Girmes-Stein, Renate
Grundlagen einer handlungsorientierenden Wissenschaft von der Erziehung.
Zur Thematisierung des Theorie/Praxis-Verhältnisses bei Erich Weniger
Zeitschrift für Pädagogik 27 (1981) 1, S. 39-51
Empfohlene Zitierung/ Suggested Citation:
Girmes-Stein, Renate: Grundlagen einer handlungsorientierenden Wissenschaft von der Erziehung. Zur Thematisierung des Theorie/Praxis-Verhältnisses bei Erich Weniger - In: Zeitschrift für Pädagogik 27 (1981) 1, S. 39-51 - URN: urn:nbn:de:0111-pedocs-141441 -
http://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0111-pedocs-141441
in Kooperation mit / in cooperation with:
http://www.juventa.de
Nutzungsbedingungen Terms of use Gewährt wird ein nicht exklusives, nicht übertragbares,
persönliches und beschränktes Recht auf Nutzung dieses Dokuments. Dieses Dokument ist ausschließlich für den persönlichen, nicht-kommerziellen Gebrauch bestimmt. Die Nutzung stellt keine Übertragung des Eigentumsrechts an diesem Dokument dar und gilt vorbehaltlich der folgenden Einschränkungen: Auf sämtlichen Kopien dieses Dokuments müssen alle Urheberrechtshinweise und sonstigen Hinweise auf gesetzlichen Schutz beibehalten werden. Sie dürfen dieses Dokument nicht in irgendeiner Weise abändern, noch dürfen Sie dieses Dokument für öffentliche oder kommerzielle Zwecke vervielfältigen, öffentlich ausstellen, aufführen, vertreiben oder anderweitig nutzen.
We grant a non-exclusive, non-transferable, individual and limited right to using this document.
This document is solely intended for your personal, non-commercial use. Use of this document does not include any transfer of property rights and it is conditional to the following limitations: All of the copies of this documents must retain all copyright information and other information regarding legal protection. You are not allowed to alter this document in any way, to copy it for public or commercial purposes, to exhibit the document in public, to perform, distribute or otherwise use the document in public.
Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an.
By using this particular document, you accept the above-stated conditions of use.
Kontakt / Contact:
pe
DOCSDIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation Informationszentrum (IZ) Bildung
E-Mail: pedocs@dipf.de Internet: www.pedocs.de
Zeitschrift für
Pädagogik
Jahrgang
27
-Heft
1
—Februar 1981
I.
Thema:
Rekonstruktion hermeneutischer
Pädagogik
HansScheuerl
ReinhardUhle
OttoFriedrich Bollnow
RenateGirmes-Stein
Ursula Grytzka
MichaelLöffelholz
FriedheimNicolin
Über die
„geisteswissenschaftliche"
Tradition in derPädagogik
undihre Rekonstruktion 1Grundlinien einerRekonstruktion hermeneutisch
prak¬
tischerPädagogik
7Der
Begriff
despädagogischen
Bezugs bei HermanNohl 31
Grundlagen
einerhandlungsorientierenden
Wissenschaftvon der
Erziehung.
ZurThematisierung
des Theorie/ Praxis-Verhältnisses bei ErichWeniger
39Die
gegenwärtige Rezeption
MartinBubersinderPäd¬agogik.
EineSammelbesprechung
neuerer ArbeitenzuBubersDenken 53
Das bedeutsame Vermächtnis Eduard
Sprangers.
An¬merkungen
zurEdition seiner„GesammeltenSchriften"65
Zum Wissenschaftsverständnis der
geisteswissenschaft¬
lichen
Pädagogik.
EineAuseinandersetzung
mit demBuchvonR. B. Huschke-Rhein 75
II.
Literaturberichte
Heinz-Elmar Tenorth
ThomasLehmann/
JürgenOelkers
Über die
disziplinare
Identität derErziehungswissen¬
schaft. Eine
Sammelbesprechung
neuerer Veröffent¬lichungen
85III.
Diskussion:
Lernen für
die Zukunft
-Umwelterziehung
Der„Lernbericht"desClub ofRome 127 PeterKern/Hans-GeorgWittig
Alfred K. Treml
KarlheinzFingerle
Lernenoder
Untergehen?
KritischeAnmerkungen
zum„Lernbericht" desClub ofRome 139
Umwelterziehung: Empfehlungen
und Unterrichtsmo¬ deUe.Zueinem KMK-Beschluß undneuerenVeröffent¬lichungen
145IV.
Besprechungen
Hans Scheuerl
Hans Füchtner
Harm Paschen:
Logik
derErziehungswissenschaft
159Fritz Redl:
Erziehungsprobleme
—Erziehungsberatung
163Hinweisezur
Manuskriptgestaltung
165Pädagogische Neuerscheinungen
167Anschriften
der Mitarbeiter diesesHeftes:
Prof.Dr.Otto FriedrichBollnow,Waldeckstraße27,7400
Tübingen;
Prof. Dr.KarlheinzFingerle,
Lilienweg
30,3500 Kassel;Dr. HansFüchtner,Hessenstraße14,
6231 Schwal¬bach; Dr. Renate Girmes-Stein, Von-der-Tinnen-Straße 4, 4400 Münster; Dr. Ursula
Grytzka,
Reichsstraße56,5300Bonn-Röttgen;
Prof.Dr. PeterKern,Forststraße7,7860Schopfheim;
Dipl.
Päd. Thomas Lehmann, AmKlostergarten
8, 2120Lüneburg;
Dr.Michael Löffelholz,
Billeweg
14, 2057 Wcntorf; Prof. Dr. Friedhelm Nicolin, Forst¬straße 11, 5300
Bonn-Röttgen;
Prof. Dr. Jürgen Oelkers, HochschuleLüneburg,
Wil-schenbrucherWeg
84, 2120Lüneburg;
Prof. Dr. Hans Scheuerl, Bockhorst 46, 2000Hamburg
55; Prof. Dr. Heinz-Elmar Tenorth, Bönfeldstraße 16, 6472 Altenstadt 1; Dr. Alfred K. Treml, Altheimer Straße 2, 7410Reutlingen
24; Dr. Reinhard Uhle,Chrysanderstraße
143, 2050Hamburg
80; Prof. Dr.Hans-Georg Wittig, Haagener
Straße 84, 7850 Lörrach.
Zeitschrift für
Pädagogik
Beltz
Verlag
Weinheim und Basel
Anschriften
der Redaktion: Dr. ReinhardFatke,Brahmsweg
19,7400Tübingen
1;Prof.Dr.AndreasFlitner,Im Rotbad43,7400
Tübingen
1;Prof.Dr.WalterHornstein,Pippin-straße27,8035
Gauting.
Manuskripte
indoppelter
Ausfertigung
an dieSchriftleitung
erbeten. Hinweise zuräußeren Form der
Manuskripte
finden sich am Schlußvon Heft 1/1981,S. 1651, undkönnenbei der
Schriftleitung
angefordert
werden.Besprechungsexemplare
bitte an dieAnschriften der Redaktionsenden.Die„Zeitschriftfür
Pädagogik"
erscheint zweimonat¬lich
(zusätzlich jährlich
1Beiheft)
imVerlag
Julius BeltzGmbH&Co.KG,WeinheimundVerlag
Beltz&Co. Basel.Bibliographische
Abkürzung:
Z. f. Päd.Bezugsgebühren
für das JahresabonnementDM84—+DM4-Versandkosten.Lieferungen
ins Auslandzuzüglich
Mehrporto. Ermäßigter
Preis fürStudentenDM65,—+DM4-Versandkosten. Preis des Einzelheftes DM 18,-,beiBezug
durch denVerlag zuzüglich
Versandkosten.Zahlungen
bitteerstnach Erhalt der
Rechnung.
DasBeiheft wird außerhalb des Abonnementszuei¬ nemermäßigten
PreisfürdieAbonnentengeliefert.
