbkattlaube.. Die Pfaprerin brachte den Kaffee dahin,. den. wir unter duftenden Blumen und Vlüthen cinschlürften.. Als wir uns allein befanden, knüpfte. der Pfarrer folgendes Gespräch an:. LiebelW., könnten wir Sie doch recht lange. hier behalten, daß Sie die Schönheiten der Alpen und dieser Jahreszeit mit uns genössen!. Nicht. wahr. Sie bleiben noch eine Weile hier? '. Ich.. Wie gern schiebe ich den Schmerz der. Trennung von diesem Orte und von Ihnen weiter und weiter hinaus l. Ich fürchte, die Zeit meines. Aufenthaltes hier wird mir nur allzuschnell ver­. fliegen.. *. '. ..

(33) 127 Pfarrer.. Immerhin! Auch die Erinnerung. eines entschwundenen Genusses hat ihre Freuden. Mit welchem Vergnügen denk' ich noch meiner. Reise nach Zürich, wo ich vor achtzehn Jahren. alle die. herrlichen Menschen persönlich. kennen. lernte, die mich vorher durch ihre Schriften be­ lehrt t#ti> gebessert hatten. ' Ich.. Seitdem verließen Sie das Land nicht. mehr?. ' '. -. Pf.. Nein.. Ich konnte mich nicht von mei­. nen Büchern, von meinen Blumen und von mei-1. nem Weibe trennen. Ich.. Aber ist Ihnen im Winter dieser Auf­. enthalt nicht zu einförmig und ermüdend?. Pf.. Noch war er mir es nie. — Lieber W.,. Natur und eheliche Liebe gewahren unerschöpfliche. Freuden.. Und dann sich in einem hoffnungsvollen. Kinde verjüngt, und alle Anlagen und alle Krafts. sich in ihm entwickeln und aufkeimen zu sehen! Dieses Glü<^ haben Sie noch nicht kennen gelernt. Der 5)immel gewal^e es Ihnen dereinst so rein. und ungetrübt, wie er es mir zu Theil werden ließ!. Der-Mensch ward zum geselligen Leben ge­. schaffen, und wir müssen einander wechselseitig die. 5)and reichen, um uns die Wallfahrt nach einem 5)afen der Ruhe zu erleichtern, und uns zu be­. wahren , daß wir nicht straucheln auf der oft klip­. penvollen Bahn.. Mein ganzes Leben weihe ich. dem Nutzen meiner Mitmenschen.. Im Sommer.

(34) 228 siehe ich um halb fünf, und im Winter um sechs. Uhr auf, und verrichte mein Morgengebet.. Dann. trinke ich den Kaffee und kleide mich an.. Jfl es. Sonntag, so bereite ich mich noch.ein wenig auf die Predigt vor, die ich Tages vorher studirt habe,. um den Leuten recht was Erbauliches zu sagen, und gehe dann in die Kirche. An andern^Tagen. unterrichte ich bis zum Mittagessen Meinen Phi­ lipp im Rechnen und in der Geographie, Natur-. kenntniß, Geschichte und Religion, und suche ihm durch das Beyspiel der großen Manner des Alter-. thums ähnliche Gesinnungen einzüflößen.. Bleibt. mir noch Zeit übrig, so lese ich in der Bibel oder in einem andern Buche, das aus göttlicher Einge­. bung geströmt ist und den Geist des Christenthums. gthmet.. Drey Tage in der Woche gebe ich den. Kindern aus dem Dorfe katechetischeu Unterricht, l^m zwölf Uhr essen wir Mittag.. Nachmittags. gehe ich meine Kinder in der Pfarrey besuchen, denen ich meine Erfahrungen mirtheile, und die ich in Trübsalen durch die Trostgründe der Reli­. gion unterstütze, oder ich besuche die Kranken, deren aber unter diesem gesunden 5ZiMmelsstrich,. Gott Lob! wenige sind, denn die Menschen errei­. chen hier bey guter Gesundheit ein hohes Alter, da Arbeit und Freude in richtigem Verhaltniß die. Kräfte des Leibes und der Seele erhalten.. O, mein Freund! wie glücklich vergeht' mir. da die Zeit!. Gewöhnlich bringe ich auch einen.

