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Berechnung der Geldleistung für Kindertagespflege

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VG München, Urteil v. 20.06.2018 – M 18 K 16.6024 Titel:

Berechnung der Geldleistung für Kindertagespflege Normenketten:

SGB VIII § 23 Abs. 2, Abs. 2a S. 1 BayKiBiG Art. 20

AVBayKiBiG § 18 VwGO § 43 Leitsätze:

1. Hinsichtlich der Festlegung des Betrages zur Anerkennung der Förderleistung der Tagespflegeperson nach § 23 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 2a SGB VIII steht dem öffentlichen Träger der Jugendhilfe ein weiter Beurteilungsspielraum zu (BVerwG BeckRS 2018, 6384). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz) 2. Die laufende Geldleistung muss nach § 23 Abs. 2 SGB VIII zwingend in die dort im Einzelnen

aufgeführten Bestandteile (Sachaufwand, Förderleistung, Zuschüsse zur Renten- und Unfallversicherung, Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung) differenziert werden (vgl. VG München BeckRS 2016, 48492). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

3. Eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, die das Recht der Tagesmutter, privatrechtliche Zuzahlungen mit den Eltern der von ihr betreuten Kinder zu vereinbaren, einschränken könnte, ist nicht ersichtlich. Das Gericht hält insoweit an seiner im vergleichbaren Fall geäußerten Rechtsauffassung im Verfahren M 18 K 14.3472 (BeckRS 2016, 48492) fest und macht sich diese Ausführungen weiter zu eigen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:

Kindertagespflege, laufende Geldleistung, Beurteilungsspielraum des Jugendhilfeträgers, Verbot der Vereinbarung von Zusatzleistungen, Entgelt für Kindertagespflege, Betreuung des Kindes, Förderleistung, Pflegegeld, Jugendhilfe, Unfallversicherung

Fundstelle:

BeckRS 2018, 27202  

Tenor

I. Der Beklagte wird verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf laufende Geldleistung für die Betreuung des Kindes … … vom 16. März 2015 bis 29. April 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

II. Es wird festgestellt, dass die Klägerin ohne Einschränkung der Förderleistung nach §§ 22 ff. SGB VIII berechtigt ist, von den Eltern der von ihr betreuten Tagespflegekinder mittels privat-rechtlicher

Vereinbarungen Zuzahlungen zu verlangen.

III. Der Beklagte hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des

vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand 1

Die Klägerin, die über eine Tagespflegeerlaubnis verfügt und im Bereich des Beklagten tätig ist, begehrt die Neuverbescheidung ihres Anspruchs auf laufende Geldleistung bezüglich des Betreuungsverhältnisses des Kindes N. sowie die Feststellung, dass sie berechtigt ist, Zuzahlungen von den Eltern der von ihr betreuten Kinder zu verlangen.

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Die Eltern des Kindes N. und die Klägerin kamen überein, dass die Klägerin das Kind N. ab dem 16. März 2015 betreuen solle. Mit Schreiben der Eltern des N. beantragten diese beim Beklagten am 23. März 2015 die Förderung von N. in der Kindertagespflege bei der Klägerin für 21 Stunden in der Woche. Die Klägerin weigerte sich, die vom Beklagten vorgegebene zusätzliche Formularerklärung, in der sie einen Verzicht auf privatrechtliche Zuzahlungsvereinbarungen mit den Kindseltern erklären sollte, zu unterschreiben.

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Mit Schreiben des Beklagten vom 20. April 2015 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass bei Nichtvorlage der Verzichtserklärung vom Beklagten bei einer Betreuung von 21 Stunden wöchentlich lediglich … EUR monatlich Pflegegeld zuzüglich 20% Qualifizierungszuschlag übernommen werden könnten.

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Die Familie des Kindes N. kündigte das Betreuungsverhältnis am 29. April 2015.