DieLieferung erfolgt
als Drucksacheundnicht im Rahmendes
Postzeitungsdienstes. Abbestellungen
spätestens
8 WochenvorAblaufeines Abonnements.
Gesamtherstellung:
BeltzOffsetdruck,
6944HemsbachüberWeinheim.
Anzeigenverwaltung:
HeidiSteinhaus,Ludwigstraße
4,6940 Weinheim. Be¬stellungen
nehmen dieBuchhandlungen
und der BeltzVerlag
entgegen:Verlag
Julius Beltz GmbH & Co. KG,AmHauptbahnhof
10,6940Weinheim;fürdieSchweizund dasgesamte Ausland:
Verlag
Beltz&Co. Basel,Postfach2346,CH-4002 Basel.Die in der Zeitschrift veröffentlichten
Beiträge
sind urheberrechtlichgeschützt.
AlleRechte,insbesondere das der
Übersetzung
in fremdeSprachen,
bleiben vorbehalten. KeinTeil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche
Genehmigung
desVerlages
inirgendeiner
Form-durchFotokopie,
Mikrofilm oderandereVerfahren-reproduziert
oder in einevon Maschinen, insbesondere von
Datenverarbeitungsanlagen,
verwendbareSprache
übertragen
werden.Auch die Rechte der
Wiedergabe
durchVortrag,
Funk- undFernsehsendung,
imMagnettonverfahren
oderähnlichemWege
bleiben vorbehalten.Fotokopien
für denpersönlichen
undsonstigen
eigenen
Gebrauch dürfen nur voneinzelnen
Beiträgen
oder Teilen daraus alsEinzelkopien
hergestellt
werden. Jede im Bereich einesgewerblichen
Unternehmenshergestellte
oder benutzteKopie
dientgewerb¬
lichen Zwecken gem. § 54(2)
UrhGundverpflichtet
zurGebührenzahlung
andie VGWORT,
Abteilung
Wissenschaft,Goethestraße49,8000München2, vonder die einzel¬ nenZahlungsmodalitäten
zuerfragen
sind.ISSN 0044-3247
RenateGirmes-Stein
Grundlagen
einer
handlungsorientierenden
Wissenschaft
von
der
Erziehung
Zur
Thematisierung
des Theorie/Praxb-Verhälmbses bei Erich WenigerDie
Forderang
nachHandlungsrelevanz
vonpädagogischer
Theorie ist verbreitet, dieMögüchkeiten
ihrerEinlösung
sind umstritten(vgl.
Blankertz1978; Z.f.Päd. 15. Bei¬heft).
Besonders vehement wird dieForderang
dortlaut,
wo an unseren Hochschulenangehende
Lehrerausgebildet
werden.„Wasbringt
mir das fürdie Schule?" ist die Grand¬frage
deserziehungswissenschaftlichen Begleitstudiums,
auf die eine Antwortzugeben
den Lehrenden oft schwer fällt. Unter dem Drack der Verhältnisse
bringt
dann mancher einUnterrichtsplanungsmodell
hervor,wasaber nachjeweils eigener Einschätzung
auch nicht dieLösung
des Problemsbietet,jedoch
-pragmatisch
gedacht
-einbißchen weiter hilft. DieHilfe istgutgemeint,
aberfolgenlos,
letzteresjedenfaUs
in demSinne,in dem siegedacht
ist: alsVerbesserung
bestehender Praxis.—ZumBeleg
dieser These möchte ich auf eineThematisierung
des Verhältnisses von Theorie und Praxiszurückgreifen,
die schon 1929 durch Weniger(1975 a) erfolgte
und deren wesentliche Einsichten verlorenzu
gehen
drohen.1. Zum VerhältnbvonTheorie undPraxbbei Erich Weniger
Bei seinemVersuch,dasVerhältnisvon
erziehungswissenschaftlicher
Theoriezurpädago¬
gischen
Praxiszubestimmen,
macht Weniger zwei wesentlicheVoraussetzungen:
Einer¬ seits seipädagogische
Theorie der Praxis immernachgeordnet,
letzteregehe
ihr alsovoraus;andererseits aber sei Praxis nie ganz ohne
Theorie,
diese sei in üir vieünehr immerschon enthalten.Insofern
gebe
es eineUmklammerung
der Praxis durchTheorie,
aber auch eineUmklammerung
derTheorie durch Praxis. Dieses dialektisch verstandene Ver¬ hältnis zwischenTheorie und Praxis versucht Weniger dadurch näherzucharakterisieren,
daßerdreiGradevonTheorie
unterscheidet,
wobei dieerstenbeiden-Theorieersten und zweiten Grades—als die derPraxis immanenten Theorienbegriffen
werden. Die TheorieerstenGrades meint dabei dieVoreinstellung,
das Gerichtetsein des Prakti¬ kers aufGegenstand
undAufgabe
seines Tuns.DerPraktiker handeltauseinemgewissen
weltanschauüchen,
ethisch-pädagogischen
Apriori
heraus. Diese Theorie ist wederbe¬wußt noch artikulierbar
(Weniger
1975a,S.38f.).
Die Theorie zweiten Gradesergibt
sichfür den Praktikeraustradierten oder
selbstgemachten Erfahrangen,
Leitsätzen, Lebens¬regeln
usw.Sie istzwarauch nicht immer bewußt undabrufbar,
läßt sich aber in derRegel
miteinigem
Bemühen bewußt machen undsprachlich
fixieren(ebd.,
S.39).
Ihnen gegen¬ über steht die Theorie dritten Grades als eine wissenschafthche Theorie. Sie ist der Praxisnachgängig.
IhreAufgabe
istes,das Verhältnis derpraxisimmanenten
TheorienzurPraxiszuklären.Theorie dritten Grades istnursinnvoll und
legitim,
wennsie diePraxiszu ver¬bessern sucht
(ebd.,
S.42).
Wissenschaftüche Theorie hat dieMöghchkeit,
auf die Praxiseinzuwirken,
wennsie die Praxis mit den in ihr enthaltenen Theorien durchAufklärung
zu40
Renate Girmes-SteinOb eine
gegebene
Praxisakzeptabel
ist odernicht,
entscheidet sich mit derFrage,
obdie Theorieerstenundzweiten Grades in einemWiderspruch
zueinander stehen oder nicht. Die Theorie dritten Grades versucht das Verhältnis derpraxisimmanenten
Theoriezuoptimieren,
indem siez.B. dieFremdbestimmungen
inder Theorie zweiten Grades auf¬ deckt und der Praxis bewußt macht.Wenigers Gedanken sindso zu
verstehen,
daß die Theorie drittenGrades,
alsowissen¬schaftUche
Theorie,
der Praxis Antworten aufvondiesergestellte
Fragen
gibt
undfolg¬
üchnurdadurch
praktische
Wirksamkeiterlangt,
daß in derPraxis zuallererstFragwürdig¬
keiten entstehen. NurwennderPraktiker diese
Fragwürdigkeiten
wahrnimmt,
vermag die wissenschafthche Theorie inbezug
auf die Praxisirgendwelche
Bedeutung
zugewinnen.
Fragwürdige
oderproblematische
Praxis besteht für Wenigerdann,
wenn die Theorie zweiten Grades(pädagogische Erfahrungssätze)
zurTheorieerstenGrades(pädagogische
VoreinsteUung)
inWiderspruch
gerät.
Bei derBeschreibung
diesesWiderspruchs
aber entsteht ein vonWenigernicht weiter diskutiertes Problem(vgl.
auch Benner1973,
S.
209ff.):
Wenndie TheorieerstenGrades auf einemweltanschautichen
Apriori
beruht und eine unausdrückücheAnschauung
darstellt,
entzieht sie sich dem direktenZugriff.