(35) Tag wie den andern hin; denn der Mensch, der in dem Genuß der Natur seine Unterhaltung aus sich selbst schöpft, kennt nicht die unselige Sucht. - nach Abwechselung und Zerstreuungen, denen der Stadtbewohner nachjagt. I ch.. Könnte ich doch auch eiueS so ruhigen,. sorglosen LebenS genießen!. Gern würde ichs mit. der glänzendsten Laufbahn am Hofe eines Förster, oder im Kriegsdienste vertauschen, die nur Unruhe, nicht »pare Freuden gewahrt.. Pf.. Um dieses Glück und dieser Ruhe würdig. zu seyn, muß man sich erst den Preis erkämpfen, dessen Früchte man genießen will.. Diese heitere. Ruhe, die jetzt auf meiner Stirn schwebt, wohnte nicht immer in meiner Seele. — Jüngling! glau­ ben Sie mir, viele Stürme habe ich in meiner. gewiß nicht imitier frohen Jugend erfahren;. fo. manchen bittern Kelch gekostet, bevor ich mir die­. sen Port errungen.. Nichts thörichter, als der. Ernte genießen wollen,. ohne gesäet zu haben,. und die Frucht zu pflücken, ehe sie reif ist.. In. dem rauschenden Strom des Weltlebens muß man sich untertauchen, nicht um seine böse Gewohn-. heilen, seine Laster anzunehmen, sondern um sie. zu lautern, und dann selbst reiner aus ihm hervvrzugehen; um seinen Charakter zu bilden, und da. Nahrung für eine, weift benutzte, künftige Ein­ samkeit einzusammeln.. Gewaltsame Leidenschaften. müssen uns rütteln, wenn unser Blut nicht stocken. Erster Band.. g.

(36) 13° und die Tugend, ohne Kampf und Hebung ihrer. Kraft, nicht ermatten soll.. Vielleicht haben Sie. noch nie geliebt, und kennen nicht aus eigener Erfahrung die verderblichen Folgen dieser mächti­ gen Leidenschaft, die fiel) oft unwissend in unser. tzerz schleicht, und dann oft desio starker zur ver­ zehrenden Flamme erwacht, so wie das Gute, das. gus ihr entstehen kann, wann sie auf einen edlen Gegenstand gelenkt wird;. der Stimmel bewahre. Sie immer vor einer feinen Verführerin, die Sie durch Affektation von Empfindungen, die nie in ihr ZZerz kamen, hintergeht.. Diesem Geschlechte. wird es leicht, dem Jünglinge Die schwache Seite. abzumerken, und ihn durch Dm erborgten Schein. Der Empfindsamkeit an sich zu fesseln.. Besonders. ist ein Mann von Ihrem Alter, von Ihrer lebhaf­ ten Phantasie und Empfänglichkeit solchen Schlin­. gen ausgesetzt. Suchen Sie sich Menschenkenntniß zu erwerben, deren Erlangung Ihnen, bey genauer. Aufmerksamkeit auf sich selbst und Den Sie umge­. benden Kreis von Menschen, nicht.schwer werden. kann;. denn diese Menschenkenntniß lernen Sie. nicht etwa aus Ihren Büchern, wo Der Mensch. selten seiner wahren Natur nach dargestellt wird, sondern durch lebendiges Anschauen und Beob­ achten. —. Der Pfarrer ward zu einem Kranken gerufen, und da er mich nicht gern verfassen wollte, so.lud er mich ein, ihn. zu begleiten.. Der Kranke war.

(37) *3* ein Aelpner aus seinem Kirchspiel, der schon seit. länger als einem Jahre an einem Fieber darnieder­. Er war seit zwey Tagen merklich schlechter. lag.. geworden, und harte nach dem Zuspruch des wür­ digen Mannes verlangt.. .. Wir kamen in dem Sterbezimmer an.. Die. Fenster waren verhangen, und sein Weib, eine Frau von etwa vierzig Jahren, saß in thranenlosen Jammer neben seinem Lager von weinenden Kin­. dern umringt.. Auf einem Schemel neben ihm. lag ein Gesangbuch und ein verwelkter Blumen­. strauß.. Der Kranke wollte sich emporrichten, als. erden Pfarrer hereintreten sah, fiel aber entkräftet wieder zusammen.. In seinem hohlen Auge war. jedes Verlangen des Jrrdischen erloschen, und der. erhabene Gedanke der Ewigkeit ruhte auf seiner SArn und drängte sich in alle seine Gesichtszüge.. Seine dürre 5)and drückte die unsrige, aber zum sprechen schien es ihm an Kraft zu fehlen und vielbedeutend war das Stillschweigen, das auf. seinem schon halbverklärten Angesicht schwebte.. Lange währte diese Stille, die nur zuweilen das Schluchzen der Kinder und der Frau unterbrach.. wollte die rührende Pause. zwi­. schen Leben und Tod nicht unterbrechen;. end­. Der. Pfarrer. lich begann er dem Leidenden die geübten Tu­ genden und den frohen Glauben und die selige. 5)offnung dort jenseits mit wenigen, aber kraft­. vollen Worten zu schildern; und die Schlußzeilen. 9 *.

