Komplexitätstheorie
Kapitel 7: Orakel
Einleitung
Ein Gedankenexperiment:
• Nimm an, Programm A rufe Unterprogramme B
1,...,B
nauf
• Wir haben ein Orakel, das wir nach den B
ibefragen können
• Orakelantwort kommt nach 1 Schritt zurück (ohne extra Speicherbedarf) Ermöglicht Analyse der Kosten für A relativ zu den Kosten der B
iOrakel erlauben feinere Komplexitätsanalyse mancher Probleme:
• Struktur der Standard-Komplexitätsklassen wird verfeinert
• Einige Orakelklassen haben natürliche vollständige Probleme
Orakel haben wie Nichtdeterminismus theoretischen Charakter
Kapitel 7
Die Polynomielle Hierarchie (PH)
PH
(N)LogSpace, NC, AC, etc: reiche Struktur innerhalb von P
Die polynomielle Hierarchie liefert Struktur zwischen P und PSpace
Definition Minimal Circuit (MC)
Wichtiges Problem für Schaltkreisentwurf:
Schaltkreis C ist minimal wenn | C | | C | f¨ur alle C , die ¨aquivalent zu C sind, also gleiche Anzahl n von Eingabebits und
C (w) = C (w) f¨ur alle w ⇥ { 0, 1 }
nMC ist Menge aller minimalen Schaltkreise.
Was ist die ”richtige” Komplexit¨atsklasse (Vollst¨andigkeit!) f¨ur dieses
PH
Offensichtliches “Teilproblem” ist CEQ := { (C, C ) | C ¨aquivalent zu C }
Lemma
CEQ ist co-NP-vollst¨andig.
Betrachte wieder MC:
• Ist in NP wenn wir einen CEQ-Algorithmus als Unterprozedur ohne Zeitverbrauch verwenden
• Wir k¨onnen beide Algorithmen nicht zu einem NP-Algorithmus
vereinigen, weil der NP-Algorithmus einen co-NP-Algorithmus aufruft ( ⇤⇥ -Charakteristik)
Derartige Probleme sind offensichtlich in PSpace. Man kann deren
Komplexit¨at aber noch exakter bestimmen
Orakel
Orakel: Unterprogramm, dessen Zeitverbrauch ausgeblendet wird,
Definition Orakel-TM
Eine Orakel-TM (OTM) M
Oist eine (deterministische oder nicht-deter- ministische) TM M ausgestattet mit einem Orakel O ⇥
⇥. OTM hat
• ein zus¨atzliches Orakelband
• drei spezielle Zust¨ande q
?, q
+, q .
F¨ur q
+und q sind normale Transitionen definiert. Der Folgezustand von q
?ist q
+wenn das momentane Wort auf dem Orakelband in O ist und q sonst. Kopfposition und Bandinhalte bleiben dabei unver¨andert.
dargestellt als formale Sprache
Also schon gesehen: MC wird von Polyzeit-beschr¨ankter ONTM akzeptiert
Orakel
Orakel-TMs können auch verwendet werden, um komplexitäts- theoretische Annahmen zu formalisieren, z.B.:
• wenn SAT in konstanter Zeit lösbar wäre, welche anderen Probleme wären dann effizient lösbar (in Polyzeit mit SAT-Orakel)?
• wenn das Halteproblem für Turingmaschinen H entscheidbar wäre, welche anderen Probleme wären dann entscheidbar
(von TM mit H-Orakel)
Orakel-TM ist ebensowenig realistisches Berechnungsmodell wie nicht-deterministische TMs
Dennoch können mittels Orakel-TMs natürliche Komplexitätsklassen
definiert werden (natürlich = erfassen viele natürliche Probleme)
Orakel
Definition Orakel-Komplexitätsklassen Sei O ⇥ ein Orakel. Dann:
• P
O:= { L | L wird von ODTM M
Oin poly-Zeit entschieden }
• NP
O:= { L | L wird von ONTM M
Oin poly-Zeit entschieden } Sei C Komplexit¨atsklasse. Dann:
P
C:=
O⇥C
P
ONP
C:=
O⇥C
NP
OSchon gezeigt: MC NP
CEQ, also in MC NP
co-NPLeicht zu sehen: NP
co-NP= NP
NPPH
Einige Beispiele:
• P
P= P, NP
P= NP;
(Integriere Orakel in OTM)
• NP
NP= NP ist hingegen nicht klar, denn co-NP ✓ P
co-NP= P
NP✓ NP
NP• P
NP= P
SATund ebenso f¨ur jedes andere NP-vollst¨andige Problem (Gen¨ugt zu zeigen: P
O✓ P
SATmit O 2 NP
integriere dazu Reduktion O
pSAT in OTM)
co-NP
Cverwenden wir f¨ur NP
CPH: Definition
Die polynomielle Hierarchie entsteht nun durch iteriertes Orakel- anwenden
Definition Polynomielle Hierarchie
•
p1= P , ⌃
p1= NP, ⇧
p1= co-NP,
• F¨ur k 1 sei
–
pk+1= P
⌃pk– ⌃
pk+1= NP
⌃pk– ⇧
pk+1= co- ⌃
pk+1PH: Bild und einfache Eigenschaften
p
1
= P
p
1
= NP
p1= co-NP
...