Dagegen
istdie Theorie zweiten Grades alsSammlung
artikuüerbarer Lehr- undErfahrungssätze
begreifbar
undsoveränderbar,daßihrgestörtes
Verhältnis zurTheorieersten Gradesaufgenommen
werden kann. EineHilfe dazu soll die wissenschafthche Theorie dritten Grades liefern. Docheserhebt sich dieFrage:
Kannmanüberhaupt
eine Theoriezueineranderen in
Beziehung
setzen, dieunaussprechlich
ist,
vonderman nurweiß,
daßjeder
Praktiker sie besitzt? Welche Kriterien sindangebbar,
umeinegelungene Veränderung
desVerhältnisses dieser beiden Theorien zueinanderzubestätigen?
Zur
Beantwortung
dieserFrage
könnteman zumeinenversuchen,einausgeglichenes
Ver¬ hältnis zwischen beiden Theorien strukturellzubeschreiben und dieseBeschreibung
so¬dannzumKriterium für eneichte oder nicht erreichte
Stimmigkeit
zumachen.-Dem istentgegenzuhalten,
daß einderartig
formalesStimmigkeitskriterium
auch in sich konsi¬stenten Unsinn
gutheißen
muß, solange
er den formalenAnsprüchen
des Kriteriumsgenügt
(vgl.
Langewand1978,
S.92f.).
Dieser Einwand ist insofernberechtigt,
als WenigersFormulierungen
dieseInterpretation
u.U.gestatten.Es wäre dem aber eine andere
Interpretation
entgegenzusetzen, die dem Gedanken Wenigersnach meinem Verständnis ehergerecht
wird: Man könnte das VerhältnisvonTheorieerstenundzweiten Grades auch dadurchzu
präzisieren
versuchen,
daßmandie Theorieersten Grades—anders als Weniger—genauerzuerfassen sucht. Dabei müßte
dem von Weniger
herausgestellten
UmstandRechnung
getragenwerden,
daß sich diepädagogische Aufgabe
immernur ausderjeweiligen
historischbedingten Erziehungspraxis
bestimmen läßt. Dasbedeutet, daßbei derPräzisierung
der Theorieersten Grades das„Pädagogische"
als derAusgangspunkt
und das Kriteriumpädagogischen
Handelns nicht„an
sich",
wohl aber in denBedingungen
seineTMöglichkeit
erfaßt werden müßte. Mankönnte damit zusätzlich einem zweiten Problembegegnen,
das sich ebenfallsausderWENiGERschen
Fassung
des Theorie/Praxis-Verhältnissesergibt.
Wieschonangedeutet,
Grundlagen
einerhandlungsorientierenden
Wbsenschaft
vonderErziehung
41
Praktikers
problematisch geworden,
sohat dieTheorie dritten Gradeseinzuspringen
unddieFunktion der Theorie zweiten Grades
„als
stellvertretendeBesinnung,
alsLäuterung
der in der Praxisangelegten
Theorien,
alsbewußteVorbesinnung
und bewußtenachträg¬
licheKlärang"
zuübernehmen(Weniger
1975a,S.42).
Somit dient die Theorie dritten Grades der Praxis und„gilt
nursoweit,
als sieder Praxishelfen,
als derPraktikeretwasmit denErgebnissen anfangen
kann"(ebd.,
S.42).
Mit dieserÜberlegung
wird das VerhältnisvonTheorie und Praxis
problematisch.
Dadie Theorie dritten Grades durch dievorgeord¬
neteund üir
nachfolgende
Praxiseingeklammert
wird,
ist sie einerseits daraufangewiesen,
daßdie ihrvorausgehende
Praxisvernünftig
ist. Da für Wenigerjedoch
andererseits im Zerbrechen des ZirkelsvonTheorie und Praxis dieLegitimation
fürPädagogik
alsWissen¬ schaftbesteht(da
dieAufgaben
undMöglichkeiten
derErziehung
in der Praxis nicht mehr beantwortbarsind),
„setzt sichjedwede
Theorie, welche
sich in dieser Weiseandievor¬gängige
Praxisbindet,
der Gefahraus,blinde Restaurationzubetreiben undvonden in derPraxis sich stellenden Problemen mehr oderweniger
zuabstrahieren"(Benner
1973,S.
211).
Dieser Gefahr wäre mit einer theoretischen
Fassung
des der Praxis immanenten„Pädago¬
gischen",
dasgleichzeitig Orientierung
wissenschaftlicher Theorieleistet,
zubegegnen.
Theorie dritten Grades wäre nicht
länger
daraufangewiesen,
daß diesie auslösende Praxis„vernünftig"
unddennochproblematisch
wäre; vielmehr könnteunterBezug
auf die in derPraxis bestehendeundbereits bei Wenigerangelegte Trennung
zwischen„Pädago¬
gischem"
(Theorie
erstenGrades)
und dessen angemessenen oder unangemessenen Kon¬kretisierungen
(Theorie
zweitenGrades)
deutlichwerden,(a)
warumPraxisproblema¬
tisch istunddamitTheorie erforderlichmacht,(b)
warumTheorie,obwohlausderPraxisund fürdie Praxisentstanden,dennoch nicht deren
Prinzipien
blind und damitmöglicher¬
weiserestaurativ,übernimmt.Praxis wird
problematisch,
weil sie dem als Kriterium auszuformuüerenden„Pädago¬
gischen"
nichtgenügt,
obwohl siebeanspruchen
sollte,dessen Reatisationzuleisten.Sieevozierthierdurch
Theorie,
die sichihrerseits ebenfalls auf daspädagogische
Kriterium bezieht und Gründe dafürsucht,warumdiePraxis nicht in derLage
war,diesem Kriteriumzu
genügen.
(Denkbare
Antworten wären: intervenierende institutionelle Strukturen,Unkenntnis etwa
entwicklungspsychologischer Zusammenhänge,
defekteLehrerpersön-Uchkeiten,
geseUschafthcher
Außendruckusw.).
— DieseFassung
des Theorie/Praxis-VerhältnissesschüeßtanWenigeran,geht
aberanentscheidender Stelle über ihn hinaus.Einerseits wird daran
festgehalten,
daßerziehungswissenschaftUche
Theorie„Theorie
vonder Praxis und für die Praxis" und somit dieser
nachgeordnet
ist. Andererseits istsodiedem
gegenüberstehende spezifische Umklammerung
der Praxis durch Theorie konse¬quenter
gedacht
als bei Weniger.Mit der
Bemerkung „Erfahrung [als
Ergebnis
pädagogischer
Praxis]
istinWahrheitimmer dasErgebnis
einerFragestellung,
also einer—wennauch nicht ausdrücklichen—Theorie"(Weniger
1975a, S.33)
wollte Wenigerdarauf aufmerksammachen, daß Praxis ohnevorgängige
Theorie gar nicht denkbar ist. Ernenntdiese Theorie„VoreinsteUung"
und wird damit dem Umstandgerecht,
daßessich hierbei eben nichtumeine ausformuliertewissenschaftliche Theorie handelt. Diese
Überlegung
hat ihn abergleichzeitig
dazu be¬ wogen, über diese„unausdrücklicheVoreinstellung"
keine weiterenAussagen
zumachen42
RenateGirmes-Steinund—was
problematischer
ist—dieseVoreinstellung
beipädagogischen
Praktikern und Theoretikern mehr oderweniger unbefragt
voraussetzen(vgl.
auchBenner1973,S.206).
IstdieseVoraussetzung unzulässig
—undeiniges spricht
dafür,
zumindest inbezug
auf den Praktiker bzw.Theoretiker,
derseinTunals Job betrachtet und nichtlänger
mit„ethischem
WillenzurVerantwortung''
handelt—,danngibt
es(a)
keinenGrund,waramdemPraktikerseine Praxis
problematisch
werdensollte,und(b)
besteht damit auch keinAnknüpfungs¬
punkt
für Theorie undfolglich (c)
keinerleiberechtigte Hoffnung,
daßTheorie,
wennsiedennoch
existiert,
j
epraktisch
wirksam wird.—Zusätzlich aber nimmt sich der WENiGERsche Ansatzdurch diefraglose Unterstellung
der Existenz derpädagogischen Voreinstellung
seinekritischeSpitze,
diegerade
in derkriterienartigen Ausformulierang
des„Pädago¬
gischen"
anzusetzenwäre. DerVorwurf Benners undSchmied-Kowarziks, WenigersKonzept
seiunfähig,
denpraktischen
Zirkel und damit seine hermeneutischeBefangenheit
zu
überwmden,
und sei deshalb nicht gegen restaurative Tendenzengefeit,
ist-so gese¬ hen—zunächst nichtunberechtigt.
