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Flächen und Volumina in Frühzeit und Antike. Diplomarbeit

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Academic year: 2022

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Flächen und Volumina in Frühzeit und Antike

Ein Unterrichtskonzept mit historischer Grundlage

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Naturwissenschaften

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Theresa PETRITSCH

am Institut für Mathematik und Wissenschaftliches Rechnen Begutachter: Univ.-Prof. Dr.phil. Bernd Thaller

Graz, am 3. August 2020

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Abstract

Die vorliegende Diplomarbeit besteht aus zwei Teilen. Im ersten wird die Geschichte der Flächen- und Volumenberechnung von der Frühzeit bis zur Antike betrachtet. Dabei wird die Rolle der Mathematik in den Hochkulturen der Ägypter und Babylonier als Hilfsmit- tel in der Praxis beschrieben, und ihre Veränderung zu einer exakten Wissenschaft im antiken Griechenland unter Mathematikern wie Thales, Euklid oder Archimedes.

Der zweite Teil stellt ein Unterrichtskonzept mit historischer Grundlage für die achte Schulstufe zur Einführung der Oberflächen- und Volumenberechnung von Zylinder, Ke- gel und Kugel vor. Lehrplangemäß ist bei diesem der Schwerpunkt auf das eigenständige Arbeiten der Schülerinnen und Schüler gelegt und bietet deshalb eine Vielfalt an Unter- richtsmedien und -methoden.

This diploma thesis consists of two parts. In the first one, the history of area and voluminal calculation from protohistory to antiquity will be examined and summarized. This chapter will also describe the role of mathematics in the high cultures of Egypt and Babylon as a practical tool, as well as the changes towards exact science in ancient Greece under mathematicians like Thales, Euclid, and Archimedes.

In the second part, a concept for a lesson plan will be presented, based on the historic knowledge presented in the previous chapter. It was developed for the eighth grade and introduces surface and voluminal calculation of cylinder, cone and sphere. According to the curriculum, the main focus has to lie on the students’ independent work and the concept therefore offers a multitude of teaching methods and media.

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Danksagung

Ein paar Zeilen in einer Diplomarbeit sind viel zu wenige, um meine Dankbarkeit für mei- ne Familie und meinen Partner ausdrücken zu können. Meine Eltern haben mir nicht nur erst mein Studium ermöglicht, sie haben, so oft ich auch gezögert habe, immer an mich geglaubt und mich, wann immer sie konnten, unterstützt, mir geholfen und auch jeden noch so späten Anruf in der Nacht entgegengenommen. Ihr habt zu uns Kindern immer gesagt, dass wir alles schaffen können, wenn wir nur daran glauben und diese Worte habe ich mir in den letzten Jahren auch als Erwachsene immer wieder in den Kopf gerufen.

Ich habe das Glück, nicht nur eine, sondern gleich zwei großartige Schwestern zu haben!

Ich danke euch beiden von ganzem Herzen, dass ihr immer für mich da seid, mir mit eurem Rat beiseite steht und die zwei coolsten Menschen seid, die ich kenne! Und Kathi, danke dass du dich jahrelang mit meinen Beistrich- und Rechtschreibfehlern herumgeschlagen hast!

Danke an den großartigsten Partner, den man sich nur wünschen kann. Niemand hat die Auf- und Abs meines Studiums und meiner Nerven so mitbekommen, wie mein längster Mitbewohner, mein bester Freund, mein Partner David. Ohne dich, deine Unterstützung, deine aufbauenden Worte, hätte ich es nie so weit geschafft. Du hast die letzen Jahre zu den schönsten meines Lebens gemacht. Und schau, nach fünf Jahren Überredungskunst nutze ich endlich LaTeX!

Lieber Opa, liebe Oma, ich würde euch so gerne erzählen, wie die letzten beiden Jahre waren, wie viel ich erlebt und gesehen habe. Leider kann ich es nicht mehr und es bricht mir das Herz, dass ihr nicht mehr bei uns seid. Ihr habt so oft gesagt, wie stolz ihr auf eure Enkelkinder seid und ich konnte euch nie sagen, wie stolz ich bin, Großeltern wie euch zu haben. Danke für die viel zu kurze Zeit mit euch, ich vermisse euch.

Und ihr alle, meine Freundinnen und Freunde, die ich euch teilweise seit meiner Grund- schulzeit kenne, teilweise erst in meiner Studienzeit finden durfte: Ihr habt mein Leben so viel sonniger gemacht. Nie habe ich so viel gelacht, wie mit euch, so viel erlebt wie mit euch, so viel gesehen wie mit euch. Ihr habt diese Jahre so viel leichter gemacht und in mein Leben so viel Freude gebracht!

Und ein großer Dank geht an Herrn Professor Thaller, den ich sehr spontan mit der An- frage der Diplomarbeitsbetreuung überfallen habe und der sich trotz meines Zeitdrucks dazu bereit erklärt hat, mich auf diesem Weg zu begleiten! Danke für Ihre Unterstüt- zung, Ihre Tipps und Rückmeldungen und Ihre Erreichbarkeit sogar an Wochenenden oder Feiertagen!

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Genderhinweis

In den Kapiteln Die Geschichte der Mathematik in Frühzeit und Antike - Ein Überblick, Flächen- und Volumenberechnung in der Frühzeit und Flächen- und Volumenberechnung in der Antike werden aufgrund der verwendeten Quellenlage personenbezogene Bezeich- nungen nicht gegendert. Dabei handelt es sich jedoch nicht um das generische Maskulin, denn in diesen Quellen werden die Epochen der Frühzeit und Antike behandelt, in de- nen nur männliche Mathematiker aufscheinen. Dementsprechend ist die Sprache in den erwähnten Kapiteln angepasst und soll keine Geschlechterdiskriminierung implizieren.

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 8

2 Die Geschichte der Mathematik in Frühzeit und Antike - ein Überblick 11 3 Flächen und Volumenberechnung in der Frühzeit 15

3.1 Historischer Überblick . . . 15

3.2 Erste Zeugnisse . . . 17

3.3 Flächen- und Volumenberechnung im Alten Ägypten . . . 18

3.3.1 Metrologie . . . 20

3.3.2 Die Papyri Moskau und Rhind . . . 20

3.4 Flächen- und Volumenberechnung in Mesopotamien . . . 25

3.4.1 Metrologie . . . 26

3.4.2 Zahlensystem und Zahlenschreibweise . . . 26

3.4.3 Mathematische Texte . . . 27

4 Flächen- und Volumenberechnung in der Antike 32 4.1 Historischer Überblick . . . 32

4.2 Ein Wandel in der Mathematik . . . 36

4.3 Die ionische Epoche . . . 36

4.3.1 Thales und Pythagoras . . . 37

4.3.2 Demokrit von Abdera . . . 38

4.4 Die athenische Epoche . . . 40

4.4.1 Eudoxos von Knidos . . . 41

4.5 Die hellenistische Epoche . . . 44

4.5.1 Euklid von Alexandria . . . 45

4.5.2 Archimedes von Syrakus . . . 46

5 Ein historischer Zugang zu einem mathematischen Thema 59 6 Unterrichtskonzept 62 6.1 Methoden . . . 62

6.2 Lehrplanbezug . . . 63

6.3 Übersicht der Stundenplanungen . . . 64

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6.4 Stundenplanungen . . . 65

6.4.1 Planung der ersten (optionalen) Stunde . . . 65

6.4.2 Planung der zweiten Stunde . . . 70

6.4.3 Planung der dritten Stunde . . . 75

6.4.4 Planung der vierten Stunde . . . 79

6.4.5 Planung der fünften Stunde . . . 83

6.4.6 Planung der sechsten Stunde . . . 93

6.4.7 Planung der siebten Stunde . . . 96

7 Ausblick 99

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1 Einleitung

Die zentralen Inhalte dieser Diplomarbeit sind diejenigen Flächen- und Volumenformeln, die im Mathematikunterricht der Sekundarstufe I behandelt werden. Teil des der Lehr- plans für Mathematik in derSekundarstufe I – der fünften bis achten Schulstufe – ist das Kerngebiet Arbeiten mit Figuren und Körpern, das neben der Auseinandersetzung mit diversen Flächen und Körpern zum Beispiel auch Maßstabszeichnen, Umgang mit Zei- chengeräten zum Konstruieren, Winkel, Kongruenzen, Strecken- und Winkelsymmetrale sowie den Lehrsatz des Pythagoras vorschreibt.

Betrachtet man den Lehrplan mit Fokus auf das gewählte Diplomarbeitsthema, so sieht man, dass bereits für die fünfte Schulstufe erste Flächen- und Volumenberechnungen vor- gesehen sind: Die Schülerinnen und Schüler müssen Umfangs- und Flächenberechnungen an Quadraten und Rechtecken durchführen können und diese Kompetenzen auch auf ein- fache zusammengesetzte Flächen anwenden können.

Im Bereich der räumlichen Geometrie lernen die Schülerinnen und Schüler Quader ken- nen, sowie Volumen- und Oberflächenberechnungen an diesen und einfachen, aus Quadern zusammengesetzten Körpern.

In der sechsten Schulstufe werden die Flächenberechnungen um die der Dreiecke, Viere- cke und regelmäßigen Vielecke erweitert. Besonders wichtig ist hier das Unterrichtsziel, Flächeninhalte von Figuren berechnen zu können, "[...] die sich durch Zerlegen oder Er- gänzen auf Rechtecke zurückführen lassen" (vgl. [10]). Die Volumenberechnungen werden um Prismen erweitert. Die siebte Schulstufe fordert eine genauere Auseinandersetzung mit den gelernten Flächenformeln: Die Schülerinnen und Schüler sollen die Formeln für Dreiecke und Vierecke nicht nur kennen, sondern auch begründen und damit rechnen kön- nen. Im Bereich der Volumenberechnungen kommt die regelmäßige Pyramide zu Prisma und Quader hinzu.

Der Kreis als Fläche, aber auch als Grundfläche verschiedener geometrischer Körper, ist Mittelpunkt des genannten Kernbereichs in der achten Schulstufe. Ziel des Lehrplans ist, dass die Schülerinnen und Schüler Formeln zur Bestimmung des Flächeninhalts des Krei- ses kennen, herleiten und anwenden können.

