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Erfolgreiche Inventarisierung von Obst- undBeerensorten in der Schweiz

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SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 9/05

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SABINEGANTNER UNDSIMONEGGER, AGROSCOPEFAW WÄDENSWIL simon.egger@faw.admin.ch

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iel dieses Projekts war eine Bestandesaufnahme der Sortenvielfalt von Obst- und Beerenarten in der gesamten Schweiz. Von Sorten, die nur noch in geringer Zahl vorkommen und damit vom Aussterben bedroht sind, wurde vermehrungsfähiges Material beschafft, damit diese Raritäten in Sammlungen er- halten werden können.

Im Zentrum der Sortensuche standen die Haupt- obstarten Apfel, Birne, Süss- und Sauerkirsche sowie Zwetschge (inklusiv Mirabelle und Reineclaude). Da- neben wurden auch die Nebenobstarten Aprikose, Pfirsich und Quitte sowie Edelkastanie, Walnuss und Haselnuss berücksichtigt. Feige, Mispel, Speierling, Kornelkirsche sowie weitere Arten wie Mirobalane, Ziparte oder Schlehe wurden in geringerem Umfang ebenfalls aufgenommen. Von den Beerenarten wur- den in erster Linie Erdbeere, Himbeere, Brombeere, Johannisbeere und Stachelbeere inventarisiert.

Mit einer Umfrage systematisch erfasst wurde vor- ab die landwirtschaftliche Nutzfläche. Mittels Aufru- fen in den Medien, über öffentliche Stellen wie Ge- meinde- und Kantonsbehörden sowie über einschlä- gige private Organisationen wurde zudem versucht, auch öffentliche Flächen und Privatgrundstücke bei der Sortensuche zu berücksichtigen. Das Projekt fand guten Anklang in der Bevölkerung. In den fünf Jahren haben 12 000 Personen selten gewordene Sor- ten gemeldet, jeder fünfte angeschriebene Landwirt hat die Umfrage beantwortet. Insgesamt konnten rund 195 000 einzelne Obstbäume und Beerenstand- orte in die Projekt-Datenbank aufgenommen wer- den. Zudem wurde eine Fülle von Angaben über die Verwendung, Baumeigenschaften und Besonderhei- ten der Früchte festgehalten.

135 Sorten wurden von der Aufnahme ausge- schlossen, da sie noch häufig sind beziehungsweise im Erwerbsanbau kultiviert werden. Beispiele sind

Gravensteiner, Boskoop, Williams oder Fellenberg.

Knapp 9000 Obstbäume und Beerenpflanzen wur- den während der Fruchtsaison im Feld detailliert be- schrieben. Anhand der Früchte wurde geprüft, um welche Sorte es sich handelte. Dabei konnten weite- re interessante Angaben zu den Sorteneigenschaften gewonnen werden.

Allgegenwärtige Klassiker

Am häufigsten wurden die Apfelsorten Bohnapfel, Sau- ergrauech (hauptsächlich aus dem Kanton Bern), Ber- ner Rosen und Schneiderapfel (vor allem Thurgau und St. Gallen) gemeldet. Bei den Birnen sind die Sorten Gelbmöstler und Wasserbirne die Spitzenreiter, beide am häufigsten aus dem Kanton Luzern gemeldet. Die mit Abstand meistgemeldete Kirschensorte ist die Rigikirsche, auch Lauerzer genannt. Beinahe die Hälfte aller Kirschenmeldungen gingen ohne Namen oder mit allgemeinen Bezeichnungen wie «Schwarze», «Ro- te» oder «Brennkirsche» ein. Bei Zwetschgen ist die Vielfalt allgemein eher klein; Hauszwetschgen und Fel- lenberg dominieren deutlich.

Heutige Klassiker wie zum Beispiel der Bohnapfel oder «Schmelzende von Thirriot» wurden schon früh in Europa verbreitet. Viele Birnensorten stammen aus Belgien und Frankreich, Apfelsorten wurden oft aus Deutschland in die Schweiz eingeführt. Diese Sorten gehören heute ebenso zum Sortiment wie jene mit Schweizer Ursprung wie zum Beispiel Berner Rosen oder Gelbmöstler.