(38) »3«. der Verse sprach der Gterbende langsam mit be­. bender Stimme nach:. . •. Sollt' ich nicht/Aesus! Dir vertrauen/ Wo bliebe dann mir Trost und Muth? Der hoffnungsvoll und ohne Grauen, , Wann Du gebeutst, im Grabe ruht. Du bist ja meine Zuversicht, Mein Anker, wann sich Stürm' erheben, Mein Freund in Noth, mein Glück im Leben, Mein Evangelium, mein Licht. -. In diesem Thal voll Wonn' und Kummer Erwacht' ich, Herr! auf Dein Geheiß, Du labtest mich mit sanftem Schlummer Am Abend nach dem Arbeitsschweiß. Du gabst mir Brodt, ließ'st Freud' und Lust In vollen Bachen sich ergießen^ Die höchste Wonne zu genießen, Ruht' ich an treues WeibcL Brust. * Du gabst dem BMde Deinen Segen, Den Deine Hand nie von mir nahm; Mir hüpften Kinder froh entgegen, Wann ich erschöpft vom Felde kam: Sie gaukelten vor mir im Gras, Wenn mich,der Holden Arm umfangen, '. Mir abzutrocknen Stirn und Wangen, Und ich vor meiner Hütte saß.. Jetzt willst Du, Herr! mich zu Dir nehmen, Zur Ernte ist die Saat gereift, Ich fühle meine Blicke lahmen. Die oft zu Deinem Thron geschweift..

(39) Oft trug mich Sehnsucht hin zu Dir: Der Tag ist endlich angebrochen/ Von dem Dein theurer Sohn gesprochen; Er führe, Vater, mich zu Dir! Du willst, ich soll nicht mehr die Auen, Die mich durch meinen Fleiß genährt,. Das Weib, die Kinder nicht mehr schauen. In welchen Du Dich mir verklart: ES scy. Ich folge Deinem Wink, Nichts Jrd'sches kann vor Dir bestehen, Wie Rosen in der Gluth vergehen, Vergeht der Leib und jedes Ding. Er nehme hin, was er gegeben, Zurück in seine Schöpferhand, Dies arme, mangelhafte Leben, Dem Tod', dem Leben halb verwandt! Den Leib nur hüllet Erde ein, Die Seele wird ihr nicht zur Beute, Die in den Staub der Ew'ge streute, Geht auf, und wird unsterblich seyn. Mit Sehnsucht nah' ich mich der Stunde, Die mich durchs Grab ins Leben bringt; Stark' meinen Geist im Gnadenbunde, Wenn meinen Leib die Gruft verschlingt. Blick auf den Lebenspfad ich hin, So seh' ich viele Sünd' und Schwachen; Waö wird mein Mund erbebend sprechen, Wenn ich vor meinem Richter bin? —. Doch strauchelt' ich auch auf dem Pfade, Der Vater richtet nicht sein Kind; Durch Seinen Sohn verheißt er Gnade Dem Schwachen, dessen Auge blind..

(40) 3 34. NeinEr verstößt uns Sünder nickt/ Ich darf voll Hoffnung zu Ihm beten. Und hin vor den Versöhner treten, Wenn mir mein sterbend Auge bricht.. „. Der Kranke schien durch dies den Lebensver­. hältnissen des Sterbenden sich aneignende Gebet zu dem langen Gange, den er zu thun hatte, gestärkt, und auf den großen Austritt aus dem Leben vor­. bereitet zu seyn.. Die Kinderchen, von denen das. älteste ein Mädchen von sieben Jahren war, dräng­. ten sich zu ihm; das jüngste konnte noch kaum mit stammelnder Stimme — Vater! rufen.. Die. Frau saß bleich und stumm zm seinen Füßen und ließ ihr thränenvolles Auge auf des sterbenden. Mannes 5?and sinken. Noch einmal zuckte er krampfhaft, und sein. Auge schloß sich auf immer.. Wir mußten ins. Freve hinaus, um die beklemmte Brust athmen. zu lassen.. Lange gingen wir nebeneinander durch. das Dorf hin, ohne zu sprechen.. Unsere Seele. war voll von dem großen Gedanken des 5)inscheidens in die Ewigkeit, wo keine Thräne ge­. weint wird.. .. Szeute Morgen erst ging ich ^rach Chaw de. Fond zurück.. Ich kann Dir nicht sagen, unter welchen Herr­. lichkeiten ich athme.. Die Natur hat hier einen.

(41) 135 eigenthümlichen Charakter, der keine Vergleichung selbst mit den Schönheiten. Capua vertragt.. von, Frascati. und. Die hohen Gestalten der Ge­. birge, der Felsen, der tiefen dämmernden Thaler, der Aar, der hoch an dem unabsehbaren Gewölbe. des. blauen ZzimMels mit. leisem Flügelschlage. dahinsteucht, erfüllen die Seele mit großen und erhabenen Ideen, und lassen keiner spielenden Be­ trachtung Raum.. Hier glaubt man den in ewiges. Dunkel der Ünerforschkichkeit Gehüllten in unschau­ barer Klarheit hervortreten zu sehen,. hier das. Wachen des Allliebenden naher zy empfinden, der. sein Antlitz durch die'Himmel, seinen Arm durch die Unendlichkeit breitet.. Ich kühle in den erquickenden Fluthen meine glühenden Wangen, ich horche dem Gesänge der x Lerchen, die über mir schweben, den-5)alleluja-. gefangen der weiten feyernden Schöpfung, spiegle mich in den balsamischen Tropfen des Thaues,. oder ich ruhe in dem duftenden Grase, in der Nacht des Waldes,, Hallers Alpen oder Lavaters Schwei­ zerlieder lesend, oder ich starre auf den Fall des. Doubs hin, der mit tobendem Ungestüm sich her­ niederstürzt, und weit umher das Gras der Berge. bethaut.. Immer neu, in ewig veränderten Ge­. stalten, zeigt sich die liebende Mutter, und immer. reizend und wundervoll.. O. ich kann cs mir den­. ken, wie den Schweizer die Sehnsucht nach dem B'aterlande ergreift, wenn er in der Fremde die.

