14. Szenarien
von Hans Rudolf Binz und Otto Wildi
14.1 Zweck und Konzept der Szenarien Das Ziel der Szenarien besteht darin, die Handlungs- freiheiten bezüglich der Nutzung des Testgebietes festzustellen. Interessieren nur die unmittelbaren Folgen einer Veränderung der Heunutzung oder des Ausbaus der Skipisten, so helfen die im Felde erho- benen Karten weiter. Geht es zum Beispiel darum, die Heunutzung und die Beweidung zu intensivie- ren, so können anhand der Vegetations- und der Bodenkarte geeignete Flächen ausgeschieden wer- den. Neigung, Oberflächengestalt und Ausape- rungszeitpunkt bestimmen die Eignung des Gelän- des als Skipiste. Die Szenarien sollen im Gegensatz zu den genannten Beispielen auch indirekte Folgen aufzeigen, nämlich, wie sich bei Nutzungsänderun- gen die Lawinengefahr, der Naturschutzwert, der Bodentyp oder die Verbreitung verschiedener Tier- arten verändern.
Grundsätzlich wäre es wünschenswert, alle Ver- änderungsmöglichkeiten des Naturraumes als Reak- tion auf Nutzungen aufzuzeigen. Ein solches Vorha- ben ist jedoch nicht praktikabel, und die Ergebnisse wären nicht zu überblicken. Deshalb werden nach- folgend exemplarisch einige wenige, leicht ver- gleichbare Szenarien vorgestellt. In keiner Weise soll damit die zukünftige Entwicklung des Testgebie- tes prognostiziert werden. Die Szenarien haben sich vielmehr möglichst klar voneinander zu unterschei- den und mithin echte Alternativen aufzuzeigen (Tab.
14.1, 14.2).
Das Modell wurde, was den heutigen Zustand betrifft, bereits in Abschnitt 3.5.3 beschrieben; die Simulation möglicher künftiger Zustände entspricht dem dort erwähnten Schritt 3. Wie aus der Tabelle 14.1 hervorgeht, wurden die meisten Nutzungsände- rungen aus dem jetzigen Zustand abgeleitet, einige wenige (Bauzone, neue Skipisten und Varianten, Tab. 14.3, Abb. 14.1 bis 14.4) wurden aufgrund vor- handener Pläne, bzw. nach Angaben der betreffen- den Fachbearbeiter, speziell digitalisiert. Bei der Beurteilung der Resultate ist zu beachten, dass sie die Auswirkung einer lange dauernden, konstanten Nutzung gemäss den Szenarienannahmen darstel- len, weshalb die Bilder zum Teil etwas unrealistisch erscheinen. Es ist nämlich kaum anzunehmen, dass ein bestimmtes Nutzungsszenarium über Jahr- zehnte beibehalten wird, obwohl sich schwerwie- gende Fehlentwicklungen einstellen. Mit dem Durchspielen weiterer Varianten liesse sich natürlich die Aussagekraft des Modells noch beträchtlich stei-
gern, indem die Nutzungsänderungen in einem zweiten Schritt weniger schematisch angenommen würden (einerseits durch Einführen weiterer Bedin- gungen, andererseits, indem ortsspezifische Gege- benheiten durch spezielles Digitalisieren bestimm- ter Nutzungen berücksichtigt würden). Ein dritter Schritt schliesslich ginge nicht mehr vom aktuellen Gebietszustand aus, sondern von aus den Szenarien neu erarbeiteten Nutzungskarten, womit die Mög- lichkeiten und Auswirkungen von korrektiven Ein- griffen untersucht werden könnten.
Die Ergebnisse aller Szenarien sind zunächst Kar- ten. Von jedem Szenarium fällt ein vollständiger Satz thematischer Karten hoher Komplexität an. Es ist deshalb nicht einfach, sich einen Überblick über die Fülle von Resultaten zu verschaffen. Die Tabellen 14.2 bis 14.7 geben die Häufigkeiten der Merkmale des simulierten Naturraumes wieder. In den klein- massstäbigen Kärtchen der Abbildungen 14.1 bis 14.13 sind ausgewählte, leicht interpretierbare Merk- male in ihrer Verbreitung dargestellt. Damit soll zumindest andeutungsweise gezeigt werden, wie der Naturraum auf ändernde Nutzungsvorgaben reagiert.
14.2 Szenarium «Davos heute»
Unser Modell ist ein Abbild der vorhandenen Grund- lagen, bisheriger sowie zusätzlicher Kenntnisse über die Funktionsweise des Naturraumes (Abschnitt 3.5.3). Es entspricht somit nur bedingt der Wirklich- keit (nämlich nur insoweit, als mit unseren Erhebun- gen die «Wirklichkeit» erfasst wurde). Im Gegensatz zum Testgebiet ist es jedoch durchschaubar und manipulierbar. Inwieweit es der Realität entspricht, geht aus dem Vergleich der Simulation des heutigen Zustandes mit den Kartierungen hervor. Anhand des ersten Szenariums müsste eigentlich ein quantitati- ver Vergleich zwischen den Ergebnissen der Feld- erhebungen und denjenigen der Modellrechnung vorgenommen werden. Ein solches Vorgehen ist aus zweierlei Gründen erschwert: Erstens wurde das Modell selbst mit Hilfe des Szenariums «Davos heute» an den Felddaten geeicht. Zweitens wird mit einer vereinfachten Datenstruktur gerechnet, indem z.B. bei der Boden- und bei der Vegetationskarte nur eine einzige Merkmalsebene erzeugt wird. Qualita- tive Vergleiche geben dennoch interessante Hin- weise auf grundlegende Eigenschaften des
Modells.
Der Simulationslauf «Davos heute» bildet nun aber die Vergleichsgrundlage für die übrigen Szena- rien. Es kann nämlich angenommen werden, dass sich die meisten Fehler und Vereinfachungen des Modells bei allen Szenarien in der gleichen Weise auswirken. Deshalb müssen die verschiedenen Sze- narien bei der Beurteilung der Auswirkungen ver- schiedener Nutzungen mit dem simulierten und nicht mit dem erhobenen Ist-Zustand verglichen werden. Die veränderlichen Eingangsgrössen für das Modell (Landnutzung; vgl. Schema Abb. 3.5 und Tab. 14.1) werden für das erste Szenarium den er- hobenen Nutzungskarten entnommen. Wie in Abschnitt 3.5 beschrieben, leitet das Modell damit die mittel- bis langfristig zu erwartenden Boden- und Vegetationstypen, die Lawinengefahr und die Ver- breitung verschiedener Tierarten ab (Ausdehnung und Zustand des Waldes werden nur insofern abge- leitet, als sie sich vom heutigen Zustand unterschei- den; vgl. die folgenden Szenarien und Tab. 14.4).
Nicht alle Abweichungen zwischen den simulierten und den erhobenen Karten sind als Fehler oder Ver- einfachungen des Modells zu deuten:
- Ist eine Nutzung erst kürzlich geändert worden, so hat der Naturraum darauf unter Umständen noch nicht oder erst beschränkt reagiert. Das Modell weist aber bereits die zu erwartende Entwicklung aus (z.B. ist bei ungenutzten Flächen unterhalb der Baumgrenze längerfristig mit dem Aufkom- men von Wald zu rechnen)
- Vor allem bei der Boden- und der Vegetationskar- tierung wurden grössere Flächen abgegrenzt und einheitlich klassifiziert (allenfalls als «Mosaik»
mehrerer Typen). Das Modell beurteilt dagegen jede 50 m x 50 m-Rasterfläche individuell. Die simulierten Karten sind daher in einigen Fällen fei- ner gegliedert als die Feldkarten.
- Wegen der Begrenztheit unseres Wissens weisen die simulierten Karten meist deutlich weniger Kategorien aus als die Feldkarten. Andererseits können jedoch einige Prozesse simuliert werden, welche nicht erhoben wurden. So enthält z.B. die erhobene Lawinenkarte nur potentielle und nach- gewiesene Lawinenzüge, das Modell simuliert dagegen Anrisszonen und betroffene Gebiete mit verschiedenen Gefährdungsstufen.
- Das Vorhandensein und besonders das Fehlen einer Tierart an bestimmten Orten wird oft durch ganz spezielle Faktoren entschieden (z.B. Sozial- verhalten, Futterstellen, Konkurrenz zwischen ver- schiedenen Arten, die ähnliche Ansprüche an das Gebiet stellen). Das Modell bezeichnet dagegen immer sämtliche Rasterelemente, die für die jeweilige Tierart potentiell geeignet sind.
Zur Interpretation der Differenzen zwischen Simu- lation und Feldkartierung ist nach dem folgenden Fragenkatalog vorzugehen:
- Ist das Modell (d.h. seine Annahmen) vollständig und richtig?
- Ist die Genauigkeit der Grundlagen (z.B. des Geländemodells) entsprechend?
- Zeigen die Differenzen Veränderungen im Natur- raum auf, die bei unveränderter Nutzung in naher oder ferner Zukunft ablaufen werden?
- Ist die Simulation richtig, und ist die Feldkarte (lokal) fehlerhaft?