Bisweilen wurden ausländische Sorten auch unbe- wusst «eingeschweizert»: Mit etwas Fantasie konnten zum Beispiel die Sortenmeldungen Vontante oder Von- tantilien als «Fondante de Thirriot» entziffert werden oder Domzigerkad als «Danziger Kantapfel». Bisweilen brauchte es aber – um sicher zu sein – eine Überprü- fung an Hand der Früchte. Denn die im Kanton Luzern nur lokal verbreitete Sorte Träierisch oder Drierisch zum Beispiel hat nichts mit der Mostapfelsorte Trierer Weinapfel zu tun, wie der Name nahe legen würde.

OBST- UND BEERENSORTEN

Erfolgreiche Inventarisierung von Obst- und Beerensorten in der Schweiz

Im Rahmen des Nationalen Aktionsplans (NAP) des Bundesamts für Landwirtschaft führte die Vereinigung Fructus in Zusammenarbeit mit Agroscope FAW Wädenswil und privaten Organisatio- nen von Januar 2000 bis März 2005 die Obst- und Beerensorten-Inventarisierung Schweiz durch.

Für die Westschweiz und das Tessin wurde das Projekt zudem von Acroscope RAC Changins, Centre des Fougères in Conthey (VS) unterstützt. Die Aufnahme der noch vorhandenen Sorten- vielfalt dient als Grundlage für die Erhaltung von wertvollem Erbgut für zukünftige Generationen.

Im Rahmen des Projekts, das Ende März abgeschlossen wurde, konnten über 2000 gefährdete

Sorten in Sortengärten abgesichert werden.

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Gefährdete Vielfalt und reiches Kulturgut

Mehr als zwei Drittel der erfassten Sorten sind schweizerischen Ursprungs. Eindrücklich belegen die Zahlen der Inventarisierung zudem, dass rund drei Viertel der erhobenen Sorten als hochgradig ge- fährdet eingestuft werden müssen.

Abbildung 1 zeigt, welcher Anteil der registrierten Apfelsorten sich in welcher Gefährdungsklasse befin- det. Nicht einmal 10% aller Apfelsorten sind noch mittel bis gut vertreten, das heisst mehr als 50-mal im Inventar erfasst. Bei den schweizerischen Sorten ist die Situation noch akuter als bei den Sorten ausländi- scher Herkunft, weil viele einheimische Obstsorten nur ganz lokal oder regional beschränkt vorkommen.

Unter den ausländischen Sorten ergeben allgegen- wärtige und häufige Sorten wie Berlepsch, Danziger Kant oder Bohnapfel eine etwas flachere Verteilung der Gefährdungsklassen. Bei den übrigen Obstarten lässt sich ein sehr ähnliches Bild zeichnen.

Die grösste Sortenvielfalt findet man heute noch in den Regionen, wo Ostbau nicht als Erwerbszweig, son- dern in erster Linie für die Selbstversorgung betrieben wird wie zum Beispiel im Berner Oberland, im Toggen- burg oder im Zürcher Tösstal. Insgesamt wurden rund 2500 Apfel-, Birnen- und Steinobstsorten registriert.

Die traditionelle Obstsortenvielfalt ist ein Kul- turgut, das durch die vielgestaltige Geografie der Schweiz und die Geschichte einzelner Regionen ge- prägt wurde. Bis heute haben sich die regionalen Sor- timente kaum durchmischt. Das Obstsortiment vom Jura unterscheidet sich von dem des Wallis und dieses ist anders zusammengesetzt als das des Kantons Thur- gau. Während des Projekts konnten viele Lokalsorten wieder entdeckt werden, von denen einige eng ver- bunden sind mit alten Nutzungsformen wie Dörren oder Birnhonig einkochen – Traditionen, die von modernen Konservierungsverfahren verdrängt wor- den sind. Im Berner Oberland sind noch einzelne Dörrhäuschen (Abb. 2) zu finden, in denen früher ei- ne grosse Vielfalt an Birnen- und Apfelsorten gedörrt wurde. So zum Beispiel der Battlerapfel in Iseltwald am Brienzersee. Einige Sorten haben auch heute noch eine gewisse regionale Bedeutung: Die Conter- ser Kirsche zum Beispiel wird im Prättigau nach wie vor angepflanzt und zum Dörren oder Kochen ver- wendet. Die Birne Marlioz ist eine typische «Poire à rissoles», eine Krapfenbirnensorte, die im Raum Genf

traditionell für die Herstellung gefüllter Teigtaschen genutzt wird.