2. Erich Weniger ab Vertreter kritischer
Erziehungswbsenschaft?
ZurReformuüerung
desWENiGERschen
Konzepts
durch Ilse DahmerInder
Nachfolge bildungstheoretischer
DidaktikhatmansichunterBeibehaltung
wesent¬licher Momente dieses Ansatzes mit
derartig
formutierter Kritikauseinandergesetzt.
Man istdabeizueiner Antwortgekommen,
die sichvonden hierangestellten
Überlegungen
in wesentüchen Punkten unterscheidet. Dennoch soUen diewichtigsten
Gedanken„kritischer
Erziehungswissenschaft",
die sich in derNachfolge bildungstheoretischer
Didaktik be¬greift, aufgezeigt
werden,um vondaausdie hiervertretenePosition deutlicherzuent¬wickeln.
Bezugspunkt
ist daher ein AufsatzvonIlse Dahmer(„Theorie
undPraxis",
1968),
in dem siees
unternimmt,
das Erbe derbüdungstheoretischen
Didaktik„amAusgang
ihrerEpoche"
zusichern und fürzukünftige erziehungswissenschaftliche Forschung
fruchtbarzumachen.
Als
Ausgangspunkt
ihrerÜberlegungen
hält Dahmeresfürwichtig,
die„Theorie
als kriti¬ schen Anwalt und Garanten der Praxiszukonzipieren
und diese Funktion erkenntnis¬ theoretischzusichern"(Dahmer
1968,
S.36).
Ein bedeutender Schritt in dieseRichtung
ist ihrerMeinung
nach schonvonErich Wenigergemacht
worden,
nurbedürften seineÜberlegungen
zu diesem Problem noch einergewissen
Modifikation. Im Anschluß anWeniger, der dasTheorie/Praxis-Verhältnis als Schlüssel für die
Eigenständigkeit
derPädagogik
sieht,
betont sie dieEigenständigkeit
derPädagogik
als Wissenschaft. DenGegenstandsbereich
dieser Wissenschaft bestimmt sie zunächst inAnlehnung
anSchleier¬macher,umsodann im
folgenden
dieseÜberlegungen
auf Wenigerzubeziehen. Für einePädagogik
als Wissenschaft erscheinen ihr dabei fünfGesichtspunkte wichtig: (1)
die Priorität derErziehungspraxis,
(2)
der aufklärende und in keinem Fall vorschreibende Charakterpädagogischer Theorie,
(3)
dievonaußerhalb despraktischen
Zirkelsandiesenheranzutragende Orientierang (die
imKonzept
Schleiermachersvonder Ethikgeleistet
wird), (4)
der„Produktivitätsspielraum",
denesim Verhältnisvonorientierender Theorie und Praxiszuberücksichtigen
gilt
und den Benner(1973,
S.322ff.)
heute mit demTer¬minus
„pädagogische
Differenz"zuskizzierensucht,
(5)
die orientierendeFunktion,
die die TheoriezurErmöglichung
bessererzukünftiger
Praxis neben ihrer aufklärendenFunk-Grundlagen
einerhandlungsorientierenden Wbsemchaft
vonderErziehung
43
tion
notwendig
auch übernehmen muß. Während dieerstenbeiden Punkte deutüch auch alsForderangen
aneine wissenschafthchePädagogik
im Sinne Wenigers zu erkennensind,
gut
dies für die letzten drei nichtsoohneweiteres. Weil nämlichWenigerPädagogik
ausdrücklich als Geisteswissenschaft
konzipiert,
d. h. sieausderImmanenzund Historizi¬ tätdespraktischen Lebenszusammenhangs
zubegreifen
sucht,isteskeineswegs
selbstver¬ständüch,
daß sie dennoch in derLage
seinsoU,denpraktischen
Zirkelzuüberwinden(3),
wodurch sie über eine
„pädagogische
Differenz"(4) hinweg
in derLage wäre,
pädago¬
gische
Praxiszuorientieren(5).
Dahmers Aufsatz
gut
demVersuch, nachzuweisen,
daß in WenigersPädagogik
trotzgeisteswissenschaftlicher Fundierang
die dreiinfragekommenden
Grandaxiome einer wissenschaftlichenPädagogik implizit
-wennvieUeicht auch nicht ausdrücklich-ünmer schonBerücksichtigung gefunden
haben. Sie versuchtdamit eine„SchwachsteUe"
der WENiGERschenKonzeption
zuüberwinden,
die oben bereits mit der Kritik Benners und Schmied-KowarziksanWenigeraufgezeigt
werden konnte.Dem
Vorwurf,
Wenigerverbleibe mit seinerKonzeption
wissenschaftücherPädagogik
impraktischen
Zirkel,
hältDahmerentgegen,daßerauf einem-wennauchvonWeniger manchmal selbstnahegelegten
-Mißverständnis seiner Position beruhe. Indem sieWeni¬
gers
Überlegungen
inbezug
auf Praxis den Status kritischer Reflexion eben dieser Praxisverleiht unddiese ReflexionimSinne Kritischer Theoriezu
begreifen
sucht(vgl.
Dahmer1968,S.
55), begegnet
sie demartikulierten Vorwurf auf zweierlei Weise: Erstens macht sieunterBezug
auf KritischeTheoriedeutlich,daß im AnschlußanWenigereine kritischeunddamit auch verändernde
pädagogische
Theorie denkbarist;seine Theorie ist keines¬ wegsnotwendigerweise
restaurativ. Sie ist aber auch nicht im schlechten Sinnenormativ,
womit sie schonwüßte,
woraufhin derErziehungsprozeß
zugestalten
wäre,damitimplizit
dessenVerfügbarkeit
untersteUend.Gegen
beide Vorwürfe schützt derBezug
aufKritische Theorie als einerPosition,
die ausder kritischen Reflexion undpartieUen
Negation
desBestehenden oder der Praxis die
positive Fortentwicklung
des Menschenundder Gesell¬ schaftzubewirken hofft. Darüber hinaus leistet derRückgriff
auf die Kritische Theorieundzusätzlich noch aufDilthey
(ebd.,
S. 41ff.)
ein Zweites:Erermöglicht
dentheoretischlegitimierten
Einbezug
erfahrungswissenschaftlicher,
d. h.empirisch-analytischer
For¬schungsmethoden
inpädagogische Theoriebildung.
Dahmer versucht Wenigeran denSteUen,
wo er denGebrauchempirisch-analytischer Forschungsmethoden
ausdrücküchabweist,
Unüberlegtheit
und einegewisse
Inkonsistenz derArgumentation
nachzuweisen(vgl.
Dahmer1968,
S.57).
Sie fordertunterBezugnahme
aufdieNotwendigkeit
derVer-objektivierung pädagogischer Forschung
den reflektierten undgezielten
Einsatzderartiger
Forschungsmethoden
undbegegnet
damit einem anderen kritischen Einwand gegen bil¬dungstheoretische
Didaktik,
diese sei etil,,sympathiegeladene[s]
und damitvoreinge¬
nommeneis]
Nachdenken überjunge
Leute"(Schulz
1980,
S.17).