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Mit Bescheid vom 18. Mai 2015, der an die Eltern des N. adressiert war, wurde in Ziff. 1. die Tagespflege für das Kind N. bei der Klägerin bewilligt und in Ziff. 2. Jugendhilfe durch Übernahme von Pflegegeldzahlungen gewährt. In den Gründen wird ausgeführt, dass der Beklagte für das Pflegeverhältnis mangels

Unterzeichnung der Zuzahlungsverzichtserklärung keine Fördermittel erhalte. Der Beklagte habe für solche Pflegeverhältnisse bei einer 40-stündigen Betreuungszeit pro Woche einen Förderbetrag von …- EUR festgesetzt.

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Der Bescheid wurde mit Anschreiben vom 18. Mai 2015 als Anlage an die Klägerin verschickt.

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Mit Schreiben vom 9. Juni 2015 legte die Klägerin beim Beklagten Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. Mai 2015 ein. Nach ihrer Ansicht dürfe der Beklagte von den Tagespflegepersonen nicht verlangen, auf Elternzuzahlungen zu verzichten. Elternzuzahlungen seien gesetzlich nicht verboten worden. Das im vorliegenden Bescheid ausgelobte Entgelt sei deutlich zu niedrig und nicht angemessen. Die staatsinterne Förderungspauschale zwischen dem Freistaat und dem Jugendamt und die Empfehlungen des Städtetages seien keine hinreichende Berechnungsgrundlage. Die Klägerin fordere einen an sie adressierten Bescheid.

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Mit Schreiben vom 29. März 2016 teilte der Beklagte der Bevollmächtigten der Klägerin mit, seit Ende 2015 sei die Vorgehensweise bezüglich der Bescheide umgestellt worden. Inzwischen erhielten sowohl die Eltern der betreuten Kinder als auch die Tagespflegeperson eigene Bescheide über die Leistungen nach § 23 SGB VIII. Der Beklagte gewähre für alle Kinder in der Tagespflege … EUR Sachaufwandspauschale sowie eine Förderleistung von … EUR und zusätzlich einen Qualifizierungszuschlag aus dem Gesamtbetrag von

… EUR. Da der Jugendhilfeausschuss die Höhe des Tagespflegeentgeltes festgelegt habe, sei das Jugendamt an diesen Betrag gebunden. In Art. 20 Satz 1 Nr. 3 BayKiBiG sei als Fördervoraussetzung festgelegt, dass die Elternbeteiligung auf maximal die 1,5-fache Höhe des staatlichen Anteils der kindbezogenen Förderungen nach Art. 21 BayKiBiG begrenzt sei. Daher sei ein Zuzahlungsverzicht notwendig, um ein förderfähiges Rechtsverhältnis zu erhalten. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 2. Juli 2015 (W 3 K 14.648) stütze diese Vorgehensweise. Jede selbständig tätige

Tagespflegeperson könne entscheiden, ob sie das Tagespflegeverhältnis privatrechtlich mit den Eltern abschließe oder sich an die Vorgaben des Landkreises halte und dann mit diesem abrechne.

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Mit Schreiben vom 20. Juni 2016 legte der Beklagte der Regierung von Oberbayern den Widerspruch vor.

Die Regierung von Oberbayern gab das Verfahren mit Schreiben vom 18. November 2016 an den Beklagten mit der Bitte zurück, die Angelegenheit in eigener Zuständigkeit erneut zu überprüfen und dem Widerspruch abzuhelfen.

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Die Bevollmächtigte der Klägerin erhob mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2016 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München mit den Anträgen,

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1. die Beklagtenpartei zu verpflichten, den Antrag der Klägerin auf laufende Geldleistung für die Betreuung des Kindes … … vom 16. März 2015 bis 29. April 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts in Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens leistungsgerecht zu bescheiden,

2. festzustellen, dass die Klägerin ohne Einschränkung der Förderleistungen gemäß der §§ 22 ff. SGB VIII berechtigt ist, von den Eltern der von ihr betreuten Tagespflegekinder mittels privatrechtlicher Vereinbarung Essensgeld zu verlangen,

3. festzustellen, dass die Klägerin ohne Einschränkung der Förderleistungen gemäß der §§ 22 ff. SGB VIII berechtigt ist, von den Eltern der von ihr betreuten Tagespflegekinder mittels privatrechtlicher Vereinbarung Zuzahlungen zu verlangen, welche über das Essensgeld hinausgehen.