(42) heimischen Töne vernimmt,- die ihn in seinen An­. gern entzückten, und die ihm die zackigen , gen. ZZimmel ragenden Felsenhaupter und seine schatti­ gen Thaler und seine Triften voll 5)eerden zurück­. rufen,, in denen die Freyheit ihn anweht, die sei­ nen Muth weckt und seinen Arm stärkt.. 5Zeute pflückte ich eine Feldrose, die ich für. Dich aufbewahren werde, um sie Dir in diesem. Briefe zu schicken.. Ich muß schließen, denn. für den Ausdruck des Gefühls, das mich dann ergreift, wann. ich mich. in Betrachtung des. mich umgebenden Lebens verliere, giebt es keine. !. Sprache. 's./. (Die Fortsetzung folgt.).

(43) 137. III.. '. Eine Lilerairgeschichte für Damen. Ich hatte wohl Lust, eine recht artige Parallele zwischen den Damen und den Kolibri's zu ziehen, die sich in der That weit ausspinnen ließe;. aber es wäre doch gar zu seltsam, eine Literair­ geschichte mit K o l i b r i's anzufangen; ich will. also nur flüchtig andeuten, wie es zuging, daß. mich in diesem Augenblicke jene kleinen, niedlichen Vögel umschwirrten.. Wenn man sie nämlich. fangen will, so steckt man eine Leimruthe zwischen. Blumen, denn auf dem schönsten Baume voll. der schönsten Früchte würde man sie vergebens aufstcllen.. So, denk' ich, muß man es mit den. Damen anfangen, wenn man ein wenig Gelehr­. samkeit, die in ihren Boudoirs Kontrebande ist, bey ihnen einschmuggeln will; man muß sie. unter Blumen verbergen, und waren es auch nur italienische Blumen.. Denn die Aufmerksam­. keit der Damen hat aU jeder Art von Pedanterie einen eben so grausamen Feind, als der Kolibri. an. den. brasilianischen. Buschspinnen.. Damm. bitte ich die Schönen, bey dem Worte Literair­ geschichte ja nicht zu erschrecken, mnd verspreche ihnen, daß sie, ganz nach ihrer Gewohnheit, nur. ein wenig um Blumen tändeln sollen.. Es ist mir eine Literairgeschichte in italienischer Sprache in die Zzände gefallen, deren Verfasser.

(44) 138. fröhlich ein finstrer Abt oder Abate, Namens Johann. Andres,. allein. ist;. die. Damen. mögen sich einen vormaligen französischen Abbe darunter denken, so werden sie vor dem wackern. Manne nicht zurückbeben.. Ich verlange auch gar. nicht, daß sie sein Buch lesen sollen, denn es ist in Quarto und hat keinen Platz auf ihrer Toilette; aber ich wünsche, daß sie meinen Auszug lesen. mögen, weil sie manches daraus lernen werden, und weil es schönen Lippen einen gewürzhaften Reiz giebt, wenn sie bisweilen einen griechischen. oder lateinischen Namen lispeln.. Versteht sich. Alles ohne Pratension.. Das Werk, von dem ich rede -"'), ist bande­ reich, also abermals abschreckend; allein ich halte. mich bloß an den ersten Band, der einen Ueberblick. der gesammten. Literatur. auf Gottes. weitei.r Erdboden enthält, und diesen Ueberblick. mögen die Damen ein wenig überblicken, wenn sie ihre schönen Augen eben nicht besser zu brau­ chen wissen. / x. Solltet: Sie, meine Schönen, etwa vermu-. then, daß wir von der ältesten Literatur blut­ wenig wissen, so hattm Sie ganz Recht.. Denn. Erstens waren die asiatischen Wsisen eine Art. von FreyMaürergesellschaft , welche -ihre Wissen­ __________ .p - Mi'jh ■ • *1*. “ 1 , ' • *) Hier ist fit v die H-e>kre» rer. Titel: Dell.’. origine, progresy. a,, State attual» d’ogRi letteratura nell^ diverse sue. epoche.' Parma '.

