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Mehr Sicherheit in „Zwischeneuropa“

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Das Fehlen einer effektiven und um- fassenden postsowjetischen Sicher- heitsstruktur, die militärisch schwa- chen „zwischeneuropäischen“ Staa- ten wie Moldau, Georgien und der Ukraine Schutz bietet, ist Haupt- grund der neuen Span nungen in Ost- europa. Ein Beitritt zur NATO fände seit Längerem schon in der Bevölke- rung Georgiens und seit Kurzem auch in der Ukraine breite Zustimmung.

Doch die NATO ist nicht bereit, sich in naher Zukunft nochmals in Rich- tung Osten zu erweitern.

Die wachsende Aggressivität Russ- lands hat das Interesse der Eliten der Ukraine und Georgiens an der NATO noch einmal deutlich erhöht.

Doch angesichts der neuen Moskauer Abenteuerlust ist es unwahrschein- lich, dass der nach dem Konsensprin- zip funktionierende Nord atlantikrat jenen Staaten die Türen zur Allianz öffnet, die territoriale und insbeson- dere militärische Konflikte mit Russ- land austragen. Paradoxerweise wer- den Länder wie Georgien und die Uk-

raine erst dann die Chance auf einen NATO-Beitritt erhalten, wenn sie ihre Streitigkeiten mit Russland bei- gelegt haben, d.h. wenn sie den Schutz der Allianz eigentlich nicht mehr benötigen.

Welche Optionen leiten sich da- raus für die Ukraine ab? Im Wes- ten glaubt man, dass dies letztlich eine rein ukrainische Frage sei. Tat- sächlich jedoch berührt die Antwort Kernthemen gesamteuropäischer Si- cherheit. Denn käme es im kriege- rischen Konflikt zwischen Moskau und Kiew zum Äußersten, wäre zum Beispiel das Schicksal der vier Kern- kraftwerke der Ukraine unklar, da- runter das größte AKW Europas im ost ukrainischen Saporischschja. Da- rüber hinaus könnten sich Millionen Ukrainer dazu entschließen, ihr Land zu verlassen, wenn ihr Staats-, Sozial- und Wirtschaftssystem durch die hy- bride russische Kriegführung weiter- hin untergraben wird.

Viele europäische Beobachter ten- dieren dazu, eine Lösung des grund- Andreas Umland | Die Länder zwischen Ostsee und Schwarzem Meer sind durch ein gemeinsames Schicksal und geteilte Risiken verbunden. Um an Stärke gegenüber Russland zu gewinnen, könnten sie sich in einer Koali- tion zusammenschließen. Diese kann auf einer Idee aus Polen nach dem Ersten Weltkrieg aufbauen: ein Block der Länder des Intermariums.

Die alte Idee eines Intermarium-Staatenblocks wird wieder aktuell

Mehr Sicherheit in „Zwischeneuropa“

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Bisherige EU-Verträge befriedigen nicht die Sicherheitsinteressen

legenden Sicherheitsproblems der Uk- raine als eine Angelegenheit abzutun, die den Westen nichts angehe. Tat- sächlich ist die Frage nach der Zu- kunft „Zwischeneuropas“ aber auch für die EU von großem Interesse und verdient deshalb Aufmerksamkeit.

Gibt es eine nachhaltige Antwort auf die Sicherheitsrisiken, mit denen die Ukraine in den kommenden Jahren konfrontiert sein wird – eine Lösung, die realistisch ist und die Zeit bis zu einem NATO-Beitritt überbrückt?

Eine Allianz zwischen den Meeren Eine zumindest partielle Übergangs- lösung bestünde in der Umsetzung ei- nes polnischen Planes aus der Zwi- schenkriegszeit: die Schaffung eines Intermariums, d.h. einer Allianz der Länder zwischen den Meeren. Die- se Idee aus dem frühen 20. Jahrhun- dert würde heute die Bildung einer Entente cordiale bzw. der Abschluss eines Beistandsabkommens der Staa- ten zwischen Ostsee und Schwarzem Meer bedeuten. Dies würde zu einem Ad-Hoc-Block jener Staaten führen, die das Moskauer Regime als eine aku- te Gefahr für ihre nationale Souverä- nität und Kern interessen betrachten.