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Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt, dass sich der Beklagte für die Berechnung der

Tagesgeldsätze weiterhin auf die Empfehlungen des Bayerischen Städte- und Landkreistages stütze, die auf internen Refinanzierungsbeträgen beruhen und nicht dynamisiert seien. Der Beklagte habe bei der Festlegung der konkreten Höhe der leistungsgerechten Vergütung nach den gesetzlichen Vorgaben anhand von Erhebungen über den tatsächlichen Marktwert der Leistungen nach sachlich gerechtfertigten und nachvollziehbaren Maßstäben einen angemessenen Betrag festzulegen. Refinanzierungsprobleme gegenüber dem Freistaat Bayern seien hier irrelevant. Der Klägerin stehe ein an sie adressierter Bescheid zu. Bezüglich der Feststellungsanträge bestehe das Feststellungsinteresse, weil die Erklärung über den Verzicht von Zuzahlungen weiterhin von dem Beklagten verlangt werde und die Förderleistungen wegen der Weigerung durch die Klägerin in nicht rechtmäßiger Weise eingeschränkt worden seien. Der Klägerin könne als selbständig tätige Kindertagespflegeperson wegen Art. 12 Abs. 1 GG nicht verboten werden,

privatrechtlich eine zusätzliche Zuzahlung zu vereinbaren. Dieses Grundrecht der Klägerin könne nur durch Bundesgesetze eingeschränkt werden, welche hier jedoch nicht vorlägen. Wegen der zu niedrigen

Bemessung des Anerkennungsbetrages nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII sei die Klägerin darauf

angewiesen, Zuzahlungen von den Eltern zu verlangen, um einen auskömmlichen Lebensunterhalt inklusive Sozialabsicherung zu erhalten.

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Der Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 19. Juni 2017, dass der Klägerin ein Anspruch auf einen eigenständigen Bescheid über die Förderleistung zustehe. Den Ausführungen der Klägerin bezüglich des Zuzahlungsverbotes sei zuzustimmen. Die Kürzung des Pflegegeldes sei nicht statthaft gewesen. Aufgrund der aktuellen Rechtsprechung fordere der Beklagte derzeit keinen Zuzahlungsverzicht mehr. Ein

Feststellungsinteresse der Klägerin sei daher entfallen. Unter Berücksichtigung der oben angegebenen Vorgaben sei eine Nachberechnung für die streitgegenständliche Betreuung des Kindes N. vorgenommen worden. Demnach stehe der Klägerin eine Nachzahlung in Höhe von … EUR zu. Der Beklagte lasse der Klägerin einen korrigierten Bescheid zukommen und überweise den noch offenen Betrag. Es werde beantragt,

die Klage im Übrigen abzuweisen.

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Entgegen den Ausführungen der Klagepartei sei die derzeitige Höhe der Vergütung der

Tagespflegepersonen sachlich und rechtlich nicht zu beanstanden. Vom Jugendhilfeausschuss sei eine Sachaufwandspauschale in Höhe von 300,- EUR und eine Förderleistung in Höhe von … EUR festgesetzt worden. Diese Förderleistung liege über den Empfehlungen des Bayerischen Landkreistages für die Kindertagespflege vom 23. Februar 2016. Es werde inzwischen auch zwischen den einzelnen Bestandteilen der laufenden Geldleistung differenziert und die jeweiligen Bestandteile seien ihrer Höhe nach bestimmt. Ein auskömmliches Einkommen müsse mit der laufenden Geldleistung derzeit noch nicht erreicht werden. Auch der Qualifizierungszuschlag müsse zur Ermittlung der Leistungsgerechtigkeit im Sinne des § 23 Abs. 2a SGB VIII herangezogen werden.