- Beruht eine beobachtete Differenz auf Faktoren, die im Rahmen des Projektes nicht erhoben wur- den?
Daraus ergibt sich, dass eine abschliessende Beurteilung der Ergebnisse der Simulation des Jetzt-Zustandes nur aufgrund erneuter Feldkontrol- len möglich wäre. Die nachfolgenden Anmerkungen entspringen deshalb meist Beobachtungen, die während der Eichung des Modells gemacht werden konnten.
Bodenqualität, Bodentyp
Da die Bodenqualität fast ausschliesslich von kon- stanten Grössen (Höhe, Gründigkeit usw.) abhängt, unterscheidet sich das simulierte Bild nicht vom
«erhobenen». Die unterschiedlichen Szenarien wir- ken sich im wesentlichen durch die verschieden grossen Waldbestände auf die Bodentypenkarte aus. Einige seltene Bodentypen konnten nicht modellmässig reproduziert werden (Tab. 14.5). Wie der Karte 7.1 und den Beilagen (Bodenkarte) zu ent- nehmen ist, sind in der Feldkarte meist grössere Flä- chen einheitlich klassifiziert. Die simulierten Karten (Abb. 14.5) sind demgegenüber viel feingliedriger.
Welches dieser Ergebnisse eher der Wirklichkeit entspricht, könnte nur eine Feldkontrolle entschei- den.
Obwohl ein quantitativer Vergleich streng beur- teilt nicht möglich ist, zeigt ein grober Vergleich zwi- schen der Abbildung 7.4 und der Tabelle 14.5, dass die Häufigkeiten der meisten Bodentypen sehr ähn- lich ausfallen. Die Regosole sind in der Simulation etwas übervertreten, fast alle andern Typen leicht untervertreten. Eine gute Übereinstimmung weisen beispielsweise Braunpodzol und Braunerde auf.
Vegetation
Da in vielen Flächenelementen aufgrund der äusse- ren Bedingungen mehrere Vegetationseinheiten vorkommen könnten, mussten wir eine Prioritäten- liste für die zu berücksichtigende Einheit festlegen. Um das Ergebnis zu verbessern, arbeiteten wir in einigen Fällen beispielsweise abwechselnd mit zwei verschiedenen solchen Prioritätenfolgen, was an einigen Stellen schachbrettartige Strukturen verur- sachte. In der Simulation kommt generell die Höhenabhängigkeit der Vegetationseinheiten deut- licher zum Ausdruck als in der Feldkarte.
landwirtschaftlicher Ertrag
Der für die erhobene Karte berechnete landwirt- schaftliche Ertrag von 52562 q/Jahr ist gut 10000 q/
Jahr grösser als der aufgrund der simulierten Karte berechnete (Tab. 14.7). Der letztere beruht auf den doch recht ungenauen Mittelwerten der Ertragsklas- sen. Für die erhobenen Daten dienten dagegen die
viel genaueren Ertragsleistungen in Tabelle 9.2 als Berechnungsgrundlage. Die resultierende Differenz verteilt sich auf fast alle Vegetationseinheiten mit Ausnahme der Fettwiesen, die sich auf Grund von Nutzung und Höhenlage gut simulieren lassen.
Naturschutzwert
Die Fläche der mit Naturschutzwert «nationale Bedeutung» klassierten Waldgesellschaften (vgl.
Tab. 9.4) ist nach der simulierten Vegetationskarte mit 275 ha um 98 ha grösser als nach der erhobenen (177 ha). Diese Differenz betrifft vor allem den Dürr- wald, wo nach der Simulation ebenfalls Einheit 9 (Schneeheide/Bergföhren-Wald auf Serpentin) zu erwarten wäre. Die Verteilung der mit «lokale Bedeu- tung» klassierten Fläche stimmt nur in grossen Zügen mit der erhobenen Karte überein; in der Bilanz stehen sich 1131 ha (simuliert) und 1409 ha (erhoben, nach Häufigkeit gewichtet) gegenüber.
Lawinen
Nicht direkt vergleichbar sind die erhobenen und die simulierten Lawinengebiete. In der erhobenen Karte sind nachgewiesene und potentielle Lawinen- flächen ausgewiesen, während die Simulation zuerst Anrissgebiete mit zwei Gefährlichkeitsstufen ausscheidet, um dann jene Gebiete zu berechnen, welche von den dort losbrechenden Lawinen betrof- fen sind. Bei der Optimierung der im Modell vor- kommenden Parameter suchten wir eine möglichst weitgehende Übereinstimmung im Talboden des Haupttales zu erzielen. Ebenfalls nicht berücksichti- gen konnten wir die Grösse des Einzugsgebietes eines Lawinenzuges. Bei kleinen, isolierten Anriss- gebieten muss daher immer noch abgeklärt werden, ob die Grösse des Anrisses zur Grösse des Ausbrei- tungsgebietes (Lawinenkegel) in einem plausiblen Verhältnis steht. Es ist nicht sinnvoll, über die lawi- nengefährdeten Flächen eine Statistik zu führen. Für die Praxis interessant sind eigentlich nur die Verhält- nisse im Siedlungs- und Verkehrsperimeter und allenfalls in den Skigebieten. Besondere Beachtung verdienen deshalb die in Abbildung 14.9 sichtbaren Lawinenzüge, die in den Talgrund des Haupttales vordringen. Sie entsprechen recht genau den effek- tiv festgestellten (Karte 6.1 ).
Wild
Da bei der Wildsimulation das Resultat eine Art Wahrscheinlichkeit für das Auftreten der untersuch- ten Tierart ist, mussten wir zur bildlichen Darstellung Grenzwerte festsetzen. Im dunkler eingefärbten Gebiet liegen im wesentlichen die 1982 beobachte- ten Vorkommen («Minimum»), während das heller eingefärbte Gebiet so festgelegt wurde, dass alle übrigen beobachteten Vorkommen im wesentlichen darin enthalten sind («Maximum»). Diese Grenz- werte waren erwartungsgemäss für jede Tierart
· anders zu wählen, hingegen behielten wir sie für alle anderen Szenarien bei. In den Abbildungen 14.10 bis 14.13 sind vier typische Fälle herausgegriffen. Eine
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gute Übereinstimmung ergibt die Simulation für die Hirsche im Winter (Abb. 14.10, vgl. dazu Karte 11.1 ).
Auch das Verbreitungsgebiet der Gemse (Abb.
14.11) lässt sich gut reproduzieren. Doch die lokalen Konzentrationen, welche sich durch die Einstands- gebiete ergeben (Karte 11.3), sind mit den verfügba- ren Daten nicht erklärbar. Gut nachvollziehbar ist wiederum der Lebensraum der Murmeltiere (Abb.
14.12 und Karte 11.5), der einfach zu charakterisieren ist: Geeignet sind vor allem Standorte silikatischen Muttergesteins in der unteren alpinen und in der subalpinen Stufe, sofern diese waldfrei sind. Als letztes typisches Beispiel wird in Abbildung 14.13 die Verbreitung des Birkhuhns herausgegriffen, die sich ganz offensichtlich mit dem Zwergstrauchgürtel oberhalb der aktuellen Waldgrenze deckt und weit- gehend mit den Beobachtungen (Karte 11.6) über- einstimmt.
14.3 Szenarium «Davos im Urzustand»
(«Urzustand»)
Mit dem «Urzustand» soll dokumentiert werden, welches die Potentiale der Naturlandschaft sind - ohne das Wirken des Menschen. Es wird angenom- men, dass das ganze Gebiet nicht genutzt ist. Damit ergeben sich aus heutiger Sicht sehr einseitige, wegen der grossen Ausdehnung des Gebietes viel- leicht sogar eintönige Verhältnisse. Die Haupt- abweichungen gegenüber dem Szenarium «Davos heute» finden sich natürlich in den tieferen Lagen, wo die Nutzung heute am intensivsten ist. Oberhalb der (potentiellen) Waldgrenze sind die Unterschiede nur noch gering, und über der Zwergstrauchgrenze gibt es keine mehr: Die Hochlagen sind auch heute noch ungenutzt.
Die Eingangsgrössen des Szenariums «Urzu- stand» wurden aus folgenden Annahmen gewonnen (Tab. 14.1 ):
- Nutzung: Das ganze Gebiet ist ungenutzt, es gibt auch keine Siedlung, keine Weiden, Mähwiesen und Skipisten.
- Waldzustand: Die «schlechten» Standorte (Ser- pentin) tragen Gebüsch, der Rest ist Gebirgsstu- fenwald. Bei der Simulation der Vegetation zeigte es sich allerdings, dass im Haupttal rechts, in höheren Lagen noch an weiteren Orten mit Gebüschwald zu rechnen ist.
- Muttermaterial: Um eine flächendeckende Simu- lation zu ermöglichen, mussten wir für das in der Bodenkarte nicht berücksichtigte Siedlungsgebiet bestimmte Muttermaterialien postulieren: Alluvio- nen für flachere und Mischmoräne mit Silikat für steilere Gebiete (steiler als 8 Grad= 14%).