(45) I. 139. schäften sehr geheim hielten.. Aweytens wollte die. Eitelkeit der Griechen jede Kunst und Wissenschaft. selbst erftrnden, selbst geschaffen haben, weshalb sie die Quellen verbarg, aus denen sie geschöpft. Folglich ist es uns damit ergangen, wie Ihnen. mit neugesteckten Zzauben: der Grundstoff ist wohl noch da, allein die Form ist verändert, die Spitzen. sind neu arrangirt,. und. niemand kann mehr. errathen, wie das Kopfzeug vormals ausgesehn.. Im ersten Kapitel durchlauft ZZerr Jo­ hann Andres (der nicht einmal einen wohl­. klingenden italienischen Namen hat) die älteste. Literatur der Chineser, Indianer, Chaldäer u. s. w., weil er aber selbst wenig davon weiß, so ist er auch so bescheiden, uns wenig davon zu sagen,. welches ihrn hoch. anzurechnen. ist;. denn Sie. wissen, was Lessing in seiner Minna von Barn­ helm sagt:. „Man spricht am liebsten von der. Tugend, die man nicht besitzt" — und das gilt. gar oft von den Gelehrten in Ansehung der Wis­ senschaften; selbst diejenigen, die am meisten von der Philosophie. keine Philosophen,. sprechen,. sind gewöhnlich. sondern nur philosophi­. rende Menschen. Im zw eyten Kapitel wagt sich der Herr. Abbe auf den weiten Ocean der griechischen. _. Literatur.. Was meinen Sie wohl, von wel­. cher Epoche dieft anhebt? Etwa von der Stiftung t. jener lieblichen Schäfereyen in Arkadien?. von.

(46) 140. x. dem Wonncleben im Thale Tempe? — Keines-. Weges.. Der blutige trojanisch e Krieg ist die. häßliche Mutter des schonen Kindes.. Folglich. dürfen auch wir hoffen, daß unsere Zeit, die. Menschenfresserin,. noch manches liebliche Kind. erzeugen werde. — Ich wette, daß die Damen. sogleich an den 5?omer denken,. denn obzwar. unter 5?undcrten kaum Eine den tzomer gelesen hat (auch nicht die Uebersetzung von ^Voß), so wissen sie ihn doch alle zu nennen, weil es. Mode ist, und weil sie gehört haben, er sey der Vater der Dichtkunst.. 1 Diesen Titel wollen wir. ihm nicht streitig machen.. Ist doch auch Wieland. der Vater der d e u t sch e n Dichtkunst,/ ob es gleich lange vor ihm einen Lohenstein gab'. Eben so hatte auch Homer seine Vorgänger;. zum Eremvel. einen gewissen Palamides, der selbst mit vor. Troja lag und dort aus langer Weile vier neue. Buchstaben erfand; auch einen gewissen C o r y n n u s, der die Belagerung von Troja und den Krieg. des Dardanus, zwar in kein Gedicht, aber doch. in Verse brachte (denn Verse und Gedicht. ist zweyerley).. .. Ich möchte wohl die Damen in Kleinasien zu jener Zeit gekannt haben, es müssen sehr inter­. essante Geschöpfe gewesen feyn; denn der Herr. Abbe bemerkt ferner, daß^ alle die ersten Dichter. und Philosophen aus.Kleinasie'w gebürtig wa­ ren; und ich bemerke, daß es mit der Dichtergabe.

(47) I. 141. f. sich verhalt, wie mit dem Adel auf der Küste von. Malabar; jene, wie dieser, werden bloß durch die. Weiber fortgepflanzt.. Fragen Sie nur nach:. jeder große Dichter hatte stets eine kluge, feu­. rige Mutter. Homers Mutter kennen wir nicht; aber die '. sieben Städte, die sich bekanntlich darum zankten, in welcher von ihnen sie glücklich entbunden wor­. den sey, lagen gleichfalls in Kleinajien, oder doch auf den dazu gehörigen Inseln.. 5?eutzutage kann. solch ein Streit nicht mehr vorfallen.. Wem ein. Söhnlein geboren wird, der laßt es in die 5?amburger Zeitung fetzen, vermuthlich in der men­ schenfreundlichen Absicht, künftigen Stadtezank zu. verhüten, wenn etwa chas Söhnlein ein 5?omer werden sollte. Auch Hesiod, Homers Zeitgenosse, und Ar-. chilochus,. ein kraftvoller Dichter,. von dem. cs noch ein paar Fragmente giebt, und H ipp o-. nartes, ein Satyriker, der so beißende Verse machte, daß ein paar, von ihm angegriffene, Bild­ hauer sich deswegen sollen gehangen haben; und. Anakreon,. der JhnerMur Genüge bekannte. Sänger des Weins und der Liebe — sie Alle waren. aus Kleinasien.. Die Musik, damals die unzer­. trennliche Begleiterin der Dichtkunst, lieferte eben. daher Hre silßesten Töne.. Die erste philosophi­. sche Sekte war die jonische, und ihre Häupter^. Thales, Anarimander, in Milef geboren..