Die bekannten Körper werden um Drehzylinder, Drehkegel und die Kugel erweitert – For- meln für Oberfläche und Volumen sollen gefunden und angewendet werden (vgl. [10]).

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Im ersten Teil der Diplomarbeit werden die historischen Hintergründe der genannten Flächen- und Volumenformeln und ihre Herleitung behandelt. Dabei wird auch die Rolle der Mathematik in der Frühzeit und deren Veränderung in der griechischen Antike hin zu einer logischen Wissenschaft betrachtet und ausgeführt. Diese Ausführungen gipfeln in der Herleitung des Kugelvolumen durch den griechischen Mathematiker Archiemdes von Syrakus.

Im zweiten Teil dieser Arbeit wird ein Unterrichtskonzept mit einem historischen Zugang vorgestellt. Über ägyptische Texte, die auf Papyri gefunden wurden, werden erste Vo- lumina bestimmt und auf die Auseinandersetzung mit krummlinig begrenzten Körpern vorbereitet. Die Schülerinnen und Schüler lernen Zylinder, Kegel und Kugel als Rotations- körper kennen und erarbeiten selbstständig deren Eigenschaften. Ihnen wird verdeutlicht, wie in der antiken Mathematik unbekannte Volumina durch Approximation mit bekannten Körpern bestimmt wurden. Das Unterrichtskonzept beinhaltet verschiedene Unterrichts- formen, wie zum Beispiel den Lehrvortrag, den fragend-entwickelnden Unterricht oder einen Stationenbetrieb. Dabei arbeiten die Schülerinnen und Schüler in verschiedensten Sozialformen, teilweise in Partner- oder Einzelarbeit, aber auch im Klassenverband.

Ziel der Arbeit ist es, ein Unterrichtskonzept vorzustellen und so ausgearbeitet zu prä- sentieren, dass es jederzeit von anderen Unterrichtenden genutzt und ohne große Vorbe- reitungen übernommen werden kann.

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Teil I

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2 Die Geschichte der Mathematik in Frühzeit und Antike - ein

Überblick

Die für den Schulunterricht relevanten Themen betreffend Flächen und Volumen haben ihre Ursprünge in den lange vergangenen Zeiten der Hochkulturen und der Antike. Maß- geblich für den heutigen Mathematikunterricht sind die Entdeckungen der Ägypter, Ba- bylonier und Griechen.

Betrachtet man die ersten bekannten mathematischen Erkenntnisse in ihrem historischen Kontext, so wird sehr schnell deutlich, dass Mathematik in den Zeiten der frühesten Hochkulturen, wie sie in Ägypten oder Mesopotamien entstanden, vorerst ein Hilfsmittel war, um das Leben der Menschen leichter zu machen. Die damalige Mathematik war eng mit der Astronomie zur Navigation, der Vermessung von Land oder dem Zählen von Lebensmitteln, Waren oder Handelsgütern verbunden (vgl. [7], 3–29). Die Kulturen der Ägypter und der Mesopotamier sind die ersten, die ausreichend Quellen hinterließen, um eine Analyse ihres mathematischen Wissens zuzulassen. Um 3000 v. Chr. existierte die Schrift in einer solchen Form, dass Zeugnisse aus dieser Zeit das damalige mathematische Wissen nachvollziehbar machen (vgl. [59], 581–596).

Keilschrifttexte auf Tontafeln zeugen von ersten Beschäftigungen mit Mathematik in Me- sopotamien, dessen Zentrum Babylon Heimat für viele Hochkulturen war, wie die der Sumerer, der Akkadier, der Perser oder auch Assyrer, und sind weit zahlreicher erhalten geblieben als die ägyptischen Papyri. In den Übersetzungen dieser Tontafeln finden sich mathematische Inhalte, die dazu dienten, Land zu vermessen, Steuern festzusetzen, Ern- ten aufzuteilen und durch die Beobachtung der Himmelskörper die Zeit zu bestimmen.

Die verschiedenen Zahlensysteme waren teilweise rein dezimal oder auch sexagesimal, manchmal sogar eine Kombination aus beidem (vgl. [37], 1–2). Zur Darstellung von Zah- len wurden Keile für die Zahlen eins und zehn genutzt – aus Kombinationen dieser Keile wurden weitere Zahlen bis zur Zahl 59 dargestellt und durch andere Positionierung dieser Zeichen war auch eine Darstellung darüber hinaus möglich (vgl. [6], 6). In Mesopotamien wurde mit Hilfe von Multiplikations- und Kehrwerttafeln gerechnet (vgl. [37], 1–2). In Keilschrifttexten finden sich auch Belege dafür, dass in Babylon bereits lineare und qua-

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Abbildung 2.1: Papyrus Rhind [4]

dratische, teilweise sogar kubische und biquadratische Gleichungen gelöst werden konnten (vgl. [59], 581–596).

Quellen über die ersten Auseinandersetzungen mit Mathematik in Ägypten sind derPapy- rus Rhind und derPapyrus Moskau (vgl. [37], 1–2), die zwischen 1600 v. Chr. und 1850 v.

Chr. verfasst wurden. Natürlich gibt es auch frühere Zeugnisse von Zahlen und mathema- tischen Schriften, die zum Beispiel in Form von Hieroglyphen auf Gebäuden wie Tempeln oder Grabstätten festgehalten wurden, deren Informationsgehalt ist aber nicht vergleich- bar mit dem der Papyri (vgl. [6], 2). Auf dem Papyrus Rhind finden sich Tabellen zur Zerlegung von Brüchen in Stammbrüche und Zeugnis darüber, dass die Ägypter die vier Grundrechnungsarten beherrschten und sich mit Linearen Gleichungen, Folgen, ebener Geometrie, Pyramidenaufgaben, Proportionen und anderem auseinandergesetzt hatten.

Der Papyrus Moskau gibt 25 mathematische Aufgaben über verschiedenste Themen an.

Bekannt geworden ist er aber vor allem durch zwei für seine Zeit neue Aufgaben, die sich mit dem Volumen eines Halbzylinders und dem Pyramidenstumpf auseinandersetzen (vgl.

[24], 104).

In der ägyptischen Kultur wurde einerseits die Symbolschrift der Hieroglyphen, in der jedes Zeichen einen Gegenstand darstellte, und andererseits die daraus entwickelte hiera- tische Schrift, eine Simplifizierung der Hieroglyphen, benutzt (vgl. [37], 1–2). Sehr bekannt ist das hieroglyphische Zahlensystem, das zwar dezimal aufgebaut war, aber im Gegensatz zu dem in Europa üblichen Zahlensystem kein Positionszahlensystem war. Das bedeutet, dass nicht die Position eines Zeichens gewichtet wurde, sondern die Werte der einzelnen Zeichen addiert wurden. Für die Potenzen von 10 gab es eigenen Symbole (vgl. [6], 2). Die ägyptische Mathematik ist aber vor allem im Bereich der ebenen Geometrie von großer

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Bedeutung: Dort entwickelt sich die Geometrie aus dem Drang heraus, Grundstücke nach den Überschwemmungen durch den Nil neu zu vermessen (vgl. [59], 581–596). Daneben gibt es auch Nachweise zu Aufgaben über die Berechnung von Vorratsbehältervolumen oder der Projektierung von Bauwerken. Im Papyrus Rhind sind sogar Lösungen zur Be- rechnung der Kreisfläche angegeben.

Die Mathematik als exakte Wissenschaft, in der Resultate begründet, Definitionen, Axio- me und Beweise gefunden und geführt wurden, findet man aber doch erst im antiken Grie- chenland. Die ersten mathematischen Erkenntnisse der früheren Kulturen aus Ägypten, Mesopotamien, aber auch Indien und China beruhten großteils auf Einzel- und Zufällen.

Versuche, Erkenntnisse logisch zu formulieren oder systematisch herzuleiten, sind vor der Mathematik und Geometrie im antiken Griechenland nicht zu finden.

Die Entwicklung der griechischen Mathematik erstreckte sich über drei Epochen: Die Io- nische Periode bezeichnet die Zeit bis zur Mitte des 5. Jh. v. Chr. und steht für eine Mathematik als selbstständige Wissenschaft. Darauf folgt die Athenische Epoche bis in die Mitte des 3. Jh. v. Chr. in der die griechische Mathematik die Form dergeometrischen Algebra annahm und gelangte in der Hellenistischen Epoche, die bis zum Ende der Antike andauerte, schließlich an ihren Höhepunkt.

Die Ionische Periode ist von den beiden Mathematikern Thales von Milet und Pythago- ras von Samos geprägt (vgl. [6], 28–33). Thales gilt als der erste belegte Mathematiker und Philosoph der griechischen Antike und wird in vielen Quellen als der Begründer der griechischen Geometrie bezeichnet. So soll er herausgefunden haben, dass ein Dreieck durch eine Seite und die anliegenden Winkel eindeutig bestimmt ist, dass Kreise von ihren Durchmessern halbiert werden oder auch den heute nach ihm benannten berühmten Satz von Thales über rechtwinkelige Dreiecke in Halbkreisen formuliert haben. Pythagoras von Samos ist durch die Gründung seiner Schule und die pythagoreische Lehre bekannt. Viele seiner Anhänger, die sogenannten Pythagoreer, wurden zu bekannten Mathematikern und trugen viel zur griechischen Mathematik bei. Zu ihnen gehörten zum Beispiel Hippasos von Metapont, Philolaos von Kroton oder Archytas von Tarnt. Zu ihren Erkenntnissen zählen der Satz von Pythagoras und dessen Umkehrung, die Prinzipien der Flächenumfor- mungen, die Mittelwerte oder auch reguläre Polyeder. Die Pythagoreer begründeten mit ihren Definitionen über gerade und ungerade Zahlen sowie Primzahlen und teilerfremde Zahlen sogar die Zahlentheorie (vgl. [23], 13–49).

Thales und Pythagoras haben nach wie vor Einfluss auf den Unterricht: Der Satz von Thales, der Strahlensatz und derSatz von Pythagoras sind elementare Inhalte der Mathe- matik in der Sekundarstufe I.

