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Der schmale Grat zwischen Charisma und Egoismus

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Academic year: 2022

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Der schmale Grat zwischen Charisma und Egoismus

Narzissmus – wenn der erste Blick täuscht

Visionäre Führungskräfte sind für Unternehmen von entscheidender Bedeutung. Gerade in Zeiten von hoher Unsicherheit und grossen Veränderungen sind wir froh, wenn wir in unseren Organisationen Menschen haben, welche mit klaren Vorstellungen den Weg zeigen.

Transformationale Führungskräfte, die dank ihrer ausserordent- lichen Präsenz, ihrer Kommunikationsstärke und ihrem Selbstbe- wusstsein eine Anziehungskraft auf andere ausüben und Mitarbeiten- de inspirieren, motivieren und begeistern können.

Nur leider kann das, was wir im ersten Moment als visionär, willens- stark und charmant wahrnehmen, auf den zweiten Blick auch einher- gehen mit einer ausgeprägten Orientierung auf die eigene Person, einem Gefühl der Überlegenheit gegenüber anderen und der Haltung, auserwählt zu sein – inklusive exzessiver Risikobereitschaft, einer ge- zielten Manipulation anderer sowie eine Immunität oder sogar Feind- seligkeit gegenüber konstruktiv geübter Kritik: Verhaltensbeschrei- bungen, welche allesamt als Ausprägungen von Narzissmus gelten.01 Zu verstehen, wie und warum Narzisst*innen auf den ersten Blick oftmals als transformationale Führungskräfte wahrgenommen werden, ist wichtig für die Gesundheit und Führung von Organisa- tionen – denn wie Sie vielleicht schon selbst erfahren haben, können Führungskräfte mit einer zu stark narzisstischen Ausprägung einen bedeutenden negativen Effekt auf die Unternehmenskultur ausüben und die spätestens seit Google so bekannte «Psychological Safety»02 bedrohen – nebst vielen weiteren negativen Folgen.

01

zB Grijalva, E., Newman, D. A., Tay, L., Donnellan, M. B., Harms, P. D., Robins, R. W.. &

and Yan, T. (2014). Gender differences in narcissism: A meta-analytic review. Psycholo- gical Bulletin, 141, 2, 261-310. Aufrufbar über http://digitalcommons.unl.edu/pdharms/5

02

zB Newman, A., Donohue, R., & Eva, N. (2017). Psychological safety: A systematic review of the literature. Human Resource Management Review, 27, 3, 521-535.

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Charles A. O’Reilly von der Stanford University und Jennifer A.

Chatman von der University of California, Berkeley, geben in ihrer kürzlich erschienenen wissenschaftlichen Übersicht Transformatio- nal Leader or Narcissist? How grandiose narcisissts can create and destroy organisations and institutions03 viele spannende Hinweise über die Auswirkungen von Narzisst*innen in Organisationen.

Diese fasse ich im nachfolgenden Artikel zusammen und zeige dabei auf, wie narzisstische Führungskräfte ganze Organisationen beein- flussen können, welche Möglichkeiten es gibt, um zwischen echten transformationalen Führungskräften und ihren narzisstischen Nach- ahmern zu unterscheiden, und leite daraus Ideen ab, wie man nar- zisstische Führungskräfte am besten vermeiden oder managen kann.

“I was successful at everything I did”

Donald Trump

03

O’Reilly, C. A., & Chatman, J. A. (2020). Transformational leader or narcissist? How grandiose narcisissts can create and destroy organizations and institutions.

California Management Review, 62, 3, 5-27.

04

Vgl https://www.youtube.com/watch?v=1R42mFx3_ss, oder https://www.youtube.com/watch?v=vlxmiFF85yU

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Dass Narzissmus in unseren Organisationen weitverbreitet ist, ist grundsätzlich keine Neuigkeit mehr. Eine kürzlich veröffentlichte Befragung von knapp 10’000 Mitarbeitenden und Führungskräften in Deutschland05 konnte erneut aufzeigen, dass Narzissmus in der Belegschaft von Unternehmen überdurchschnittlich ausgeprägt ist im Vergleich zur Gesamtbevölkerung – und dass die durchschnittlichen Ausprägungen von Narzissmus entlang der Hierarchie ansteigen, sprich, sich im Top Management überdurchschnittlich viele Narzisst*innen tummeln.

