Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 19|
13. Mai 2011 A 1079 BÖRSEBIUSAcker bleibt Acker
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uf Finanzmärkten entsteht ei- ne Blase immer dann, wenn für eine Anlageklasse immer höhere Preise bezahlt werden. Klassische Bewertungskriterien wie Dividenden- rendite oder Buchwert werden außer Kraft gesetzt und durch neue gut klingende Kennzahlen (EBITDA, earnings before interest, taxes, de- preciation and amortization) ersetzt.Wenn das auch nicht mehr reicht, werden für ein Unternehmen die
„Multiples“ einfach heraufgesetzt – ein Laden ist halt dann nicht mehr das vierfache EBITDA wert, son- dern das siebenfache und so wei ter.
Das war so beim Neuen Markt, das spielte sich ähnlich auf dem Immo- bilienmarkt ab, und das läuft derzeit genauso auf den Rohstoffmärkten.
Den Wettlauf, welche Blase als Nächstes platzt, könnte die Anlage- klasse „Ackerland & Co.“ gewin- nen. Was da nicht alles für ein Mist angeboten wird – vom eigenen Wald bis zur Wiese in Australien, von Farmland in Kentucky, vom
„personlichen“ Baum im Regen- wald oder Ackerflächen in Meck- lenburg-Vorpommern –, das passt nicht mehr auf die berühmte Kuh- haut. Das alles kostet richtig viel
Geld, obwohl Ackerland viel weni- ger wichtig ist als andere Assets.
Aber wen interessiert das schon.
Dass die Gewinnchancen von Ackerland nicht in den Himmel wachsen können, zeigt die Erfah- rung seit Jahrhunderten. Für solche Flächen wurde immer nur ein Bruchteil dessen bezahlt, was an- dernorts für Gewerbeimmobilien und Wohngebäude bezahlt wird.
Für eine Wiese zahlen Sie in Deutschland seit eh und je nur ein paar Mark, mehr geben die „Früch- te des Feldes“ halt auch nicht her.
Abgesehen von den wilden Ge- schichten, um einige Bäuerchen, die deswegen steinreich wurden, weil ihr billiger Acker zu weitaus teurerem Bauland wurde, taugt Ackerland zur Spekulation nicht.
Die derzeitige Inflationsangst, die einerseits berechtigt ist, aber auch zielgerichtet geschürt wird, hat etliche halbseidene Anbieter, aber auch Halunken auf den Plan
gerufen, die mit dem Lockruf „Leu- te kauft Sachwerte“ genau in die falsche Kerbe hauen. Ich befürchte, dass nicht wenige erschreckte und verunsicherte Anleger auf diese Sirenengesänge des sicheren Ge- winns oder der Rettung des eigenen Geldes hereinfallen. Wenn Sach- werte, dann Wohn- oder Gewer- beimmobilien oder Aktien oder meinethalben auch ein bisschen Gold (aber nicht auf dem derzeiti- gen überhitzten Niveau).
Der Vater aller Börsenkräche hat übrigens genau mit Pflanzlichem zu tun. Im 17. Jahrhundert zockten die Holländer an der Blumenbörse mit Tulpen dermaßen herum, dass am Ende für eine einzige Knolle („Semper Augustus“) ein Vermögen bezahlt wurde. Am Ende des gie - rigen Wettlaufs platzte diese Blase wie alle anderen auch mit Getöse und stürzte viele Spekulanten in den wirtschaftlichen Ruin.
Wer Ihnen also irgendein Invest- ment in Feld, Wald, Wiese, Blume, Baum oder sonstigen Agrarthemen andrehen will, für den gibt es – fast ausnahmslos – nur eine einzige ver- nünftige Antwort: „Mach dich vom
Acker!“ ■