(48) 142. Aus spater» feiten wtrfte ich Ihnen wenig inter­ essantes von Kleinasien zu erzählen, es wäre denn/. daß die Kaufleute es die Levante nennen, und daß Konstantin der Große in Nicea die erste Kirchenversammlung halten ließ, bey welcher kein einziger Dichter sich einfand.. Indessen kann man. doch nicht wissen, ob der Boden von Kleinasien nicht noch immer mit Dichterkeimen geschwängert. ist». Ich habe mir erzählen lassen, daß vor Kur­. zem, als in Bremen ein Wall abgetragen wurde,. auf der dadurch entblößten Stelle Pflanzen her­ vorsprossen,. die vorher nie,. und auch in der. ganzen Gegend nicht gefunden wurden,. deren. Keime,also seit mehrer»Jahrhunderten in einer. tiefen Erdschicht verwahrt lagen und nur auf den Augenblick warteten,. wo man die Last, unter. welcher sie seufzten, wegheben würde, um sogleich. neu hervorzutreiben.. So, mein' ich, wird auch. wieder eine Zeit kommen, wo, nach Wegräumung. des Türkenwalls, der Boden von Kleinasien sogleich mit Dichterblumen bedeckt erscheinen wird.. „Aber wie ging es denn zu" — höre ich Sie. fragen — „daß ein KM eg die Quelle der griechi­ schen Literatur. wurde?". —. Sehr natürlich.. Schon die Ursache des Krieges, der ^kaub der. schönen 5?elena, war eine poetische Ursache.. Fer­. ner: die Griechen mußten fl-r Vaterland verlassen,. und sich ein wenig in der Welt umsehen; das war ihnen völlig neu, und erweckte neue Begriffe, stellte.

(49) M3 romantische Bilder dar.. Der vor und in Troja. erworbene ZZeldenruhm befeuerte die Einbildungs­. kraft; Nestors Beredsamkeit, Achilles Tapferkeit, Ulysses Klugheit,. die Reichthümer Asiens,. die. Hofspracht des Königs Priamus; die mancherley. außerordentlichen Begebenheiten, die sich, indem langen Zei..-aume von zehn.Jahren, zutrugen;. der eingebildete Beystand der Gotter — fürwahr,. lauter Dinge, die ein poetisches Gehirn wohl ent­ flammen können, wenn auch nur der mindeste brennbare Stoff sich vorfindet. — Ich will Ihnen aber doch nicht verschweigen, daß die Griechen, noch lange nach der Eroberung von Trofa, noch. sehr ungeschlachte Leute waren, .die sich Ihrem Theetisch nicht würden nahen dürfen? und daß. bloß die griechischen Kolonisten, welche sich in Kleinasien niederließen, dort abgeschliffen wurden.. Im dritten Kapitel untersucht S?err An­ dres , durch welche Gunst des 5?immels die grie­. chische Literatur so starke Fortschritts gemacht und zu einer so bewundernswürdigen Vollkommenheit. gelangt sey? —. Klima und Regierungs-. fo rm mögen allerdings dazu btygetragen haben, doch bey weitem nicht Alles.. Diü Lage ihres. Landes gewahrte den Griechen die Leichtigkeit, sich mit den Kenntnissen aller Nationen zu berei­ chern.. Doch mehr als Alles bewirkten die öffent-. z kichen, literarischen Wettkampfe, für welche ganz Griechenland, vom Größten bis zum Klein-.

(50) Ü4. strn, vom Vornehmsten bis zum Geringsten, sich. so warm interessirte. Die Sieger empfingen öffent­ liche Belohnungen, und ihr Ruhm erscholl aus. jedem Minde.. Anfangs bestanden die Preise aus. güldenen Gerathschaften, Dreyfüßen, Bechern und dergleichen.. Aber bald bedurfte der Ehrgeiz. der Dichter und Künstler keines Co des mehr, uyr alle Kräfte anzustrengen; eine Krone von Oelzweigen gewann größern Werth in ihren Augen,. als jenes glanzende Metall. —* Nun bitte ich Sie mit schaamrother Wange, werfen Sie dagegen. einen Blick auf die Lage unserer Dichter.. Ein. karges Lob irgend einer Literaturzeitung, und ein karges Honorar des Verlegers, das sind die Be­. lohnungen Alle,^auf welche er zahlen darf.. Die. Großen bekümmern sich in der Regel gar nicht um chn, । amüsiren sich. höchstens ein Stünd­. chen mit seinen Werken,. ohne einmal zu fra­. gen, ob deren Verfasser lebt oder todt ist?. Das. Publikum ist apch ein großer Zzerr, und macht es gerade eben so.. gen Fall,. Ich weiß nur einen einzi­. wo ein griechischer Funke das Pu­. blikum belebte,. nämlich als Voltaire im hohen. Alter im Theater zu Paris erschien, und auf lautes Verlangen von schönen Händen gekrönt. wurde. ,, । Ferner genossen die griechischen Dichter des großen VrK'zugs, nur E i n Publikum zu haben. Wir müssen uns mit Hunderten herum quälen..