Was allerdings selbst die Autoren überraschte, ist das Ausmass von Narzissmus in der verhältnismässig jüngeren Belegschaft. Wurde nicht die Hierarchie, sondern nur das Alter als massgebliches Krite- rium untersucht, so liessen sich die durchschnittlich höchsten Werte von Narzissmus in der U30-Kohorte finden, also bei den jüngsten Mitarbeitenden in Unternehmen. Es ist daher sehr unwahrscheinlich, dass Narzissmus in Zukunft an Bedeutung und Wirkungskraft verlie- ren wird – im Gegenteil.

Welche Vor-, und Nachteile gehen für Organisationen also damit ein- her, wenn Narzissmus innerhalb der eigenen Belegschaft und insbe- sondere bei den Führungskräften stark ausgeprägt ist? O’Reilly und Chatman visualisieren die Zusammenhänge zwischen Narzissmus und transformationaler Führung über folgendes 4-Felder-Schema, wobei nachfolgend auf die jeweiligen Effekte für die Organisationen eingegangen wird.

05

«Die Jungbullen kommen», erschienen in Harvard Business Manager, 05/2021. https://

www.manager-magazin.de/harvard/fuehrung/narzissmus-in-deutschen-fuehrungseta- gen-die-jungbullen-kommen-a-0ee3251e-0002-0001-0000-000177064950

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Positive Effekte von transformationaler Führung bei gleichzeitig niedrigem Narzissmus

Wie bereits in der Literatur vielfach untersucht, können transfor- mationale Führungspersönlichkeiten sehr positive Effekte auf Organisationen ausüben.07 Die charakteristischsten Merkmale von transformationalen Führungskräften sind, dass sie insbesondere über ein ausgeprägtes kommunikatives Geschick verfügen, oftmals ein attraktives Bild der Zukunft vermitteln und ihr Gespür für die Befindlichkeit ihrer Mitmenschen so einsetzen können, dass sie ihre Gegenüber motivieren und inspirieren können. Dank diesen Eigen- schaften, Fähigkeiten und Verhaltensweisen gelingt es transforma- tionalen Führungskräften im Vergleich zu transaktionalen Führungs- kräften eher, den Status quo konstruktiv in Frage zu stellen, eine klare Vision zu vermitteln und ihre Mitarbeitenden dabei anzuspor- nen, ihnen auf diesem Weg zu folgen.

06

O’Reilly, C. A., & Chatman, J. A. (2020). Transformational leader or narcissist? How grandiose narcisissts can create and destroy organizations and institutions.

California Management Review, 62, 3, p. 7.

07

zB Bass., B, & Riggio, R. (2008). Transformational leadership. New Jersey: Lawrence Erlbaum.

Abbildung: Die vier I’s der transformationalen Führung: inspirational motivaton, intellectual stimulation, individual consideration, idealized influence. 14

HOCH NIEDRIG

HOCH

Negative Effekte Positive Effekte

NIEDRIG

Keine Effekte Keine Effekte

Narzissmus

Transformationale

Führung

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08

Adam Neuman von WeWork ist eines der prominenten Beispiele für eine solche Ver- mischung von quasi-transformationalem Führungsverhalten mit einer narzisstischen Persönlichkeit. Neuman gelang es, diverse Investoren für WeWork zu begeistern, welche letztendlich den grössten Teil ihres Geldes verloren – während Neuman, nachdem er nach diversen Skandalen von seinem CEO-Posten enthoben wurde, eine Entschädigungszah- lung von 1.7 Milliarden US-Dollar aushandeln konnte. WeWork musste zahlreiche Mitarbei- tende entlassen und kämpft weiterhin mit diversen existenziellen Schwierigkeiten.

Natürlich streben alle Unternehmen danach, Personen mit solchen Eigenschaften einstellen oder entwickeln zu können – insbesonde- re zu einer Zeit, in der unsere Wirtschaftssituation geprägt ist von Disruption, Unsicherheit und Volatilität. Die Gefahr, die dabei nicht aus den Augen verloren werden sollte: Zwischen transformationalem Führungsverhalten und typisch narzisstischen Eigenschaften gibt es eine nicht zu unterschätzende Überschneidung.