Echtheit der Inklusionen ist unbekannt.
Lemma
F¨ur alle k ⇥ 1 gilt:
pk⇤
pk pk+1und
pk⇥
pk pk+1p
2
= NP
NP p2= co-NP
NPp
2
= P
NPp
3
= P
NPNPDie Klasse PH
Definition Polynomielle Hierarchie
Theorem
PH =
k 1 pkEs gibt auch eine Klasse für die gesamte polynomielle Hierarchie:
Die polynomielle Hierarchie liegt zwischen P und PSpace:
PH PS PACE
Kollaps der PH
Lemma
Wenn
pk=
pk+1, dann PH =
pk.
Theorem
Wenn PH = PS PACE , dann kollabiert PH.
und P = NP schw¨achste aller dieser Annahmen Anders formuliert: PH kollabiert am ehesten weit oben!
Viele Resultate in der Komplexitätstheorie beziehen sich auf die Echtheit der Inklusionen in der polynomiellen Hierarchie
Also:
pk 1=
pkschw¨achere Annahme als
pk=
pk+1Die polynomielle Hierarchie kollabiert wenn PH =
pkf¨ur ein k 1
Eine nützliche Eigenschaft
Lemma
Eine Aussage über eingeschränkte Interaktion mit dem Orakel
Sei M
Oeine Polyzeit-ONTM mit Orakel O 2 ⌃
pkmit q
+= q
acc(d. h.: M
Oakzeptiert, sobald eine Orakelfrage positiv beantwortet wird).
Dann gilt: L(M
O) 2 ⌃
pk.
Lemma
Sei M
Oeine Polyzeit-ONTM mit Orakel O 2 ⇧
pkmit q = q
rej. Idee:
• rate Orakelantworten im Voraus
• integriere O-Berechnung – verwirf bei abweichenden Antworten sofort
Analoge Aussage per Komplementierung:
Kapitel 7
Logische Charakterisierung der Polynomiellen Hierarchie
Charakterisierung PH
Folgende Charakterisierung generalisiert Definition von NP Theorem
Frage nach Echtheit der Inklusionen in PH: liefern zusätzliche Quantoren- Die Klassen der polynomiellen Hierarchie werden also mittels logischer Ausdrückbarkeit beschrieben
Zur Erinnerung: L 2 NP gdw.
es gibt Polynom q und L
02 P mit L = { w | 9 u 2 { 0, 1 }
q(|w|): (w, u) 2 L
0} .
L 2 ⌃
pkgdw. es Polynom q und L
02 P gibt, so dass
L = { w | 9 u
12 A . 8 u
22 A . 9 u
32 A . . . Qu
k2 A : (w, u
1, . . . , u
k) 2 L
0} ,
wobei A = { 0, 1 }
q(|w|)und Q der sich durch Alternierung ergebende Quantor.
Charakterisierung PH
Lemma
F¨ur L ⇤ ⇤
⇥gilt L ⇧ ⇤
pkgdw. es gibt Polynom p und Relation R ⇤ ⇤
⇥ ⇥so dass
• (w, b) ⇧ R impliziert | b | ⌅ p( | w | )
• R ⇧ ⇥
pk 1(wobei ⇥
p0:= P )
• L = { w | ⌃ b : (w, b) ⇧ R }
Idee:
• Induktion ¨uber k
• Der Fall k = 1 folgt direkt aus Definition NP
• In ” ⇥ ” ist der Beweis b eine Berechnung der NTM zusammen mit Be-
weisen f¨ur die ”ja”-Antworten des Orakels (induktiv)
Charakterisierung PH
Korollar
Beweis: F¨ur L ⇤ ⇥
pkgibt es R wie in vorigem Lemma, verwende f¨ur L : R := { (w, b) ⇤ ⇥ | (w, b) ⇤ / R und | b | ⇥ p( | w | ) }
Aus Lemma + Korollar folgt nun das urspr¨ungliche Theorem:
Ersetze wiederholt ⇥
piund
pidurch ihre Beweissysteme
F¨ur L ⇤ ⇤
⇥gilt L ⇧ ⇥
pkgdw. es gibt Polynom p und Relation R ⇤ ⇤
⇥ ⇥so dass
• (w, b) ⇧ R impliziert | b | ⌅ p( | w | )
• R ⇧ ⇤
pk 1(wobei ⇤
p0:= P )
• L = { w | ⌃ b ⇧
⇥mit | b | ⌅ p( | w | ) : (w, b) ⇧ R }
Kapitel 7
Härte und Vollständigkeit in der polynomiellen Hierarchie
Vollständigkeit
Definition
Lemma
Wenn für PH vollständige Probleme existieren, kollabiert die Hierarchie Aber PH hat wahrscheinlich keine vollständigen Probleme:
Um Probleme korrekt in die polynomielle Hierarchie "einzuordnen", brauchen wir Vollständigkeitsbegriff
F¨ur k 1 ist Problem L
• ⌃
pk-hart wenn L
0
pL f¨ur alle L
02 ⌃
pk;
• ⌃
pk-vollst¨andig wenn L sowohl ⌃
pk-hart als auch in ⌃
pk.