Die Intermarium-Idee wurde nach Auflösung des Sowjetreichs im ostmit- teleuropäischen Diskurs wiederholt aufgegriffen,1 unter anderem vom ehe- maligen polnischen Staatspräsidenten Lech Kaczynski und seinem Nachfol- ger Andrzej Duda.

Natürlich ist das am Ende des Ersten Weltkriegs in Polen entwickel- te Intermarium-Konzept nicht mehr aktuell. Das ursprüngliche Interma- rium sah eine Konföderation oder gar

Föderation mittelost- und südosteuro- päischer Staaten vor. Inzwischen sind die meisten Fragen gegenwärtiger und künftiger osteuropäischer wirtschaft- licher, politischer und wissenschaft- licher Zusammenarbeit jedoch durch die Osterweiterung der EU, durch Stabilisierungsabkommen im West- balkan und Assoziierungsabkommen mit den östlichen Partnern der Union beantwortet.

Die 2014 mit Kiew, Chisinau und Tiflis unterzeichneten EU-Großver- träge schaffen einen neuartigen Ko- operationsrahmen sowie eine vertief- te und umfassende Freihandelszone.

Obwohl diese Assoziierungsabkom- men der EU-Ostpartner-

schaft keine Beitrittsver- sprechen enthalten, impli- zieren sie eine schrittweise Einbindung der Ukraine, Moldaus und Georgiens

in den europäischen Wirtschafts-, Rechts- und Werteraum. Brüssels neue Assoziierungsschemata, die Öst- liche Partnerschaft sowie andere Son- derprogramme für seine europäischen Nachbarn, etwa Visaliberalisierun- gen, binden schon heute beziehungs- weise demnächst Kiew, Chisinau und Tiflis auf vielfältige Weise an die ost- europäischen EU-Staaten.

Doch weder diese EU-Programme noch andere in Osteuropa vertretene internationale Institutionen befriedi- gen die grundlegenden Sicherheitsbe- dürfnisse der Ukraine und anderer östlicher Nachbarländer der NATO.

Sie sollten deshalb durch ein Inter- marium ergänzt werden, das als eine regionale Organisation zur gemein- schaftlichen Abwehr hybrider Krieg-

1 Ksenia Szelachowska: The revival of Intermarium. Poland can talk the talk but can it walk the walk?, Stratfor, 14.1.2016.

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führung sowie nichtmilitärischer Un- terwanderungsstrategien Moskaus konzipiert wäre.

Eine solche antiimperiale bzw.

antihegemoniale Allianz würde alle Länder Europas umfassen, die bereit wären, bei der Abschreckung, Ein- dämmung und Neutralisierung rus- sischer Aggression, Inter- vention und Subversion zu kooperieren. Zahlrei- che osteuropäische Län- der spüren in unterschied- lichem Maße die Auswir- kungen russischer Informations-, Handels-, Cyber- sowie „kalter“ oder

„heißer“ Kriege. Eine Koalition der willigen östlichen Mitgliedstaaten des Europarats könnte sowohl Mitglieder als auch Nichtmitglieder von EU und NATO im östlichen Zentrum und Südosten Europas zusammenführen.

Ihre gegenseitigen Beistandsverpflich- tungen könnten hinter jenen des Ar- tikel 5 des Washingtoner Vertrags zu- rückbleiben, müssten jedoch weit ro- buster sein als jene der OSZE.

Eine klare Botschaft an Russland Die offizielle Bildung einer solchen Allianz würde dem Kreml zeigen, dass deren Mitgliedstaaten willens sind, sich in ihren bis dato bilatera- len Konflikten mit Russland gegen- seitig beizustehen und aktiv zu un- terstützen. Das Intermarium würde die Einsätze und Risiken Moskaus bei neuerlichen Eskalationen im Kauka- sus, Baltikum und Donez- Becken so- wie am Schwarzen und Asowschen Meer erhöhen.