Vermischt mit Narzissmus können Vorteile zu negativen Effekten umschlagen

Wie transformationale Führungskräfte können auch Narzissten oft- mals dieselbe Vision und dasselbe Charisma demonstrieren und Men- schen zum Handeln bewegen – aber ihre Ziele, die oft verschleiert werden, dienen letztlich ausschliesslich dem eigenen Nutzen und sind oftmals nicht integer – oder zumindest nicht wie bei transformationa- len Führungspersönlichkeiten kollektiver Natur. Vermischen sich also pseudo-transformationales Führungsverhalten mit hohen Ausprä- gungen von Narzissmus, so kann die Fähigkeit zur Mobilisation von Menschen schnell in eine gefährliche Richtung umschlagen.08

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Dabei werden zwei Kategorien von Narzissmus unterschieden:

Vulnerable Narcissism ist ein Erklärungsmodell, in dem viele der typisch narzisstischen Verhaltensweisen aus einem eigentlich schwach ausgeprägten Selbstwert erklärt werden – die eigene Selbst- überhöhung entsprechend als Kompensation verstanden wird. Bei dieser Form von Narzissmus ist es sehr unwahrscheinlich, dass gleichzeitig typische Führungsqualitäten gezeigt werden. Daher sind auch nur niedrige oder keine negativen Effekte zu erwarten für eine Kombination von Narzissmus ohne transformationales Führungsver- halten. Der Einfluss wird sehr wohl innerhalb eines Teams spürbar sein, wird sich aber kaum auf die ganze Organisation ausweiten.

The Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders

Definition of Narcissistic Personality Disorder — (DSM V — 301.81).

Narcissistic Personality Disorder

Abbildung: Narzisstische Persönlichkeitsstörung gemäss diagnostischem Manual der mentalen Störungen, DSM-5.09

A pervasive pattern of grandiosity, need for admiration, and lack of empathy, beginning in early child- hood and characterized by five or more of the following:

1. Has a grandiose sense of self-importance (e.g., exaggerates achievements and talents and expects to be recognized as superior without commensurate achievements).

2. Is preoccupied with fantasies of unlimited success, power, brilliance, beauty, or ideal love.

3. Believes that he or she is “special” and unique and can be understood only by, or should associa- te with, other special status people (or institutions).

4. Requires excessive admiration.

5. Has a sense of entitlement, unreasonable expectations of favorable treatment or automatic compliance with his or her expectations.

6. Is interpersonally exploitative, takes advantage of others to achieve his or her ends.

7. Lacks empathy: is unwilling to recognize or identify with the feelings or need of others.

8. Is often envious of others or believes that others are envious of him or her.

9. Shows arrogant or haughty behaviours or attitudes.

Typische Verhaltensweisen von Narzisst*innen

Ursprünglich stammt der Begriff Narzissmus aus der klinischen Psy- chologie und definiert sich gemäss DSM-5 aus einer Kombination ver- schiedener Verhaltensweisen und Überzeugungen, wovon für eine klini- sche Diagnose mindestens 5 der 9 Kriterien vorhanden sein müssen.

09

DSM-5. (2013). Arlington: American Psychiatric Association.

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Die zweite Kategorie von Narzissmus wird als Grandiose Narcissism umschrieben. Hier sprechen wir von einer Form von Narzissmus, die durch ein hohes Selbstwertgefühl und ein Gefühl der persönlichen Überlegenheit charakterisiert wird. Damit einher gehen oftmals eine hohe Durchsetzungsfähigkeit, die gekennzeichnet ist durch eine hohe Extraversion und die Bereitschaft, andere zum eigenen Vorteil auszunutzen. Sie sind gesellig und handlungsorientiert, gleichzeitig egoistisch und haben kein Interesse für das Wohlergehen anderer.

Dazu gesellen sich Feindseligkeit und Aggression, wenn sich die Narzisst*innen herausgefordert und nicht anerkannt fühlen.