Bodenqualität, Bodentyp
Der dominierende Faktor ist in diesem Szenarium der Wald; die Waldböden nehmen den grössten Teil des Gebietes ein. Da Gründigkeit, Körnigkeit und Skelettanteil des Bodens als konstant angenommen
wurden, bleibt das «Muster» der Bodenqualitäts- karte (hier nicht gezeigt) im Prinzip gleich. Oberhalb der Waldgrenze entspricht das Bild genau dem heu- tigen.
Eine markante Verschiebung zu Gunsten der Waldböden ist auch aus Tabelle 14.5 herauszulesen.
Rückläufig sind Regosole und Braunerden; eine markante Zunahme ergibt sich bei den Podzoltypen {Abb. 14.5). Das Fehlen einer Bewirtschaftung spie- gelt sich auch in der Zunahme der Halbmoorböden wider.
Vegetation
Auf den ersten Blick fällt gegenüber dem heutigen Zustand das weitgehende Fehlen des kleinräumigen Wechsels unterschiedlicher Vegetationsgesell- schaften auf: Haupttal und Dischma sind bis in eine Höhe von etwa 2300 m ü.M. von Wald bedeckt.
Oberhalb der Waldgrenze folgt ein ziemlich schma- ler Zwergstrauchgürtel, der in den höheren Lagen abgelöst wird von alpinen Rasen auf Serpentin, Car- bonat oder Silikat, und zuoberst schliesst die Schutt- vegetation an. In Wirklichkeit dürfte das zu erwar- tende Bild etwas weniger eintönig sein, da die im Urzustand unverbauten Bäche den ganzen Talboden beanspruchen und durch Kiesbänke und Altläufe waldfreie Flächen schaffen. Die ebenfalls im Tal- grund anzutreffenden Auenwälder unterscheiden sich natürlich stark von den heute im Testgebiet vor- handenen Waldgesellschaften. Mangels Grundla- gen konnten wir die Auen- und Flusslandschaften nicht simulieren.
Abbildung 14.6 vermittelt mit der Darstellung der markant zunehmenden Lärchenmischwälder einen guten Eindruck der Situation. Eine Rückführung der heutigen Situation in einen solchen Urzustand ist natürlich nicht ohne weiteres denkbar, bedürften doch viele von der Bewirtschaftung veränderte Böden Jahrzehnte bis Jahrhunderte zu ihrer Umwandlung.
Landwirtschaftlicher Ertrag
Auch wenn es in einem ungenutzten Gebiet nicht sinnvoll ist, von einem landwirtschaftlichen Ertrag zu sprechen, so sind doch in der Ertragskarte (Abb.
14.7) die entsprechenden Flächen ausgewiesen, da auch ungenutzte Wiesen verwertbare Biomasse pro- duzieren. Es handelt sich allerdings um Gebiete geringen Ertrags (bis Ertragsstufe 7 q/ha); der Gesamtertrag ist denn auch mit 5315 q/ha nur rund ein Achtel so gross wie beim Szenarium «Davos heute».
Naturschutzwert
Auch vom Naturschutzwert zu sprechen, ist in einem Szenarium «Urzustand» nicht sinnvoll, da die Festle- gung des Naturschutzwertes wesentlich durch die heutige Seltenheit und Bedrohtheit der betreffenden Pflanzengesellschaften bestimmt wird. Im Vergleich zum Jetzt-Zustand ist die Naturschutzwertkarte trotz- dem von Interesse. Die heute als besonders wertvoll
erachteten Wälder mit nationaler Bedeutung wür- den sich im Vergleich zu heute im Haupttal noch etwas ausdehnen (von 275 ha auf 393 ha); bei den in den höheren Lagen des Dischma auftretenden zusätzlichen Waldflächen wären immerhin Gesell- schaften mit heute regionaler Bedeutung zu erwar- ten. Vor allem deswegen ergibt sich im Vergleich zum Szenario «Davos heute» ein recht günstiges Bild (Tab. 14.8).
Lawinen
Durch die unterhalb der Waldgrenze flächendek- kende Bewaldung wird die Lawinengefahr wie erwartet beträchtlich reduziert (Abb. 14.9). Der Tal- grund des Haupttales sowie eines Teils des Dischma sind weitgehend lawinenfrei. Es ist aber zu beachten, dass entlang der grossen Bachtobel (Alberti, Schia, Tatalp, Stützbach usw.) einzelne Lawinenzüge bis nahe zum Talgrund reichen. Da im Gegensatz zum Urzustand alle diese Bäche heute mehr oder weniger stark verbaut sind, ist anzuneh- men, dass im Urzustand die Bachrinnen breiter wären und deshalb in Wirklichkeit die Lawinenge- fahr in deren Umgebung eher grösser wäre, als nach der Simulation zu erwarten ist. Eine starke Reduktion der Lawinengefahr erfährt auch die linke Talflanke des Dischma, im Gegensatz zum Jetzt-Zustand kommt hier fast nur noch eine niedrige Gefähr- dungsstufe vor.
Es mag auf den ersten Blick vielleicht erstaunen, dass im Urzustand doch noch mit so grossen lawi- nengefährdeten Flächen überhaupt zu rechnen ist.
Dies erklärt sich damit, dass die höher gelegenen Anrissgebiete natürlich auch in diesem Szenarium waldfrei sind, ferner auch durch den Umstand, dass sowohl lockere Wälder als auch Gebüschwälder den Anriss von Lawinen nur beschränkt oder gar nicht verhindern und stürzende Lawinen nur wenig brem- sen.
Wild
Das potentielle Verbreitungsgebiet des Rothirsches nimmt - wegen des Fehlens der Bestandestypen II und III - deutlich ab (Abb. 14.10). Für die Gemsen würden im Winter durch die zusätzlichen Waldflä- chen einige neue Gebiete mit hoher Auftretenswahr- scheinlichkeit entstehen, und zwar vor allem im rechten und hinteren Dischma (Abb. 14.11 ). Da das Murmeltier in waldfreien Gebieten vorkommt, wird sein Verbreitungsgebiet im Urzustand auf die über etwa 2300 m ü.M. liegenden Flächen eingeschränkt (Abb. 14.12). Für das Birkhuhn entstehen in den höherliegenden zusätzlichen Waldgürteln neue Lebensräume (Abb. 14.13); es kann also erwartet werden, dass im Urzustand mehr Birkhühner das Testgebiet besiedeln als heute.
14.4 Szenarium «Forcierte touristische Erschliessung» («Tourismus»)
Dieses Szenarium soll die Folgen einer weiteren (ski)touristischen Entwicklung dokumentieren.
Dabei orientieren wir uns an den Veränderungen der letzten dreissig Jahre, die - aus der Sicht der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts - unerwartet tiefgreifend ausgefallen sind. In qualitativer Hinsicht postuliert das Szenarium «Tourismus» keine Überraschungen, sondern setzt im ganzen Alpenraum beobachtete Entwicklungen logisch fort. Da sich sowohl die Simulation wie die Vorgaben am heutigen Gebiets- zustand orientieren und unser Modell nur ausge- wählte Parameter berücksichtigt, ist zu betonen: das hier vorgestellte Szenarium erfasst viele negative Konsequenzen einer massiven touristischen Erschliessung nur unzureichend. So sind zum Bei- spiel neue Strassenbauten hier nicht berücksichtigt, obwohl solche wegen des zusätzlichen Verkehrs (erhöhtes Angebot, Ausbau der Walensee-Auto- bahn) mit Sicherheit benötigt würden. Die Pistenan- lagen im Dischma (Rüedischtälli, Grialetschgebiet) würden nach einem Ausbau der Verkehrswege rufen, zumindest für einen Busbetrieb. Obwohl das Dischma ausserhalb der heutigen Bauzone liegt, wäre mit zusätzlichen Bauten (Gaststätten) zu rech-
nen. Die landschaftlichen Beeinträchtigungen durch die skitechnischen Anlagen, namentlich grössere Bahnbauten und Pistenplanierungen, sind heute im allgemeinen bekannt, auch wenn sie hier nicht spe- ziell ausgewiesen werden. Dasselbe gilt für die erhöhte Erosions- und Wildbachgefahr, die von Pistenplanierungen oberhalb der Waldgrenze aus- geht und deren Folgen sich bis ins Tal hinunter aus- wirken können.
Die Vorgaben, aus welchen sich die Nutzungs- karte und die Skipistenkarte für dieses Szenarium ergeben, sind folgende:
Die Siedlung wird über die ganze heutige Bau- zone ausgedehnt (Tab. 14.2, vgl. aber die obigen Bemerkungen). Die Funktion der neuen Gebäude bleibt undefiniert. Die Ausdehnung der Siedlung geschieht fast ausschliesslich auf Kosten der Fett- wiesen im Haupttal.
Obwohl man annehmen könnte, das Testgebiet sei heute bereits sehr weitgehend erschlossen, kön- nen die Skipisten noch erheblich ausgebaut werden (im ganzen rund 220 ha neue präparierte Pisten).