Da inzwischen auch Ankaras Be- ziehungen zu Moskau von Spannun- gen geprägt sind, die den Konflikten osteuropäischer Staaten mit Russ- land ähneln, könnte ein Intermarium

über die Grenzen des ehemaligen Ost- blocks hinausreichen. Es könnte die meisten oder gar alle Staaten vom est- nischen Narwa bis zum georgischen Poti an der östlichen Schwarzmeer- küste umfassen, d.h. Estland, Lett- land, Litauen, Polen, Rumänien, Bul- garien, die Ukraine, Moldau, die Tür- kei und Georgien. Es könnte auch die Tschechische Republik, die Slowakei oder Ungarn sowie weitere Staaten in Skandinavien, auf dem Balkan oder im Südkaukasus einschließen. Auch in diesen Ländern nehmen viele Poli- tiker Russland als Bedrohung wahr, erinnern sich an antiimperialen Wi- derstand gegen Moskauer Expansi- onspolitik und könnten aus weiteren Gründen motiviert sein, Kiew, Chisi- nau und Tiflis bei territorialen und militärischen Auseinandersetzungen mit dem Kreml zu unterstützen.

Vorrangige Aufgabe einer solchen Allianz wäre es, eine klare Botschaft nicht nur an Russlands Machthaber, sondern auch an die Bevölkerung zu senden. Ein Intermarium würde sig- nalisieren, dass die Konflikte, die Moskau derzeit an seinen Ost- und Südostgrenzen austrägt, schürt oder plant, in Zukunft nicht nur Ausein- andersetzungen mit schwachen Ein- zelstaaten wären. Jeder Einzelkon- flikt würde fortan in eine multilate- rale Konfrontation mit einer größeren Staatengruppe münden.

Die Mitgliedstaaten des Interma- riums könnten sich gegenseitig unter- stützen, zum Beispiel durch

• gegenseitige Belieferung mit Mili- tär-, Verkehrs-, Kommunikations- und anderer Hochtechnologie, die gegen Moskaus hybride Kriegfüh- rung eingesetzt werden kann,

• enge Koordinierung von Handels- sowie anderen wirtschaftlichen,

Schwache Staaten könnten eine starke Allianz bilden

Litauen Weiß- russland

Russland

Polen

Lettland Estland

Rumänien

Bulgarien

Türkei

Länder eines Intermariums

Ukraine

Moldau

Georgien Schwarzes Meer

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sektoralen und finanziellen Sank- tionen und Blockaden gegen russi- sche Regierungsmitglieder, Unter- nehmen und Eliten,

• logistische Unterstützung bei der Umsetzung militärischer Vertei- digungsmaßnahmen, wirtschaft- licher Sanktionen, Handelsblocka- den und anderer Aktivitäten zum Schutz vor Russland,

• transnationale militärtechnische Forschungskooperation, militä- risch-industrielle Joint Ventures und militärische Manöver zur bes- seren Abwehr bewaffneter Über- griffe und Offensiven Russlands,

• gemeinschaftliche diplomatische Anstrengungen gegenüber Mos- kau im Rahmen von UN, OSZE, WTO oder Europarat,

• systematischen Austausch von ge- heimdienstlichen, militärischen, wirtschaftlichen und sozialwissen- schaftlichen Informationen, Da- ten, Analysen und Forschungser- gebnissen über Russland und des-

sen ausländische Frontorganisatio- nen, Fürsprecher und Agenten,

• koordinierte Maßnahmen zur Neutralisierung von Propaganda und zur Abwehr psychologischer Kriegführung in russischen bzw.

prorussischen Medien,

• die Erleichterung eines Aus- tauschs von freiwilligen Kombat- tanten, Sicherheitspersonal, Mili- tärberatern, Kommunikationsex- perten, medizinischem Personal, Sozialforschern und Waffeninge- nieuren.

