Kanton Bern Auszug aus dem Protokoll Canton de Berne des Regierungsrates
Extrait du procès-verbal du Conseil-exécutif
M 253/2005 BVE 15.. Februar 2006 49 C
Motion0 4 0 8 SP (Hofmann, Bern)
Weitere Unterschriften: 0 Eingereicht am: 05.09.2005
Wasserbaupflicht solidarisch erbringen
Der Regierungsrat wird beauftragt, dem Grossen Rat eine Änderung des Wasserbaugeset- zes vorzulegen welches vorsieht, die Wasserbaupflicht an Seen, Bächen und Flüssen mit hohem Gefahrenrisiko dem Kanton zu übertragen.
Begründung:
Das Wasserbaugesetz von 1989 geht von einer gesamtheitlichen Betrachtung aus. In den Erläuterungen von Fürsprecher Kunz und Fürsprecherin Walther zum Wasserbaugesetz steht: „Die Gewässer sind ein zusammenhängendes System. Fliessgewässer stehen in Verbindung mit Seen, oberirdische Gewässer mit Grundwasser, kleine Gewässer mit grossen. Die Veränderungen der Versickerungsbedingungen und die Versiegelung der Bodenoberfläche beeinflussen den Gewässerhaushalt. Das Gewässer, an dem etwas un- ternommen werden soll, ist Teil eines umfassenden Ganzen. Jedes Gewässer, auch ein kleiner Bach, kann von Bedeutung sein. Wird es nicht gut unterhalten, entstehen Gefahren für das angrenzende Land oder für das untere Gewässer. Ein unsachgemässer Eingriff verändert die Landschaft, gefährdet Fische und Pflanzendecke, stört das ökologische Gleichgewicht, den Geschiebehaushalt."
Angesichts dieses integralen Ansatzes erstaunt es, dass der Gesetzgeber in Rahmen die- ses Wasserbaugesetzes die Wasserbaupflicht grundsätzlich den Gemeinden übertragen hat. Diese können die Pflicht ihrerseits an Schwellenkorporationen und Gemeindever- bände abtreten. Heute, 15 Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes, ist zu konstatieren, dass die richtig gewählte Philosophie sich mit der kleinräumigen Wasserbaupflicht nicht verträgt.
Es darf nicht sein, dass jede Gemeinde auf ihrem beschränkten Anstoss an Bäche, Flüsse oder Seen nach eigenem Gutdünken werkelt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass längere Gewässerabschnitte nur unter der Oberaufsicht des Kantons sinnvoll geplant und projek- tiert werden können. Es macht unter diesen Voraussetzungen deshalb keinen Sinn, die Verantwortung den fachlich schlecht ausgerüsteten Gemeinden zu überlassen.
Das Hochwasser vom August 2005 haben gezeigt, dass die Gemeinden die Verantwor- tung für den Unterhalt der Gewässer, den Hochwasserschutz und die Gewässerrenaturie- rung nicht ernst genug genommen und zum Teil arg vernachlässigt haben. Dringend not- wendige Hochwasserschutzprojekte wurden in jahrelangen Verfahren hin und her ver- schleppt, weil in den Gemeinden die nötige fachliche Unterstützung fehlte. So konnte nach dem Hochwasser von 1999 zwischen Thun und Bern kein einziges Projekt nur annähernd
zur Baureife gebracht werden. Das Hochwasserschutzprojekt „Renaturierung Belpau" und der Seitenarm in der Elfenau standen und stehen unter dem Druck von lokalen Grossen, die sich auf Kosten solcher Projekte profilieren.
Für die Übertragung des Hochwasserschutzes bei heiklen Flussläufen an eine übergeord- nete Stelle gibt es zusätzlich einen wichtigen Grund, der naturwissenschaftlichen Überle- gungen entspringt. Eine Gemeinde kann Hochwasserschutz auf eine Art betreiben, die sie perfekt vor solchen Ereignissen schützt, dafür aber die nächsten flussabwärts gelegenen Gemeinden vor unlösbare Probleme stellen würde. Daraus geht hervor, dass alle Mass- nahmen längs eines Gewässers einer sorgfältigen gegenseitigen Abstimmung bedürfen.
Ein solcher Planungsprozess kann von einer einzigen Behörde viel besser durchgeführt werden, als wenn die Interessen von Dutzenden von Gemeinden mitspielen. Das obige Zitat aus den Erläuterungen zum Wasserbaugesetz stellt solche Zusammenhänge sehr gut dar.
Die Übertragung der Wasserbaupflicht an die Gemeinden schafft ungerechte Belastungen.
Während Gemeinden mit Anstoss an die Gewässer der Juragewässerkorrektion oder an Stauseen diese Pflicht nicht tragen müssen, belastet die Wasserbaupflicht in hohem Mas- se die Gemeinden der Voralpenregion. Es macht Sinn, dass der Hochwasserschutz bzw.
die Renaturierung der Gewässer, von dem letztendlich alle profitieren, solidarisch von al- len Gemeinden zu tragen sind. Deshalb ist die Wasserbaupflicht grundsätzlich dem Kan- ton zu übertragen. Kleine unbedeutende Gewässer können aber weiterhin von Gemeinden oder Anstössern unterhalten werden.
Antwort des Regierungsrates:
Der Regierungsrat nimmt zum Anliegen des Motionärs wie folgt Stellung:
Gemäss dem geltenden Wasserbaugesetz sind die einzelnen Gemeinden auf ihren Ge- meindegebieten für „ihre" Gewässerstrecken weitgehend abschliessend zuständig. In den Fällen, wo die Gewässer „grenzüberschreitend" sind, gibt es jedoch Gemeinde überschrei- tende öffentlich-rechtliche Organisationen (z.B. Schwellenbezirk Emme 1. Sektion), welche die Wasserbauaufgaben gemeinsam erfüllen. Solche Organisationen bestehen für die grösseren Flüsse wie die Aare im Aareboden (Meiringen, Brienz), Lütschine, Saane und die Emme. Im Weiteren sind die Gemeindeverbände bzw. Wasserbau verbände zu nen- nen, welche die Wasserbaupflicht der Mitgliedgemeinden an den folgenden Gewässern erfüllen: Gürbe und Müsche, Lyssbach und Zuflüsse, Urtenenbach, Alte Aare, Langeten, Limpach, Leugene und Schüss. Obwohl die Fachkompetenzen von Gemeinde zu Ge- meinde unterschiedlich sind, existiert gerade bei den erfüllungspflichtigen Schwellenkorpo- rationen im Oberland und Emmental ein Fachwissen, welches gepaart mit dem eigenver- antwortlichen Handeln zu beachtlichen Resultaten führt.
Das Hochwasser vom August 2005 ist nach bisherigen Beurteilungen ein Extremereignis, welches seit deutlich mehr als 150 Jahren so nicht aufgetreten ist. Bisher wurden gestützt auf die anerkannten Regeln der Baukunde und den Vorschriften des Bundes Hochwasser- schutzmassnahmen auf 100-jährige Ereignisse dimensioniert. In den Hauptschadensge- bieten sind die Schäden deshalb in keinem Fall auf eine arge Vernachlässigung der Was- serbauaufgaben zurückzuführen. Die gegenwärtig in Arbeit stehenden Ereignisanalysen werden dazu weitergehende Erkenntnisse liefern. In den meisten Schadengebieten konnte dank vorbereiteten Notfallplanungen, gestützt auf entsprechende Sensibilisierung der Ge- meinden mit vorhandenen Gefahrenhinweis- und Gefahrenkarten und dank dem professio- nellen Einsatz der Wehrdienste sehr viel Schlimmeres verhindert werden.