A1790 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 34–3525. August 2008
M E D I E N
B
ei der Frage nach dem derzeit verfügbaren technischen Ma- ximalkomfort des E-Books betrifft der wichtigste Aspekt die Display- technologie, denn dabei geht es um Kommunikationssituationen, die bis- her dem Buch vorbehalten waren.Die von dem Nanophysiker Dr. Jo- seph M. Jacobson vom Nano-Media- Lab am MIT (Massachusetts Institute of Technology) im US-amerikani- schen Cambridge lizenzierte Variante eines „e-papers“ ist schon recht weit gediehen. Verbesserungsbedarf be- steht noch bei der Auflösung und beim schnelleren Umstellen der Sei- ten. Ferner müssen diese E-Books noch robuster werden, das heißt knickbarer, vielleicht sogar rollbar.
Vor allem der noch nicht ausge- reifte Einsatz von Farbe bei der von der Firma E-Ink entwickelten Technologie versucht, die Drauf- lichttauglichkeit, also die Außenbe- leuchtung und entsprechendes Re- flektieren, zu realisieren – was phy- siologisch erheblich angenehmer ist als die derzeit noch augenermüden- de Innenausleuchtung von E-Books.
Hingegen haben die am Markt ver- fügbaren E-Book-Lesegeräte immer noch den Charakter eines Smart- phones: ein bisschen größer und dün- ner. Die Gesamtfläche geht in Rich- tung DIN A4. In einer optionalen Zu- satzfunktion lassen sich mit einem Stift, im Stil eines Grafiktableaus, Kommentare aufbringen und abspei- chern – und online austauschen.
Praktisch und faszinierend
Das in Amerika bereits bei einigen 100 000 Verbrauchern angekomme- ne „Kindl“-E-Book von Amazon kann bereits direkt und ohne einen Computer Bücher herunterladen.Den Preis eines solchen Download- Buchs sollte man generell etwa bei 20 Prozent unter dem entsprechenden analogen Taschenbuchtarif ansetzen.
Andere Geräte können Bücher, ver-
gleichbar den iPod-Geräten, via Computer und Internet auf das E- Book transportieren. Die Platz- und Gewichtersparnis ist bei diesem Leichtgewicht, angesichts eines Spei- chervermögens von weit mehr als 100 Büchern, sehr praktisch. Der Faszination, ein elektronisches „Pa- pier“ tausendfach immer wieder neu zu bedrucken, kann man sich nur schwer entziehen.
Aktuell hat Stephan Füssel, Leiter des Instituts für Buchwissenschaft an der Universität Mainz, im „For- schungsmagazin“ der Universität ei- nen lesenswerten Beitrag zu Jacob- sons bahnbrechenden E-Paper-Akti- vitäten veröffentlicht („Electronic Paper – ein technisches Medium för- dert die Konvergenz der Medien“, Heft 1/2008, S. 33–36). Das immer wieder bedruckbare Papier lässt sich durchaus mit den Pixeln des Zei- tungsdrucks vergleichen, deren un- terschiedliche Dichte Formen entste- hen lässt. Jacobson indes verwendet immer wieder dieselben pixelartigen Kügelchen: Die unterschiedliche elektrische Ladung des Bildfelds sti- muliert ihre stärker schwarze oder weiße Seite. Schwarze Tinte enthält hier weiße, positiv geladene Farb-
pigmente. Die mitgedruckte Elektro- nik erzeugt an der Oberseite negative Ladungen. Zehntausende Kügelchen bilden das neue Bild, gestochen scharf, deutlich über dem Zeitungs- druck liegend. Eine Hintergrundbe- leuchtung ist so nicht erforderlich, sodass keine weitere Energiezufuhr notwendig ist. Das E-Paper ist zwi- schen 0,3 und 1,2 mm „dick“ und lässt nahezu jedes Trägermaterial zu (www.eink.com).
Hin zur Retrodigitalisierung
US-amerikanische Supermarktketten sollen ihre Werbetafeln bereits der- artig aufgerüstet haben. Grenzenlose Beschreibbarkeit würde einen bri- santen Textsortenmix möglich wer- den lassen: morgens die Zeitung, im Büro die Akten, abends der Krimi.Die Konvergenz von Internet und Mobilfunk lässt jede Art von Down- load zu – kabelfrei oder über diverse Datenträger. Die Dünne des Materi- als animiere Jacobson bereits zu E- Paper-Büchern mit bis zu 240 elek- tronischen Seiten. Der Fortschritt der Chiptechnologie lasse ganze Bibliotheken in diese Bücher ein- speicherbar werden, so Füssel sinngemäß. Für den von Jacob- son favorisierten omnipräsen- ten Leser gewährleistet das an seinem MIT-Projekt mitbetei- ligte Vorhaben „Google Book- Search“ in Kürze den freien Da- tenzugang: Google ist dabei, das Weltwissen aus den maßgeblichen Bibliotheken „zu retrodigitalisieren“.
Füssels Fazit: „Es besteht mit dem electronic paper die Möglich- keit, die Vorteile des Internets, das heißt die rasche und aktuelle Infor- mation, die weltweite Verknüpfung, die schnelle Recherchemöglichkeit und die Verbindung mit Audio- und Videodateien, mit den jahrhunderte- alten Vorteilen des Buchs, der her- vorragenden Abbildungsqualität, der bewährten Form des Kodex mit seiner guten Lesbarkeit und den hap- tischen und ästhetischen Kompo- nenten für die ruhige Hintergrundin- formation zu verbinden. . . . Joseph Jacobson hat seine Entwicklung zunächst als ,last book‘ bezeichnet;
er ist aber eher auf dem Weg, das ,new book‘ zu kreieren.“ I Roland Groß E-BOOKS
Last book oder new book
Wie weit ist das technische Know-how bei der Entwicklung von elektronischen Büchern gediehen?
Vollständige Bibliotheken auf engstem Raum – E-Books machen’s möglich.
Foto:Amazon