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Benno Strauß für einen Juden ein ganz ungewöhnlicher Vorname, schließlich ist Benno der kathol. Schutzheilige von München wurde am

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Benno Strauß – für einen Juden ein ganz ungewöhnlicher Vorname, schließlich ist Benno der kathol. Schutzheilige von München – wurde am 20.7.1876 in Heilbronn geboren; er war das 2. Kind aus der 2. Ehe von Leopold Strauß, das 1. Kind, Julius, starb ½ Jahr nach der Geburt.

Von ihm ist relativ viel überliefert, vor allem auch durch den Sohn Herbert, von dem noch ausführlicher die Rede sein wird durch dessen Buch „Über dem Abgrund“, das allerdings einige falsche Details enthält, wie eine Nachprüfung ergab.

Er absolvierte nach 4 Klassen Oberrealschule eine kaufmännische Lehre in einer Textilwarenfabrik u. einer Eisenwarenhandlung in Würzburg. Es folgten Auslandaufenthalte in Straßburg, Paris und London zur weiteren Ausbildung. 1897 kehrte er wegen Erkrankung des Vaters zurück nach Würzburg. Nach mehreren Anstellungen wurde er Teilhaber der Firma Kassewitz & Co in Frankfurt/M, Werkzeugmaschinen; mit dem Erbteil seines Vaters kaufte er sich als „Co“ in die Firma ein. In 1915/16 war er Kriegsteilnehmer bei einer Pioniereinheit, u. a. in Elsaß-Lothringen. Aufgrund eines Unfalls, er war vom Pferd gefallen, wurde er vom Kriegsdienst freigestellt und war ab 1916 als Aufkäufer für Werkzeugmaschinen aus dem Ausland tätig. Zu einem nicht bekannten Datum, vermutlich jedoch 1915, heiratete er die in München am 6.1.1890 geborene, katholische Magdalena Hinterneder, eines von 5 Kindern des Offizianten Alois Hinterneder und seiner Frau Marie geb. Niedermaier. Der Strauß’sche „Familienrat“ stimmte der Heirat nur unter der Bedingung zu, so berichtete der Sohn Herbert, daß die künftige Ehefrau nach jüdischem Glauben lebt („Glaubensjüdin“) und die Kinder jüdisch erzogen werden. Aus der Ehe gingen 3 Kinder hervor: Walter, geb. 12.2.1916 (23.12.1927 an einer Bauchfellentzündung gestorben), Herbert, geb. 1.6.1918, und Edith, geb. 1921. 1925 schied Benno Strauß aus der Firma Kassewitz aus und gründete eine eigene Firma in Würzburg, eine Werkzeugmaschinenhandlung. In der Folge der Weltwirtschaftskrise wurde die Firma 1931 liquidiert. Danach war er Vertreter für Zeitschriften, Waschmittel, Versicherungen, also auf unterer wirtschaftlicher Existenzebene, ab 1935 wurde er sogar von der jüdischen Wohlfahrt unterstützt. Aus finanziellen Gründen mußte auch das eigene Haus verkauft werden; von dem Erlös lebte die Familie.

Im Oktober 1938 wurde Benno Strauß von der Ehefrau des NSDAP-Kreisgeschäftsführers, sie war Hausmeisterin, bei der Gestapo angezeigt, er soll in ihrer Gegenwart Zigarrenteile im Hauseingang ausgespuckt haben. Am 7.11.1938 wurde er deshalb wegen „frechen Benehmens“ in Gestapo-„Schutzhaft“ genommen, am 7.1.1939 von dort entlassen. Eine Auswanderungsmöglichkeit nach Bolivien, die ihm Freunde verschafft hatten, ließ er ungenutzt verstreichen – eine Trennung von Frau und seinem geliebten Lebensraum erschien ihm undenkbar, so sein Sohn Herbert. Nach seiner Entlassung wurde er zu „freiwilliger“

Zwangsarbeit in Würzburg verpflichtet. Im November 1939 erfolgte eine erneute Festnahme durch die Gestapo, was ihm allerdings im Verfolg der sog. „Reichskristallnacht“ am 9./10.11.1938 eine Haft im KZ Dachau ersparte, ab Juli 1940 Zwangsaufenthalt und Zwangsarbeit im jüdischen Landwerk Radinkendorf bei Berlin. Nach einer Erneuerung des

„Schutzhaftbefehls“ v. November 1938 wurde er am 13.3 1942 von der Gestapo Potsdam festgenommen und am 14.4.1942 von Berlin (Synagoge Levetzowstr.) nach Warschau deportiert. Seine Frau und der Sohn Herbert hatten gerade 5 Minuten Zeit, von ihm Abschied zu nehmen. Alle Deportierten, 835 an der Zahl, aus Magdeburg, Potsdam und Berlin, landeten im Warschauer Ghetto. Es war der 2. Transport von Berliner Juden nach Warschau.