Mit Hippokrates von Chios begann die sogenannte Athenische Periode. Er war einer der ersten Mathematiker, die sich mit den drei großen Problemen der griechischen Mathema- tik auseinandersetzten: Der Würfelverdoppelung, der Dreiteilung eines Winkels und der

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Quadratur des Kreises (vgl. [6], 40–67). Daneben war diese Periode vor allem vom Wirken Platons geprägt. Platon wird oftmals nicht als Mathematiker bezeichnet, wobei sein Ein- fluss auf die Mathematik sehr groß gewesen sein soll. Mathematik gehörte für ihn neben der Geometrie und der Astronomie zur Allgemeinbildung und er erklärte die Mathematik zur Grundlage aller Wissenschaften. Nach ihm sind die Platonischen Körper benannt, die er im Werk Tiamios, in dem er regelmäßige Polyeder definierte, erwähnte.

Die Hellenistische Periode führte die griechische Mathematik schließlich zu ihrem Hö- hepunkt: Euklid von Alexandria verfasste die berühmten Elemente, die die Mathematik bis jetzt prägen und beeinflussen. Sie sind eine Zusammenfassung der mathematischen Kenntnisse und Erkenntnisse seiner Zeit und in ihrer Form einzigartig. Sätze und Propor- tionen sind logisch geordnet und bewiesen, Definitionen hergeleitet. Aristoteles beschäf- tigte sich mit der ebenen Geometrie und der Aussagenlogik. Archimedes von Syrakus verfasste verschiedene Schriften über mathematische und geometrische Inhalte wie Über das Gleichgewicht ebener Flächen, Über Kugel und Zylinder oderÜber ebene Körper und fand eine Möglichkeit zur Konstruktion des Siebenecks (vgl. [23], 61–120). Mathematiker wie Appollonius, Heron von Alexandria oder Eratosthenes prägen die Hellenistische Peri- ode nachweislich durch ihr Wirken. Die näherungsweise Berechnung von Pi, Formeln zur Flächenberechnung von Dreiecken oder die Bestimmung des Erdumfangs sind nur einige ihrer vielen mathematischen Erkenntnisse (vgl. [6], 40–67).

So erstaunlich das Römische Reich auch war, so sind doch keine Überlieferungen über große Mathematiker aus dieser Zeit vorhanden. Die Mathematik im Römischen Reich be- schränkte sich im Vergleich zu der bei den Griechen wieder auf die reine Anwendbarkeit:

Sie wurde von Feldmessern verwendet, um die Größe von eroberten Gebieten zu bestim- men oder von den damaligen Ingenieuren für den Bau der Wasserleitungen (vgl. [23], 394–397).

Die Antike endete ungefähr im 5. Jh. n. Chr., eine genaue Jahreszahl gibt es dafür natürlich nicht. Als Endpunkt wird manchmal die Alleinherrschaft des ersten christlichen Kaisers Konstantin im Jahr 324, die Gründung des ersten abendländischen Klosters Montecassino und das Verbot der heidnischen Akademie in Athen 529 oder das Ende des weströmischen Reichs 476 bezeichnet. Eine klare Grenze zwischen der Antike und der darauffolgenden Epoche des Mittelalters lässt sich nicht ziehen (vgl. [25], 11–13).

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3 Flächen und Volumenberechnung in der Frühzeit

3.1 Historischer Überblick

Die frühesten Hochkulturen entwickelten sich im Nahen Osten und Afrika. Gegen Ende der letzten Eiszeit im 11. Jt. v. Chr. besiedelten die ersten Menschen das Niltal in Ägypten und den sogenannten fruchtbaren Halbmond, der sich wie eine Sichel über das heutige Syrien, Jordanien, Israel, den Libanon, Palästina erstreckte und gründeten dort in Flussebenen nahe am Wasser die ersten Städte.

Um 4000 v. Chr. wird das Gebiet Mesopotamien dicht besiedelt und es entstehen dort Handelszentren mit vielfältiger Wirtschaft, Beamtentum und verschiedenen religiösen Vor- stellungen. An der Spitze dieser Staatengebilde steht ein König oder Priesterkönig.

Mitte des vierten Jahrhunderts taucht in Mesopotamien die Bevölkerungsgruppe der Su- merer auf und gründet große Städte an Euphrat und Tigris (vgl. [54], 1–7).

Eine davon ist die heute als erste Metropole der Weltgeschichte bezeichnete Stadt Uruk und ihr sagenumwobener Herrscher Gilgamesch. In den gegründeten Städten entsteht ei- ne zentrale Verwaltung, Arbeitsteilung, genormte Massenkeramik und vor allem die Keil- schrift als Verwaltungshilfe. Das Leben der ansässigen Bevölkerung ist vom Kampf gegen Naturkatastrophen, der Sorge um die Wasserversorgung der landwirtschaftlichen Gebiete und den andauernden Konflikt mit anderen Stadtstaaten geprägt.

Diese Auseinandersetzungen werden unter Saron I um 2300 v. Chr. beendet, der die ver- schiedenen Stadtstaaten zu einem einheitlichen Reich mit der Hauptstadt Akkad und der akkadischen Sprache als Hauptsprache vereint. Auf ihn folgen verschiedene Herrscher, be- kannt ist König Urnamma unter dem es zu einer Reform der Verwaltung und Wirtschaft kommt. Teil der Reform ist der sogenannte Codex Urnamma, das älteste überlieferte Ge- setzeswerk der Welt, und die Einführung eines einheitlichen Kalenders. Nach dem Tod des letzten Herrschers der Urnamma-Dynastie wird zuerst die Handelsstadt Assur 1975 v. Chr.

zum neuen Handels- und Machtzentrum Mesopotamiens bis Hammurabi, ein amurritischer König, 1792 v. Chr. Herrscher der genannten Gebiete wird und das Altbabylonische Reich begründet. Bekannt ist er vor allem durch den von ihm verfassten Codex Hammurabi, eine Sammlung von Gesetztestexten und Rechtsprüchen. In den folgenden Jahren kommt es

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zwischen den großen Städten Mesopotamiens und anderen Machtzentren wie Ägypen zu diplomatischen Beziehungen und florierendem Handel. Von 1215 v. Chr. bis 935 v. Chr.

erleiden die Stadtstaaten große Gebietsverluste durch den Angriff von Seevölkern und den Konflikten mit anderen Großmächten. Nach einem erneuten Aufstieg Babylons zur Groß- macht wird ganz Mesopotamien schließlich 539 v. Chr. von den Persern unterworfen, bis es 331 v. Chr. nach dem Sieg über den Perserkönig unter die Herrschaft Alexander des Großen gelangt. Nach dem Tod des letzten Königs von Mesopotamien gelangt das Gebiet unter islamische Herrschaft (vgl. [24], 183–193).

Abbildung 3.1: Der fruchtbare Halbmond [56]

Zeitgleich entwickelt sich die ägyptische Hochkultur entlang der Niloase. Der Nil bestimmt und beeinflusst die Entwicklung des ägyptischen Lebens und der Kultur, dient der Was- serversorgung und als Transportweg. Herrschaftsform in Ägypten ist das Königtum, mit einer Herrscherfigur, die eine wichtige Rolle in der ägyptischen Religion spielt. Das öf- fentliche Leben wird durch einen Beamtenapparat geregelt, Wirtschaftsmonopol sind die Landwirtschaft und der Handel.

Im 4. Jt. v. Chr. entstehen in Ober- und Unterägypten voneinander unabhängige Stam- messtaaten, deren Auseinandersetzungen um Land erst zu Beginn des 3. Jt v. Chr. enden, als die beiden Gebiete laut Legende unter dem sagenhaften Herrscher König Menes ge- einigt werden. Im 3. Jt. v. Chr. beginnt auch die Entwicklung des heute so bekannten Totenkultes der Ägypter: Die Leichname von Herrschern werden vorerst in rechteckigen Grabhügeln, später in Pyramiden bestattet (vgl. [54], 22). In der sogenannten vierten

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Dynastie werden die Pyramiden von Gizeh errichtet (vgl. [24], 32).

Ende des 3. Jahrhunderts kommt es aufgrund einer wirtschaftlichen Rezession zu Zweifel am bestehen Religionssystem und dem Machtstatus des Herrschers. Daraus resultierend entwickelt sich der Kult um den Sonnengott Ra. Die darauffolgenden Revolten und krie- gerischen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Provinzen führen in die von Unruhen und Chaos geprägteErste Zwischenzeit und beenden das sogenannteAlte Reich Anfang des zweiten Jahrtausends vor Christus.

Von 2000 v. Chr. bis 1700 v. Chr. kehrt in Ägypten unter verschiedenen Herrschern im Mittleren Reich für kurze Zeit wieder Ruhe ein, bevor politische Instabilität und mili- tärische Unsicherheit das Land erneut ins Chaos stürzen. In der Zweiten Zwischenzeit von 1700 v. Chr. bis 1550 v. Chr. fällt Ägypten unter die Herrschaft der Hyksos, einer vorderasiatischen Adelsschicht, die Ägypten nicht nur militärische Neuerungen, sondern auch neue Einflüsse aus anderen Ländern bringt und damit die Blütezeit Ägyptens im Neuen Reich beeinflusst. Von 1550 v. Chr. bis 1000 v. Chr. kommt Ägypten wieder unter ägyptische Herrschaft und expandiert. Palästina und Syrien werden unterworfen, Ägyp- ten erlebt einen wirtschaftlichen Aufschwung und Machtzuwachs. Namentlich noch heute bekannt ist der Herrscher Echnaton, Gatte von Nofretete, der von 1353 v. Chr. bis 1336 v. Chr. politische und religiöse Reformen durchführte.

Gegen Ende des 1. Jt. v. Chr. führen steigende Unruhen in der Bevölkerung wegen Be- amtenwillkür und Korruption sowie Versorgungsengpässe und Preisexplosionen schließlich zu Revolten und Bürgerkrieg. Die folgende Zeit ist von ausländischer Herrschaft gekenn- zeichnet (vgl. [54], 20–26).