Viele der neuen Pisten liegen denn auch in der Nähe von bestehenden oder zählen bereits heute zu den Varianten (Abb. 14.4 und Tab. 14.3). Dazu werden aber auch neue Gebiete erschlossen (Parsenn, Jatz- horn, Grialetsch). Für einige Walddurchquerungen werden dadurch (kleinflächige) Rodungen notwen- dig, der grösste Teil der neuen Pisten muss präpa- riert werden, auch sind einige Geländeanpassungen notwendig. Im grossen ganzen soll das Waldgebiet unverändert bleiben; dem differenzierten Vorgehen der Forstorgane setzen wir hier ein Entwicklungs- schema gegenüber, wie es im Rahmen eines Zeit- horizontes von 30 bis 50Jahren denkbar wäre:
- Gebüsch und Gebirgsstufenwald bleiben unver- ändert
- Jungwuchs wird zu Stangenholz - Baumholz I wird zu Baumholz II
- Baumholz II wird zu Baumholz III
- Baumholz III wird zu Stangenholz (Verjüngung) Die Landwirtschaft wird durch die sich weiter aus- dehnende Besiedlung zurückgedrängt und wird an Bedeutung verlieren (Abb. 14.2 und 14.3). Wir neh- men an, dass alle noch verfügbaren Mähwiesen des Talgrundes weiterhin genutzt werden. Um dem sin-
kenden Bedarf an Weideland Rechnung zu tragen, wird auf die Nutzung der alpinen Rasen über 2100 m ü.M. verzichtet. (Eine andere Entwicklung ergäbe sich, wenn die Sömmerung von Vieh aus dem Unter- land gefördert würde.) Ferner wird angenommen, dass die über 2000 m ü.M. liegenden Mähder (z.B.
Parsennmähder) als Weide (bis 2100 m) bzw. gar nicht mehr (über 2100 m) genutzt werden - eine aus landschaftlicher und naturschützerischer Sicht unvorteilhafte Entwicklung.
Bodenqualität, Bodentyp
Abgesehen von der vergrösserten Siedlungsfläche ergeben sich für die Bodenqualitätskarte vorerst keine Änderungen gegenüber dem Szenarium
«Davos heute». langfristig ist jedoch auf den brach- liegenden Flächen mit dem Aufkommen von Wald zu rechnen (s. Vegetation). Dies betrifft jedoch fast nur Lagen über dem Verbreitungsgebiet typischer Waldböden, so dass sich bezüglich der Bodentypen
nur geringfügigste Veränderungen ergeben (Tab.
14.5 und Abb. 14.5).
Vegetation
Am auffallendsten ist die starke Zunahme der Wald- und Gebüschflächen (2959 und 653 ha gegenüber 1689 und 404 ha). Dies ist bedingt durch die Aufgabe der Nutzung über 2100 m ü.M., wodurch zwischen dieser Höhe und der Waldgrenze ein das ganze Testgebiet umfassender Waldgürtel entsteht. Wie dieser Wald im einzelnen aussehen würde, ist offen.
Das ist abhängig davon, ob und wie er allenfalls bewirtschaftet wird. Die Wiederbewaldung geht auf Kosten der Alpenrosen/Vaccinien-Bestände und der Krähenbeeren/Vaccinien-Bestände (Tab. 14.6).
Durch die massive Beschränkung der Extensivwei- den verschwinden grosse Flächen des Typs «Silikat- gestein und Firn», während mehr Schneebodenve- getation entsteht. Auf das Landschaftsbild würde sich diese Änderung wohl nur in schwer wahrnehm- barer Weise auswirken.
Im Talgrund ändert sich an der Vegetation nicht viel, ausser den durch die Überbauung verursachten Verlusten an Fettwiesen.
Landwirtschaftlicher Ertrag
Die abnehmende Bedeutung der Landwirtschaft in diesem Szenarium spiegelt sich folgerichtig im land- wirtschaftlichen Ertrag (Tab. 14.7): Dieser beträgt nur noch 78% des jetzigen Wertes (32144 q/Jahr gegenüber 41255 q/Jahr). Dies ist der Ertrag an Trockensubstanz des ganzen Testgebietes, der effektiv genutzte ist noch geringer, da auch die ungenutzten Flächen über 2100 m Biomasse produ-
zieren. Es handelt sich dabei um die alpinen Rasen oberhalb der Waldgrenze, d.h. die gleichen Flächen, die den Ertrag im Szenarium «Urzustand» bestim- men. Der effektiv genutzte Ertrag ist gleich dem oben angegebenen Wert (32144 q/Jahr) abzüglich
· dem für das Szenarium «Urzustand» berechneten (5315 q/Jahr), was eine Produktion von 28829 q Trockensubstanz pro Jahr oder 70% des Wertes für den jetzigen Zustand ergibt.
Naturschutzwert
Die nach dem heutigen Stand als naturschutzwürdig definierten Flächen sind im Szenarium Tourismus grösser als heute, nämlich 1506 ha (gegenüber 1131 ha) mit Naturschutzwert «regionale Bedeu- tung» und 345 ha (gegenüber 275 ha) mit Natur- schutzwert «nationale Bedeutung» (Tab. 14.8). Diese Zunahme ist bedingt durch die infolge Brachlegung der höheren Lagen entstehenden Waldgürtel in Haupttal und Dischma, in welchen mit dem Aufkom- men von Waldgesellschaften sowohl mit Natur- schutzwert «regional» als auch von solchen mit Naturschutzwert «national» zu rechnen ist. Durch die Aufgabe der Nutzung gehen allerdings auch natur- schutzwürdige Flächen verloren, so namentlich im oberen Parsenngebiet. Es resultiert mithin ein Diver- sitätsverlust für die Landschaft als Ganzes.
Aus der insgesamt gesehen grösseren Fläche mit naturschutzwürdigen Pflanzengesellschaften den Schluss zu ziehen, dass mit der forcierten touristi- schen Erschliessung gleichzeitig der Naturschutz gefördert würde, wäre allerdings voreilig. Einerseits entstehen die neuen naturschutzwürdigen Flächen ja nicht durch die touristische Erschliessung, son- dern durch die Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung, andererseits sind die speziellen Kriterien zur Definition des Naturschutzwertes zu beachten.
Diese berücksichtigen die nationale oder regionale Seltenheit der vorkommenden Vegetationseinheit sowie das Vorkommen bestimmter Pflanzenarten. Für eine Gesamtbeurteilung müsste aber auch die Tierwelt berücksichtigt werden, welche durch den Skitourismus unmittelbar viel stärker beeinflusst wird als die Vegetation. Gegenstand einer Beurtei- lung aus landschaftlicher Sicht wäre auch der neu entstehende, geschlossene Waldgürtel.
Lawinen
Die Lawinenkarte sieht im Szenarium «Tourismus»
sehr ähnlich aus wie für «Davos heute» (Abb. 14.9);
eine gewisse Reduktion der Anrissgebiete wird durch die präparierten neuen Skipisten bewirkt. Der auf den neuen Brachflächen entstehende Wald konnte als Lawinenschutz nicht berücksichtigt wer- den, da es bei solchen Wäldern sehr lange geht, bis sie einen bestimmten Schutz bewirken. Es ist sogar fraglich, ob es je soweit kommt, wenn der entste- hende Jungwuchs immer wieder von Lawinen be- einträchtigt wird. Kurzfristig bilden Brachflächen sogar eine erhöhte Gefahr, da die ungenutzten, abgestorbenen Gräser und Kräuter zur Bildung von Gleitschichten führen.
Wild
Die Verbreitung de'r Rothirsche im Winter erscheint in diesem Szenarium stark reduziert (Abb. 14.10).
Dies dürfte vorwiegend durch die angenommene Umwandlung der von den Rothirschen bevorzugten Baumholz-II-Flächen in Baumholz-III-Bestände ver- ursacht sein («Davos heute»: 678 ha Baumholz II,
«Tourismus»: 36 ha; Tab. 14.4).
Für die Gemsen entstehen neue Lebensräume in den ungenutzten Gebieten, und zwar überwiegend im Dischma, während die im Haupttal aufkommen- den zusätzlichen Waldgebiete nur zu einem kleinen Teil günstige Standorte für die Gemsen bieten wür- den (Abb. 14.11 ). Der Lebensraum des Murmeltieres wird durch den auf den ungenutzten Flächen auf- kommenden Wald eingeschränkt (Abb. 14.12).
Für das Birkhuhn entstehen aus dem gleichen Grund neue Lebensräume (Abb. 14.13). Dies wird sich aber nur dann als Erhöhung des Bestandes an Birkhühnern auswirken, wenn dafür gesorgt wird, dass die Vögel in ihren angestammten Gebieten durch den zusätzlichen Touristenrummel nicht zu stark gestört werden.
14.5 Szenarium «Schonvariante»
Dieses Szenarium soll den Zustand des Gebietes bei möglichst weitgehender, konventioneller landwirt- schaftlicher Nutzung darstellen. Die bisherige Ent- wicklung soll nicht rückgängig gemacht werden, deshalb setzen wir den heutigen Zustand von Sied- lung und Skisportanlagen voraus. Die Zusatzein- künfte der Bauern aus dem Tourismus bleiben unverändert. Auf den ersten Blick unterscheidet sich somit das Szenarium wenig vom Zustand «Davos heute», es enthält aber einige Veränderungsvor- schläge, deren Wirkung auf das Testgebiet darge- stelltwerden soll:
Die Landwirtschaft soll so viel Futter wie möglich selbst produzieren. Aus diesem Grunde sind alle seit der Jahrhundertwende aufgegebenen Mähwiesen wieder zu nutzen (Abb. 14.2). Da solche Mähwiesen schützenswerte Pflanzengesellschaften bilden, liegt diese Massnahme auch im Interesse des Natur- schutzes, dank der vielfältigeren räumlichen Gliede- rung auch im Interesse des Landschaftsschutzes.