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Aufgrund einer gerichtlichen Bitte um Sachstandsmitteilung vom 28. Februar 2018 erklärte die

Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 21. März 2018, dass der in der Klageerwiderung angekündigte Bescheid noch nicht erlassen worden sei und eine Überweisung auch nicht stattfand. Eine jährliche

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Dynamisierung des Förderbetrages sowie der Sachaufwandspauschale sei vom Beklagten nicht vorgenommen worden. Bei der Angemessenheit könne nicht auf die tatsächlich gewährten

Betreuungsstunden abgestellt werden, sondern es müssten auch die notwendigen Nebenarbeiten der Klägerin für die betreuten Kinder (Elterngespräche, Dokumentationen, Reinigungs-, Vorbereitungsarbeiten etc.) miteinbezogen werden. Die Zahlung des Qualifizierungszuschlages stelle eine landesrechtliche Regelung dar, die als Berechnungsgrundlage auf eine leistungsgerechte Vergütung nach § 23 Abs. 2 SGB VIII abstelle. Von daher könne die Gewährung des Qualifizierungszuschlages nicht dazu führen, dass die Leistungsgerechtigkeit des Förderbetrages nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII erst hergestellt werde. Zudem sei die Zielsetzung der Qualifizierungszulage die Förderung der Qualifizierung der Tagespflegepersonen und nicht die Vergütung der eigentlichen Betreuungsleistung. Der Beklagte verlange weiterhin von allen Tagespflegepersonen die Unterzeichnung eines Zuzahlungsverzichtes.

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Auf Aufforderung des Gerichts übersandte der Beklagte die Beschlussvorlage für die 25. Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 4. Juli 2013, datiert vom 5. Juli 2013,sowie die Niederschrift über die zugehörige Sitzung. In der Beschlussvorlage wird ausgeführt, dass die laufende Geldleistung in der Tagespflege ab dem 1. August 2013 von … EUR auf … EUR monatlich für eine 40-stündige Betreuung pro Woche und Kind anzuheben sei. Zur Begründung wurde auf die Änderung des BayKiBiG ab dem 1. Januar 2013 hingewiesen. Danach setze die Refinanzierung des Freistaates voraus, dass die Elternbeteiligung auf die maximal 1,5-fache Förderhöhe nach Art. 20 Nr. 3 BayKiBiG begrenzt sei. Bei den bisher gewährten Höhen der laufenden monatlichen Geldleistung von … EUR plus Qualifizierungszuschlag und zuzüglich Versicherungsbeiträgen würden viele Tagespflegeeltern zu den vom Beklagten gewährten Leistungen von ca. … EUR pro Stunde zusätzlich Aufzahlungen von den Eltern verlangen, um auf einen Stundensatz von etwa … EUR zu kommen. Da die staatliche Refinanzierung nur in Anspruch genommen werden könne, wenn die Elternbeiträge auf die oben genannte Höhe gedeckelt seien, könnten private Aufzahlungen nicht mehr erfolgen und der Tagespflegesatz sei entsprechend anzuheben. Im Gegenzug würden nur noch Tagespflegepersonen vermittelt, die keine private Zuzahlung verlangen. Nach der Niederschrift über die 25.

Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 4. Juli 2013 lagen keine Wortmeldungen zum Beschlussantrag vor. Der Beschluss wurde einstimmig angenommen.

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Mit Schriftsatz vom 13. Juni 2018 legte der Beklagte einen an die Klägerin adressierten Abhilfebescheid vom 12. Juni 2018 vor. Darin wurde in Ziff. 3 die angekündigte Nachzahlung festgesetzt.