F¨ur ⇧
pk,
pkund PH analog (außer f¨ur
p1= P )
Vollständigkeit
Definition k-QBF
QBF liefert uniforme Familie von „typischen“ vollständigen Problemen F¨ur V = v
1, . . . , v
nschreiben wir ⇥ V als Abk¨urzung f¨ur ⇥ v
1· · · ⇥ v
n⇥ V als Abk¨urzung f¨ur ⇥ v
1· · · ⇥ v
nBeispiel f¨ur 3-QBF: ⇥ v
1⇥ v
2v
3⇥ v
4⇥ v
5.
QBF Q
1V
1· · · Q
nV
n' heißt k -QBF, wenn
• n = k
• Q
1= 9 , Q
2= 8 , Q
3= 9 etc. (Quantoren alternieren)
QBF
kist die Menge aller g¨ultigen k -QBFs.
Vollständigkeit
Theorem
F¨ur alle k 1 ist QBF
k pk
-vollst¨andig.
Beginnt man die Quantorenalternierung mit “ ”, so ist k -QBF
pk-vollst¨andig.
Idee:
• “in ⌃
pk”: benutze logische Charakterisierung
• H¨arte: benutze logische Charakterisierung und ¨Ubersetzung
von TM in AL-Formel analog zum Beweis von Cook’s Theorem
Vollständigkeit
Definition MINSAT
In der Logik gibt es verschiedene natürliche Probleme, die voll- ständig für Klassen der polynomiellen Hierarchie sind.
F¨ur zwei WZen und schreiben wir ⇥ gdw.
(v) = 1 impliziert (v) = 1 f¨ur alle Variablen V ist minimales Modell von AL-Formel ⇥ wenn
• erf¨ullt ⇥
• f¨ur alle , die ⇥ erf¨ullen, gilt ⇥
MINSAT ist die Menge aller Tripel (⇥, v ) mit ⇥ AL-Formel und v Variable so daß (v) = 0 in allen minimalen Modellen von ⇥.
Theorem
MINSAT ist
p2-vollst¨andig.
Vollständigkeit
Für Klassen weit oben in der polynomiellen Hierarchie scheint es nur sehr wenig „natürliche“ vollständige Probleme zu geben
¨Aquivalenzproblem f¨ur kontextfreie Grammatiken ¨uber 1-elementigen (Terminal-)Alphabeten ist
p2-vollst¨andig.
Weiteres natürliches vollständiges Problem z.B.:
Es wird vermutet, dass MC (Minimial Circuit) ebenfalls
p2-vollst¨andig
ist, die H¨arte konnte aber bisher nicht bewiesen werden!
Kapitel 7
P versus NP und das Theorem von Baker, Gill und Solovay
Baker, Gill und Solovay (BGS)
Warum ist P ≠ NP so schwer zu zeigen?
Theorem von BGS bietet eine Erklärung dafür:
Das heißt: ein Beweis für P ≠ NP darf nicht relativierbar sein Das schließt die meisten (elementaren) Beweistechniken aus
Theorem (Baker, Gill, Solovay 1975)
Es gibt Orakel A und B , so dass P
A= NP
Aund P
B6 = NP
B.
BGS: der Fall P A = NP A
Lemma
Idee:
• W¨ahlen als A ein beliebiges PS PACE -vollst¨andiges Problem
• Zeigen: PS PACE
(1)✓ P
A✓ NP
A (2)✓ PS PACE
(1) F¨ur L 2 PS PACE , berechne Reduktionsfunktion f¨ur L
pA und befrage Orakel
(2) F¨ur L 2 NP
A, integriere Orakelberechnung in Basis-ONTM NPS PACE -Maschine
Der einfachere Teil:
Es gibt ein Orakel A, so dass P
A= NP
A.