Die Weidefläche soll nicht ausgedehnt werden, um eine Überbelastung von Boden und Vegetation zu vermeiden. Einen Mehrertrag soll jedoch die intensi- vere Pflege von Zwergstrauchgebieten - unter 2200 m ü.M. und flacher als 40 Grad - liefern.
Das Waldareal bleibt weitgehend in seinem heuti- gen Zustand bestehen. Wir nehmen an, dass das Baumholz III genutzt und in Jungwuchs übergeführt wird. Lawinenanrissgebiete, die nicht als Mähder genutzt werden und im waldfähigen Gebiet liegen, sollen aufgeforstet werden. Es entsteht ebenfalls Jungwuchs (Abb. 14.1 ). Die auf diesem formalisti- schen Weg erhaltenen Aufforstu ngsgebiete erge- ben natürlich keinen direkt realisierbaren Vorschlag.
Sinnvoll zusammenhängende Aufforstungsflächen
müssen in jedem Einzelfall durch Abklärungen an Ort und Stelle ausgeschieden werden. Das Szena- rium gibt einen ersten Überblick, in welchen Gegen- den solche Massnahmen ins Auge zu fassen sind.
Im Interesse der Waldungen und der Tierwelt sol- len heutige Variantenabfahrten, welche in grösse- rem Masse Wald durchqueren, gesperrt werden {Abb. 14.4). Vor allem die Varianten im Parsenn- und Jakobshorngebiet werden dadurch in ihrer Fläche beträchtlich reduziert, jene im Rüedischtälli müssen ganz verschwinden. Gesamthaft gesehen vermin- dert sich die von Variantenabfahrten beanspruchte Fläche beinahe um die Hälfte: von 1223 ha (1982) auf 634 ha (Schonvariante). Die Beurteilung, ob diese rigorose Massnahme sinnvoll ist, geht nicht ohne weiteres aus dieser Simulation heNor, denn der Ein- fluss des Skitourismus auf die Fauna ist zu viel- schichtig, als dass er im Rahmen unserer Simulatio- nen korrekt hätte erfasst werden können. Im übrigen enthält dieses Szenarium für den Wintertourismus keine weiteren Einschränkungen (allerdings auch keine Wachstumsmöglichkeiten). Die Beschränkun- gen des Wintertourismus sind vom Standpunkt des Landschaftsschutzes aus zu begrüssen und wirken sich daher, zusammen mit den oben erwähnten landschaftlichen Bereicherungen, günstig auf den Sommertourismus aus.
Bodenqualität, Bodentyp
Die Änderungen von Bodentyp und -qualität ent- sprechen den Änderungen der Waldfläche. Da in diesem Szenarium auch jene Mähder wieder genutzt werden, welche noch nicht lange brachlie- gen, haben sich dort bis heute noch gar keine Wald- böden gebildet; in diesen Flächen wird sich der Boden daher gegenüber dem jetzigen Zustand nicht wesentlich verändern. Die Bilanz in Tabelle 14.5 zeigt denn auch, dass nur geringfügige Veränderun- gen auftreten.
Vegetation
Durch die erneute Nutzung der brachliegenden Mäh_wiesen und die Intensivierung der Zwerg- strauchgebiete wird das Bild der Vegetation gegenüber dem Szenarium «Davos heute» wesent- li_ch buntscheckiger (Tab. 14.6, Abb. 14.6). Die Orien- tierung an der Landnutzung um 1900 führt in einigen Gebieten (Ob dem See, Ober Laret) zu einer Extensi- vierung der Nutzung. Nicht uninteressant ist der Ver- gleich der erhobenen Vegetationskarte mit jener des Zustandes «Davos heute» und jener der «Schon- variante»: In vielen Fällen stimmt die Karte der
«Schonvariante» besser mit der erhobenen überein als mit derjenigen des Szenariums «Davos heute».
Der Grund dafür ist klar: Die nur kürzere Zeit zurück- liegenden Nutzungsänderungen gegenüber dem Zustand um 1900 haben sich noch nicht voll auf die Vegetation ausgewirkt. Hier gibt also die Vegeta- tionskarte des Szenariums «Davos heute» Hinweise auf eine zu erwartende Entwicklung der Pflanzen- decke, falls die heutige Nutzung unverändert bleibt.
In der Flächenbilanz (Tab. 14.6) zeigt sich, dass zahl-
reiche im Szenarium «Davos heute» schlecht vertre- tene Einheiten eine ausgedehntere Verbreitung erfahren. Die Pflanzenwelt wird also deutlich vielfäl- tiger.
Landwirtschaftlicher Ertrag
Trotz der oben erwähnten, vielleicht nicht ganz reali- stischen teilweisen Extensivierung (die Flächen mit Ertragsklasse 55 q/Jahr vermindern sich um 76 ha auf rund 190 ha, was einer Ertragsverminderung um 4180 q/Jahr entspricht) erhöht sich der Gesamt- ertrag von 41255 q/Jahr auf 58006 q/Jahr, was auf die starke Zunahme an Flächen der Klassen 12 bis 45 q/Jahr zurückzuführen ist (Tab. 14.7). Einer Detail- überprüfung bliebe es vorbehalten, abzuklären, ob der Heu- und Weideertrag in einem günstigen Ver- hältnis zueinander stehen.
Naturschutzwert
Wie zu erwarten, weist das Szenarium «Schon- variante» einen gegenüber dem heutigen Zustand erhöhten Naturschutzwert auf. Nicht ganz alles ist hier allerdings realistisch: Die Zunahme der Flächen mit «nationaler Bedeutung» von 275 auf 315 ha ist einerseits eine Folge der angenommenen zusätzli- chen Aufforstungen auf potentiellen Lawinenanriss- gebieten. In diesem Fall handelt es sich nun um Leg- föhrengesellschaften auf Serpentin, die kaum einen wirksamen Schutz gegen Lawinenanrisse zu bieten vermögen. Hier würde in Wirklichkeit kaum aufge- forstet. Hingegen ist eine Zunahme der Flächen mit Schutzwert «regional» von 1131 auf 1655 ha durch die gegenüber heute wieder vergrösserte Fläche an genutzten Wiesen durchaus zu erwarten. Darüber hinaus kann man auch der kleinräumigeren Struktur an sich einen gewissen Naturschutzwert zuspre- chen.
Lawinen
Ein Vergleich der Lawinenkarte mit jener des Szena- riums «Davos heute» zeigt, dass verschiedene Lawi- nenzüge in der Schonvariante als weniger gefährlich eingestuft werden, einige verschwinden sogar ganz (z.B. unterhalb der Schatzalp, Abb. 14.9). Auch der umgekehrte Fall tritt auf (Seewerberg). Neu auftre- tende Lawinenzüge sind die Folge von verschwin- dendem Wald auf wieder genutzten Wiesen.
Andererseits konnte die günstige Wirkung der neuen Aufforstungen noch nicht berücksichtigt werden, da es sich ja erst um Jungwuchs handelt, welcher die Bildung von Lawinen nicht wirksam zu verhindern vermag. Unter der Voraussetzung, dass diese Aufforstungen während dieser ersten Phase sorgfältig geschützt und gepflegt werden, ist länger- fristig noch mit einer Verbesserung gegenüber der hier vorgestellten Lawinensituation zu rechnen.
Wild
Die Winterstandorte der Rothirsche werden durch die Schonvariante gegenüber dem jetzigen Zustand kaum verändert (Abb. 14.10). Für die Gemsen schafft
die Schonvariante einige neue Standorte, die inten- sivere Nutzung führt zu günstiger Vegetation (Abb.
14.11 ). Der Lebensraum des Murmeltieres wird gegenüber dem heutigen Zustand nicht stark verän- dert (Abb. 14.12); in den tieferen Lagen gehen einige Flächen durch die neuen Aufforstungen verloren, andererseits entstehen durch die Wiedernutzung neue. Die Aufforstungen schaffen für das Birkhuhn neue Standortmöglichkeiten, vor allem im Dischma (Abb. 14.13). Nicht ungünstig wird sich auch die Reduktion der Skivarianten auf den Birkhuhnbe- stand auswirken. Für die Gemsen schafft die Schon- variante ebenfalls neue Winterstandorte, die intensi- vere Nutzung führt zu günstiger Vegetation.
14.6 Szenarium «Davos ohne Wald»
Im Zusammenhang mit dem Waldsterben wird auch die Bedeutung des Schutzwaldes im Gebirge wieder vermehrt diskutiert. Das Simulationsmodell des MAB Davos ist zwar nicht zur Klärung dieser Pro- bleme geschaffen worden, lässt jedoch die ange- nommene Entfernung des Waldes ohne weiteres zu.