Grandiose Narzisst*innen glauben demnach tatsäch- lich, dass sie besser und kompetenter sind als andere.

In dieser Detail-Beschreibung wird nun auch erkennbar, hinsichtlich welchen Verhaltensweisen Überschneidungen auftreten zu transfor- mationaler Führung – und wie hoch das Potential ist, dass für Orga- nisationen, welche über viele Führungskräfte mit stark ausgepräg- tem Grandiose Narcissism verfügen, signifikante negative Effekte entstehen können.

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O’Reilly, C. A., & Chatman, J. A. (2020). Transformational leader or narcissist?

How grandiose narcisissts can create and destroy organizations and institutions.

California Management Review, 62, 3, p. 7.

Negative Konsequenzen für Organisationen mit narzisstischen Führungskräften

O’Reilly und Chatman (2020) beschrieben in ihrem Übersichtsartikel zahlreiche Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen zu diesen negativen Effekten, welche in der untenstehenden Grafik zusammen- gefasst werden.

The organizations effects of narcissistic leaders.

Abbildung: Narzisstische Persönlichkeitsstörung gemäss diagnostischem Manual der mentalen Störungen, DSM-5.09

NARCISSISTIC LEADERS

• Grandiose

• Entitled

• Self-confident

• Risk seeking

• Impulsive

• High self-esteem

• Manipulative

• Hostile

CONSEQUENCES

• Hostile and abusive to subordinates; employees stressed, frustrated, and high levels of turnover and burnout

• Often engages in unethical behavior — lies, cheats, and steals

• Creates cultures of low integrity and teamwork

• Prone to costly litigation

• Manipulates accounting information

• Over-claims (more compensation)

• Makes decisions based on impulse, not facts

• Blames others for failure

SEEK OUT OPPORTUNITIES TO SHINE

• Fit the sterotype of a leader and often emerge as leaders – but no evidence of objective competence

• See the upside in taking risks, but less sensitive to the downside

• Challenges the status quo

• Especially attractive in uncertain or changing situations

SEE OTHERS AS LESS COMPETENT

• Sees others in a win-loose way

• Seeks only positive feedback and susceptible to flattery

• Ignores the advice of experts

• Values loyalty, not expertise

• Suspicious of others, lacks trust

• Vigliant to threats

• Responds aggressively when challenged

Das offensichtliche Selbstvertrauen, die Extravertiertheit und die Bereitschaft, andere herauszufordern, führt insbesondere dazu, dass grandiose Narzisst*innen sich immer wieder darum bemühen, mit ihrer Person und ihren Fähigkeiten im Rampenlicht zu stehen und beachtet zu werden. Und da grandiose Narzisst*innen keine Schuld- gefühle und ein geringeres Bedürfnis nach Intimität haben, sind sie eher bereit, andere zu manipulieren, was sie in der Organisations- politik effektiv macht.

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Dabei beanspruchen sie viel Anerkennung, und angesichts der Schwierigkeit, Leistungen innerhalb von Gruppen zu identifizieren, kann es schwierig sein, genaue Einschätzungen der tatsächlichen Beiträge von Narzisst*innen abzuleiten.

Eine Reihe von Studien hat gezeigt, dass grandiose Narzissten we- niger großzügig sind und weniger bereit sind, anderen zu helfen als Nicht-Narzissten.11 Damit einher gehen auch Befunde, dass Mitarbei- tende, die für narzisstische Führungskräfte arbeiten, frustrierter und gestresster, sowie weniger zufrieden und weniger engagiert für ihre beschäftigende Organisation sind.12 Bestimmt haben Sie die Aussage schon gehört: «Mitarbeiter verlassen nicht Unternehmen, Mitarbei- ter verlassen ihre Führungskräfte». Hohe Ausprägungen von Nar- zissmus bei der eigenen Führungskraft kann durchaus wesentliche Anteile daran haben, wenn teamorientierte Mitarbeitende die Firma verlassen – und damit der Einfluss von grandiosen Narzisst*innen nur noch grösser wird.