Licht in die Namensvielfalt bringen

Pomologie ist keine exakte Wissenschaft; Sortenex- perten bauen ihre Kenntnisse mit jahrelanger Erfah- rung auf. Exaktes Arbeiten beim Vergleich ähnlich aussehender Früchte und eine kritische Haltung gegenüber der Vielzahl von Sortennamen, die im Volksmund überliefert, teils auch erfunden, verdreht und vermischt wurden, sind aber wichtige Voraus- setzungen, um Licht in die Vielzahl der Typen und Sortengruppen zu bringen.

Es ist ein menschliches Bedürfnis, Vielfalt irgend- wie zu ordnen. In der langen Geschichte der Pomo- logie hat es gleich mehrere Versuche gegeben, künst- liche oder natürliche Systeme aufzubauen, in die sich alle Sorten ordnen lassen sollten. Gelehrte wetteifer- ten um das beste System, verfeinerten ihre Einteilun- gen und versuchten Regeln für die Ausnahmen zu fin- den. Auf der andern Seite hat das gemeine Volk seine eigenen Wortschöpfungen aus dem Leben gegriffen, Sortengruppen nach praktischen Gesichtspunkten gebildet und auch mal Namen der Gelehrten ver- dreht. Dieses Wechselspiel, die Wandlung und auch das Wandern von Namen wäre ein eigenes spannen- des Forschungsgebiet für sich. Für die Inventarisie- rung war die Frage insofern wichtig, als verschiedene Sorten, die den gleichen Gruppennamen trugen, als etwas Eigenständiges erkannt werden mussten, damit sie nicht unter «schon bekannt» auf den Friedhof der Geschichte gekippt wurden.

Weit über 500 Sorten mit einem Sortengruppen- namen wurden im Projekt genauer unter die Lupe ge- nommen, etwa die Hälfte davon Äpfel. Beispiele sol- cher Sortengruppen sind Süssäpfel, Jakobiäpfel, Zuckerbirnen oder Längler. Letztere gelten als Dörr- birnen schlechthin. Während des Projekts wurden über zehn verschiedene Längler-Typen gemeldet, un- ter anderen Luzeiner Längler, Goldlängler, Blauläng- ler, Rotlängler oder Herbstlängler (Abb. 3 und 4).

OBST- UND BEERENSORTEN

Abb. 2: In diesem Dörrhäuschen mit Holzfeuerung in Iseltwald BE wurde jahrzehntelang wert- voller Wintervorrat gedörrt. (Foto: Ernst Allenbach, Nieder- muhlern, BE) CH-Sorte Ausländische Sorte Total

% Anteil pro Gefährdungsklasse

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

1 bis 5 6 bis 50 51 bis 500 über 500 Gefährdungsklassen (nach Anzahl Meldungen)

Abb. 1: Verteilung der im Inventar erfassten Apfelsorten auf Ge- fährdungsklassen (n = 1101).

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SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 9/05

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Unter dem Gruppennamen Heubirne wurden ebenfalls die verschiedensten Sorten gemeldet. Die Krönung der Sortensuche nach Heubirnen war die Wiederentdeckung der echten Schweizer Heubirne.

Gemäss Gustav Pfau-Schellenberg, einem grossen Schweizer Pomologen, soll diese Sorte bereits Anfang des 18. Jahrhunderts verbreitet gewesen sein. Im Jahr 1870 schrieb er zu dieser Sorte: «Sie ist fast überall, wo Obstbau betrieben wird, anzutreffen ...». Während des Inventarisierungsprojekts konnten nur gerade zwei der rund fünfzig überprüften Meldungen als Schweizer Heubirne bestätigt werden. Die anderen Heubirnen stellten sich unter anderem als Julide- chantsbirne, Schafbirne, Hornuserbirne, Petersbirne, Clapp's Liebling oder Bärikerbirne heraus. Viele der Heubirnen scheinen auch Sämlinge zu sein, die später nicht weitervermehrt wurden.