Der Vergleich mit dem heutigen Zustand soll mög- lichst leicht fallen. Deshalb entspricht es (ausser natürlich bei den heutigen Waldflächen) in allen Punkten dem Szenarium «Davos heute». Für die bewaldeten Gebiete werden folgende Annahmen getroffen:
- Flächen mit Gebüsch und Blössen bleiben unver- ändert.
- Jungwuchs und Stangenholz können sich nicht mehr entwickeln, bleiben brach und werden zu Gebüsch.
- Der Gebirgsstufenwald verschwindet und wird ebenfalls zu Gebüsch.
- Die Bestände an Baumholz 1, II und III verschwin- den ebenfalls, sie werden jedoch als Extensivwei- den genutzt.
Das Szenarium geht davon aus, dass zunächst keine neuen Lawinenverbauungen errichtet werden - im Fall des Absterbens grosserWaldflächen innert weniger Jahre gewiss keine unrealistische Annahme. Das Modell weist Folgen aus, die teils unmittelbar aus den Vorgaben resultieren (Zusam- menbruch der Holzproduktion und Vermehrung des Weidelandes), teils den veränderten physikalischen Gegebenheiten Rechnung tragen (Lawinengefahr).
Die Auswirkungen auf die Fauna dürfen nur als grobe Hinweise verstanden werden, da nicht sicher gesagt werden kann, was effektiv an die Stelle der abgestorbenen Bäume treten wird. Überhaupt sollte die Interpretation nicht zu weit gehen, denn das Modell berücksichtigt verschiedene Prozesse nicht:
- Das Niederschlags- und Schmelzwasser fliesst rascher ab (Überschwemmungsgefahr, Wild- bäche).
- Die Ausaperung erfolgt in den neu entwaldeten Gebieten früher.
- Die beiden oben angeführten Einflüsse sowie der fehlende Halt des Bodens durch die Wurzeln der Waldbäume führen zu vermehrter Erosion und zu
Rutschungen.
- Die Bachläufe können durch liegengebliebenes Altholz verstopft werden, was zu Murgängen füh- ren kann.
Schliesslich kann - durch meist sehr teure Gegen- massnahmen - einigen nachteiligen Folgen ent- gegengewirkt werden (Lawinen- und Bachverbau, Verhinderung von Brachen usw.), deren Wirksam- keit ganz ohne Mitwirkung des Waldes sich aller- dings noch erweisen müsste.
Bodenqualität, Bodentyp
Bodenqualität und Bodentyp bleiben natürlich vor- erst unverändert gegenüber dem heutigen Zustand;
längerfristig werden aber die eigentlichen Wald- böden verschwinden (Abb. 14.5, Tab. 14.5). Die in der Bodentypkarte sichtbare ausgeprägte Höhenzo- nierung wird sich kaum in dieser Deutlichkeit aus- prägen: die für das Modell abgegrenzten Höhenstu- fen mussten mehr oder weniger willkürlich festge- legt werden, sind aber im Mittel sicherlich zutref- fend.
Vegetation
Wo der Wald nicht in Form von Gebüsch «überlebt»
hat, ist er durch Zwergstrauchgesellschaften, in tie- feren Lagen auch durch Feuchtgesellschaften (fette Nasswiesen) verdrängt worden (Tab. 14.6). Naturge- mäss bleiben die Lagen im Talgrund unverändert, wobei allerdings der Einfluss der erhöhten Beein- trächtigung durch Lawinen und Wildbäche hier nicht berücksichtigt ist. Minimale Verschiebungen erge- ben sich für einige Vegetationseinheiten, die von den veränderten Beweidungsverhältnissen abhän- gig sind, namentlich eine Zunahme der Magerwei- den tieferer Lagen.
Landwirtschaftlicher Ertrag
Da der aktuelle Wald tiefer gelegene, klimatisch oft bevorzugte Gebiete einnimmt, ergibt sich ein erhöh- ter landwirtschaftlicher Ertrag (47755 q/Jahr gegenüber 41255 q/Jahr). Ob dieses Ertragspoten- tial auch genutzt werden könnte, ist mehr als frag- lich, denn einerseits sind die heutigen Waldgebiete die steilsten Flächen des Gebietes, andererseits ist in dieser Rechnung der Einfluss von regelmässig die zusätzlichen Weidegebiete verheerenden Lawinen nicht berücksichtigt.
Naturschutzwert
Die naturschutzwürdigen Flächen werden im Szena- rium «ohne Wald» reduziert, und zwar die mit Bedeu- tung «regional» eingestuften Flächen von 1131 ha auf 1022 ha, während die mit Bedeutung «national»
taxierten Gebiete in ihrer Ausdehnung nahezu unverändert bleiben (236 ha gegenüber heute 275 ha, Tab. 14.8). Dies widerspiegelt die Annahme, dass die sich in Form von Gebüsch (Legföhren) aus-
prägenden Waldgesellschaften auf Serpentin (mit Naturschutzwert «national») durch das Waldsterben weniger betroffen werden als die Baumholzbe- stände. Auch hier wäre zusätzlich der Einfluss der Lawinen und Wildbäche zu berücksichtigen, was einerseits zum Verschwinden geschützter Pflanzen- gesellschaften, andererseits auch zur Entstehung neuer, in der aktuellen Vegetationskarte nicht aufge- führter Einheiten (Pioniervegetation) führen wird.
Lawinen
Am eindrücklichsten ist sicher der Vergleich der Lawinensituation im Haupttal mit der heutigen (Sze- narium «Davos heute»): Ein Grossteil des Siedlungs- gebietes wird von Lawinen bedroht (Abb. 14.9).
Dass im Talgrund (Davos Platz) überhaupt noch eine Fläche als lawinensicher gelten kann, liegt an der Tatsache, dass Wohn- und andere Gebäude als für die direkt Betroffenen zwar gefährliche, sonst aber recht wirkungsvolle Bremse für die Lawinen werden.
Am gefährlichsten, da am häufigsten zu erwarten, sind die im Gebiet des Jakobshorn und des Clavade- ler Berges entstehenden Lawinenzüge. Da die Tal- flanken dort sehr steil sind, ist zu erwarten, dass sich diese Lawinen mit ihrer hohen kinetischen Energie auch noch jenseits des Landwasser auf den Gegen- hang (rechte Talseite) ausbreiten (aus rechentechni- schen Gründen kann dies unser Modell nicht berücksichtigen, die Berechnung des Ausbreitungs- gebietes muss bei einer Gegensteigung beendet werden).
Eine Gefährdung besonderer Art bilden die in den Davosersee fliessenden Lawinen vom Meierhofer Berg (und mehr noch vom ausserhalb des Perime- ters liegenden Seehorn), sie könnten Flutwellen aus- lösen.
Wild
Für die Rothirsche entstünde ohne Wald im Winter eine prekäre Situation, sie müssten das Testgebiet verlassen (Abb. 14.10). Da nicht anzunehmen ist, dass im Falle eines allgemeinen Waldsterbens die Rothirsche in den Nachbarregionen bessere Bedin- gungen vorfänden, muss damit gerechnet werden, dass auch im Sommer keine Hirsche mehr die Umgebung von Davos bevölkerten. Die Gemsen hal- ten sich heute meist oberhalb der Waldgrenze auf.
Ihr Verbreitungsmuster entspricht deshalb auch hier den heutigen (Abb. 14.11 ). Durch das Fehlen der Wälder wird auch das Murmeltier nicht beeinträch- tigt (Abb. 14.12). Ganz anders sieht es für das Birk- huhn aus: Seine Lebensräume würden vollständig aus dem Testgebiet verschwinden.
14. 7 Schlussfolgerungen
Im vorliegenden Kapitel wurde versucht, mit Hilfe eines rasch entwickelten, heuristischen Modelles die Möglichkeiten der Veränderung eines alpinen Ökosystems einzugrenzen. Es war dabei von vorn- herein klar, dass einige Nachteile in Kauf zu nehmen
sein würden: Die Entwicklung eines Modelles nach der Datenerhebung im Felde führt zwangsläufig zur Entdeckung von Datenlücken. Erst im nachhinein kann festgestellt werden, wo mangelnde Präzision zu schwerwiegenden Fehlern führt. Daraus ergibt sich auch der Zwang zur Einfachheit. Da es nicht möglich war, vorgesehene Nutzungsänderungen im Felde auf ihre Zweckmässigkeit zu überprüfen, musste für die Konzeption der Nutzungsszenarien mit einfachen Schemata gearbeitet werden, wie sie in Tabelle 14.1 dargestellt sind. Die Ergebnisse der Szenarien sind deshalb keine Endprodukte, sie las- sen aber dem Anwender die Interpretation der zugrunde liegenden Annahmen offen. Die Aus- scheidung der als Wälder zu nutzenden Flächen ist ein illustratives Beispiel (Abb. 14.1 ). Es handelt sich dabei um eine Vorgabe, die der Planer in realisier- bare Massnahmen umsetzen kann.