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Mit Schriftsatz vom 19. Juni 2018 legte der Beklagte die aktuell geltende Satzung über die Förderung in qualifizierter Kindertagespflege vom 22. Februar 2018 vor. Eine Regelung zur Dynamisierung ist nicht enthalten. § 3 Abs. 5 der Satzung lautet wie folgt:

„Voraussetzung für die Gewährung des Tagespflegeentgeltes ist, dass keine privaten Zuzahlungen mit den Eltern vereinbart werden. Ausgenommen hiervon sind Zuzahlungen der Eltern für speziell mit den Eltern abgestimmte Zusatzleistungen, die über das reguläre Bildungs- und Betreuungsangebot hinausgehen oder Sachleistungen aufgrund von besonderen Bedürfnissen des Kindes, insbesondere in Form einer

spezialisierten Ernährung bei Allergikern oder eines individuellen Hygienebedarfs des Kindes.“

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In der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni erläuterte eine Mitarbeiterin des Beklagten die in der Beschlussvorlage vom 5. Juli 2013 genannten Zahlen. Die Parteien erklärten sich ausdrücklich mit einem Einbezug des Bescheides vom 12. Juni 2018 in das streitgegenständliche Verfahren einverstanden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Behörden- und Gerichtsakte sowie auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe 20

Die zulässige Klage ist begründet.

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Der Klägerin steht sowohl der geltend gemachte Verbescheidungsanspruch (§ 113 Abs. 5 S.1 VwGO), als auch der Anspruch auf Feststellung der Zulässigkeit von Zuzahlungen zu (§ 43 VwGO).

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1. Der Klägerin steht weiterhin ein Anspruch auf Verbescheidung ihres Anspruchs auf laufende Geldleistung für das Kind N. zu. Auch der in das Verfahren eingeführte Bescheid vom 12. Juni 2018 erfüllte den

Anspruch der Klägerin nicht.

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Der Beklagte hat den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum bei der Festlegung der laufenden Geldleistung nach § 23 Abs. 2 SGB VIII nicht hinreichend erkannt und ausgefüllt. Hinsichtlich der

Festlegung des Betrages zur Anerkennung der Förderleistung der Tagespflegeperson nach § 23 Abs. 2 Nr.

2, Abs. 2a SGB VIII steht dem öffentlichen Träger der Jugendhilfe ein weiter Beurteilungsspielraum zu (BVerwG, U.v. 25.1.2018 - 5 C 18/16 - juris Rn. 10). Demzufolge haben die Träger der öffentlichen

Jugendhilfe abschließend zu entscheiden, wie sie den Anerkennungsbetrag errechnen und welche Höhe er hat. Die gerichtliche Kontrolle der Höhe des Anerkennungsbetrages ist auf das in Fällen eines

Beurteilungsspielraumes anerkannte Prüfprogramm beschränkt. Demnach ist von dem Gericht nur zu prüfen, ob die Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der Bestimmung der Leistungshöhe gegen Verfahrensvorschriften verstoßen haben, von einem unvollständigen oder unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind, die anzuwendenden Begriffe oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen können, verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde und damit willkürliche Erwägungen angestellt haben (st. Rspr.; BVerwG, a.a.O. - juris Rn. 21 m.w.N.).

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Die Höhe der laufenden Geldleistung wird nach § 23 Abs. 2a Satz 1 SGB VIII vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe festgelegt. Zuständiges Organ für die Festsetzung der Höhe der Förderleistung nach § 23 Abs.