Darüber hinaus könnten die Staaten eines Intermariums auch in Bereichen wie Hochschulbildung, Städtepart- nerschaften, Tourismus und Kultur- austausch enger zusammenarbeiten.

Ein formelles Abkommen über eine solche Zusammenarbeit der Län- der eines Intermariums würde dem Kreml und der Bevölkerung Russ- lands verdeutlichen: Mit einem An- griff auf einen von uns, egal mit wel- chen Mitteln, wäre Russland mit Mit-

Litauen Weiß- russland

Russland

Polen

Lettland Estland

Rumänien

Bulgarien

Türkei

Länder eines Intermariums

Ukraine

Moldau

Georgien Schwarzes Meer

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gliedern eines alliierten Blockes von Staaten konfrontiert, die einander ak- tiv beistehen und Wege suchen wür- den, gemeinsam einer solchen Offen- sive entgegenzutreten.

Ein gemeinsames Schicksal

Auf bi- oder trilateraler Basis findet eine Kooperation zwischen den po- tenziellen Mitgliedstaaten eines In- termariums bereits statt, zum Bei- spiel mit der im Aufbau befindlichen polnisch-litauisch-ukrainischen Bri- gade. Und eigentlich gibt es sogar schon ein informelles Intermarium, das – ob eingestanden oder nicht – ein Problem für Moskau ist. Seinen symbolischen Anfang nahm das inof- fizielle Bündnis am 12. August 2008

während des russisch-ge- orgischen Krieges, als die Präsidenten Polens, der Ukraine, Estlands und Li- tauens sowie der Premier- minister Lettlands an ei- ner Kundgebung im Stadtzentrum von Tiflis teilnahmen. Mit ihren spontanen Flügen nach Georgien de- monstrierten die fünf Staatsvertre- ter ihre Solidarität, obgleich sie sich und ihre Begleiter einer beträchtli- chen Gefahr aussetzten, weil an die- sem Tag noch nicht klar war, ob die auf georgischem Boden aktiven rus- sischen Truppen die Hauptstadt stür- men bzw. russische Kampfflugzeuge Tiflis bombardieren würden.

Das Treffen in Tiflis verdeut- licht, dass es in den potenziellen Mit- gliedstaaten eines Intermariums viel- schichtige Gründe für ein solches Bündnis gibt. Die Wahrnehmung so- wohl eines gemeinsamen Schicksals als auch eines geteilten Risikos ist in den Ländern Zwischeneuropas deut- lich ausgeprägt. Für die meisten Bür-

ger West europas sind Südossetien, Transnistrien oder das Donez-Be- cken weit entfernte oder schlicht un- bekannte, uninteressante Regionen.

In den Nationen des Intermariums hingegen gibt es seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten das ge- meinsame Bewusstsein einer Bedro- hung, die einst vom Deutschen sowie Zaren- bzw. Sowjetreich ausging und heute in Putins neoimperialem Russ- land wiedererstanden ist.

Moskaus Annexion der Krim hat nicht nur das Solidaritätsgefühl in- nerhalb Osteuropas gestärkt. Sie hat auch die Türkei und ihre Interes- sen in den osteuropäischen Kontext gebracht. Die bis ins späte 19. Jahr- hundert dominierende Bevölkerung der Schwarzmeerhalbinsel, die histo- risch eng mit den Türken verbunde- nen muslimischen Krimtataren, sind ausdrücklich gegen die Eingliederung der Krim in die Russische Födera tion und werden vom Kreml seit 2014 poli- tisch immer stärker unterdrückt.