Aus organisationaler Perspektive kann dabei ein gefährlicher Kreis- lauf entstehen – denn Narzisst*innen, wenn sie einmal in Führungs- positionen angelangt sind, neigen dazu, andere einzustellen und zu befördern, die vielleicht weniger erfahren oder kompetent sind, aber loyal sein werden. Loyalität gegenüber den narzisstischen Führungs- persönlichkeiten kann also zur relevanten Norm werden, sprich, Loyalität wird bei Einstellungsentscheidungen höher bewertet als Fach- oder Sozialkompetenz.

Narzisstische CEOs belohnen diejenigen, die ihren Narzissmus verstärken, und bestrafen diejenigen, die das nicht tun.

Diese Aufzählungen könnten noch weitergeführt werden – doch die möglichen negativen Effekten von grandiosen Narzisst*innen in Führungspositionen sind bestimmt schon deutlich geworden. Daher soll nachfolgend nun insbesondere noch darauf eingegangen werden, welche Möglichkeiten bestehen, um Narzisst*innen in der Rekrutie- rung als solche erkennen zu können, und auf was geachtet werden sollte im Umgang mit Narzisst*innen, welche bereits im eigenen Unternehmen sind.

11

zB Nehrlich, A. D., Gebauer, J. E., Sedikides, C., & Schoel, C. (2019). Agentic narcissism, communal narcissism and prosociality. Journal of Personality and Social Psychology, 117, 1, 142-165.

12

zB Grijalva, E., & Newman, D. A. (2015). Narcissism and counterproductive work beha- vior: Meta-analysis and consideration of collectivist culture, big five personality, and narcissism’s facet structure. Applied Psychology: An International Review, 64, 1, 93-126.

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Implikationen für die Unternehmenspraxis

Die wirkungsvollste Massnahme im Umgang mit Narzisst*innen ist natürlich, diese erst gar nicht in das eigene Unternehmen aufzuneh- men. Was sehr einfach klingt, ist in der Realität leider um einiges komplizierter.

Denn einerseits betrachten noch immer die Mehrheit aller Unterneh- men Interviews als die zentrale und wirkungsvollste Rekrutierungs- methode. Und wie Sie sich vorstellen können, liegt es perfekt in der Natur der Narzisst*innen, bei Interviews besonders überzeugen zu können – vor mehreren Personen über die eigene Person berichten zu können, ist für Narzisst*innen die perfekte Bühne, um eine optimale Performance zu zeigen.

Andererseits ist es auch nicht sinnvoll, wenn man Narzisstische Aus- prägungen komplett ausschliessen möchte, da Narzissmus nicht per se nur schlecht oder hinderlich ist. Vielmehr gilt es, Narzissmus als Kontinuum zu verstehen, wir also alle in unterschiedlichem Ausmass Narzisstische Verhaltens-, und Denkweisen aufweisen. In moderater Ausprägung kann Narzissmus dabei für Individuen und für Organi- sationen hilfreich und notwendig sein, um in einer wettbewerbsori- entierten Leistungsgesellschaft Erfolge feiern zu können. Tatsäch- lich gibt es Untersuchungen, welche zeigen, dass der Zusammenhand zwischen Führungseffektivität und Narzissmus umgekehrt U-förmig ist. Sprich: Weder zu wenig, noch zu viel Narzissmus ist förderlich.13 Die Herausforderung liegt also darin, Narzissmus nicht per se auszu- schliessen, sondern sicherzustellen, dass Narzisstische Ausprägun- gen nicht zu extrem (und damit kontraproduktiv) sind.

13

Grijalva, E., Harms, P. D., Newman, D. A., Gaddis, B. H., & Fraley, R. C. (2015). Narcissism and leadership: A meta-analytic review of linear and nonlinear relationships.

Personnel Psychology, 68, 1, 1-47.

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Heidbrink, M., & Debnar-Daumler, S. (2016). Self-Ledership – Sich selbst führen in un- sicheren Zeiten. München: Haufe-Lexware.

Rekrutierung: Was Sie im Interview unbedingt abfragen sollten

Damit es gelingt, eine tatsächlich transformationale Führungskraft von eine/r grandiosen Narzisst*in im Kleide einer «pseudo-trans- formationalen» Führungskraft auseinanderzuhalten, gilt es, sich auf einen ganz besonderen Faktor der transformationalen Führung zu konzentrieren: Individuelle Berücksichtigung.