(51) 145. deren Jedes sich, und nur sich allein, für den. kompetentm Richter halt. Endlich erfreuten sich die Griechen noch eines Vortheils, der gar nicht zu berechnen ist: sie durf­ tet bloß die Natu^ studiren, und die Regeln der. Kunst aus ihr selbst sich abziehn.. Man forderte. nicht von ihnen, daß sie mehrere hundert Bücher sollten gelesen, rrach den besten Mustern sich ge­. bildet und ihre eigne Einbildungskraft verwässert oder gefesselt haben.. Auch die, welche ihnen. zuhörten, hatten nichts gelesen, plauderten keine. Uri » ile nach, sondern überließen sich ihrem reinen. Gefühle, und sprachen nie, wie. die Deutschen:. „das gefallt mir zwar, aber es muß mir nicht gefallen." — Begreifen Sie nu^n> meine Damen,. wie natürlich es zuging, daß in Griechenland die reifesten Früchte wuchsen? — Man streute Rosen­. bla Lter um die Baume. Das vierte Kapitel beschäftigt sich noch. mit diesem Gegenstände, und nennt die großen Genies, deren Werke wir noch heute bewundern, doch mehr noch übersetzen als bewundern. Im. fasser. fünften Kapitel schreitet der Ver­. zu > der' römischen. Literatur. fort.. Diese hochgerühmten, und leider nun auch nach­ geahmten > Römer walzten sich vierhundert Jahre. lang im Schmutz der Unwissenheit, und singen nicht eher an, Künste und Wissenschaften lieb gewinnen, bis sie Griechenland und Sicilien Erster Banr.. 1o.

(52) 146. -. eroberten; so wie ein rauher Krieger nicht eher gesittet wird , bis er das 5)erz eines schönen Mäd­. chens erobert.. Herr Andres zieht im sechsten. Kapitel eine schöne, aber lange Parallele zwi­ schen der griechischen und römischen Literatur. Er "verwirft die gewöhnliche Meinung, welche m#”. dem Iahrhundekt des Augustus eine neue Epoche der Literatur'anheben laßt, gleich, als ob die. römische durch Römer entstanden, oder als ob. die griechische mit Alexanders Reiche untergegan■. gen wäre.. Die Griechen fuhren forst, selbst noch. nach ihrer Unterjochung, alle. der Kirste. und Wissenschaften zu kultiviren, und die Römer. thaten weiter michts, als was heut zu Tage die Franzosen ntit freyrden Kunstwerken thun;. sie. brachten die griechische Literatur im Triumph nach. Rom.. Die Griechen lvaren ihre einzigen Muster.. Loraz verlangte, man solle sie Tag und Nacht durch­ blättern; Cicero und Virgil studirten sie; alle Er­ zieher und Hofmeister und Lehrer waren Griechen;. -. Italien wimmelte von griechischen Kunstlverken;. kurz, die ganze römische Literatur war griechisch». Indessen muß man gestehn, daß die Römer ihre Meister — wo nicht übertrafen — doch ihnen. gleich kamen. (im ^Trauerspiel ausgenommen).. Plautus und Terenz (ein paar Lustspieldich-^. ter, die wir noch oft plündern) konnten es schon. *. mit Aristophanes und Menander aufnch-. men; Katull mit dem. Kallymachus, Ho­.

(53) 147. raz mit dem Pindar, Virgil mit dem 5?o-. mer und. Cicero mit dem Demosthenes.. Satyriker, wie Horaz, Juvenal und Per­ seus, hatten die Griechen nicht, und auch keinen Geschichtschreiber wie den LiviuS.. Das siebente /Kapitel handelt von der geistlichen Literatur: nun, nun, meine. Damen, laufen Sie nicht gleich weg; ich werde. so schnell wie möglich darüber hinschlüpfen. sagen muß ich ihnen hier doch,. daß,. Aber als die. Tempel der römischen und griechischen Literatur einzustürzen drohten, die geistliche Schwester. bisweilen recht schone Stützen unterschob, von. außen eben so zierlich, nur nicht aus denselben. kostbaren Stoffen gearbeitet.. licher Marmor.. Es war nur kü n st-. Das heißt — ohne Gleichniß. gesprochen — der Styl erhielt sich noch, aber. der Geist entwich, oder erstickte im mystischen Dampfe.. Diese letztere Ansicht ist — wie Sie. wohl merken werden — freylich nicht von dem. geistlichen Herrn Verfasser. Dieser preist vielmehr. die morschen Stützen gar gewaltig, und versichert, daß die geistliche Bteratur, im vierten Jahrhun­. dert, auf dem höchsten Gipfel ihrer Vollkommen­ heit gestanden, bis die Einfalle der Barbaren in das römische Reich ganz Europa in dicke Finsterniß. ' •. gehüllt haben.. Soll ich Ihnen diese Barbaren schildern?. Sollten Sie nicht, auch ohne meine 5?ülfe, ein * 10..