Kurzzeitig konnte Benno Strauß von Warschau aus mit seiner Frau noch korrespondieren (Postkarten). Der Sohn Herbert führte in seinem erwähnten Buch aus, der Vater sei von Warschau aus in das Vernichtungslager Treblinka gekommen und dort umgebracht worden;

am 22.7.1942 begannen die Deportationen aus dem Warschauer Ghetto nach Treblinka. Er kann aber auch im Ghetto selbst, wie so viele andere auch, umgekommen sein. Jedenfalls ist nicht zu belegen, wo und wann er umkam. Wenn er aber nach Treblinka kam: hier wurden

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etwa 800 000 Juden ermordet, an manchen Tagen bis zu 18 000. Der KZ-Kommandant Franz Stangl, von Brasilien, wohin er 1948 mit Hilfe des in Rom ansässigen kathol. Bischofs Hudal geflüchtet war, nach Deutschland ausgeliefert, wurde am 22.7.1970 vom LG Düsseldorf zu lebenslanger Haft verurteilt; er starb in der Haft am 28.6.1971. Benno Strauß wurde – nach dem Krieg – auf den 31.12.1942 für tot erklärt. Der für seine Verhaftung in Würzburg verantwortliche NSDAP-Mann wurde, nach dem Kriege, durch Urteil des Landgerichtes Würzburg v. 1.5. 1949 wegen „schwerer Freiheitsberaubung mit Todesfolge und falscher Anschuldigung“ zu einer Haftstrafe von 2 Jahren verurteilt, seine Ehefrau wegen Beihilfe zu 9 Monaten.

Benno’s Ehefrau Magdalene mußte nach der von der Gestapo verfügten Zwangstrennung vom Ehemann Zwangsarbeit in Würzburg leisten. Sie mußte ihre Wohnung aufgeben und wurde in ein sog. Judenhaus eingewiesen.

5.4.3.2.1.10.1

Herbert Strauß wurde 1935 als Jude vom weiteren Besuch des Gymnasiums in Würzburg ausgeschlossen. Er begann eine kaufmännische Lehre bei der – jüdischen – Eisenwaren-Firma

Prof. Dr. Herbert Strauß, Lotte Strauß

Reis & Co in Würzburg, ging aber 1936 nach Berlin und nahm dort das Studium an der

„Hochschule für die Wissenschaft des Judentums“ auf, einer sehr renommierten jüdischen Einrichtung, an der so berühmte Leute wie Leo Baeck lehrten. Weite Teile des erwähnten Buches, 1997 erschienen, befassen sich mit seinem Studium und den Lehrern der Hochschule, natürlich auch über sein Leben im Untergrund von Berlin, um einer drohenden Verhaftung und Deportation zu entgehen, und über seine Flucht im Juni 1943 in die Schweiz; über die so zahlreiche Familie Strauß wird relativ wenig berichtet. Gleichwohl ist dieses Buch hochinteressant, auch als „historisches“ Dokument. Es scheint, daß er die meisten Geschwister und vor allem die Stiefgeschwister seines Vaters, ebenso die Cousinen und Cousins nie getroffen hat. Das hat vermutlich mit seiner sehr eigenartigen Lebens-Philosophie zu tun, die er in seinem Buch so beschreibt: „Familiensinn lebt von dem Narzißmus, im anderen sich selbst zu lieben“. In Berlin war er zu Zeiten seines Studiums in verschiedenen jüdischen Jugend-Organisationen engagiert. Er lebte in Berlin wie in einem selbst gesponnenen Kokon, weltfremd würden wir heute sagen, und nahm das reale Geschehen, insbes. die Maßnahmen gegen die Juden nur schemenhaft wahr. Er selbst beschreibt diese Zeit so: „Nachdem ich 5 Jahre als Heranwachsender in Nazi-Deutschland gelebt hatte, war ich in politischer Propaganda ertrunken und gleichzeitig zu einem politischen Ignoranten geworden“. Nur so ist es zu erklären, daß er erst im Sommer 1939 Bemühungen zur Auswanderung aufbrachte, die ihn nach England führen sollten. Als er das Visum für England bekommen sollte, es war der 3.9.1939, war der Krieg bereits ausgebrochen, England verweigerte den „alien enemies“, den feindlichen Ausländern, auch den deutschen Juden, die Einreise. Ein anschließender Versuch, illegal über die holländische Grenze zu kommen (Holland war noch nicht im Krieg), um von Holland aus doch noch nach England zu gelangen, scheiterte. 1940/1941 war er Hilfsrabbiner bei der jüdischen Gemeinde in Berlin. In