Sucherfolg mit historischen Ellen gemessen

Obwohl im Projekt sehr viele verschollen geglaubte Sorten wieder gefunden wurden, gibt es wohl fast ebenso viele, die für immer verschwunden sind. Alte Ausstellungsberichte, Statistiken aus dem 19. Jahr- hundert und Sortenbücher ergeben zusammenge- nommen eine immense Anzahl an Sorten, die einst im schweizerischen Obstwald gediehen. Es lässt sich spekulieren, dass vielleicht eher die wertvolleren und die gegen Krankheiten robusteren Sorten die Jahr- zehnte überlebt haben. Ein weiterer Trost ist viel- leicht der Kommentar, den der berühmte Schweizer Pomologe Gustav Pfau-Schellenberg zur Statistik des Thurgauischen Obstbaus von 1861 gibt:

«Die folgende Zusammenstellung der Kernobstsor- ten des Kantons Thurgau, aus 464 Apfel- und 327 Bir- nensorten bestehend, kann jedoch trotz – oder viel- mehr wegen ihrer Mannigfaltigkeit nicht als normal richtig angesehen werden, im wissenschaftlichen Sin- ne; denn es sind von der grossen Menge der Sorten nur 237 Apfel- und 166 Birnensorten anerkannt rich- tig benannt und nach ihren äusseren und inneren Merkmalen beschrieben, sodass vermutet werden muss, es finden sich noch unter verschiedenen Na- men gleiche Sorten vor ...».

Ein Beispiel unterstreicht, dass es Verwechslungen und Synonyme, die fälschlicherweise wie eigenstän- dige Sorten gehandelt wurden, auch schon früher gab: Einer Notiz von zirka 1930 aus Anbauversuchen an der damaligen Schweizerischen Zentralstelle für Obstbau im Kanton Bern, Oeschberg, unter Hans Spreng ist zu entnehmen, dass Entenbirne und Schneebirne als ein und dieselbe Sorte angesehen wurden. Im Inventarisierungsprojekt konnte dies

dank genauen Fruchtvergleichen widerlegt werden.

So konnte nun auch die Schneebirne, die nur ein ein- ziges Mal gemeldet worden war, in Sortensammlun- gen als eigene Sorte abgesichert werden.

Für die Etappe Ostschweiz (2003) konnte mit Hil- fe von Ausstellungsberichten und der erwähnten Obstbau-Statistik eine Rote Liste gesuchter Sorten er- stellt werden. Natürlich handelte es sich nicht um ei- ne vollständige Aufzählung. In Zusammenarbeit mit dem Verein Obstsortensammlung Roggwil TG wurde eine Auswahl von 187 Apfelnamen auf die Suchliste gesetzt und der Umfrage beigelegt. Davon wurden immerhin 63 Namen wie Torkelapfel, Laubiapfel oder Seidenapfel während der Suche gemeldet. Allerdings liegt die Schwierigkeit darin, dass zu den meisten die- ser Namen keine wirklichen Beschreibungen vorhan- den sind. Es ist daher zum Beispiel schwierig nachzu- prüfen, ob der Campaner auf der Liste ein Synonym des bereits abgesicherten Nägeliapfels ist oder ob es sich um eine eigene Sorte handelt. Andere Sorten die- ser Liste sind bis heute verschollen geblieben wie zum Beispiel der Benedeierapfel, der Tulpenapfel oder der Töbeliapfel.

Auch im Kanton Bern konnte mit den Hinweisen aus alten Statistiken (Umfang, Zusammensetzung und Sor- tenaufbau des bernischen Obstbaues, Bern, 1930) sehr viel wertvolle Information herangezogen werden. Auch da sind einige erwähnte Sorten wieder aufgetaucht, zum Beispiel die Ärmelbirne oder der Huebech-Apfel.

Diese Sorten waren zum Teil schon damals selten. An- dere wurden auch da bis heute nicht wieder gefunden.

Die Vielfalt für die Zukunft absichern

Jeweils am Ende einer Projektetappe wurde von er- haltenswerten Sorten bei den Besitzern Vermeh- rungsmaterial bestellt. Die Bäume wurden bereits während der Fruchtsaison visuell auf Krankheiten überprüft. Die erhaltenen Reiser wurden an Baum- schulen weitergeleitet, welche die Sorten für die Er- haltung in regionalen Sammlungen vermehren.