Organizations can take a veriety of actions to integrate well-being into work

INSPIRIERENDE MOTIVATION

INTELLEKTUELLE HERAUSFORDERUNG

INDIVIDUELLE

BERÜCKSICHTIGUNG

IDEALISIERENDER EINFLUSS

Die Bedeutung von Zielen

und Aufgaben erläutern Neue Impulse einbringen und ein Klima des Aufbruchs schaffen

Die Stärken, Vorlieben und Potenziale der Mitarbeiter kennen

Sich vorbildlich verhalten

Eine fesselnde Vision entwickeln und diese begeisternd kommunizieren

Das Etablierte

herausfordern Jedes Teammitglied individuell

begleiten und coachen Den eigenen Überzeugungen folgen

Sich als Expeditionsleiter verstehen, nicht als Dompteur

Ideen willkommen heißen

und Alternativen erproben Angelegten Potenzialen zur

Entfaltung verhelfen Mit Begeisterung und Ent- schlossenheit vorangehen

Abbildung: Die vier I’s der transformationalen Führung: inspirational motivaton, intellectual stimulation, individual consideration, idealized influence. 14

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Während bei den übrigen drei Faktoren auch ausgeprägte Nar- zisst*innen wirkungsvoll sein können, so ist dies bei Individuelle Berücksichtigung definitiv nicht der Fall. Führungskräfte mit sehr deutlich ausgeprägten narzisstischen Merkmalen werden genau nicht andere Mitarbeitende unterstützen, coachen und über individuelle Ziele optimal in ihrer Entwicklung fordern und fördern. Sie werden darüber hinaus auch ihr eigenes Wissen und wichtige Informationen nicht gern teilen und damit verhindern, dass Verantwortung überge- ben und von Mitarbeitenden übernommen werden kann.

Daher sollten Sie in Ihren Interviews unbedingt kompetenzbasierte Interviewfragen einbauen, welche Ihnen dabei helfen zu verstehen, inwiefern Bewerbende mit konkreten Beispielen tatsächlich auf- zeigen, wie sie in der Vergangenheit die Entwicklung ihrer Mit- arbeitenden positiv beeinflussen konnten. Eine kompetenzbasierte Interviewfrage könnte also beispielsweise so aussehen: «Schildern Sie uns eine Situation, in der Sie massgeblich zur Entwicklung einer Person beigetragen haben. Wie sind sie dabei vorgegangen? Was wa- ren die Herausforderungen? Was würden Sie ein nächstes Mal anders machen wollen?»

Achten Sie dabei darauf, dass sie keine hypothetischen Fragen stellen – also nicht, «wie würden sie vorgehen, wenn sie jemanden weiterentwickeln möchten», denn diese Fragen werden Ihnen Nar- zisst*innen wiederum sehr glaubwürdig beantworten können (un- abhängig vom Wahrheitsgehalt). Achten Sie auf konkret gezeigtes Verhalten aus der Vergangenheit rund um das Thema individuelle Berücksichtigung von Mitarbeitenden und fragen Sie detailliert nach, sodass fiktive Beispiele einen schweren Stand haben.

Die Abwesenheit von glaubwürdigen Beispielen dienen Ihnen dann als eine mögliche Form von Evidenz, zu hohe Ausprägungen von Narzissmus erkennen und damit auch tatsächlich transformationa- les Führungsverhalten von Narzissmus unterscheiden zu können.

Gibt es darüber hinaus weitere Risikofaktoren – beispielsweise, dass Erfolge stets mit der eigenen Person, Misserfolge mit dem Versagen anderer in Verbindung gebracht werden – so sollten Sie Ihre Rekru- tierungsentscheidung gut überdenken.