2 SGB VIII ist beim Beklagten der Jugendhilfeausschuss. Nach § 5 Abs. 4 Nr. 6 der Satzung für das

Jugendamt des Beklagten vom 19. Mai 2008 nimmt der Jugendhilfeausschuss die Förderung der Träger der freien Jugendhilfe als Aufgabe wahr. Der Jugendhilfeausschuss kann hierfür Förderungssätze oder

Richtlinien beschließen. Zu den Geschäften der Verwaltung des Jugendamtes gehören nach § 2 Abs. 3 der Satzung alle Verwaltungsgeschäfte, die regelmäßig oder wiederholt anfallen und nach vorgegebenen Regelungen und Grundsätzen zu behandeln sind, sofern ihnen nicht aufgrund ihrer politischen, finanziellen oder strukturellen Auswirkungen eine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Aufgrund der erheblichen finanziellen und wirtschaftlichen Bedeutung der Festlegung von Pflegesätzen für die Tagespflegepersonen ist damit eine Organzuständigkeit des Jugendhilfeausschusses gegeben.

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Der vorgelegte Beschluss des Jugendhilfeausschusses in seiner Sitzung vom 4. Juli 2013, auf dem auch der Bescheid vom 12. Juni 2018 noch beruht, genügt nicht den gerichtlich überprüfbaren Anforderungen an die Ausfüllung eines Beurteilungsspielraumes. Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich in

Zusammenschau mit den Aussagen der zuständigen Mitarbeiterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, dass der Jugendhilfeausschuss die Beschlussvorlage der Verwaltung ohne weitere

Diskussion oder Abwägung einstimmig annahm. Die Beschlussvorlage selbst führt jedoch die im Rahmen der Entscheidung zu beachtenden Kriterien nicht hinreichend genug aus.

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Die laufende Geldleistung muss nach § 23 Abs. 2 SGB VIII zwingend in die dort im Einzelnen aufgeführten Bestandteile (Sachaufwand, Förderleistung, Zuschüsse zur Renten- und Unfallversicherung, Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung) differenziert werden (vgl. VG München, U.v. 24.2.2016 - M 18 K 14.3472 - juris Rn. 44 mwN). Aus der Beschlussvorlage vom 5. Juli 2013 ergibt sich jedoch eine solche

Differenzierung in die verschiedenen Entgeltbestandteile nach § 23 Abs. 2 SGB VIII nicht. Die nachträglich rein verwaltungsintern durch das Schreiben des Jugendamts vom 12. Dezember 2014 erfolgte Aufteilung in die verschiedenen Leistungsbestandteile reicht wegen der fehlenden Organkompetenz der Verwaltung nicht aus, um den Beurteilungsspielraum des Jugendhilfeausschusses insofern nachträglich auszufüllen.

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Auch eine sachgerechte Abwägung der Leistungsgerechtigkeit nach den Kriterien des § 23 Abs. 2a SGB VIII erfolgte nicht durch den zuständigen Jugendhilfeausschuss in seiner Sitzung vom 4. Juli 2013.

Wie aus dem Protokoll und den Angaben der Beklagtenvertreter ersichtlich ist, gab es keine

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Wortmeldungen, sondern eine einstimmige Beschlussannahme. Die vom Beklagten vorgelegte

Beschlussvorlage, ist nicht klar genug aufgebaut, um anzunehmen, dass der Jugendhilfeausschuss seinen Beurteilungsspielraum durch einstimmige Annahme der Vorlage ohne Wortmeldungen auf dieser Grundlage hat ausfüllen können. So konnte auch das Gericht erst durch eine eingehende Nachbefragung der

Mitarbeiterin des Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung klären, wie die konkrete Berechnung der dort genannten Beträge erfolgte und warum die Monatspauschale gerade in dieser Höhe gewählt wurde. Der Beklagte muss sich jedoch zur Ausübung seines Beurteilungsspielraums über den Inhalt des Begriffs des Anerkennungsbetrags, insbesondere seinem Entgeltcharakters, bewusst sein (vgl. BVwerG, a.a.O.).

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Zudem konnte aufgrund der fehlenden Differenzierung der verschiedenen Entgeltbestandteile über die Angemessenheit der Höhe der Sachaufwandspauschale nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII nicht sachgerecht entschieden werden.

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Bei einer erneuten Beschlussfassung des Jugendhilfeausschusses wird zu beachten sein, dass eine angemessene Dynamisierung der im Jahr 2013 als angemessen gesehene Sachaufwandspauschale bzw.