Gemäss «Konzept und Richtlinien zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der genetischen Ressour- cen von Obst in der Schweiz» (Bachofen et al. 2002) sind die Sorten je nach Klassierung in verschiedenen Sammlungstypen zu erhalten. In den Primärsammlun- gen werden Sorten abgesichert, die einwandfrei iden- tifiziert werden konnten. In den Einführungssammlun- gen werden Sorten gepflanzt, deren Bestimmung noch unsicher ist, zum Beispiel weil sie mangels historischer Beschreibungen noch nicht eindeutig als eigenständi- ge Sorte deklariert werden konnten. In diesen Samm- lungen sollen auch Sortengruppen wie Längler oder Süssäpfel noch genauer verglichen und beschrieben werden. Zusätzlich wird jede Sorte oder Akzession an mindestens einem weiteren Standort in einer so genannten Duplikatsammlung abgesichert. Die Samm- lungen sind regional verteilt, um bei Krankheiten wie zum Beispiel Feuerbrand oder anderen Schadensfällen möglichst nicht alle Bäume einer Sorte zu verlieren.

Die Schweizerische Kommission zur Erhaltung der Kulturpflanzen (SKEK) koordiniert die Erhaltung.

Insgesamt wurden im Rahmen der Inventarisie- OBST- UND BEERENSORTEN

Abb. 3: Typisch für die Luzeiner Länger ist die undeutliche rötliche Streifung.

Diese Länger ist eini- ge Zeit haltbar und wird zum Beispiel für Krapfen und Birnbrot verwendet.

Abb. 4: Die Gold- längler reift etwas ungleichmässig ab, sie hat dadurch eine lange Erntezeit.

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SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 9/05 9 rung knapp 2800 Akzessionen abgesichert. Als Akzes-

sionen werden die einzelnen Herkünfte bezeichnet, insbesondere wenn ihre Identität noch nicht geklärt ist und deshalb nicht mit Sicherheit von einer eigen- ständigen Sorte gesprochen werden kann. Wie sich die Anzahl auf die verschiedenen Arten und Samm- lungstypen verteilt, ist der Tabelle zu entnehmen.

Ausblick

Wer das Schrumpfen des Feldobstbaus auf heute noch 2.6 Mio. Hochstammobstbäume miterlebt hat, fragte sich verständlicherweise, ob eine Inventarisierung zum heutigen Zeitpunkt überhaupt noch Sinn macht. Die Resultate des fünfjährigen Projekts erlauben eine posi- tive Antwort auf diese Frage: Über 2000 gefährdete Obstsorten konnten beschrieben und für die Erhaltung vermehrt werden. Viele davon galten schon früher als selten und hatten immer nur lokale Verbreitung wie zum Beispiel die Ackerbirne in Horgen ZH oder der Zürchapfel im St. Galler Rheintal. Der Offenheit und Gesprächsbereitschaft vieler älterer Menschen, die ihre Erinnerungen und Erfahrungen aus früheren Zeiten mitgeteilt haben, verdanken wir, dass auch unsere Kin- der noch Birnbrot mit gedörrten Rotlänglern, traditio- nelles Kirschenmus aus der Schönen von Einigen oder einen Birnbraten aus Gräggelibirnen geniessen werden können. Und vielleicht birgt die eine oder andere ge- rettete Sorte wertvolle genetische Eigenschaften, deren Wert für die moderne Züchtung und Produktion erst noch entdeckt werden muss.

Nur wenn besondere Eigenschaften der erhalte- nen Sorten wie Toleranz gegenüber Krankheiten und Schädlingen oder spezielle Fruchteigenschaften be- kannt und beschrieben sind, besteht eine Chance, dass das Potenzial der Sortenvielfalt in Zukunft auch

genutzt wird in der Züchtung oder für die Herstel- lung lokaler Spezialitäten.

Parallel zum letzten Projektjahr der Inventarisie- rung läuft deshalb seit 2004 das Fructus-Projekt

«Agronomische und pomologische Beschreibung von Obst-Genressourcen» (NAP 02-22, Projektleitung David Szalatnay, Agroscope FAW Wädenswil, david.

szalatnay.@faw.admin.ch). Als Erstes werden im Pro- jekt standardisierte Methoden zur Beschreibung der Obst-Genressourcen aufgrund internationaler Vorga- ben (ECP/GR, UPOV) entwickelt. Dabei wird ein Be- schreibungsschlüssel für die wichtigsten Obstarten (Apfel, Birne, Pflaume, Kirsche) erstellt. Eine weitere wichtige Aufgabe des Projekts ist es, unsichere Sor- ten in den bestehenden Sammlungen zu bestimmen respektive zu verifizieren. Vor allem aber sollen die Sorten nach und nach detailliert beschrieben und mit Bild und Text dokumentiert werden.