Das unklare Schicksal der indige- nen Turkbevölkerung der Krim be- rührt nicht nur einen wunden Punkt in der Geschichte der russisch-türki- schen Beziehungen. Die Krimtataren sind in den vergangenen 25 Jahren lei- denschaftliche Unterstützer des sou- veränen Staates Ukraine als ihr bevor- zugtes Heimatland geworden. Nach unterschiedlichen Schätzungen liegt die Zahl der in der Türkei lebenden Krimtataren zwischen etwa 150 000 und sechs Millionen. „Bis heute ist ein nicht unbedeutender Teil der tonange- benden türkischen Historiker krimta- tarischer Abstammung“, schreibt der deutsch-aserbaidschanische Histori- ker Zaur Gasimov. „Als Bestsellerau- toren und öffentliche Intellektuelle äußern sie sich häufig zu Fragen der

Die Annexion der Krim hat das Solidari-

tätsgefühl gestärkt

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Ankara engagiert sich ganz besonders in der Ukraine

türkischen Politik, der Geschichtsdeu- tung und der Religion.“2

Die Türkei als Partner

Die vormals guten Beziehungen zwi- schen der Türkei und Russland, die zu einem Großteil auf türkischen Wirtschaftsinteressen beruhten, sind seit dem Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs durch die Türkei am 24. November 2015 gestört. Die Span- nungen verschärften sich mit der fort- gesetzten Intervention des Kremls in Syrien, den russischen Wirtschafts- sanktionen gegen die Türkei und ag- gressiven rhetorischen Attacken ge- gen Ankara. Auch als wirt schaftlicher Partner hat Russland an Attraktivität verloren. Schließlich trug die jüngste Eskalation im Berg -Karabach-Konflikt zur Abkühlung der russisch-türki- schen Beziehungen bei.

Es mag deshalb nicht überraschen, dass Ankaras Sympathie für Kiew in jüngster Zeit wächst. Das Ausmaß des neuen Engagements in der Ukrai- ne ist bemerkenswert. Die türkische Führung hat seit Dezember 2015 eini- ge Sofortmaßnahmen zur Unterstüt- zung Kiews ergriffen, zum Beispiel die Lieferung mobiler Militärkran- kenstationen an die Ukraine. Wäh- rend eines Besuchs von Präsident Pe- tro Poroschenko in Ankara Anfang März 2016 unterzeichneten beide Länder eine 21 Punkte umfassende Erklärung zur wirtschaftlichen, kul- turellen und konsularischen Koopera- tion sowie zu einer Reihe von Sicher- heitsfragen, die von Zusammenar- beit bei der Waffenproduktion bis zu gemeinsamer militärischer Aus- bildung reicht. Darüber hinaus hof-

fen die Türkei und die Ukraine, ihre Verhandlungen zur Schaffung einer Freihandelszone in diesem Jahr ab- schließen zu können.

Diese Entwicklungen entlang der West- und Südwestgrenzen Russ- lands haben den Boden für ein In- termarium bereitet. Die künftige Sicher heitsstruktur könnte an ältere Projekte anknüpfen – wie die 2001 gegründete Organisation für Demo- kratie und Wirtschaftsentwicklung

„GUAM“ (Georgien, Ukraine, Aser- baidschan, Moldau) oder die 2005 ge- schaffene Gemeinschaft für Demo- kratische Wahl (Estland, Georgien, Lettland, Litauen, Maze-

donien, Moldau, Rumäni- en, Slowenien, Ukraine).

Diese Vereinigungen sind allerdings eher allgemei- ner als sicherheitspoliti-

scher Natur. In den seit 2012 jährlich stattfindenden Konsultationen zwi- schen den drei potenziellen Interma- rium-Mitgliedern Rumänien, Polen und der Türkei geht es zwar um Ver- teidigungsfragen; sie sind in diesem trilateralen Rahmen bislang aller- dings auf NATO-Staaten beschränkt und tragen nur indirekt zur Lösung der Sicherheitsprobleme Moldaus, der Ukraine und Georgiens bei.

Ein Vorbild für einen neuen Si- cherheitspakt in Osteuropa und im Schwarzmeerraum könnte vielmehr der 2010 geschlossene Vertrag über Strategische Partnerschaft und Gegen- seitige Hilfe zwischen dem EU-Ost- partnerschaftsland Aserbaidschan und dem NATO-Staat Türkei sein.