3.2 Erste Zeugnisse

Formen, Muster und geometrische Strukturen sind schon lange vor den großen und ih- re Nachfolger beeinflussenden Hochkulturen Teil des menschlichen Lebens. Durch das Beobachten der Natur kam der Mensch schon in frühester Zeit dazu, sich mit geometri- schen zweidimensionalen Mustern auseinanderzusetzen, ein Beispiel dafür ist der Kreis als Querschnitt eines Baumstamms oder Grashalme als Strecken. Kreise, Dreiecke und andere Vielecke waren in vielen verschiedenen früheren Kulturgemeinschaften bereits be- kannt und wurden beispielsweise als Dekoration für Tongefäße oder bei der Gestaltung von Schmuck genutzt (vgl. [45], 6–26). Auch waren Figuren wie der Kreis für die Bau- werke alter Kulturen von Bedeutung. An Kreisgrabanlagen oder religiösen Bauten wie vermutlich Stonehenge, die kreisförmig ausgerichtet wurden, erkennt man die sehr frühe Auseinandersetzung mit geometrischen Grundfiguren. Solche Bauten setzten neben den erforderlichen geometrischen Kenntnissen große technologische und astronomische Kennt- nisse voraus (vgl. [58], 12–20).

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Aber auch die Grundkörper der räumlichen Geometrie, Würfel, Quader, Pyramiden und Zylinder, waren für die Menschen und ihr Leben unverzichtbar. Sie benötigten Kenntnis- se über diese Grundkörper, um Gräben und Dämme anzulegen und Wohnhäuser, Tempel und öffentliche Gebäude zu planen und zu bauen (vgl. [45], 6–26).

3.3 Flächen- und Volumenberechnung im Alten Ägypten

Durch die Einigung der beiden Reiche Ober- und Unterägypten und die Gründung eines Zentralstaats in Ägypten entwickelte sich um 3000 v. Chr. die Hieroglyphenschrift. Sie wurde zur Verwaltung des Reiches, für Wirtschaft und Handel genutzt und führte dazu, dass sich der Beruf des Schreibers entwickelte. Dieser von Männern ausgeführte Beruf war in Ägypten hochangesehen. Die Schreiber waren Beamte, die in speziellen Schulen in ihrem Verwaltungsbereich ausgebildet wurden. So gab es Schreiber für viele Bereiche des öffentlichen Lebens, die es zu organisieren galt: In Nahrungsdepots, in der Gesetzgebung, der Landverwaltung etc. Ein ausgebildeter Schreiber konnte seinen Beruf aber auch als Sprungbrett nutzen, um im Sozialgefüge Ägyptens höher aufzusteigen und zum Beispiel den Beruf des Priesters oder Arztes anzustreben (vgl. [24], 53–57). Grundlage für die Ar- beiten der Schreiber war der Stoff Papyrus, der seit 3000 v. Chr. in Ägypten nachweisbar ist und aus der gleichnamigen Staudenpflanze gewonnen wird (vgl. [3], 63–64).

Abbildung 3.2: Die Cheops Pyramide (vgl. [45], 15)

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Die heute vorhandenen Quellen über die Mathematik in Ägypten sind im Vergleich zu den Funden aus Mesopotamien sehr wenige. Vor allem aus dem Alten Reich sind bis auf den Fund einer Flächenformel für das Rechteck, enthalten in der Grabinschrift des Beamten Metjen in Saqqara, kaum Zeugnisse vorhanden (vgl. [35], 139–140). In diesen Inschriften findet sich einerseits der Beweis, dass in Ägypten bereits Maßeinheiten für Flächen verwendet wurden, und andererseits der bereits erwähnte Nachweis, dass auch erste Flächenberechnungen von Rechtecken durchgeführt wurden. Dies scheint in folgen- dem Auszug der Grabinschriften auf (vgl. [27], 46–48):

„12 ‘foundations of Metjen’ have been founded for him in the fourth/fifth, sixth and second nomes of Lower Egypt (along with) their products for him in the dining room. These have been bought for 20 arouras of land from many royal colonists, (along with) 100 portions of funerary offerings which come daily from the soul chapel of the royal mother Nymaathap (and with) a walled estate 200 cubits long and 200 broad, set out with fine trees, and a large pool made in it; it was planted with fig trees and vines. It is written down in a royal document, and their names are (recorded likewise) on (this) royal document.

The trees and the vines were planted in great numbers, and the vine therefrom was produced in great quantity. A garden was made for him on land of 1 kha and 2 ta within the enclosure, which was planted with trees. (It was named) Iymeres, a ‘foundation of Metjen,’ and Iatsobek, a ‘foundation of Metjen.’"

(Vgl. [47], 193–194)

Die Grabinschrift zeigt, dass in Ägypten bereits Flächen- und Längenmaße existierten, die sich auf die Maßeinheit Elle bezogen. Das in der Inschrift erwähnte Anwesen wird durch Längenmaße, Ellen, angegeben, während der Garten und das Stück Land in den Flächenmaßen kha und ta angegeben sind. Aus diesen Übersetzungen schließt man, dass die Ägypter wussten, wie man mit der gegebenen Länge und Breite eines Rechtecks dessen Flächeninhalt bestimmt (vgl. [27], 46–48).

Ein weiteres Zeugnis der Auseinandersetzung mit Flächen und Körpern im Alten Reich sind die imposanten Gebäude aus dieser Zeit, die sicher bekanntesten davon die Pyrami- den von Gizeh. Sie lassen vermuten, dass den Ägyptern bereits damals eine Formel für das Volumen einer Pyramide bekannt war. Bestätigt wurde diese Vermutung bisher aber noch nicht (vgl. [45], 12–14).

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3.3.1 Metrologie

Wie in vielen Hochkulturen üblich, orientierten sich auf die altägyptischen Längenmaße vorerst an Längen verschiedener Körperteile. So war die Elle, Länge eines Unterarms, ein Grundmaß zu dem andere Maßeinheiten, auch Volumen- und Flächenmaße, Bezug nahmen. Natürlich ist anzunehmen, dass es anfangs im Alten Reich keine einheitliche Elle gab und ihre Länge variierte (vgl. [27], 41–43). Die Funde von Maßleisten aus dem Mittleren Reich beweisen aber, dass es hier bereits normierte Maßeinheiten gab. So soll die ägyptische Elle 52,30cm entsprochen haben. Andere Längenmaße sind zum Beispiel der Fuß, eine Handbreite oder das Maß khet(ht), das 100 Ellen lang ist.

In Ägypten gab es auch in dieser Zeit einige Volumen- und Flächeneinheiten. Das Maß ta beschreibt ein Feld mit der Länge einer Elle und der Breite von 100 Ellen, weshalb es auch als Hundert-Elle bezeichnet wurde. Das Flächenmaß setat setzt sich aus 100 ta zusammen und wurde auch Quadrat-khet genannt.

Im Bereich der Volumeneinheiten war das Maß hekat vergleichbar mit 4.8 Liter. hekatseh bedeutet soviel wie Scheffel und wurde als Getreideeinheit verwendet. Darauf aufbauend war das Maß khar, das sich aus 10 hekat zusammensetzte und schließlich das Vierfach- hekat (4hekat), das, wie der Name angibt, aus vier hekat bestand (vgl. [24], 100–101).

3.3.2 Die Papyri Moskau und Rhind

Aus demMittleren Reich von 2000 v. Chr. bis ca. 1500 v. Chr. gibt es weit mehr erhaltene Quellen über die Entwicklung und Nutzung der Mathematik als imAlten Reich. Die zwei bekanntesten davon, die Papyri Moskau und Rhind, sind eigentlich als Referenzwerke für Schreiber gedacht gewesen und enthalten dementsprechend eine Reihe von Aufgabenstel- lungen zu geometrischen und mathematischen Inhalten (vgl. [6], 31–33).

Die Aufgabenstellungen in beiden Papyri folgen dem gleichen Aufbau: Zuerst wird das mathematische Problem erklärt und anschließend spezifische Maße oder numerische Werte angegebenen. Darauf folgt eine fast rezeptartige Anleitung zum Lösen der Aufgabe (vgl.

[27], 70). Diese Form der Aufgabenstellung und -lösung war in Ägypten in Ermangelung einer passenden Formelsprache üblich (vgl. [45], 14).

Der Papyrus Moskau stammt vermutlich aus dem Jahr 1850 v. Chr. und wird oft als eine der wichtigsten Quellen über die Mathematik in Ägypten bezeichnet. Er wurde in der Nähe von Theben gefunden und gelangte über Umwege in das Puschkin-Museum für bildende Künste in Moskau, wo er auch heute noch zu besichtigen ist. Er wurde 1930 das erste Mal vollständig ins Deutsche übersetzt und gibt 25 mathematische und geometrische Aufgabenstellungen an. Zwei davon beinhalten Fragen, die in keiner anderen altägypti- schen Quelle gefunden wurden, und die den Papyrus Moskau so einzigartig machen: Die Auseinandersetzung mit einem Pyramidenstumpf und mit der Oberfläche eines Halbzy-

(21)

linders. Folgend werden diese zwei Aufgaben vorgestellt und diskutiert (vgl. [24], 123–124):

Aufgabe 10:

Es ist ein Korb mit Öffnung.

Sein Durchmesser ist 412.

Lass mich wissen, wieviel seine Fläche beträgt.

Berechne du 19 von 9 weil der Korb gleich die Hälfte eines Eis ist.

Resultat ist 1.

Berechne nun den Rest von 8.

Berechne du 19 von 8.

Hier ergibt sich 2316181 .

Berechne du den Rest, der sich ergibt, wenn man diese von 8 abzieht Es ergibt sich 719.

Das berechnest du mal 412.

Es ergibt sich 32. Das ist die Fläche.

(vgl. [22], 46)

Die beiden Übersetzungen Korb und Ei sind lange umstritten und führen zu geteilten Meinungen über die Aufgabenstellung bei Historikerinnen und Historikern. Manche glau- ben, dass hier die Oberfläche eines Halbzylinders bestimmt wurde, wie zum Beispiel eines kuppelförmigen Kornspeichers, dessen Form und Aussehen aus verschiedenen ägyptischen Abbildungen bekannt ist (vgl. [24], 128). Andere interpretieren die Aufgabe auch als Be- rechnung der Oberfläche einer Halbkugel (vgl. [58], 120–121).