Das Modell zeigt keine Sekundärfolgen auf wie Hochwasserschäden, Erosion usw. Insbesondere versucht es nicht, Reaktionen der ansässigen Bevöl- kerung auf sich abzeichnende Fehlentwicklungen zu simulieren. Die Beschreibung der Szenarien hat aber sehr schön aufgezeigt, dass dies dem Leser zu jedem Zeitpunkt und bezüglich jedes Fachbereiches selbst möglich bleibt. Nach unserer Meinung ist der Zusammenhang zwischen Ereignissen im Natur- raum und politischen Entscheiden nicht hinreichend klar, um sinnvoll in einem rechnerischen Modell abgebildet zu werden.
Inhaltlich eines der interessantesten Ergebnisse ist zweifellos, dass das Szenarium «Schonvariante»
in mancher Hinsicht dem erhobenen Zustand ähnli- cher ist als dem Szenarium «Davos heute». Dies deutet darauf hin, dass sich der Naturraum momen- tan in einem Wandel befindet, der durch die in jüng- ster Zeit abgelaufenen Nutzungsänderungen verur- sacht ist. Würden einige Nutzungsänderungen der vergangenen Jahre bis Jahrzehnte rückgängig gemacht, so könnte mit einer Stabilisierung oder gar Steigerung der vegetationskundlichen Diversität gerechnet werden. Wird aber die heutige Nutzung beibehalten, so ist mit einem weiteren stetigen - wenn auch nicht dramatischen - Rückgang der Viel- falt zu rechnen.
Studiert man Tabelle 14.7, so entsteht der Ein- druck, die Erträge liessen sich in einem recht weiten Bereich verändern. Das ist aber nur bedingt der Fall.
Die Steigerungsmöglichkeiten beschränken sich fast ausschliesslich auf die Intensivierung von Vege- tationseinheiten bescheidenen Ertrages wie Zwerg- strauchheiden (Szenarium «S~honvariante») oder Flächen in Steillage (Szenarium «Davos ohne Wald»). Massnahmen in dieser Richtung sind aber wirtschaftlich uninteressant. Die Handlungsfreiheit im Hinblick auf die Beeinflussung des landwirt- schaftlichen Ertrages ist also sehr bescheiden und im Falle einer Extensivierung meist irreversibel.
Mit Bezug auf die gerechneten Naturschutzwerte zeigt sich das natürliche System in erstaunlichem Masse beeinflussbar. Überall, wo Wälder im Spiel sind, müssen jedoch Vorbehalte angebracht wer- den, lassen sich doch Waldbestände nicht ohne
weiteres und vor allem nicht kurzfristig begründen. Kurzfristig realisierbar und empfehlenswert wäre die Wiederaufnahme der Bewirtschaftung höher gele- gener Mähwiesen. Dafür müsste natürlich eine wirt- schaftlich sinnvolle Lösung gefunden werden.
Das Modell reagiert besonders empfindlich im Bereich der Vegetation. Diese ist sehr differenziert aufgeschlüsselt. Einerseits ergeben sich die zu erwartenden groben Veränderungen, etwa bei den Wald- und Zwergstrauchbeständen (Tab. 14.6).
Andererseits können immer wieder flächenmässig eindrückliche, qualitativ jedoch bescheidene Verän- derungen beobachtet werden, z.B. im Bereich der Weiden, der Schneebodenvegetation und der Schuttvegetation verschiedenster Art. Besonders für die Schuttvegetation ist das Modell wenig scharf definiert. Es ist aber nicht auszuschliessen, dass die beobachteten Reaktionen einen reellen Hintergrund
·besitzen. Die Beweidung in der alpinen Stufe, besonders aber auch der Einfluss der hohen Wild- tierbestände dürften einen nachhaltigen Einfluss auf die grossen Gebiete mit karger Vegetation ausüben.
Es ist nicht auszuschliessen, dass sich heute eine schleichende, grossräumige Verarmung der natürli- chen Vielfalt vollzieht.
Tabelle 14.1
Das gesamte Modell entstand in sehr kurzer Zeit.
Wir rechnen damit, dass die Daten noch einige sach- liche Fehler enthalten. Besonders entlang von Nut- zungsgrenzen ist es möglich, dass die Bearbeiter deren genaue Lage verschieden beurteilen, so dass ganze Rasterzeilen widersprüchlich charakterisiert sind. Gröbere Fehler dieser Art wurden ausgemerzt.
Feine können nur anhand einer besonderen Untersuchung des Modelles selbst, aber auch der Simulationsdaten festgestellt werden. Dies, wie auch die weitere Verbesserung und Verfeinerung, muss Gegenstand einer vertieften wissenschaftli- chen Arbeit bleiben.
Für die Darstellung ausgewählter Ergebnisse wurde ein kleiner Massstab gewählt (Abb. 14.1 bis 14.13). In dieser Form sind die Auswirkungen der Szenarien noch räumlich interpretierbar, ohne dass auf die Verhältnisse innerhalb eines einzelnen Rasterelementes geschlossen werden kann.
Obwohl es aus der Sicht der Praxis wünschbar wäre, die Auflösung derjenigen der erhobenen Feldkarten in den Beilagen anzunähern, so trägt doch die gewählte Form der beschränkten Präzision unserer Daten und des Modells Rechnung.
Nutzungskombinationen der Szenarien des MAB-Testgebietes
Szenarium «Davos 2 «Davos im 3 «Forcierte touristische 4 «Schonvariante» 5 «Davos ohne
Nutzung heute» Urzustand» Erschliessung» Wald»
im Modell
Siedlung Zustand 1982 Gute Standorte: Ge- Jungwuchs- Stangenholz Baumholz III - Jungwuchs Baumholz 1, II und birgsstufenwald Baumholz 1 - Baumholz II Lawinenanrissgebiete in III - Extensivwei- schlechte Standorte Baumholz II - Baumholz III waldfähigem Gebiet (so- de Gebirgsstufen- (Serpentin): Baumholz III - Stangen- fern 1982 nicht als Mähder wald Stangenholz
Gebüsche holz genutzt) und Gebüsch -
(nur potentieller übrige: unverändert -Jungwuchs Gebüsch Holzertrag)
Mähwiesen Zustand 1982 keine Zustand 1982, exklusive Zustand 1982 und alle um Zustand 1982 (potentiell kein Wiesen über2000 m. die Jahrhundertwende ge-
Ertrag) exklusive Bauzone nutzten Flächen (Mähder)
Weide Zustand 1982 keine bis 2100 m Zustand 1982, Zustand 1982, exklusive Zustand 1982, zu- (nur potentieller zusätzlich alle Mähwiesen neue Mähwiesen. Zwerg- sätzlich ehemali- Weideertrag) über2000 m strauchgebiete unter ges Baumholz 1
2200 m mit Neigung unter bis III 40 Grad intensiviert
Skipisten Zustand 1982 keine Alle bekannten Projekte Zustand 1982 Zustand 1982 realisiert
Skivarianten Zustand 1982 keine Stand 1982 und neue Mög- Zustand 1982, exklusive Zustand 1982 lichkeiten aufgrund neuer solche, welche den Wald
Erschliessungen grossräumig durchqueren
Tabelle 14.2
Flächenstatistik der Landnutzung für die Szenarien (ohne Skitourismus), Angaben auf ganze ha gerundet.
Nutzung Davos1982 Urzustand Tourismus Schonvariante Ohne Wald
Fettwiesen 359 0 308 336 355
Alpwiesen 61 0 49 213 55
Mähder 100 0 16 381 100
Extensivweiden 3345 0 999 2099 4279
lntensivweiden 195 0 152 733 192
Wald 1721 5387 1714 2235 0
Waldweide 45 0 45 26 0
Acker 0 0 0 0 0
ungenutzt 170 1279 2659 58 1016
nicht nutzbar 3011 2692 3011 2927 3010
Siedlung 358 0 413 358 358
Tabelle 14.3
Flächenstatistik des Skitourismus für die Szenarien, auf ganze ha gerundet.
Nutzung Davos 1982 Urzustand Tourismus Schonvariante Ohne Wald
Skivarianten 1223 0 1171 634 1223
Piste unpräpariert 98 0 93 98 98
Piste präpariert 355 0 575 355 355
Wege 62 0 59 62 62
Loipen 90 0 90 90 90
Tabelle 14.4
Flächenstatistik des Waldzustandes für die Szenarien, auf ganze ha gerundet.