(54) 146. eroberten; so wie ein rauher Krieger nicht eher gesittet wird, bis er das 5?erz eines schönen Mäd­. chens erobert.. Herr Andres zieht im sechsten. Kapitel eine schöne, aber lange Parallele zwi­ schen der griechischen und römischen Literatur. Er. verwirft die gewöhnliche Meinung, welche mit dem Jahrhundert des Augustus eine neue Epoche. der Literatur anheben laßt, gleich, als ob die römische durch Römer entstanden, oder als ob die griechische mit Alexanders Reiche untergegan­. gen wäre.. Die Griechen fuhren forst, selbst noch. nach ihrer Unterjochung, alle ZttMe der Künste. und Wissenschaften zu kultiviren, und die Römer thaten weiter michts, als was heut zu Tage die Franzosen ntit freyrden Kunstwerken thun;. sie. brachten die griechische Literatur im Triumph nach Rom.. Die Griechen waren ihre einzigen Muster.. Horaz verlangte, man solle sie Tag und Nacht durch­. blättern; Cicero und Virgil studirten sie; alle Er­. zieher und Zzofmeister und Lehrer waren Griechen; Italien wimmelte von griechischen Kunstwerken; kurz, die ganze römische Literatur war griechisch». Indessen muß man gestehn, daß die Römer ihre Meister — wo nicht übertrafen — doch ihnen. gleich kamen. (im Trauerspiel ausgenommen).. Plautus und Terenz (ein paar Lustspieldich­. ter, die wir noch oft plündern) konnten es schon mit Aristophanes und Menander aufneh­. men; Katull mit dem. Kallpmachus, Ho­.

(55) raz mit dem Pindar, Virgil mit dem 5)o-. mer und Cicero mit dem Demosthenes. Satyriker, wie Horaz, Juvenal und Per­. seus, hatten die Griechen nicht, und auch keinen Geschichtschreiber wie den Liviu s.. handelt von der. Das siebente Aapitel. geistlichen Literatur:. nun, nun, meine. Damen, laufen Sie nicht gleich weg; ich werde so schnell wie möglich darüber hinschlüpfen.. sagen muß ich ihnen hier doch,. daß,. Aber als die. Tempel der römischen und griechischen Literatur. einzustürzen drohten, die geistliche Schwester bisweilen recht schöne Stützen unterschob, von außen eben so zierlich, nur nicht aus denselben. kostbaren Stoffen gearbeitet.. l ich er Marmor.. Es war nur kü nst-. Das heißt — ohne Gleichniß. gesprochen — der Styl erhielt sich noch, aber. der Geist entwich, oder erstickte im mystischen Dampfe.. Diese letztere Ansicht ist — wie Sie. wohl merken werden — freylich nicht von dem. geistlichen Herrn Verfasser. Dieser preist vielmehr die morschen Stützen gar gewaltig, und versichert,. daß die geistliHe 'Literatur, im vierten Jahrhun­. dert, auf dem höchsten Gipfel ihrer Vollkommen­ heit gestanden, bis die Einfalle der Barbaren in. das römische Reich ganz Europa in dicke Finsterniß gehüllt haben.. /. >. " *. Soll ich Ihnen diese Barbaren schildern? Sollten Sie nichts auch ohne meine Hülfe, ein.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Immer wieder wird das Thema Teilleistungsstörungen, wie die der Legasthenie oder der Rechenschwäche, nicht nur in der Schule vorstellig gemacht, sondern auch bei

Davon werden USD 6 Milliarden über die Institution für arme Länder (International Development Association) und über die Institution für mittlere Einkom-

Management proposes that the current SEC submission and circulation period of 10 days for emergency operations and Level I Project Restructurings (20 days for DPFs, including CAT

Neue Verfahren sorgen aber nicht allein für eine bessere Integration von Nachhal- tigkeitskriterien in die öffentliche Beschaffung.. Ent- scheidend für die

Wer sich dieses Jahr für Urlaub zu Hause entscheidet, sollte die Zeit nicht für die Abarbeitung von To-Do Listen der bekanntesten Reiseziele in Bayern nutzen, sondern seine

Für die in der Landesplanerischen Beurteilung unter Punkt 1.1 aufgeführte Maßgabe für die Variante C / C2,80, nach der das Umgehungssystem so zu planen und zu realisieren ist, „dass

Starke Knochen Er selbst gibt zu, dass keine gesicherten Erkenntnisse darüber vorliegen, ob die Knochen- brühe tatsächlich eine medizinische Wirkung auf den Körper hat, denn

Die Schüler hören, wie sich die Lebensbedingungen der Menschen änderten: neue Pflanzen, Bäume und Wälder, andere Tiere, Wasser und Land tauten auf; es wuchsen Gräser, Kräuter,