Förderleistung erforderlich sein wird. Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es entgegen der Annahmen der Klägerin noch sachgerecht, wenn der Anerkennungsbetrag nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII bei Anlegung einer 40-stündigen Betreuung von fünf Kindern in der Woche noch nicht einer Vollvergütung zur Sicherung des Lebensunterhalts der Tagespflegeperson genügt. Die Zielsetzung des Gesetzgebers, aus dem Beruf der Tagespflegeperson mittelfristig einen am Markt anerkannten Beruf, mit dem man seinen Lebensunterhalt vollumfänglich bestreiten könne, zu machen, ist zeiträumlich bis jetzt noch nicht voll umzusetzen (BVerwG, a.a.O. - juris Rn. 13 ff., insbesondere Rn. 19). Daher steht dem Beklagten (noch) die Wahl einer noch nicht vollständig leistungsgerechten Vergütung im Rahmen des § 23 Abs. 2 Ziff. 2 SGB VIII zu. Allerdings hat er den Vergütungsaspekt entsprechend zu erkennen und zu würdigen, sowie hierbei auch die örtlichen Gegebenheiten als ein Kriterium nach § 23 Abs. 2a SGB VIII einzustellen - auch wenn von dem Beklagten keine zwingende Einheitlichkeit mit anderen, an das Gebiet des Beklagten angrenzende Landkreise bzw. Gebietskörperschaften herbeigeführt werden muss.

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Die bisher von dem Beklagten gewählte Anknüpfung an die - wohl in der Höhe willkürlich gegriffene - staatliche Refinanzierung (so auch die Empfehlungen des Bayerischen Landkreis- und Städtetages bis 2017) ist unzulässig. Das Gericht verweist insoweit auf das rechtskräftige Urteil der Kammer vom 24.

Februar 2016 (M 18 K 14.3472). Eine Anknüpfung an die Vergütung von Erzieherinnen nach TVöD hat das Bundesverwaltungsgericht hingegen nicht beanstandet (BVerwG, U.v. 25.1.2018 - 5 C 18/16 - juris Rn. 35).

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Daneben wird zu berücksichtigen sein, dass die Tagespflegeperson neben den reinen Betreuungszeiten weitere notwendige Arbeitszeiten (z.B. Hygieneherstellung, Elterngespräche, Dokumentationen, usw.) hat, welche bei Selbstständigen regelmäßig für die Ermittlung der Stundenvergütung in Ansatz gebracht werden.

Inwieweit dies derzeit tatsächlich auf die Höhe des festgesetzten Anerkennungsbetrag Einfluss nimmt, unterfällt (zumindest derzeit noch) dem weiten Beurteilungsspielraum des Beklagten.

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Der Qualifizierungszuschlag nach § 18 Satz 1 AVBayKiBiG ist nach Rechtsauffassung des Gerichts nicht in das Kriterium der Leistungsgerechtigkeit des Anerkennungsbetrages nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII miteinzubeziehen. Dies ergibt sich aus der unterschiedlichen Zielsetzung der beiden

Vergütungsbestandteile sowie der Berechnungsgrundlage des § 18 Satz 1 AVBayKiBiG, der 10% auf eine bereits bestehende leistungsgerechte Vergütung aus § 23 Abs. 2 Ziffer 2 SGB VIII aufschlägt (a.A. VG Würzburg, U.v. 2.7.2015 - W 3 K 14.648 - juris Rn. 76).

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Die Beklagte hat ihren Beurteilungsspielraum sachgerecht auszuüben und darauf beruhend neu über den Anspruch der Klägerin zu entscheiden.

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2. Auch die Feststellungsanträge der Klägerin sind zulässig und begründet.

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Aufgrund der Einheitlichkeit der Entscheidung wurden diese im Tenor zusammengefasst.