Diermar Herrmann gibt in seinem Buch Mathematik im Vorderen Orient eine Interpreta- tion der Aufgabe durch den Mathematiker Bartel Leendert van der Waerden an:

A = 2·(1− 19)2·(4· 12)2, wobei hier der Term

(1− 19)2

die ägyptische Approximation von π4 darstellt. Dietmar Herrmann interpretiert den Wert 412 als Durchmesser d der Grundfläche des Korbes:

A= 2· π4 ·d2 = 12 ·π·d2,

und stößt so tatsächlich auf die heute aktuelle Formel für die Oberfläche einer Halbkugel mit dem Durchmesser d (vgl. [24], 128).

(22)

Aufgabe 14:

Wenn man dir sagt, ein Pyramidenstumpf von 6 Ellen Höhe, von 4 Ellen an der Basis und 2 Ellen an der Spitze,

rechne du mit 4, das Quadrat ist 16.

Multipliziere diese 4 mit 2. Das Ergebnis 8.

Rechne du mit dieser 2, sein Quadrat ist 4.

Addiere zusammen diese 16, mit diesen 8 und mit diesen 4. Ergebnis 28.

Rechne du 13 von 6. Das Ergebnis 2.

Rechne du zweimal mit 28. Resultat 56.

Siehe. Es ist 56! Du hast es richtig gefunden.

(vgl. [58], 119–120)

Übersetzt man die Anleitung zur Lösung dieser Aufgabe in moderne Schreibweise, so würde das wie folgt aussehen:

4·4 + 2·4 + 2·2 = 16 + 8 + 4 = 28, 28· 13 ·6 = 28·2 = 56 (vgl. [22], 46)

Diese Aufgabe wirft natürliche viele Fragen auf, die aus der Quelle nicht alle zu beantwor- ten sind. Es wird nie angeführt, ob es sich bei dem Pyramidenstumpf um eine gerade oder schiefe, vierseitige oder mehrseitige Pyramide handelt. Die Annahme ist, dass Grund- und Deckfläche quadratische sind und der Pyramidenstumpf vierseitig ist. Die Art der Berechnung lässt auf die Formel

h·(a2+a·b+b2) 3

schließen, wobei a und b die Kantenlängen sind und h die Höhe des Pyramidenstumpfs ist (vgl. [24], 129–130).

Warum die Ägypter diese Form der Berechnung verwendeten ist in den Quellen nicht be- gründet. Eine mögliche Erklärung für dieses Vorgehen ist, dass für sie komplizierte Körper in einfachere und ihnen bekannte Formen zerlegt wurden. So ist anzunehmen, dass der Kegelstumpf in einen Quader, eine Pyramide und zwei Prismen zerlegt wurde. Die bei- den Prismen wurden zu einem Quader zusammengesetzt und auch die Pyramide wird als Quader interpretiert. Diese drei Quader sind nun nur noch in drei neue Quader mit der Höhe h3 umzuformen um mit der genannten Formel das Volumen des Stumpfs bestimmen zu können (vgl. [32], 20–21).

(23)

a h

b

b a−b

Abbildung 3.3: Ein mögliches Modell des Pyramidenstumpfs, Papyrus Moskau (Eigene Arbeit, nach [24], 130)

DerPapyrus Rhind ist nur wenige Jahre jünger als derPapyrus Moskau und liefert tiefere Einsichten in die ägyptische Mathematik. In ihm sind eine Liste der Divisionen 2n aufge- listet und 84 Aufgaben zu mathematischen und geometrischen Inhalten (vgl. [3], 72–73).

Er wurde ebenfalls in Ruinen in Theben gefunden und im 19. Jahrhundert an das Briti- sche Museum verkauft, wo er auch heute noch zu finden ist (vgl. [24], 101). Die Aufgaben 41 bis 48 befassen sich mit der Volumenberechnung von Lagerhäusern, die teilweise als Fruchtspeicher oder Fruchthäuser bezeichnet wurden (vgl. [14], 235–241).

Aufgabe 41:

Vorschrift zu berechnen ein rundes Fruchthaus von 9 (Ellen) und 10.

Ziehe du ab 19 von 9, das ist 1. Rest 8, vervielfältige die Zahl: 8 acht mal, das gibt nun 64, vervielfältige die Zahl 64 zehn mal, das gibt 640, lege seine Hälfte dazu, das gibt 960, das ist sein körperlicher Inhalt. Mache du 201 von 960, das ist 48, das in es Hingehende ist es, nämlich Getreidemaß 48 Maß.

(Vgl. [14], 235)

Auffallend ist bei dieser Aufgabe, dass Werte und Angaben nur teilweise mit Maßeinhei- ten versehen werden. Es ist anzunehmen, dass mit Ellen gerechnet wurde, nachweisbar ist das natürlich nicht. Die Menge an Getreide, die schlussendlich in das Lagerhaus passt, wird bei diesen Volumenberechnungen am Ende der Aufgaben aber immer angegeben und wird mithilfe des zuvor bestimmten Volumens berechnet, wie in Aufgabe 41 nachzulesen ist. Das gefunden Volumen wird durch 20 dividiert, der Schreiber rechnet die Kapazität aufIar zurück, eine Volumeneinheit, die20hekat entspricht und oft als Maß für Getreide und größere Mengen verwendet wurde. Wie in Kapitel 3.3.1 zu lesen ist, entspricht ein

(24)

hekat 4,8 Litern (vgl. [27], 48–49).

Neben Lagerhäusern mit kreisförmiger Grundfläche wurden aber auch die Volumina von rechteckigen Gebäuden bestimmt, wie die folgende Aufgabe aufzeigt:

Aufgabe 44:

Vorschrift zu berechnen einen viereckigen Fruchtspeicher von 10 (Ellen) in seiner Länge, 10seine Breite,10seine Höhe, was ist das in ihn Hineingehende an Getreide? Vervielfältige: 10 zehn mal, das gib nun: 100, vervielfältige die Zahl: 100 zehn mal, das gibt nun 1000, mache du die Hälfte von 1000, das ist 500, das gibt nun 1500, sein Inhalt ist es im Körper, mache du 201 von 1500, das gibt nun: 75, das in ihn Hineingehende ist es an Getreide und Flüßigkeit.

(vgl. [14], 236)

DieAufgaben49bis52befassen sich mit den Flächen verschiedener geometrischer Grund- figuren, wie dem Rechteck, dem Kreis, oder dem Dreieck. In Aufgabe 51 wird die Fläche eines vermutlich rechtwinkeligen Dreiecks berechnet:

Aufgabe 51:

Angenommen, dir wird gesagt: Wie groß ist die Fläche eines (rechtwinkeligen) Dreiecks, dessen Seite 10 khet und dessen Basis 4 khet beträgt?

(vgl. [30], 31)

Die Breite wird in Ellen umgerechnet und halbiert: 12 ·400 = 200 Ellen = 2khet. Auch die Länge wird ebenfalls in Ellen umgerechnet: 10khet =1000 Ellen.

Länge und halbierte Breite werden miteinander multipliziert, wobei die Länge in Ellen und die Breite in khet angeben werden, da dies der Definition der Flächeneinheit ta ent- spricht: 1000·2 = 2000ta (vgl. [16], 40).

Aus dieser Aufgabe wurde geschlossen, dass in Ägypten die allgemeine Formel zur Flä- chenbestimmung eines rechtwinkeligen Dreiecks bereits bekannt war und damit natürlich auch die Flächenformel für das Rechteck oder Quadrat (vgl. [16], 40–42). Besonders ist aber die Aufgabe 50 aus dem Papyrus Rhind, sie dient der Kreisflächenberechnung:

Aufgabe 50:

Beispiel der Berechnung eines runden Feldes vom Durchmesser 9ht.

Was ist der Betrag seiner Fläche?

Nimm 19 von ihm (dem Durchmesser) weg. Der Rest ist 8. Multipliziere 8 mal 8. Es wird 64.

(vgl. [58], 119)

(25)

Die Ägypter berechneten die Fläche eines Kreises also näherungsweise so, dass d9 vom Durchmesser d abgezogen und das Ergebnis anschließend quadriert wird. Wendet man diese Formel auf die Fläche des Einheitskreis an, so führt dies zu dem erstaunlichen Er- gebnis, dass die Ägypter die Kreiszahlπmitπ = 3,16...bereits auf eine Nachkommastelle berechnen konnten. Warum genau 19 für die Berechnung gewählt wurde, ist umstritten (vgl. [58], 119).

Neben den in dem Papyrus Mokaus und dem Papyrus Rhind angeführten Rechenwegen, scheint es in Ägypten auch bereits Kenntnisse über die Berechnung der Fläche eines beliebigen allgemeinen Vierecks über die Mittelwerte der gegenüberliegenden Seiten a, b, c und d gegeben zu haben:

A= a+c3 · b+d2

Die Ägypter verwendeten diese Formel sogar, um damit die Fläche eines Dreiecks zu bestimmen. Die vierte Seite wurde einfach weggelassen, denn die Null kannte man damals noch nicht (vgl. [45], 13).

3.4 Flächen- und Volumenberechnung in Mesopotamien

Aus der sumerischen Bildzeichenschrift um 3400 v. Chr. entwickelte sich die heute be- kannte Keilschrift, die fast 3000 Jahre lang von verschiedenen Völkern Vorderasiens mit unterschiedlichen Sprachen genutzt wurde. Dementsprechend vielfältige Abwandlungen der Schrift sind heute bekannt (vgl. [58], 125). Quellen über die Verwendung von Mathe- matik im alltäglichen Leben sind aus Mesopotamien weit zahlreicher überliefert als aus Ägypten. Schreibmaterialien waren in den Hochkulturen im Zwischenstromland Tonta- feln, die über die Jahrhunderte weit besser erhalten blieben, als die ägyptischen Papyri (vgl. [45], 16). Geschrieben wurde auf diesen Tafeln mit vorne gespitzten Griffeln, mit denen die für die Keilschrift typischen dreieckigen Formen erzeugt wurden.