1?estandestyp Davos1982 Urzustand Tourismus Schonvariante Ohne Wald
Jungwuchs 9 0 0 753 0
Stangenholz 3 0 109 2 0
Baumholz 1 38 0 1 31 0
Baumholz II 678 0 36 658 0
Baumholz III 103 0 644 2 0
Stufige Bestände 538 5249 518 506 0
Niederwald 274 138 263 245 819
Blössen 31 0 22 19 31
Total 1672 5387 1593 2215 850
Tabelle 14.5
Flächenstatistik der Bodentypen in den Szenarien, gerundet auf ha
Bodentyp Davos Urzustand Tourismus Schonvariante Ohne Wald
1982
Silikat-Lithosol
86 86 86 86 86
Mischgesteins-Lithosol
45 52 45 45 45
Karbonat-Lithosol
41 43 41 41 41
Humussilikatboden
186 190 186 186 186
Humuskarbonatboden
3 11 3 4 11
Silikathumusgesteinsboden
586 586 586 586 586
Karbonathumusgesteinsboden
183 55 181 154 201
d.o., auf Fels
68 69 66 67 67
Karbonatregosol
58 25 57 59 64
Humus-Mischgesteinsboden
287 204 282 276 318
d.o., auf Fels
122 157 121 122 122
Silikat-Regosol
3514 2890 3578 3405 3632
Mischgesteins-Regosol
130 231 128 136 95
Rendzina
18 122 18 34 0
Fluvisol
45 298 28 45 45
Saure Braunerde
215 163 198 241 297
Braunerde
349 272 344 358 403
Braunpodzol
1288 1498 1251 1314 1315
Podzol
1015 1501 1011 1053 843
Humuseisenpodzol
118 251 117 146 0
Karbonatrohgley
0 0 0 0 0
Silikatrohgley
0 0 0 0 0
Braunerdegley
0 0 0 0 0
Buntgley
49 0 43 47 52
Fahl-Gley
79 0 73 80 88
Halbmoor
295 431 283 295 284
Saures Halbmoor
0 0 0 0 0
Gesteinsgley
0 0 0 0 0
leer
580 233 634 580 580
Tabelle 14.6
Flächenstatistik der Vegetationseinheiten
1-20
für die Szenarien, gerundet auf ganze ha.Einheit Davos Urzustand Tourismus Schon- Ohne
1982
variante Wald1
Perlgras/Fichten-Wald10 81 10 6 0
2
Ehrenpreis/Fichten-Wald2 4 2 0 0
3
Torfmoos/Fichten-Wald mit Reitgras548 1115 521 291 0
4
Torfmoos/Fichten-Wald mit Alpendost193 417 186 185 0
5
Buntreitgras/Fichten-Wald434 1172 426 615 0
6
Lärchen/Fichten-Wald186 1266 929 479 0
7
Lärchen/Arven-Wald130 734 644 378 0
8
Erica/Bergföhren-Wald auf Dolomit50 145 46 46 0
9
Erica/Bergföhren-Wald auf Serpentin135 240 135 134 0
10
Torfmoos/Bergföhren-Wald1 75 60 17 0
11
Legföhrengebüsch auf Silikat143 0 146 90 343
12
Legföhrengebüsch auf Dolomit49 186 221
77123
13
Legföhrengebüsch auf Serpentin140 153 209 182 302
14
Grünerlengebüsch21 0 21 11 289
15
Birken/Vogelbeeren/Pionier-Wald51 0 56 75 127
16
Alpenrosen/Vaccinien-Bestände610 0 343 120 747
17
Krähenbeeren/Vaccinien-Bestände855 115 175 689 864
18
Reitgras rasen65 0 65 14 337
19
Wachholder/Bärentrauben-Bestände627 0 280 203 971
20
Callunareiche0 0 0 0 0
Wachholder/Bärentrauben-Bestände
21
Flechten/Azaleen-Bestände248 572 540 188 182
22
Braunseggenried14 0 22 13 15
23
Davallseggenried60 0 58 116 60
24
Haarbinsenmoor0 0 0 0 0
25
Bach- u. Rieselfluren3 6 5 8 5
26
Fette Nasswiesen154 0 134 99 228
27
Feuchte Goldhaferwiesen42 0 41 356 41
28
Goldhaferwiesen, Tallagen2 0 2 65 2
29
Goldhaferwiesen, Übergänge270 0 236 213 266
30
Goldhaferwiesen, Hanglagen41 0 31 120 39
31
Goldhaferwiesen, höhere Lagen12 0 12
449
32
Mutternreiche Goldhaferwiesen0 0 0 0 0
33
Subalpine, nährstoffarme Wiesen3 0 1 8 3
34
Subalpine, wechseltrockene Wiesen5 0 4 15 48
35
Subalpine Wiesen64 0 13 266 64
36
Subalpine, basenreiche Wiesen26 0 14 22 50
37
Subalpine, nährstoffreiche Wiesen0 0 0 0 0
38
Fettweiden tieferer Lagen34 0 33 49 34
39
Fettweiden höherer Lagen56 0 36 262 55
40
Alpenblackenfluren25 0 24 26 25
41
Rasenschmielen-Frauenmantelfluren12 0 4 31 12
42
Magerweiden tieferer Lagen17 0 17 8 171
43
Subalpine Magerweiden105 0 32 53 116
44
Krummseggen-Borstgrasrasen56 37 73 48 56
45
Krummseggenrasen3 2 7 2 3
46
Schneebodenvegetation909 778 1495 906 906
47
Magerrasen an Steilhängen2 0 4 0 2
48
Magerrasen warmer Hänge521 302 527 522 521
49
Nacktried-Rasen8 8 10 13 8
Tabelle 14.6 (Fortsetzung)
Flächenstatistik der Vegetationseinheiten
1-20
für die Szenarien, gerundet auf ganze ha.Einheit Davos Urzustand Tourismus Schon- Ohne
1982
variante Wald50
Magerweiden auf Dolomitböden38 0 9 41 38
51
Blaugrasrasen173 4 86 123 153
52
Polsterseggen rasen68
6869 68 68
53
Schneebodenvegetation206 118 140 199 201
54 Rostseggenrasen
0 0 0 0 0
55
Serpentinrasen auf alpinen Rohböden139 181 81 148 103
56
Serpentin rasen auf entwickelten Böden40 28 18 24 23
57
Silikatschuttvegetation183 202 89 179 183
58
Silikatblockhalden87 115 12 85 85
59
Vegtation auf Kalkschutt14 3 14 3 14
60
Dolomitblockhalden17 33 15 30 17
61
Schuttvegetation auf Serpentin317 234 295 266 307
62
Silikatgestein und Firn783 958 273 780 784
63
Vegetationslos357 0 412 357 357
Tabelle 14.7
Flächenstatistik der Ertragsklassen in den Szenarien, gerundet auf ganze ha.
Ertrags- Davos Ur- Tou- Schon- Ohne
klasse. heute zustand rismus variante Wald
Tabelle 14.8
q/Jahr
0 4028 7339 5 791 4454 3057
1,5 3640 1602 2415 2517 4331 Flächenstatistik der Naturschutzwerte in den Szena- 7 931 416 571 830 924 rien, gerundet auf ganze ha.
12 149 0 57 350 370
25 97 0 66 381 94 Naturschutz- Davos Ur- Tou- Schon- Ohne
35 77 0 74 442 72 wert heute zustand rismus variante Wald
45 172 0 152 195 246
lokal 7952 7730 7073 7387 7661
55 266 0 232 190 262
Total 41255 5315 32144 58006 47755 regional 1131 1212 1506 1655 1022
q/Jahr national 275 393 345 316 236
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Abbildung 14.1
Nutzung als Wald in den Szenarien
Reproduziert mit Bewilligung des Bundesamtes für Landestopographie vom 24.6.1986
Situation
Forcierte touristische Erschliessung
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Schonvariante
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Davos ohne Wald
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Abbildung 14.2
Nutzung als Fettwiesen (schwarz) sowie als Mähder und Alpwiesen mit mindestens einem Schnitt pro Jahr (grau) in den Szenarien
Reproduziert mit Bewilligung des Bundesamtes für Landestopographie vom 24.6.1986
Situation
Forcierte touristische Erschliessung
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Schonvariante
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Davos ohne Wald
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Abbildung 14.3
Nutzung als lntensivweide (schwarz) und Extensiv- weide (grau) in den Szenarien
Reproduziert mit Bewilligung des Bundesamtes für Landestopographie vom 24.6.1986
Situation
Forcierte touristische Erschliessung
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Davos heute Davos im Urzustand
Schonvariante Davos ohne Wald
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Abbildung 14.4
Skitouristische Nutzungen (Skipisten, Skivarianten, Wege und Loipen) und Siedlungsgebiet in den Sze- narien. Präparierte Pisten, Loipen und Wege sind schwarz, Varianten und unpräparierte Pisten dunkel- grau, die Siedlungsfläche hellgrau.
Reproduziert mit Bewilligung des Bundesamtes für Landestopographie vom 24.6.1986
Situation
Forcierte touristische Erschliessung
Davos heute Davos in Urzustand
Schonvariante Davos ohne Wald
(
Abbildung 14.5
Verbreitung der Bodentypen Braunpodzol (18), Pod- zol (19) und Humuseisenpodzol (20) in den Szena- rien.
Reproduziert mit Bewilligung des Bundesamtes für Landestopographie vom 24.6.1986
Situation
Forcierte touristische Erschliessung
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Schonvariante
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Abbildung 14.6
Lärchen/Fichten-Wald (6) und Lärchen/Arven-Wald (7) (schwarz), Alpenrosen/Vaccinien-Bestände (16) und Krähenbeeren/Vaccinien-Bestände (17) (grau) in den Szenarien.
Reproduziert mit Bewilligung des Bundesamtes für Landestopographie vom 24.6.1986
Situation
Forcierte touristische Erschliessung
Davos heute
Schonvariante
Davos im Urzustand
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Davos ohne Wald