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Die Klägerin hat ein Feststellungsinteresse nach § 43 Abs. 1 VwGO. Der Beklagte gab zwar zunächst an, keinen Verzicht auf Zuzahlungen von den Tagespflegepersonen mehr zu verlangen. Allerdings ergibt sich aus § 3 Abs. 5 der Satzung über die Förderung in qualifizierter Tagespflege des Beklagten vom 22. Februar 2018, dass Zuzahlungsvereinbarungen von Tagesmüttern grundsätzlich verboten sind. Nur ausnahmsweise könnten Zuzahlungen erfolgen, wenn bestimmte Voraussetzungen, die sich aus § 3 Abs. 5 Satz 2 der Satzung ergeben, erfüllt seien. Mithin vertritt der Beklagte offiziell in seiner aktuell maßgeblichen Satzung diese Rechtsauffassung. Eine bloß faktische Nichtdurchsetzung dieser Zuzahlungsverbote hebt das Interesse an der grundlegenden Feststellung der Rechte der Klägerin nicht auf.

37

Eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, die das Rechts der Tagesmutter, privatrechtliche Zuzahlungen mit den Eltern der von ihr betreuten Kinder zu vereinbaren, einschränken könnte, ist nicht ersichtlich. Das Gericht hält insoweit an seiner im vergleichbaren Fall geäußerten Rechtsauffassung im Verfahren M 18 K 14.3472 (rechtskräftiges U.v. 24.2.2016 - juris Rn. 62ff m.w.N.) fest und macht sich diese Ausführungen weiter zu eigen. Auch die aktuelle Satzung des Beklagten, die am 23. März 2018 bekanntgemacht wurde, stellt keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für einen solchen Eingriffs dar.

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Im Übrigen erscheint es dem Gericht auch nicht sachgerecht, einerseits anzunehmen, dass eine

Vollvergütung von Tagespflegepersonen durch die jeweiligen Landkreise (noch) nicht gegeben sein müsse, andererseits den Tagespflegepersonen jedoch aufgrund systemischer (vor allem Refinanzierungs-

)Argumente der Landkreise den Abschluss von Zuzahlungsvereinbarungen mit den Eltern verbieten zu wollen. Diese Annahme widerspricht der Intention des Gesetzes, mehr Tagespflegestellen zu schaffen und die Tagespflege mittelfristig zu einem vollwertigen Beruf aufzuwerten (a.A. VG Würzburg, U.v. 2.7.2015 - W 3 K 14.648 - juris Rn. 108ff.). Die theoretische Möglichkeit, ohne staatliche Förderung allein auf Grundlage eines privatrechtlichen Vertrages mit den Kindeseltern ein Tagespflegeverhältnis zu finanzieren, erscheint praktisch aufgrund der dann ausschließlich von den Eltern zu tragenden hohen Kosten kaum vorstellbar.

39

Der Einwand des Beklagten, dass aufgrund der Systematik der die Refinanzierung der Jugendhilfeträger deckelnden Regelung des Art. 20 Ziff. 3 BayKiBiG privatrechtliche Vereinbarung von Zuzahlungen zwischen Tagespflegepersonen und Eltern unzulässig seien, geht fehl. Die Regelung des Art. 20 Ziff. 3 BayKiBiG betrifft ausschließlich die Refinanzierung des Beklagten und stellt ebenfalls keine gesetzliche

Eingriffsgrundlage in die Berufsausübungs- und Vertragsfreiheit der Tagespflegeperson dar. Im Übrigen dürfte auch das Erfordernis einer Zuzahlung entfallen, sofern die laufenden Geldleistungen entsprechend angemessen durch den Beklagten angesetzt werden. In Folge dessen dürfte auch dem Beklagten eine gesicherte Refinanzierung zur Verfügung stehen.

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Der Klage war somit vollumfänglich stattzugeben.

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Die Kostenverteilung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

42

Die Regelungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeben sich aus § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff.

ZPO.

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