BGS: der Fall P B ≠ NP B
Lemma
Der anspruchsvollere Teil:
Es gibt ein Orakel B , so dass P
B6 = NP
B.
Idee:
• Eingabealphabet f¨ur alle TM sei { 0, 1 } (o. B. d. A.)
• Ziel: konstruieren Orakel B und Problem L
B2 NP
B\ P
B• Wenn B konstruiert ist, k¨onnen wir L
Bsetzen als L
B= { 1
n| 9 w 2 B : | w | = n } 1. Leicht zu sehen: L
B2 NP
B, unabh¨angig von B
2. M¨ussen noch B ✓ { 0, 1 }
⇤so konstruieren, dass L 2 / P
B,
BGS
BGS’ Ansatz hat zu zahlreichen ähnlichen Resultaten geführt, z.B.:
• Es gibt Orakel A und B , so dass NP
A= co-NP
Aund NP
B6 = co-NP
B.
• Es gibt ein Orakel A, so dass NP
A= co-NP
Aund P
A6 = NP
A.
• Es gibt Orakel A und B , so dass
– f¨ur NP
A\ co-NP
Avollst¨andige Probleme existieren und – f¨ur NP
B\ co-NP
Bnicht
Probabilistische Analyse liefert zudem:
F¨ur fast alle Orakel A gilt P
A6 = NP
AÜber BGS hinaus
„Moderner Nachfahre“ von BGS für Schaltkreistheorie:
Theorem von Razborov und Rudich (1997) schließt natürliche Beweise für super-polynomielle Schaltkreiskomplexität aus
(EATCS-Gödelpreis 2007)
Es gibt neue Ansätze zum Beweis von P ≠ NP,
die weder von BGS noch RR ausgeschlossen werden:
z.B. über algebraische Geometrie (Mulmuley 2012)
Abschließende Bemerkung
Wie viele Komplexitätsklassen gibt es eigentlich?
Hierarchie der Komplexitätsklassen (Ausschnitt)
(NP-cap-coNP)/poly
NP/poly PP/poly
NE/poly
L QNC^1
CSL
+EXP EXPSPACE
EESPACE EEXP
+L
+L/poly +SAC^1
AL P/poly
NC^2 P BQP/poly
+P ModP SF_2 AmpMP
SF_3
NC
1NAuxPDA^p SAC^1
AC^1
FOLL L/poly
AH ALL
AvgP
HalfP
NT
P-Close
P-Sel
P/log
UP beta_2P
compNP AM AM[polylog]
BPP^{NP}
QAM
Sigma_2P
ZPP^{NP}
IP
Delta_3P SQG
BP.PP
QIP[2] RP^{NP}
PSPACE
MIP
MIP* QIP
AM_{EXP}
IP_{EXP}
NEXP^{NP}
MIP_{EXP}
EXPH
APP PP P^{#P[1]}
AVBPP HeurBPP
EXP
AWPP A_0PP Almost-PSPACE
BPEXP BPEE MA_{EXP}
MP
AmpP-BQP BQP
Sigma_3P
BQP/log
DQP
NIQSZK QCMA
YQP
PH AvgE EE
NEE
E Nearly-P
UE
ZPE
BH P^{NP[log]}
BPP_{path}
P^{NP[log^2]}
BH_2 CH EXP/poly
BPE MA_E
EH EEE
PEXP
BPL PL
SC
NL/poly
L^{DET}
polyL BPP
BPP/log
BPQP
Check
FH N.BPP
NISZK
PZK
TreeBQP WAPP XOR-MIP*[2,1]
BPP/mlog
QPSPACE
frIP
MA N.NISZK
NISZK_h SZK
SBP QMIP_{le}
BPP//log
BPP/rlog BQP/mlog BQP/qlog
QRG ESPACE
QSZK
QMA BQP/qpoly
BQP/mpoly
CFL GCSL
NLIN
QCFL
Q
NLINSPACE RG
CZK
C_=L
C_=P
Coh
DCFL LIN NEXP
Delta_2P P^{QMA}
S_2P
P^{PP}
QS_2P RG[1]
NE
RPE NEEXP NEEE ELEMENTARY
PR R
EP
Mod_3P Mod_5P
NP
NP/one US RP^{PromiseUP}
EQP
LWPP
ZQP
WPP
RQP NEXP/poly
EXP^{NP}
SEH
Few P^{FewP}
SPP
FewL LFew
NL SPL
FewP
FewUL LogFew
RP
ZPP RBQP YP
ZBQP IC[log,poly]
QMIP_{ne}
QMIP
R_HL UL
RL PL_{infty}
MP^{#P}
SF_4
RNC QNC
QP NP/log
NT*
UAP QPLIN
betaP compIP RE
QMA(2)
SUBEXP YPP