Wie in Ägypten war der Schreiberberuf auch in den verschiedenen Hochkulturen Meso- potamiens hoch angesehen. Sie waren für Buchhaltung und Verwaltung zuständig und verfügten arbeitsbedingt über fundierte Kenntnisse der damaligen Mathematik (vgl. [24], 194–205).

Die gefundenen mathematischen Schriftstücke der mesopotamischen Hochkulturen lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: In Tabellen und Aufgaben. Die Tabellenschriften dienten als Hilfestellung während des Rechnens und beinhalten Maße und Verhältnisse, aber auch häufig vorkommende Zahlenwerte oder gelöste Multiplikationswerte. Die Aufgabentexte ähneln sehr den ägyptischen Aufgaben aus den beiden Papyri Moskau und Rhind. Nach

(26)

vorgestellter Aufgabe wurde der genau Lösungsweg Schritt für Schritt aufgelistet (vgl.

[51], 12–13).

Wie die Ägypter kannten auch die Hochkulturen Mesopotamiens die auch heute noch üblichen Formeln zur Berechnung der Flächen von Rechtecken, Quadraten oder Dreie- cken. Auch die Strategie, kompliziertere Flächen in einfache, bekannte zu zerlegen, war in der mesopotamischen Mathematik üblich. Die Volumina von Würfeln, Quadern und Pyramiden stellten hier kein Problem mehr da. Pyramiden- und Kegelstumpf wurden wie in Ägypten durch das arithmetische Mittel der Grund- und Deckfläche multipliziert mit der Höhe bestimmt (vgl. [32], 22–23).

VKegelstumpf = 12 ·(F1 +F2)·h

wobei F1 die Variable für die Grundfläche undF2 die Variable für die Deckfläche ist (vgl.

[45], 20).

Ein großer Unterschied zwischen der ägyptischen und der mesopotamischen Mathematik ist jedenfalls die Kenntnis über den Satz von Pythagoras. Dieses Wissen erlaubte es den Mathematikern des Zwischenstromlands, völlig andere Aufgabenstellungen und Fragen zu bearbeiten. Zum Beispiel wird in einem altbabylonischen Text berechnet, wie weit das untere Ende einer an eine Wand gelehnten Leiter gegebener Länge von dieser entfernt ist, wenn zusätzlich die vertikale Höhe zum oberen Ende der Leiter bekannt ist. Dies ist ein klassisches Beispiel aus der Schulmathematik zum Satz des Pythagoras (vgl. [32], 22–23).

3.4.1 Metrologie

Wie in Ägypten orientieren sich auch die mesopotamischen Größeneinheiten an Körperma- ßen und Gegenständen des täglichen Lebens. Auffallend ist, dass viele Längen-, Flächen- und Volumenmaße die gleichen Namen trugen und sich die Einheiten in den mesopotami- schen Schriften aus dem Kontext ergaben. Zu den Längenmaßen gehörte die Einheit še, die der Größe eines Gerstenkorns, also cirka 2,7mm, entsprochen haben soll, die Einheit kuš, die die Länge einer Elle hatte, oder auch die Maßeinheiten gar von 12 Ellen oder uš von 60 Ellen. Das Flächenmaß še entsprach 0,20m2, das Maß gin setzte sich aus 3še zusammen, die Einheit sar bestand aus 60gin und würde heute 36m2 entsprechen. Ein Iku, übersetzt Feld, hatte die Größe von 3600m2. Im Bereich der Volumenmaße entsprach še 5,5,cm3,gin 16,7cm3 undsar 18m3. EinIku wären heute1800m2 (vgl. [24], 231–232).

3.4.2 Zahlensystem und Zahlenschreibweise

Um die Angaben und Lösungen der Beispiele aus dem folgenden Kapitel nachvollzuziehen zu können, muss zuerst das mesopotamische Zahlensystem, das Sexagesimalsystem, und

(27)

die damalige Zahlendarstellung erklärt werden. Das Sexagesimalsystem besteht aus den Zahlen von 1 bis 59 und wurde, wie bereits erwähnt, durch die beiden Keilschriftzeichen Keil und Winkelhaken dargestellt. Der Keil stellte die Potenzen von 60 dar, der Winkel- haken die Vielfachen von zehn. So wurde zum Beispiel die Zahl43in4·10 + 3 zerlegt und durch vier Winkelhaken und drei Keile beschrieben.

Die Null war in Mesopotamien sehr lange nicht bekannt, deshalb wurde eine sogenannte unbesetzte Stelle in einer Zahl durch einen klaren Abstand zwischen den Zeichen repräsen- tiert. Ab 600 v. Chr. verwendeten die mesopotamischen Mathematiker das erste Mal ein sogenanntes Lückenzeichen. In der Literatur über mesopotamische Rechentechniken wur- den diese Lücken durch ein Sexagesimalkomma gefüllt (vgl. [58], 128). Die Schreibweise 3,1;12 ergibt Folgendes:

3,1; 12 = 3·601+ 1·600+ 12·60-1 = 181,02

Nachteil dieses Zahlensystems ist, dass das kleine Einmaleins bis60·60lief und ein Rechnen ohne Hilfestellungen, wie die überlieferten mathematischen Tabellen, kaum möglich war (vgl. [58], 130).

3.4.3 Mathematische Texte

Aus der Menge an überlieferten mathematischen Texten aus Mesopatmien lassen sich keine finden, die als Urquelle dieser Mathematik bezeichnet werden können, wie es für Ägypten die beiden Papyri Rhind und Moskau sind. Deshalb werden auf den folgenden Seiten die erstaunlichsten Erkenntnisse der mesopotamischen Mathematik behandelt, die auf verschiedensten Tontafeln gefunden wurden und die über die Kenntnisse der ägypti- schen Mathematik hinausgehen.

Im Bereich der ebenen Geometrie war es in Mesopotamien keine Schwierigkeit mehr, die Flächen von Dreiecken, Quadraten und Rechtecken zu bestimmen. Zur Flächenberechnung allgemeiner Vierecke wurde die schon in Ägypten bekannte Näherungsformel

A= (a+c)2 · (b+c)2

verwendet. Sehr häufig sind auf den Tontafeln anwendungsbezogene Aufgabenstellungen zu Trapezen zu finden, wie zum Beispiel die Volumenbestimmung eines trapezförmigen Kanals [Vgl. 51, S.67 - 73 ] oder eine Aufgabe von der Tafel3.11.1 MS2107 aus derMartin Schøyen Collection, der größten privaten Manuskriptensammlung der Welt, die ein Trapez angibt, dessen parallele Seiten mit 30 und 15 und ein Schenkel mit 3,30 beschriftet sind.

Die Fläche wurde korrekt mit der den Mesopotamiern bekannten Trapetzformel A= 12 ·(a+c)·h

(28)

bestimmt [Vgl. 24, S.375].

Erstaunlich ist die Tafel 3.10.2 TMS II, die neben anderen in Susa gefunden wurde und aus der altbabylonischen Zeit stammt. Auf ihr ist die Skizze eines regelmäßigen Sechsecks, das in gleichseitige Dreiecke unterteilt ist, zu sehen, das mit den beiden Zahlen 30 und 6,33,45 beschriftet ist. Maßeinheiten wurden keine angegeben. Anzunehmen ist, dass 30 eine Länge ist und die Bemaßung der Dreieckseiten sein sollte und 6,33,45 die Fläche eines Teildreiecks bestimmte. Da bereits Kenntnisse über den Satz von Pythagoras und das Wurzelrechnen vorhanden waren, war es kein Problem, die angenäherte Höhe eines der gleichseitigen Dreiecke zu bestimmen und die Annahmen nachzurechnen:

h=√

302−152 = 15·√

3 = 15·1; 45 = 26,98 Mit der Höhe konnte nun die Dreiecksfläche bestimmt werden:

A= s·h2 = 30·15·1;452 = 6,33; 45 (vgl. [24], 349).

Aus dieser Aufgabe ist zu schließen, dass in Mesopotamien bereits verschiedene Drei- ecke und ihre Flächenberechnungen bekannt waren. Auch das Siebeneck schien in der mesopotamischen Mathematik behandelt worden zu sein. So findet sich eine Skizze eines regelmäßigen Siebenecks auf der Rückseite der Tafel 3.10.2 TMS II. Erwähnenswert ist im Bereich der Flächenberechnung dazu auch noch die Tafel 3.10.3 TMS II, die eine Ta- belle mit geometrischen Konstanten für verschiedene ebene Figuren, wie den Kreis, den Halbkreis, die Raute, verschiedene Vielecke oder ein drei- oder vierspitziges Apsamikum enthält (vgl. [23], 349–350).

Die Kreiszahl π wurde von den Babyloniern sehr grob mit der Zahl drei belegt und der Kreisumfang mit dem dreifachen Durchmesser bestimmt:

U = 3·d⇔d= U3 = Uπ Daraus folgt die Formel zur Bestimmung der Kreisfläche:

u2 12 = 4·πu2 (vgl. [51], 74).

Auf der Tafel 3.10.3 TMS II wird die Konstante 0; 05, die dem Wert 121 entspricht, für die Flächenberechnung angegeben (vgl. [24], 350–351).

Aus anderen Aufgaben zu Kreisberechnungen lässt sich die Vermutung treffen, dass in Mesopotamien auch bereits die Flächen von Kreissegmenten berechnet werden konnten.

Wendet man die Rechenanweisungen für einen Halbkreis an, so stimmen sie in diesem Sonderfall (vgl. [51], 75). Jedenfalls ist nachweisbar, dass Kreisringausschnitte wie inAuf- gabe 16 von der TafelBM 85194, die in Sippar gefunden wurde, durch Trapeze angenähert

(29)

M r

A B

M r

A a B

c

Abbildung 3.4: Skizze zur Bestimmung einer Kreisringfläche (Eigene Arbeit, nach [24], 280)

wurden und so deren Fläche bestimmt werden konnte.