Die konstruktive Aufnahme der an
bildungstheoretischer
Didaktikgeäußerten
Kritikführt Dahmerzueinem
gegenüber
Wenigermodifizierten Verständnis derAufgabe
päd¬
agogischer Theoriebildung:
Wennman voneinem Theoretiker als reflektierendem Prak¬ tikerspreche,
müßtensich Praxis und Wissenschaftzu einer wissenschaftlichen Theorievereinen. Sie akzentuiert damit das VerhältmsvonTheorie und Praxis in der Weiseum,
44
Renate Girmes-Steinkonzipiert
war -,sondern die EinheitvonTheorie und Praxis ist ihr-inAnschlußandie Kritische Theorie—eine Einheit in dererziehungswissenschaftlichen
Theorie.Hiermit scheint ihr der Nachweis
gelungen,
daß Weniger sehr wohl den in AnschlußanSchleiermacher formulierten
Forderungen
aneine wissenschaftüchePädagogik (1)
nachÜberwindung
despraktischen
Zirkels und mithin(2)
Reflexion des„Produktivitätsspiel¬
raums" zwischen Theorie und Praxis sowie(3)
einer orientierenden FunktionvonTheoriegerecht
zuwerden in derLage
ist.3. Probleme einer
Grundlegung wbsemchaftlicher Pädagogik
aufPrinzipien
der Krübchen TheorieEs entstehen
allerdings
mit derAdaptation
der Kritischen Theorie für eine wissenschaft¬ hchePädagogik
neueProbleme:Theoriegeschichtlich
setztdie Kritische TheorieandemPunktan,andemeseinerseits mcht
länger möglich
schien,
voneinembestimmten,
positiv
formulierbaren
Hintergrund
ausgehend,
geseUschafthche
Wirklichkeit als sinnvoll oder alszuveränderndezubegreifen,
esandererseits aber auch nichtakzeptabel
seinkonnte,
dem kritischen Rationalismus die totale
Relativierung
aller Sinn- undOrientierungsfragen
zugestattenund damit
gleichzeitig implizit
alseinzig gültiges Prinzip
das der Rationalität anzuerkennen. Dasso beschriebene Dilemma versuchten Adorno und Horkheimerzulösen,indem sie eine Theorie-ebendie Kritische Theorie—
forderten,
diein derNegation
des Bestehenden das „Aufbützen" desPositiven, „Gemeinten"
bewirken sollte. Diese Theorie verstand sichgleichzeitig
als einepraktische
Theorie in demSinne,indem sie auf eineproblematische,
kritikwürdige
Praxis sichbezog
und derenAufarbeitung
zuihremGegenstand
machte. In derHoffnung,
daß die Adressaten der Theorie in der theoreti¬ schenAufarbeitung
ihretägüche
Praxis wiedererkennen und damit ihre Praxis andersund besser
begreifen
würden, kann man diepraktische
Wirksamkeit von Kritischer Theorie und also auch einer inAnlehnung
ansie formulierten kritischenErziehungswis¬
senschaftbehaupten.
Diese
Behauptung
hataUerdings
mehrereImplikationen,
überdie eine Diskussionnot¬wendig
erscheint:(1)
Dieser Ansatzsetztvoraus, daß denvonPraxisBetroffenen diese ihre Praxis selbstproblematisch
ist. Anders nämlich ist zunächst eine Wirksamkeit der Theorie nichtvorstellbar,weil diese Theoriequasi
eine Antwort darstellt aufFragen,
die gar nichtbestehen,
wasdazuführt,
daß die Antworten nichtbegriffen
werden können.(2)
Der Ansatzsetztweitervoraus,daßesausreicht,
die Praxisnachgängig
zureflektieren. AlleÜberlegungen
sind daraufgerichtet,
die bereitsproblematische
Praxis theoretischzuerfassen,
eineOrientierung zukünftiger
Praxis ist durch die Kritische Theorie imwesent¬lichen nicht leistbar.
(Auf
dieBedeutung
dieser Annahme für dieAdaptation
der Kriti¬ schen Theorie aufErziehungsprozesse
wirdspäter
noch zurückzukommensein).
(3)
Der Ansatz formuliert mit seinem Postulat der Kritik ein im wesentlichen formal bestimmtes Kriterium derEinschätzung
undNeubestimmung
problematisch gewordener
Praxis. Andersgesagt,die theoretischenÜberlegungen
beziehen sich imKonzept
der Kritischen Theorie nicht auf ein ausweisbares Zielgesellschaftlicher
und individuellerEntwicklung
(etwa
wie noch beiMarx),
sondern das Telos aller Kritik besteht in der formalen Abschaf¬fung
objektiv
unnötig
gewordener
Henschaft(Habermas).
Herrschaft wird dann über¬be-Grundlagen
einerhandlungsorientierenden Wbsemchaft
vonderErziehung
45
stimmtemoralische
Normierungen,
dieaufgrund
zuvorbestehender natürücherZwänge
bestanden,
beiÜberwindung
dieserZwänge
außer Kraftzusetzen.Dieses Kriterium derBeurteilung geseUschafthcher
Wirküchkeit dient allem derAufhebung
vonHenschaft,ohne
angeben
zukönnen,
wie etwadieSinnfrage
zu beantworten wäre. Es fordert die„Freiheit
von"ohneAngabe
der„Freiheit
wozu".Auf der
Grundlage
der drei genanntenImplikationen
der Kritischen Theorie bestimmt sich ihr VerhältniszurPraxis undzumVerhältnisvonTheorie und Praxis: Siegeht
in ihremKonzept
vonderPraxisaus, d. h. sieistnachgängige
Theorie: Sie steht andererseits mitihren
Ergebnissen
der Praxis unvermitteltgegenüber,
denn die Theorie kann das der Reflexionfolgende
Handeln nichtrechtfertigen
(Habermas
1974, S.45);
die Kritische Theorie weiß nichtumdie Art undWeise,
in der Theorie konstitutiv und auchbeschreibbarin Praxis
eingeht.
Darumlegt
sie denEinheitspunkt
vonTheorie und Praxis in die Theorieoder mit Habermas in die Reflexion bzw. Selbstreflexion.
Ein
Hauptproblem,
das für dieErziehungswissenschaft
ausderAdaptation
andie Kritische Theorieresultiert,istwohl,
daß nach Habermaserstdann aktiv in densozialen,politischen
undgeistigen Lebensprozeß
desMenscheneingegriffen
werdenkann,
wenn sich bereitswidrige
Gesellschaftsverhältnisse entwickelt haben. Im Primat dernachgängigen,
theore¬ tischenSelbstreflexion im Rahmen hemchaftsfreier Diskurse sieht Habermas den Aus¬ gang des MenschenausihnfremdbestimmenderAbhängigkeit
und normativenZwängen.
Für den
Pädagogen
stellt sich dieSituationjedoch
unteranderen Vorzeichen dar. Er mußgerade
verhindern, daß sichwidrige,
d. h. fremdbestimmende undzwanghafte
Verhält¬ nisse entwickeln.„DerErzieherhatden Heranwachsendennicht,wie der Arzt den Patien¬ ten, zur Selbstreflexion seiner bereitsvollzogenen Werdensgeschichte
zu führen"(Schmied-Kowarzik
1974,S.125).
DieAufgabe
des Erziehersliegt
vielmehrdarin, „demHeranwachsenden eine
gegenüber
demAnspruch
der Wirklichekitzu verantwortendeSelbstverwirklichung"
zuermöglichen.
„Diepädagogische
Sinnbestimmung
vonWeg
und Ziel derBildung
ist nichts anderes als der dialektischeVersuch,dieBedingung
derMög¬
lichkeitenaufzuweisen,
durchdiedemHeranwachsendenvernünftige
menschliche Praxisermöglicht
werdenkann,undzwarals selbstbestimmte"(ebd.,
S.125).
