DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
KULTS NOTIZEN
Sie wurde
als Meisterin geboren
D
ie Laufbahn der Gei- gerin Anne-Sophie Mutter begann mit fünf Jahren, als sie auf ihren Wunsch Klavierunterricht er- hielt, bald aber die Geige dem Klavier vorzog, „weil man da die Töne selbst ma- chen kann" Nach nur ein- jähriger musikalischer Aus- bildung wurde ihr beim bun- desdeutschen Wettbewerb„Jugend musiziert" der 1.
Preis mit besonderer Aus- zeichnung im Fach Violine zugesprochen. Auch als Pia- nistin (Klavier vierhändig) wurde sie Bundespreisträge- rin. Prof. Siegfried Boris sag- te bei der Preisverteilung, sie habe gespielt, „daß den Juro- ren schier das Jurieren ver- ging".
Wichtigstes Ereignis der nächsten Jahre war die Be- gegnung mit Herbert von Ka- rajan, der die Dreizehnjähri- ge zum Vorspiel nach Berlin einlud. Der Maestro: „Ich habe soeben eine junge Gei- gerin entdeckt, die für uns al- le ein Wunder ist." Er enga- gierte sie für die Pfingstfest- spiele 1977 nach Salzburg, wo sie mit den Berliner Philhar- monikern Mozarts Violin- konzert G-Dur KV.216 spiel- te. Seitdem ist Anne-Sophie Mutter mit dieser Stadt eng verbunden. „Salzburg ist für mich die kürzeste Formel für die Glückseligkeit in der Mu- sik."
In allen Konzertsälen der Welt fasziniert ASM seither
„ihr" Publikum mit der Wär- me ihres Tons, einer vollen- deten Technik und ihrer sou- veränen Interpretation. „Die junge Geigerin läßt die Vor- stellung aufkommen, Mozart selbst könnte vielleicht so musiziert haben wollen. Die- sem Mädchen ist die Bezie- hung zu Mozart angeboren."
Bei ihrem Amerika-De- büt mit den New Yorker Phil- harmonikern unter der Lei- tung von Zubin Mehta feier- ten zweitausend Konzertbe- sucher stehend die damals Sechzehnjährige in der Avery Fisher IIall. Die New York Times schrieb: „Die Ton- schönheit von Fräulein Mut- ters Spiel ist schon hinrei-
ßend, aber noch eindrucks- voller ist ihre wie gemeißelte Phrasierung, ihr tief ausgelo- tetes Empfinden für die Mu- sik und ihre frische Sponta- neität."
Seitdem hat ASM auch mit dem Symphony Orche- stra unter Sir Georg Solti, mit dem National Orchestra un- ter Mstislav Rostropowitsch, mit Ricardo Muti, Seiji Oza- wa und Charles Dutoit und anderen großen Dirigenten in Amerika musiziert.
In Tokio begann der Vor- verkauf ein halbes Jahr vor einem Konzert, das über Sa- telliten übertragen wurde. Er dauerte nur einen Tag. Dann war alles ausverkauft. 1985 spielte ASM mit den Mos- kauer Philharmonikern Beet- hoven und Brahms. Über- rascht war sie über das kon- zentrierte, ja andächtige Pu- blikum und die überwältigen- de Resonanz.
ASM wurde das Glück zu- teil, in einer harmonischen Familie aufzuwachsen. Die Bezeichnung „Wunderkind"
lehnt sie kategorisch ab.
Denn: „Wunderkinder wer- den dressiert. Ich war stets ganz frei in meinen Entschei- dungen."
ASM hat keine techni- schen Probleme. H. H. Stuk- kenschmidt spricht von ei- nem „vollendet geschulten Musizieren. Die junge Geige- rin scheint als fertiger Mei- ster auf die Welt gekommen zu sein. Es scheint, als ha- be diesem liebenswürdigen Menschenkind ein geheim- nisvoller Zeitraffer die Jahre künstlerischen Werdens er- spart." Und Herbert von Ka- rajan sagte, wenn er Geige spielen könnte, möchte er spielen wie sie. Daß die Vir- tuosin über eine schöne Stim- me verfügt, sei nur am Rande vermerkt. Sie wäre jederzeit in der Lage, die Rolle der Königin der Nacht in der
„Zauberflöte" zu überneh- men.