Auf der Tafel BM 15825 sind 41 Quadrate aufgezeichnet, die in einfache Grundflächen unterteilt wurden. Fragestellung zu diesen Skizzen wurde keine angegeben oder überlie- fert. Anzunehmen ist aber, dass nach dem Flächeninhalt der Zerlegungen gefragt wurde (vgl. [24], 267–268). Eine sehr erstaunliche Erkenntnis liefert die TafelTMS XXI. Auf ihr

Abbildung 3.5: Skizze zur TafelBM 15825 (vgl. [24], 267)

ist ein Apsamikum, ein konkaves Kreisbogenviereck, abgebildet, dessen Fläche bestimmt wird (vgl. [24], 370–371). Diese Aufgabe lässt die Interpretation zu, dass man sich in Mesopotamien nicht nur mit der angewandten Mathematik beschäftigte, also denjenigen Aspekten, die Erleichterungen für das eigene Leben und die Gemeinschaft brachten, son- dern auch ein höheres, theoretisches Interesse daran entwickelte (vgl. [51], 66–67).

Die mesopotamische Volumenberechnung und Auseinandersetzung mit verschiedenen Grund-

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körpern der Geometrie diente der Arbeitserleichterung in verschiedenen Lebensbereichen, etwa bei der Berechnung von Gewicht und Preis, oder bei Bestimmung des Materialbe- darfs oder der Anzahl der notwendigen Arbeiter für ein geplantes Bauwerk (vgl. [51], 79).

Wie bereits erwähnt waren die elementaren Berechnungen zu Quader und Würfel bereits bekannt. Eine Tafel, die vermutlich aus dem Jahr 1630 v. Chr. stammt, beschäftigt sich mit der Volumenberechnung eines Belagerungsdamms mit trapezförmigem Querschnitt.

Gegeben sind die verschiedenen Längenmaße in der Längeneinheit gar: Das Volumen wurde näherungsweise durch die Formel

V = 12 ·(a+b2 +a1+b2 2)·l· h+h2 1 bestimmt (vgl. [24], 276–277).

a b

a1 b1

h1

h2

Abbildung 3.6: Ein mögliches Modell des Belagerungsdamms (Eigene Arbeit, nach [24], 277)

Vermutlich war in Mesopotamien auch der Zylinder und seine Volumenberechnung be- kannt. Eine Aufgabe auf der Tafeln TM VIII stellt einen Quader mit der Eigenschaft

Länge= Höhe,

aus dem ein Halbzylinder geschnitten wurde, vor. Gefordert wurde, die quadratischen Seiten des Quaders zu bestimmen. Dazu ist das Volumen des Schnittkörpers sowie ver- schiedene Längen gegeben. Um diese Angabe überhaupt erstellen zu können, musste das Volumen des Halbzylinders bekannt sein (vgl. [24], 294–295).

Ob in Mesopotamien die Volumenformel für eine Pyramide bereits bekannt war, ist um- stritten und zum aktuellen Zeitpunkt der Forschung nicht nachweisbar. Tafeln, die sich mit dem Volumen eines Pyramidenstumpfs auseinandersetzen, sind jedoch überliefert.

Die Tafel BM 85210 C2 gibt die Grundfläche, die Höhe und die Neigung der Seitenflä- chen eines Pyramidenstumpfs an und fordert die Bestimmung des Volumens, das über die Näherungsformel

V = a2+b2 2 ·h

(31)

berechnet wurde (vgl. [51], 80–81). Fortschrittlich ist, dass sich auf einigen Tontafeln erste Berechnungen zu Kegeln finden. Die Aufgabe 4c der Tafel BM 96954 gibt die Höhe und das Volumen eines Kegels an und fragt nach dem Umfang des Grundkreises. Wie in vielen Aufgaben der mesopotamischen Mathematik lassen sich aus dem Kontext weitere Kenntnisse schließen: Um diese Aufgabe stellen zu können, musste es eine Möglichkeit geben, das Volumen eines Kegels zu bestimmen. Wählt man in dieser Aufgabe die auch heute genutzte Formel zur Berechnung des Pyramidenvolumens

V = 13 ·A·h

und bestimmt damit den Umfang, so stimmt das Ergebnis mit dem auf der Tafel ange- geben Ergebnis überein. Ob in Mesopotamien der gleiche Lösungsweg genutzt wurde ist leider nicht überliefert.

Die Inhalte der mesopotamischen Tontafeln könnten vielfältiger nicht sein. Neben den vorgestellten Aufgaben aus dem Bereich der Geometrie beschäftigten sich die mesopota- mischen Mathematiker mit dem Lösen von linearen, quadratischen und kubischen Glei- chungen, Umkehraufgaben zu verschiedenen Flächen- oder Volumenberechnungen, wie das Bestimmen der fehlenden Seiten eines Rechtecks bei gegebener Fläche und Diagonale, Ähnlichkeitslehre, Zinsrechnung oder auch verschiedenen Reihen, wie der arithmetischen oder der geometrischen Reihe (vgl. [24], 408–257).

(32)

4 Flächen- und Volumenberechnung in der Antike

4.1 Historischer Überblick

Unruhen und politische Umwälzungen führten Ende des zweiten Jahrtausends vor Chris- tus zu großen Veränderungen im Machtgefüge des Mittelmeerraums. Die Großreiche der Ägypter und Babylonier waren durch das Auftauchen neuer Völker wie der Griechen, Phönizier oder Assyrer in ihrem Einfluss sehr eingeschränkt worden (vgl. [48], 31). Eine eindeutige Jahreszahl für den Beginn der Antike und dem damit verbundenen Aufstreben Griechenlands ist wie bei vielen frühen historischen Epochen nicht eindeutig zu bestim- men. Oftmals wird jene Zeit als Beginn der griechischen Antike betitelt, in der Homer in der Ilias den Trojanischen Krieg ansetzte, der vermutlich in der spätmykenischen Epoche von 1250 v. Chr. bis 1150 v. Chr. stattfand. Wegen der Problematik, den Anfang der grie- chischen Geschichte genau datieren zu können, wurde sie in Epochen oder auch Phasen unterteilt.

In der spätmykenischen Epoche kam es zur ersten Staatenbildung auf Kreta, der myke- nischen Palastkultur, deren Einflussgebiet sich weit über das Festland Griechenlands bis zu den Inseln der Ägäis, einem Nebenmeer des Mittelmeers, das an die heutige Türkei und Griechenland grenzt, erstreckte. Auf dem Festland bildeten sich mit Pylos, Athen und Mykene erste städtische Siedlungen. Die einheimische Bevölkerung vermischte sich mit Einwanderern, was vermutlich zur Entwicklung der griechischen Sprache und ihren vielfältigen Dialekten führte (vgl. [46], 21–24). Vermächtnis dermykenischen Epoche sind gewaltige Burgen und die Linear-B Schrift, eine Silbenschrift.

Auf die mykenische Palastkulturen folgten die sogenannten Dark Ages, eine Epoche, die aufgrund der wenigen überlieferten literarischen Quellen zu ihrem Namen kam (vgl. [58], 26). Jedoch liegen die Grundsteine der Polis, der für diese Epoche typischen griechischen Gemeinde- und Stadtstaaten, in denDark Ages. Hier entstanden zum ersten Mal politische Einheiten, deren Zentrum, die sogenannte Agora, ein Versammlungs- und Marktplatz, Mittelpunkt des Lebens der Menschen wurde. Dort spielte sich neben der Wirtschaft und dem Handel vor allem das politische Geschehen ab. Die Form der Polis wurde ab dem 8.

Jhdt. v. Chr. zur charakteristischen Organisationsform der Städte (vgl. [48], 31–39).

(33)

Abbildung 4.1: Erste Stadtstaaten in den Dark Ages (vgl. [46], 30)

Der griechische Philosoph Aristoteles beschrieb diese Charakteristika als Selbstverwal- tung, Unabhängigkeit nach Außen und wirtschaftliche Selbstständigkeit. Die Polis wurden Zentren der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung. Zu den größten Stadtstaaten gehörten Athen und Syrakus sowie Korinth und Agrigent (vgl. [50], 20).

Die Herrschaftsformen vom 8. Jh. v. Chr. bis zu Solon und ersten Ansätzen demokrati- schen Denkens waren vielseitig und wechselten oft. Die anfängliche Monarchie des 8. Jh.

wurde von der Adelsherrschaft, der Aristokratie, abgelöst, deren Machtmonopol Grundbe- sitz und Militär waren. Im 7. Jh. folgte ein Aufschwung der Großbauern- und Händler, die die Herrschaft des Adels verdrängten. Ab dem 6. Jh. v. Chr. tauchten in den verschiedenen Poleis unterschiedliche Herrschaftsformen auf. Teilweise gab es eine Tyrannenherrschaft oder Oligarchie, aber auch die ersten Volksherrschaften wie es in Athen der Fall war (vgl.

[50], 20).

Die Epoche zwischen den Perserkriegen, die Anfang des 5. Jahrhunderts zu datieren sind, und der Zeit Alexander des Großen und dessen Thronbesteigung im Jahr 336 v. Chr. wird als dieklassische Zeit des antiken Griechenlands bezeichnet (vgl. [17], 145–146). Hier tritt Solon, vorerst Händler und Kriegsherr, dann Archon, auf die politische Bühne Athens und führt noch nie dagewesene Reformen durch. So soll er zum Beispiel durch Verschuldung leibeigen gewordene Menschen befreit und die Verpfändung des Leibes verboten haben.