DerErzieher kann und darf nicht warten, bis sich der Heranwachsende in einerproblematischen
Lebenssitua¬ tionbefindet,
umihm dann durchtherapeutische
Reflexionsverfahren da wieder heraus¬ zuhelfen.Ein zweites Problem steckt in dervon derKritischen Theorie
konzipierten Vermittlung
vonTheorie und Praxis in der Theorie. Wie bereits
angedeutet,
fälltesinbezug
auf dieKritische Theorie
schwer,
ihrepraktische
Bedeutung
für die Praxiszudenken: DieErgeb¬
nisse reflexiver Prozesse kommenunterausdrücklicherAusschaltung
desinstitutionellen undsituativenKontextes,auf densie sich dochbeziehen,
zustandeund müssenvondenHandelndenerstwieder auf diesen
bezogen
werden. Wie dieseAufgabe
zubewältigen
ist,überläßt die Kritische Theorie der Praxis mit dem
Argument,
sie wolle undkönnenicht über dieseverfügen.
Sie verzichtet damit auf dieÜbernahmeeinernötig
undmöglich
er¬scheinenden orientierenden FunktionvonTheoriefürPraxis,dieetwasanderes wäre als
Verfügung
über Praxis(vgl.
Schmied-Kowarzik1974,S. 127ff.).
Dadie Kritische Theorie demPrimat der Praxis ein Primat der Theorieentgegensetzt,kannesihr einmal mehr nichtgelingen,
sich alspraktische
Wissenschaftzu etablieren. Es ist eben nichtso,daß-wie Habermas(1975,
S.244)
meint—Er-46
RenateGirmes-Steinkenntnis willen mit dem Interesse an
Mündigkeit
zurDeckung" gelangt.
Esgibt
keineErkenntnisumder Erkenntnis
willen,
diepraktische
Wirksamkeiterlangen
könnte. Nurein aus der
problematischen
Praxis sichergebendes
Interesse vermagpraxisrelevante
Erkenntnisse
(Theorie)
hervorzubringen.
Andersausgedrückt:
„Da das Werden des MenschenzumMenschen...nichtdurch Naturansichfestgelegt
ist und daesderNatur¬wüchsigkeit
überlassen, zurEntfremdung
des Menschen führt(Kant/Schiler/Marx),
bedarf alles den Menschen intendierende Handeln des Menschen einerSinnbestimmung
durchdie Theorie. Da aber dieseSinnbestimmung
des Menschenseineeigene,
auf seine Praxisbezogene
Selbstbestimmung
ist,sokann diese Theorienurim Primat der Praxissich als Theorieerfüllen"
(Schmied-Kowarzik
1974,S.131).
Nach dem
Gesagten
aber kann die KritischeTheorie und eineansieanknüpfende
Erzie¬hungswissenschaft
die im AnschlußanSchleiermacher formuliertenForderungen
aneinewissenschafthche
Pädagogik,
diegleichwohl
einepraktische
Wissenschaftzu seinhätte,mchteinlösen. Zwar
geht
auch einesogenanntekritischeErziehungswissenschaft
vonderVorgängigkeit
derErziehungspraxis
ausund betont ihren aufklärenden aber nichtvor¬schreibenden
Charakter,
auch sucht sie dempraktischen
Zirkel durch radikale Kritikzuentkommen,dochumden
Preis,
eineOrientierung
nichtlänger
denkenzukönnen und damit den,Produktivitätsspielraum'
zwischen Theorie und Praxis unreflektiert dem Zufallzuüberlassen, anstattzuversuchen, die in ihm anzubahnende
Vermittlung
vonTheorieundPraxis theoretisch mitzustrakturieren.
4. Erich Wenigers
Beitrag
zumKonzept
einerpädagogbchen Handlungstheorie
Hältman ander
Forderung
nachOrientierung
derPraxis durch Theorie sowie nach kriti¬scher Reflexion und
gedanklicher
Durchdringung
desProduktivitätsspielraums
zwischen orientierender Theorie und Praxisfest und wiUmandes weiterenbelegen,
daß Weniger mit seinerKonzeption
pädagogischer
Theorie diesenForderangen
nachzukommenver¬mag, siehtmansichgezwungen,anders anzusetzen, als Ilse Dahmer dies
vorschlägt.
Eswäreihr
gegenüber
ander mitWenigerformuUertenForderang
festzuhalten,
die EinheitvonTheorie und Praxisindie Praxiszu
legen,
weil nämüch in ihr diezumErreichen einerEinheit erforderliche
Vermittlung
zwischen Theorie und Praxis alleinzuleisten ist. Han¬deln
(Praxis)
ist als derMomentfestzuhalten,derzumeinenjenes
theoretischunverfüg¬
bare,
subjektive
Momentumschließt undzumanderen dieErgebnisse
vonTheorie undReflexion Realität werden läßt.Wie diese
Vermittlung
imSubjekt geleistet
wird,
dieszubeschreiben wäre
Aufgabe
einerHandlungstheorie,
zumal einerpädagogischen
Hand¬lungstheorie.
DieHandlungstheorie
hätte-grob
skizziert-dieVermittlungsleistung
desSubjekts,
dieeszwischeneigener
Praxis und Theorieleistet,
zubeschreiben. Sie würde als solche den„Produktivitätsspielraum"
bzw.jene „pädagogische
Differenz"begrifflich
zuerfassen suchen undzu
zeigen
haben,
welchen Charakter Theorien habenmüssen,wennsie in
bezug
auf Praxis eine orientierende Funktion übernehmen wollen.Wenigers
Aufarbeitung
des Theorie/Praxis-Verhältnissesgibt
bereits zahlreiche Hin¬weise,
wieetwadie Differenz zwischen Theorie und Praxiszudenken ist. Zunächst machenWenigers
Überlegungen
deutlich,
warum manjenen Spielraum
denkenmuß,weil nämlich keine Theorie vorstellbarist,
die der Praxis ihrTunvorschreiben könnte. Theoriegeht
inGrundlagen
einerhandlungsorientierenden Wbsemchaft
vonderErziehung
4 7
Praxis immernur
ein,
letztere ist nicht ihreUmsetzung.
Dennoch ist Theorie der Praxis-jedenfalls
in WenigersKonzept—auch
nieäußerlich. Neben denpraxisimmanenten
Theo¬ rienerstenundzweiten Gradesgeht
diewissenschaftliche Theorie dritten GradesausderUnzulänglichkeit
der Praxis hervor. Aber auch sie ist in Praxisbefangen,
insofernsievonder
pädagogischen Aufgabe
durchdrungen
seinmuß,
wenn sie der Sache angemessenurteilen will
(Weniger
1975a,S.43).
„Produktivitätsspielraum"
meint bei Weniger nichtTrennung
vonTheorie undPraxis,
sondern Einsicht in ihre dialektischeAufeinanderbe-zogenheit.
Weniger beschreibt diese Dialektik und damit die Straktur des„Spielraums",
indem er
verdeuthcht,
daß sich Theorie zweiten Grades als geronneneErfahrung
ver¬stehen
läßt,
die sichausdemAufeinandertreffenvonTheorieerstenGrades undpädago¬
gischer
Situationergeben
hat. Theorie(zweiten Grades)
istKonelatvonErfahrang,
um¬gekehrt
aber istErfahrung
nurmöglich
durch Theorie(Theorie
erstenGrades) (vgl.
Weniger1975a, S.33).
Zuorientierenvermögen
nach WenigernurdieTheorien,diediesem
Zusammenhang Rechnung
tragen,d. h. die sich alsErfahrung
strukturierende undErfahrung
fixierende Theorienbegreifen.
Dabei bleibt aber die
Frage,
wie in einem solchenKonzept
eine denpraktischen
Zirkel überwindende theoretischeOrientierung
zudenkensei,gestellt
und bis hierhin unbeant¬wortet. Wie oben bereits
angedeutet,
könnteman zurBeantwortung derFrage
jene
für allesgrundlegende
TheorieerstenGradeskriterienartig
zupräzisieren
undzubegründen
versuchen.Dadas
„Pädagogische"
nicht alsapriorische
Größegedacht
werden kann und als solche immer schonvorausgesetzt würde,soll hiervorgeschlagen
werden,esausseinerEntstehung
zubegreifen.