Literatur

Bachofen B. et al.: Konzept und Richtlinien zur Erhaltung und nach- haltigen Nutzung der genetischen Ressourcen von Obst in der Schweiz, 2002.

Erzinger H. und Pfau-Schellenberg G. (Hrsg.): Statistik des Thur- gauischen Obstbaus, Verlag J. Huber Frauenfeld, 1861.

Mitt. des statistischen Bureaus des Kantons Bern: Umfang, Zusam- mensetzung und Sortenaufbau des bernischen Obstbaues, Bern, 1930.

Pfau-Schellenberg G.: Beschreibung Schweizerischer Obstsorten, herausgegeben vom Schweizerischen Obst- und Weinbauverein, 1.

Heft 1870.

OBST- UND BEERENSORTEN

Abgesicherte Sorten/Akzessionen.

Art Primär- Einführungs- Separate

sammlung sammlung Sammlung

Apfel 105 1101

Birnen 168 677

Kirschen 36 333

Übr. Steinobst 9 198

Quitten 3

Feigen 13

Beeren 151

Edelkastanien 2

Walnüsse 2

Total 318 2312 168

FRUCTUS – die Vereinigung zur Förderung alter Obstsorten Fructus feierte an der Jubiläums-GV vom 9. April 2005 in Wädenswil ihr 20-jähriges Wirken.

Prominenter Gastreferent war Manfred Bötsch, Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft.

Wie Bötsch in seinem Referat «Erhalt der Agrobiodiversität – eine Herausforderung für Bund und Private» ausführte, gehört die Schweiz zu den Ländern mit einer hohen Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten, die in der Landwirtschaft und für die Ernährung direkt Verwen- dung findet. Diese Vielfalt sei eine unabdingbare Voraussetzung für die sichere Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, so Bötsch weiter.

Die schweizerische Landwirtschaftspolitik trägt nach dem Konzept «Schützen durch Nüt- zen» mit verschiedenen Massnahmen zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der Kultur- pflanzenvielfalt bei. Zu den multifunktionalen Zielen einer nachhaltigen Agrarpolitik gehört auch die Wahrung der regionalen Identität, die oft sehr direkt mit lokalen Spezialitäten und Produkten verbunden ist.

Organisationen wie Fructus haben die Bedeutung der genetischen und kulturellen Vielfalt frühzeitig erkannt und schon vor Jahren damit begonnen, dieses Kulturerbe zu erhalten und zu pflegen. Der Höhepunkt im Jubiläumsjahr ist die Obstausstellung «FRUCTUS 05»

vom 21. bis 23. Oktober 2005 in Frauenfeld.

Weitere Informationen zu Fructus, zu den Resultaten des Inventarisierungsprojekts und zur Jubiläumsausstellung gibt es unter www.fructus.ch.

Erfolgreiche Inventarisierung von Obst- und Beerensorten in der Schweiz

Im Rahmen des Nationalen Aktionsplans (NAP) des Bundesamts für Landwirtschaft führte die Vereinigung FRUCTUS in Zusammenarbeit mit Agroscope FAW Wädenswil und privaten Organisationen von Januar 2000 bis März 2005 die Obst- und Beerensorten-Inventarisierung Schweiz durch. Für die Westschweiz und das Tessin wurde das Projekt zudem von RAC Centre des Fougères in Conthey (VS) unterstützt. Die Aufnahme der noch vorhandenen Sortenvielfalt dient als Grundlage für die Erhaltung von wertvollem Erbgut für zukünftige Generationen. Insgesamt wurden rund 2500 Apfel-, Birnen- und Steinobstsorten registriert. Mehr als zwei Drittel davon sind schweizerische Sorten. Etwa drei Viertel der er- fassten Sorten können als hochgradig gefährdet eingestuft werden. Im Rahmen des Projekts, das Ende März abgeschlos- sen wurde, konnten rund 2000 gefährdete Sorten in regionalen NAP-Sortengärten abgesichert werden.

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ÉSUMÉ

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