Die Schulden der Einzelperson, aber auch der Gemeinschaft, wurden vermindert oder auch erlasssen. Er führte soziale und ökonomische Reformen durch, so gab es etwas unter Solon erstmals Strafen wegen Ehebruchs. Auch gestaltete er die Bürgerschaft neu, schuf also Regeln für die Zugehörigkeit zum Bürgerverband. Dazu teilte er die Bevölkerung nach Vermögen und Einkommen in vier Schätzungsklassen ein (vgl. [53], 90–91). Nach

(34)

der auf Solon folgenden sehr kurzen Episode der Tyrannis der Peisistratiden kam es unter Kleisthenes zu neuen politischen Reformen (vgl. [17], 150–151). Er führte die Phylenreform ein, teilte die Bevölkerung in zehn neue Stammesverbände, sogenannte Phylen ein, die es nun ermöglichten, dass auch die Besitzlosen die Chance auf politisches Mitspracherecht bekamen (vgl. [50], 21–23). Jede Phyle schickte 50 Bürger in die neue Volksversammlung und schuf so eine durchmischte Volksvertretung. Bis auf die militärischen Oberbefehlsha- ber der Phylen wurden alle politischen Ämter per Los entschieden (vgl. [53], 105–108). Um eine erneute Tyrannei zu verhindern, führte vermutlich auch Kleisthenes das Scherben- gericht, Ostrakismos, ein. Es ermöglichte der Volksversammlung einmal im Jahr darüber abzustimmen, ob eines ihrer Mitglied nach Alleinherrschaft strebte. Jeder Athener schrieb den Namen einer Person, von der er vermutete, dass sie nach Alleinherrschaft oder Ty- rannei strebte, auf eine Scherbe. Eine bestimmte Anzahl an Stimmen führte dann dazu, dass die verdächtige Person für zehn Jahre in die Verbannung geschickt wurde (vgl. [46], 66).

Der Sieg von Athen und unterstützenden Poleis gegen das riesige Perserreich um 500 v.

Chr. führt zu erneuten Entwicklungen und Fortschritten in der attischen Demokratie.

Denn Athens Macht hing vor allem von seiner schlagkräftigen Flotte ab. Die Ruderer dieser Flotte waren die Theten, jene Bürger Athens, die zu den fast Besitzlosen zählten und die sich die Ausrüstung für das Landheer Athens nicht leisten konnten. Durch ihren Einsatz in der Zeit der Perserkriege, vor allem aber bei der Schlacht von Salamis, gewan- nen die Theten großen politischen Einfluss. Dass Angehörige einer niederen Klasse, wie die der Theten, Anspruch auf politische Rechte und Mitspracherecht forderten, war eine nie dagewesene Situation (vgl. [19], 176–180).

Nach Ende der Perserkriege schlossen sich zahlreiche Poleis unter der Hegemonie Athens zum Delisch-Attischen Seebund zusammen. Die Poleis stellten dem Bund Schiffe, Krieger oder auch Geldzahlungen zur Verfügung. Vorerst als Schutz gegen die Perser, wurde der Seebund im Laufe der Zeit Machtinstrument Athens, um dessen Interessen durchzusetzen.

Das Handeln Athens führte schließlich zu den großen Auseinandersetzungen mit Sparta, die heute als der Peloponneische Krieg bekannt sind, die die griechische Hegemonie be- endeten und Sparta Ende des 5. Jh. zu großem Einfluss brachten (vgl. [46], 70–80).

Eine weitere wichtige Persönlichkeit, die wegen ihres Einflusses auf die attische Demokra- tie zu nennen ist, war Perikles. Er führte die sogenannten Diäten, Tagesgelder, für all jene ein, die die Tätigkeit als Richter oder Geschworene ausübten. Dies war zuvor nur jenen Athenern möglich gewesen, die sich diese unbezahlte Arbeit leisten konnten. Durch die Entlohnung der Arbeit war es auch jenen Athenern möglich, Richter oder Geschworener zu werden, die diesen Arbeiten zuvor aus finanziellen Gründen nicht nachgehen konnten (vgl. [46], 69–70). Auch ließ er die dritte Vermögensklasse zum Archontat zu und führte Festtags-, Theatergelder und Getreidespenden für die Bürger Athens ein (vgl. [50], 23).

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Perikles’ Demokrativerständnis ist von heutigem Standpunkt aus auf jeden Fall zu hin- terfragen. Denn oftmals wird diese Form der attischen Demokratie als die Herrschaft des ersten Mannes bezeichnet (vgl. [46], 70). Obwohl es zu vielen Neuerungen und Reformen kam, waren es nur die Menschen mit Bürgerrecht, die in deren Genuss kamen. Und das waren einheimische Männer über 20 Jahren. Die Metöken, Frauen, Kinder und vor allem Sklaven hatten keinen Anspruch auf diese Rechte (vgl. [50], 23).

Nach Ende des Peloponnesischen Krieges war nicht nur die Vorherrschaft Athens zerschla- gen, sondern auch große Unruhe und Konflikte zwischen den Staatstaaten Griechenlands ausgebrochen. Sparta war nun Besatzungsmacht im ehemaligen Herrschaftsgebiet Athens, das sich immer wieder gegen diese auflehnte. Das Resultat waren permanente Kämpfe, die das Land und ehemalige Verbündete trennten. In dieser unsicheren Zeit wurde Philipp II König eines instabilen Makedonien, baute dieses aber bald zu einem Großreich aus.

Er eroberte viele große griechische Stadtstaaten, und legte so die Grundlage für seinen Sohn Alexander, der im Alter von 20 Jahren die Nachfolge seines Vaters antrat. Philipps Regierungszeit war aber auch von dem ständigen Konflikt mit dem Perserreich geprägt (vgl. [19], 245–256). Dieser Konflikt begleitete auch Alexander, der den Perserkönig 331. v.

Chr. vernichtend schlug und dadurch zum Herrscher über das Perserreich wurde. Ägypten eroberte Alexander kampflos und gründete dort im Nildelta die Stadt Alexandria. Dar- über hinaus fielen auch Gebiete wie das heutige Tadschikistan oder Pakistan unter seine Herrschaft. Alexander herrschte über ein Gebiet von einer solchen Größe, wie es vor ihm noch niemand getan hatte und drang sogar bis zum indischen Ozean und dem Persischen Golf vor.

In vielen Quellen wird Alexander nun als der Begründer des Hellenismus bezeichnet, als er in einer strikten Heiratspolitik hohe Amtsträger, aber auch einfache Soldaten mit Frauen aus benachbarten Reichen verheiratete und so die Kultur der Makedonier, Perser aber auch anderer Länder miteinander in Kontakt brachte. Nach dem Tod Alexanders im Jahr 323 v. Chr. kam es zu erneuten Unruhen, da er keine Nachfolger bestimmt hatte.

Unter seinen ehemaligen Generälen aber auch seiner Familie brachen um die Nachfolge und den Herrschaftsanspruch die sogenannten Diadochenkriege aus, deren Resultat ne- ben verschiedenen Mittelstaaten drei hellenistische Großreiche waren: Das makedonische Reich erstreckte sich von Makedonien über Griechenland und kam unter die Herrschaft der Antigoniden, in Ägypten kam es zum Aufstieg der Ptolemäer und das asiatische Gebiet von Alexanders Reich wurde von den Seleukiden beansprucht. Herrschaftsform in diesen Gebieten war die Monarchie (vgl. [46], 90–95). Da es auch zwischen den Diadochenreichen keinen Frieden gab und die ständigen Unruhen ihre militärische Macht schwächten, kamen viele von ihnen in den letzten Jahrhunderten v. Chr. unter römische Besatzung (vgl. [50], 31).

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4.2 Ein Wandel in der Mathematik

So wie in Ägypten und Mesopotamien war die Mathematik in Griechenland natürlich auch ein Hilfsmittel, um das alltägliche Leben zu erleichtern und zu meistern, und hat- te daher einen sehr starken Praxisbezug. Die Mathematik war für den Handel, in der Architektur bei Bau- und Vermessungsaufgaben, aber auch bei der Seefahrt von großer Bedeutung (vgl. [33], 34–35). In der griechischen Antike wurde die Mathematik jedoch zu viel mehr als nur einem Hilfsmittel, sie wurde zu einer Wissenschaft, in der mit Definitio- nen, Methoden und Beweisen gearbeitet wurde (vgl. [58], 146–149). In den griechischen Stadtstaaten entstand im 7. und 8. Jh. v. Chr. auf Grundlage der mesopotamischen und ägyptischen Traditionen eine neue Art wissenschaftlichen Denkens. Diese beruht vor al- lem auch auf den wirtschaftlichen und ökonomischen Umständen der damaligen Zeit. Die Menschen erlebten ihre Welt durch geografische Entdeckungen immer wieder neu, Handel ließ sie weiter reisen als je zuvor, Herrscher und deren Unantastbarkeit wurden in Frage gestellt und der Mensch philosophierte plötzlich über sich und seine Umwelt (vgl. [48], 33). Durch den Kulturaustausch mit anderen Völkern lernten die Griechen die verschie- densten Formen der Mathematik und ihre Anwendung kennen und nahmen sie in ihren Wissenskosmos auf (vgl. [23], 9–15).

Der erste griechische Philosoph und Mathematiker war der sagenhafte Thales von Milet.

Er soll die Schule von Milet gegründet haben, die sich erstmals dem auf Religion und My- thologie beruhenden Wissen wiedersetzte. Wissen wurde hinterfragt, kritisiert und reflek- tiert. Als Beispiel sind die grundlegenden geometrischen Figuren und Körper zu nennen, die bereits auf mesopotamischen Tontafeln skizziert worden waren. Jedoch schienen diese Darstellungen immer nur im Kontext einer konkreten Aufgabenstellung und Anwendung auf. Thales von Milet und seine Schule versuchten nun weit über die reine Anwendung hinaus zu gehen. Man versuchte eine Vorstellung und allgemeine Idee zu Figuren und Kör- pern zu finden, Regeln aufzustellen, die nicht nur einmal, sondern immer galten (vgl. [3], 98–107). Diese Form der Mathematik setzte sich in Griechenland durch und entwickelte sich weiter zu einer auf Axiomen beruhenden Wissenschaft.

4.3 Die ionische Epoche

Die sogenannte ionische Epoche wird ungefähr auf die Jahre 600 v. Chr. bis 450 v. Chr.

datiert. In diesen Jahren wurden die Grundsteine für die griechische Mathematik gelegt, Ideen und Konstrukte erstellt, die in späteren Epochen widerlegt, bewiesen oder erweitert wurden. Um die gleiche Zeit vollzog sich in Griechenland der Übergang der aristokra- tischen Herrschaft zur Form der Polis. Daraus resultierend erblühten dort Zentren der Kultur, des Handels, der Wirtschaft und der Wissenschaft (vgl. [45], 27–28). Auch be-

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