Obwohl die Künstlerin bis 1992 ausgebucht ist, betrach- tet sie ihr Privatleben nicht
Anne-Sophie Mutter als Nebensache. Sie hat Freu- de an den schönen Dingen des Lebens. Sie liebt die Na- tur und unternimmt weite Waldspaziergänge. Sie hat ei- ne Vorliebe für Modellklei- der und schnelle Wagen. Seit ihrem 20. Geburtstag ist sie stolze Besitzerin eines wei- ßen Porsche-Cabrio. Sie kocht gern. Und im Freun- deskreis zieht sie Champa- gner allen anderen Geträn- ken vor. Das Faszinierende an ihr ist, daß bei einer sol- chen Traumkarriere von der liebenswürdigen Ursprüng- lichkeit und Spontaneität auch nach mehr als zehn Jah- ren nicht das geringste ver- lorenging.
Der „Geigerin, die neue Maßstäbe setzt" (Rostropo- witsch) sind viele Ehrungen zuteil geworden. Seit 1985 gehört sie dem weltberühm- ten Streichtrio von Rostropo- witsch an. Die Royal Acade- my of Music in London er- nannte sie zu ihrem Ehren- mitglied und zur Gastprofes- sorin. Als „Botschafterin der Musik" wurde ihr das Bun- desverdienstkreuz 1. Klasse verliehen. Kürzlich erhielt sie den „Bambi", um nur einige der zahlreichen Auszeich- nungen zu nennen.
Als sie das ihr gewidmete Werk des polnischen Kompo-
nisten Witold Lutoslawski,
„Chaine II", 1986 in Zürich zur Welturaufführung brach- te, schrieb die Neue Zürcher Zeitung: „Es war eine jener idealen Verbindungen von Solisten und Neukomposi- tion, die es einem schwerma- chen, die gleiche Musik mit einem anderen Solisten sich vorzustellen. Das ist um so frappierender, als man ASM bis jetzt kaum in neuer Musik hören konnte." Seitdem be- trachtet es die Künstlerin als ihre persönliche Aufgabe, zeitgenössische Werke dem Publikum nahezubringen, was ihr ausnahmslos gelingt.
Seit vier Jahren ist Anne- Sophie Mutter überglück- liche Besitzerin einer „Dunn- Raven" , einer Stradivari vom Jahre 1710. Dieses herr- liche Instrument ist der unbe- strittene Mittelpunkt dieses bemerkenswerten Lebens.
„Wenn sie spielt, stellen die Engel im Himmel die Harfe zur Seite", schrieb die New York Times.
Anschrift der Verfasserin:
Ilse Dittmar Badstraße 27 7847 Badenweiler
Das Werk des Malers Hans Purrmann — Ein her- ausragender Katalog über Leben und Werk des Malers Hans Purrmann (Speyer 1880-1966 Basel) begleitete drei große Ausstellungen, die im Bundeskanzleramt Bonn, im Landesmuseum Mainz und im Cercle Municipal Lu- xembourg in den vergange- nen fünf Monaten gezeigt wurden. Ausstellungen und Katalog hat der Kunsthistori- ker Dr. Berthold Roland ge- staltet. Er ist Direktor des Landesmuseums Mainz und von Schloß Villa Ludwigshö- he in der Pfalz. Sowohl eine deutsche wie auch eine fran- zösische Ausgabe liegt vor, die jeweils zum Preis von 46 DM (Porto bereits einge- schlossen) beim Landesmu- seum Mainz, Große Bleiche 49-51, 6500 Mainz, bestellt werden kann. so A-898 (90) Dt. Ärztebl. 85, Heft 13, 31. März 1988