Der EU-Partner Baku ist mit Chisi- nau, Kiew und Tiflis vergleichbar und

2 Zaur Gasimov: Nahe Verwandte, so fern. Die Türkei, die Tataren und die Krim, Osteuropa, 5–6/2014, S. 311–322, hier S. 314.

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befand sich bis 2010 ebenfalls in einer sicherheitspolitisch prekären Lage. Be- deutsam an diesem Vertrag ist vor al- lem, dass er über die Grenzen der NATO hinausgeht und trotzdem be- stimmten militärischen Beistand der Türkei für das Nicht- NATO-Mitglied Aserbaidschan vorsieht. Im entschei- denden Artikel 2 des Abkommens

heißt es: „Wenn eine der Parteien mit einer bewaff- neten Attacke oder einem militärischen Übergriff ei- nes dritten Landes oder ei- ner Gruppe von Ländern konfrontiert wird, kommen die Par- teien überein, einander beizustehen, um sicherzustellen, dass alle notwen- digen Maßnahmen ergriffen werden, die im Bereich ihrer Möglichkeiten lie- gen, einschließlich des Gebrauchs mi- litärischer Mittel und Kapazitäten, um das inhärente Recht auf indivi- duelle und kollektive Selbstverteidi- gung, wie definiert in Artikel 51 der UN-Charta, umzusetzen. Die Mittel und das Ausmaß dieser Hilfe werden zügig von den Parteien bestimmt.“3 Das Intermarium und der Westen Eine formelle Allianz der bereits ko- operierenden Staaten zwischen Balti- kum und Schwarzem Meer wäre nicht nur in deren nationalem Interesse. Ein solcher Pakt wäre auch für die EU und NATO von Vorteil, würde er doch zu stabileren Grenzen und Partnern im Osten führen und westliches sicher- heitspolitisches Engagement im post- sowjetischen Raum weniger dringlich machen. Deshalb sollte Brüssel ein In- termarium nicht als Konkurrenz oder

Störfaktor betrachten, sondern als Chance für eine dringend notwendi- ge, provisorische Sicherheitsstruktur in Osteuropa und der Schwarzmeer- region bis zur Aufnahme der Ukrai- ne, Georgiens und Moldaus in die EU und NATO. Die Bildung eines Inter- mariums würde den Westen von heik- len Fragen seiner ambivalenten Dop- pelrolle als einerseits entschiedener in- ternationaler Demokratieverfechter, andererseits jedoch zögerlicher euro- päischer Sicherheitsgarant entbinden.

Eine neue Verteidigungsallianz von Nichtnuklearstaaten im Raum zwischen den NATO-Gründungs- staaten und Russland würde nicht nur die Länder des Intermariums si- cherer machen. Sie könnte auch dazu beitragen, die Spannungen in den Be- ziehungen zwischen dem Westen und Moskau abzubauen. Die neue Koali- tion würde Russlands Aufmerksam- keit weg von den USA und der EU hin auf Osteuropa und den Schwarz- meerraum lenken und die paneuropä- ischen zwischenstaatlichen Beziehun- gen umstrukturieren. Die Bildung ei- nes Intermarium-Blocks würde der russischen Elite und Bevölkerung verdeutlichen, dass das Abenteuer- tum des Kremls nati onalen Grund- interessen Russlands widerspricht.

Eine neue Allianz wäre auch für EU und NATO von Vorteil

Dr. Andreas Um- land ist wissenschaft- licher Mitarbeiter am Institut für Euro-Atlanti- sche Kooperation Kiew und Herausgeber der Buchreihe „Soviet and Post-Soviet Politics and Society“.

3 Turkey and Azerbaijan Agreement on strategic partnership and mutual assistance between the Republic of Turkey and the Republic of Azerbaijan. Baku, 16.8.2010, in: United Nations Treaty Collection, 13.4.2014, S. 16 (Übersetzung des Autors).

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