Esist wiejede
Einstellung
gelernt
undlernbar und damitErgeb¬
nis eines bestimmtenEntwicklungs-
undSozialisationsprozesses.
DasPädagogische
istErgebnis
vonErfahrungen,
die ihrerseitsErgebnisse
des AufeinandertreffensvonTheo¬rien undSituationen,also
Erfahrungen,
sind.Zuseiner weiterenPräzisierung
könntemanfolgüch
versuchen,den Prozeß derVermittlung
vonTheorie und SituationzuErfahrangen,
die dann wieder Theorien
konstituieren,
in einer Theorie derErfahrung
zubeschreiben(vgl.
Girmes1980). Allerdings
könntevoneinerderartigen
Theorie das Entstehen belie¬biger
Erfahrangen
und in derFolge
Theorien undEinstellungen
beschrieben werden. Ein orientierendes Kriterium istfolglich
von einer solchen Theorie nichtzuerwarten, esseidenn,
esgelänge
mit ihrerHilfe,
dieGrundlagen jener
spezifischen
Erfahrangen
zube¬schreiben,
diesich im„Pädagogischen"
niederschlagen.
Dazu müßtemanallerdings
vonformalen
Bestimmungen
zunächst absehen undinhaltlichpräzisieren.
Hierzu möchte ich noch einmal auf das
Konzept
Wenigers bzw. das derbildungstheoreti¬
schen Didaktik zurückkommen:ZwarwarfürWeniger
„das Pädagogische"
als TheorieerstenGrades eine
„unausdrückliche Anschauung",
dennochwardiesefaßbarer,alsunsdasaus
heutiger
Sicht erscheinen mag. Für diebildungstheoretische
Didaktik und insbe¬sondere für Wenigergabeseine recht stabile
Orientierung
allenpädagogischen
Bemü¬hens amIdeal der
Bildung.
In diesemwarformuliert,
woraufhin derErziehungsprozeß
auszurichtenwar,was anseinem Endezustehen hatte.Was ineinem bestimmten histori¬
schen Moment
Bildung
bedeutete, warnach WenigersVorstellung
im„Lehrplan"
(vgl.
Weniger 1975b)
formuliert und konkretisiert.DerLehrplan
wiederum wurdeimKampf
der
gesellschaftUchen
Mächteunterder vermittelnden Instanz derPädagogik
ausgefoch-ten, wobei dieMöglichkeit
zudieserAuseinandersetzung
sowie der besondere Status der48
Renate Girmes-SteinMitseiner Theorie des
Lehrplans
unterstellteWenigerzweierlei: Zunächstging
erdavonaus,daß eine
ungefähre
inhaltlicheSkizzierung
dessen,wasBildung
sei,
möglich
und sinn¬voll wäre. Zum anderen unterstellteermit demvonihm
vorgeschlagenen
„Aushandlungs¬
prozeß",
daßesprinzipieU mögüch
seinmüsse,individuelle undgesellschaftliche
Entwick¬lung
inbezug
aufeinegemeinsame
Zielperspektive
miteinanderzuvermitteln. AUein dieseÜberlegung
machtesnämlichmögüch,
den Staatals Garanten der Freiheit derPädagogik
zudenken,
denn nach dieserVorstellung
ist dem Staat und derPädagogik
dasInteressegemein,
eineVermittlung
gesellschaftlich
konträrerPositionenherbeizuführen,
eine Ver¬mittlung,
die diePädagogik
zubewirken in derLage
ist,deshalb die ihrvonStaats wegengarantierte
Freiheit. Hinter diesenÜberlegungen
steht eine im wesentlichenpositive
Vor¬stellung
vommöglichen
Verlauf dergesamtgeseUschaftlichen
Entwicklung
bzw. der Ge¬schichte. Dies heute kritikloszuteilenwäretöricht. Auch die
Vorstellung,
daß die Inter¬ essender„gesellschaftlichen
Mächte" letztlichkompatibel
seien mit dem Interesse derIndividuen,ist kaum
länger
haltbar. Damit aber ist demBildungsbegriff
der Bodenent¬zogen, ohne daß
vorläufig
einÄquivalent
für ihnsichtbar wäre.Man könntenunmitDahmer, Blankertz,Mollenhauer die
Konsequenz
ziehen,
daß dieBestimmung
vonBildung
unddamit auch des„Pädagogischen"
nurnochnegativ möglich
sei,
indemmansagt, wasnichtBildung
ist,waspädagogisch
nichtverantwortetwerden kann.„Allerdings
läßt sichvondaher keineDidaktikpositiv auslegen,
wohl aber ein nega¬ tives Kriteriumentwickeln,
das dempädagogisch
Unverantwortbaren konkret widersteht und sich eben dadurch zurorganisierenden Kategorie qualifiziert" (Blankertz
1980,S.
36).
Demistmit den oben bereits formuliertenArgumenten entgegenzuhalten,
daßsichso verstandene
erziehungswissenschaftliche
Theorie einerOrientierang pädagogischer
Praxis enthält. Darüber hinaus ist sie
aufgrand
solch theoretischerAusrichtung
nicht in derLage,
dasInteresse,auf das hinsieauszulegen
wäre,unddasausdem„Pädagogischen"
resultiert,theoretischzureflektieren noches
praktisch
zuerhalten oderzuerzeugen.Das heißt aber
umgekehrt,
daß die theoretischeEinlösung
dieser beidenForderangen
nachOrientierang
der PraxisunterReflexion undErhaltung
desvonderPraxisausgehen¬
den Interesses, ein
Äquivalent
für denBildungsbegriff
erforderlich macht. Dabei muß diesesÄquivalent
dergegenüber
dem altenBildungsbegriff
geäußerten
KritikRechnung
tragen: Es muß sich(1)
kritischzumBestehenden,d. h. auchzurbestehendenpädagogi¬
schen
Praxis,
verhalten,undesdarf(2)
wohlorientierend,
nicht aber normativ sein. Es hat sich-sokönnteman(3)
fordern-andenwidersprüchlichen
Interessenvongesellschaft¬
licher undindividueller
Entwicklung
auszurichten und diese dialektischso zuvermitteln,
daßesdemIndividuumam
vorläufigen
Ende einesEntwicklungsprozesses
dieMöglichkeit
eröffnet, trotz relativer
Integration
in die Gesellschaft sichmöglicherweise
gegen dieseEntfaltungs-
undErfahrungsfähigkeit
zuerhalten.Diese
Entfaltungs-
undErfahrangsoffenheit
kann und mußmanrelativ konkret beschrei¬ben,wasden
vorliegenden
Rahmenallerdings
sprengen würde(vgl.
Girmes1980).
In der Literatur werden Ansätze hierzuu.a.unterdem Terminus„postkonventionelles
Bewußt¬ sein" diskutiert(Habermas
1976; Kohlberg1974;
Döbert/Nunner-Winkler1975).
Erfahrungsfähigkeit
alsFolge postkonventionellen
Bewußtseins ist ein auch außerhalb despraktischen
Zirkels formulierbaresundvorallembegründbares
Postulat. Esist die theore¬ tischkonsequente Umsetzung
einesgesellschaftlichen
Entwicklungsstandes,
in demin-Grundlagen
einerhandlungsorientierenden Wbsemchaft
vonderErziehung
49
haltlich fixierte
Orientierangen
(Normen
undWerte)
keineaUgemeine
Verbindüchkeit mehrbesitzen. In dieser Situation soUte dasSubjekt
dieVerbindüchkeit ihmzugemuteterOrientierungen
daran messen,welcheErfahmngsmögüchkeiten
sie ihm selbst und denMitsubjekten
lassen. Dazu mußesin derLage sein,
seine bestehendenOrientierungen
zurDisposition
zusteUen,
was,verkürztgesagt,ein hohes Selbstbewußtseinvoraussetzt.Dieses Selbstbewußtsein-undmit ihmErfahrungsfähigkeit
-zueneichen,istOrientierang
undZiel des
Bildungsprozesses,
ohne daß dieser dabei in seinerje
spezifischen Ausformung
bereitsfestgelegt
wäre.DieOrientierung
desBildungsprozesses
anderErmögüchung
vonErfahrungsmöghchkeit
ist dasÄquivalent
für denfragwürdig gewordenen Bildungsbe¬
griff,
sieverbürgt,
daß sich der„Zögling"
zwargegen die konkreten Inhalte seines Bil¬dungsprozesses
abzugrenzen
vermag, nicht aber vermag erzurückzufaUen hinter die imBüdungsprozeß
eneichteErfahrangsfähigkeit,
welcheihm-und das ist das Ziel allerpäd¬
agogischen Bemühungen
-dieSelbsterhaltung
alsSubjekt ermöglicht.