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Narzissmus im Unternehmen: Umgang mit Feedback

Eine zweite wichtige Unterscheidung zwischen transformationa- len Führungskräften und Narzisst*innen finden Sie im jeweiligen Umgang mit Kritik. Während transformationale Führungskräfte oftmals von sich aus Feedback pro-aktiv einholen, stellt Kritik für Narzisst*innen eine Bedrohung ihrer Strahlkraft dar – und ist da- her unterwünscht. In einem Interview könnten Sie also auch einige kompetenzbasierte Fragen zum Thema Feedback einbauen – um so beispielsweise zu erfahren, wann Bewerbende das letzte Mal von sich aus Feedback eingeholt haben, respektive, was das bislang wert- vollste Feedback gewesen sei und wie dieses für den eigenen Lern- prozess genutzt worden ist.

Umgang mit Feedback ist auch einer der wesentlichsten Einfluss- möglichkeiten für einen konstruktiven Umgang mit narzisstischen Ausprägungen, die bereits im eigenen Unternehmen vorhanden sind.

Interne Workshops, in welchen sowohl das Geben als auch das Emp- fangen von wirkungsvollem Feedback behandelt wird, helfen, um als Organisation insgesamt eine entsprechende Feedback-Kultur zu stärken – welche für Narzisst*innen abschreckend wirkt.

Nutzen Sie darüber hinaus regelmässige 360°-Feedbacks, so sollten Sie jene Personen, welche Debriefings und/oder Facilitations durch- führen, insbesondere darauf sensibilisieren, Unterschiede in den Ratings zwischen Selbstbild/Supervisor vs Mitarbeitenden aufmerk- sam zu studieren. Systematische Unterschiede in dieser Konstella- tion würden genau reflektieren, wie Narzissmus sowohl positiv als auch negativ wahrgenommen werden kann – und Narzisst*innen sehr gut sind darin, sich gezielt positiv zu verhalten gegenüber jenen Personen (wie die eigene Führungskraft), die ihnen langfristig Vor- teile wie Beförderungen oder Lohnerhöhungen verschaffen können.

Negative Effekte wären bei Mitarbeitenden zu erwarten, denn dort wären typisch Narzisstische Verhaltensweisen wie übermässiges Beanspruchen von Erfolgen innerhalb eines Teams für sich selbst, wenig Informationsfluss und keine Wertschätzung für Mitarbeitende am meisten spürbar.

Bei solchen Datenmustern sollte beim Erstellen von persönlichen Entwicklungsplänen oder sonstigen Follow-Up-Massnahmen das Ziel aufgestellt werden, dass sich die Ratings von Peers/Mitarbeiten- den für die nächste 360°-Durchführung verbessern sollten – natürlich mit Hinweisen, wie dies bewerkstelligt werden könnte.

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Fazit

Was wir auf den ersten Blick als visionär, selbstbewusst, willens- stark, charmant und herausfordernd wahrnehmen, kann im Extrem- fall grandios, arrogant, ausbeuterisch, impulsiv und aggressiv sein.

Solange wir nicht beginnen, zwischen narzisstischen Führungs- kräften, die Unternehmen als Mittel zum eigenen Zweck sehen, und transformationalen Führungskräften, die sich selbst als Mittel zum Zweck des Unternehmens sehen, zu unterscheiden, werden wir wei- terhin destruktive Führungskräfte belohnen.

Die wesentlichsten Unterscheidungsmerkmale betreffen das Aus- mass, in welchem Führungskräfte ihre Mitarbeiter persönlich unter- stützen in ihrer Entwicklung, Informationen und das eigene Wissen breitwillig teilen, Erfolge als Teamleistung kommunizieren und persönlich Verantwortung übernehmen bei Misserfolgen.

Achten Sie sowohl in der Rekrutierung als auch für Gestaltung von Unternehmenskultur-Entwicklungsmassnahmen auf diese Punkte, so haben Sie weiterhin gute Chancen, von den positiven Effekten transformationaler Führungspersönlichkeiten zu profitieren, ohne am Ende doch narzisstischen Verhaltensweisen auf den Leim gekro- chen zu sein.

Sie fanden das Thema Narzissmus in Organisationen spannend?

Ausführlichere Beschreibungen zum Thema Narzissmus und den Effekten auf Organisationen finden Sie im Originalartikel von O’Reilly und Chatman. Darüber hinaus stehe auch ich natürlich gerne für Auskünfte zur Verfügung. Nehmen Sie jetzt Kontakt auf!

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