Mit dem hiernur
grob
skizziertenÄquivalent
füretilen nichtlänger
haltbarenBildungs¬
begriff
wärenunmögUcherweise
die Foliezurückgewonnen,
vorderenHintergrund
das Entstehen desPädagogischen
beschrieben werden könnten. Das„Pädagogische"
würde sichvordiesemHintergrund
ausderErfahrang
derNotwendigkeit
einerVermittlung
zwi¬ schen individueUen undgesellschaftlichen
Interessenimjeweüs
eigenen Bildungsprozeß
des
Pädagogen ergeben.
Eswäre dieKonsequenz
der-u.U. selbst leidvoUerfahrenen -tendenziellen
Widersprüchlichkeit
dieserbeiden Momente. Diemöglicherweise
entwick¬lungshemmenden
oder -störenden Einflüsse dieserWidersprüchUchkeit
würde der Er¬ zieheraufgrund
dersoentstandenen und sodann bewußtgemachten
pädagogischen
Vor¬einstellung
zulindern bemüht sein.Esmüßte als
Aufgabe
wissenschaftlicherPädagogik begriffen
werden,diesepädagogische
VoreinsteUung,
die auf derGrundlage eigener Erfahrang
als das Ziel desBildungsprozesses
die oben skizzierteErfahrungsfähigkeit
anstrebt,zuallererst herzustellen oder—wo sie vorhanden ist-ins Bewußtseinzuheben. Damit würden zwei Momente
pädagogischen
Handelns
ermöghcht,
die heute für ein Handeln impädagogischen
Feld-zumindestder Schule-unerläßlich erscheinen und als solcheüberWeniger hinausweisen: Erstens istvordem
Hintergrund
dieserEinstellung
Schulkritik einnotwendig
auftretendes Moment allerpädagogischen
Reflexion;
denneswirddemErzieher,
inunseremFall demLehrer,schnelldeutüch,daß in derInstitution Schule bestimmte
gesellschafthche
InteressenzumTragen
kommen,derenRelativierung
oderBrechung
—wieesin
bildungstheoretischer
Tradition hieß—im Rahmen eben dieser Schule kaumzureaUsieren ist. Daraus
ergibt
sich zweitens ebenfalls
notwendigerweise
eine kritischeEinsteUung
gegenüber
derGesell¬schaft,
die diese Schuleetabliert hat. Schulkritik und Gesellschaftskritik aber resultierenaus der
Erfahrung
derDiskrepanz
zwischen dempädagogischen
Wollen,
derpädagogi¬
schen
Voreinstellung
und den aktuellenMögüchkeiten
undBedingungen
derSituation;diese
Erfahrung
zu machen bedeutetauch,
denWidersprach
zuspüren
zwischen-mit Weniger-derTheorieerstenund der Theorie zweiten
Grades,
bedeutet schließUch das Entstehen eines Bedürfnisses nach Theorie(dritten Grades).
Dieses Bedürfniszubefrie¬digen,
könnte einererziehungswissenschaftlichen
Theoriegehngen,
die dieZielperspek¬
tivepädagogischen
Handelns in einer wissenschaftlichen Theorie derBildung
und Erzie¬hung
und despädagogischen
Handelns konkret macht. Eine solche Theorieermöglichte
50
Renate Girmes-Steinnicht nur
wüßte,
welche Faktoren denEntwicklungsprozeß
seiner Schülerbehindern,
sondern auch
fähig
wäre,die Momente derErziehungssituation
zunutzenundsoweit wiemögüch gezielt
herbeizuführen,
von denen erwüßte,
daß sie denEntwicklungsprozeß
seiner Schüler unterstützen.
Dies ist derPunkt, andem die
Überlegungen
über den Ansatz einer allein„kritischen"
Erziehungswissenschaft hinausgehen.
EineamZiel derErfahrungsfähigkeit ausgerichtete
Pädagogik
vermag mittels diesesZiels,
in demdie Dialektik desgesamtenEntwicklungs¬
prozesses
aufgehoben
ist,
daspädagogische
Handelnzuorientieren,ohneesvorherzube¬stimmen. Die
Orientierang erfolgt
überdie in der Theorie formulierten Maximen undPrinzipien,
die dieBedingungen
derMögüchkeit
eines in Hinsicht auf das ZielErfahrungs¬
fähigkeit gelungenen Bildungsprozesses
angeben.
Die Maximen undPrinzipien geben
die Straktur und Qualitätpädagogischen
Handelns an(Bubner 1976);
diese Qualität zurealisieren,
bleibt dieunverfügbare
aberjetzt
nicht mehrorientierangslose
Aufgabe
des Erziehers in derjeweüs
konkretenpädagogischen
Situation.5. Fazit
Kommenwirandieser Stelle auf den
Ausgangspunkt
unsererÜberlegungen
zurück: DieFrage war, wie
erziehungswissenschafthche
Theorie einenBezug
zur Praxisgewinnen
könne,undzwarmit der
berechtigten
Aussicht,
als Theorie eine bessere Praxiszuermög¬
lichen. Daß ich diese
Möghchkeit
allenpragmatischen
undpraktizistischen
Theorien ab¬spreche,
warmeineAusgangsthese.
Gegenüber
diesen Ansätzen sollteamTheorienkon¬zeptErich Wenigers verdeutlicht
werden,
daßderdort immer wieder betonteBezug
auf dieallespädagogische
DenkenstrukturierendeBefangenheit
anderpädagogischen
Auf¬gabe
unverzichtbarerBestandteiljeder pädagogischen
Theoriezusein hat. Ohne diesenBezug
-soist im AnschlußanWenigerzuformulieren-ist keinewissenschafthche Theo¬ rie
denkbar,
die ihrenGegenstand
trifft,noch istzuhoffen,
daß einPraktiker,
dem dieseBefangenheit abgeht,
etwasmitpädagogischer
Theorie im Sinne derpädagogischen
Auf¬gabe anzufangen
vermag.Theorien,die sich selbst
gegenüber
nicht auszuweisen in derLage sind,
worinsie diepäd¬
agogische Aufgabe
sehen,nochversuchen,ihreAdressaten bei derKlärang
diesergrund¬
legenden Frage
anzuleiten undzuunterstützen,sindpraktisch folgenlos.
Sie sindes,weil das,was vonihnen im einzelnenaufgeführt
wird,
sich weder seiner Position selbst bewußtist,noch dem Adressaten über dessen
jeweilige
Prämissen Klarheit verschafft. Wenn aber dieVorstellung
vondem,wasdieAufgabe
derErziehung
ausmacht(Weniger:
Theorieersten
Grades),
strukturierend ist für das Verständnis desErziehungsprozesses
und seinerTheoretisierung (Weniger:
Theorie zweiten und drittenGrades),
dannrezipiert
und machtjeder
Adressatanundmit einerpragmatischen
oderpraktizistischen
Theorie,
was erwill,
je
nachdem aufwelcher FolieerdieAusführungen
derTheorie wahrnimmt. Willmandas nicht—undmankann esnicht wollen
—,mußmanTheorienunter
Klärung
desVorverständnisses und in