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1941 wurde er examinierter Rabbiner und akademischer Religionslehrer. Er lernte hier nicht nur die jüdische Religionswissenschaft in allen Details, natürlich auch die hebräische Sprache und sogar (!) aramäisch, die Sprache, die zur Zeit Jesu in Palästina gesprochen wurde. Im Mai 1942 legte er hier noch sein Abitur ab (zuvor hatte er mit Ausnahmegenehmigung ohne Abitur studieren dürfen). Mit Auflösung der Hochschule im Juni 1942 durch die Gestapo wurde er zur Zwangsarbeit als Straßenkehrer verpflichtet. Von Oktober 1942 bis zu seiner Flucht in die Schweiz im Juni 1943, mit gefälschten Papieren aus dem Speer-Ministerium, lebte er im Untergrund; hier lernte er auch seine spätere Frau Lotte Schloß, geb. 2.8.1913 in Wolfenbüttel kennen. Diese Zeit ist an Dramatik kaum zu toppen, und die Schilderung zeigt, daß es einige wenige Menschen gab, die Verfolgten helfen wollten, obwohl sie sich dabei selbst in höchste Gefahr begaben. Sie zeigt aber auch, daß es vieler Helfer – Herbert Strauß nennt mehr als 40 Namen, Juden und Nicht-Juden - bedurfte, weil der Unterschlupf immer wieder gewechselt werden mußte. Eigentlich verdankt Herbert Strauß seine Fluchtmöglichkeit Lotte Schloß und ihren weitläufigen verwandtschaftlichen Bindungen in die Schweiz; sie war die „Treiberin“ zur Flucht. Sie selbst floh schon im Mai 1943 in die Schweiz. 1944 heirateten sie in der Schweiz. Herbert Strauß studierte in der Schweiz an der Universität Bern Geschichte und promovierte hier 1946 mit einer Dissertation zum Thema „Staat, Bürger, Mensch: Die Grundrechtsdebatten der Deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt 1848- 49“ mit summa cum laude. 1946 emigrierte er mit Ehefrau nach New York, und hier wurde auch am 19.12.1946 das einzige Kind, die Tochter Jane, geboren. Die oben beschriebene Aversion gegen zu viel Familienbindung zeigte sich auch in einer Begegnung mit seinem Cousin Fritz Strauß (s. 4.3.2.1.9): kaum in New York angekommen und in einem Hotel in New York kurzeitig untergebracht, begegnete er auf dem Weg zum Frühstücksraum einem Mann, 9 Jahre älter als er, der sich nach gegenseitiger Vorstellung als sein Cousin Fritz Strauß aus Karlsruhe erwies. Sie sagten sich artig „Guten Tag“, fragten einander nicht nach ihren Erlebnissen und haben sich nie wieder gesehen, auch nie wieder Kontakt miteinander gehabt.

Das berichtete Herbert Strauß dem Autor in dem einzigen miteinander geführten Telefonat 2004. In den folgenden Jahren nach Ankunft in den USA machte er eine akademische Laufbahn mit verschiedenen Aufgabenstellungen an verschiedenen Stätten und Forschungseinrichtungen in New York, 1971 wurde er ord. Professor. Von 1982 - 1890, führte ihn sein beruflicher Weg zurück nach Deutschland, nach Berlin: er wurde Leiter des neugegründeten „Zentrums für Antisemitismusforschung“ an der TU Berlin (wo einst der erwähnte Cousin Fritz Strauß studierte und promovierte). Am 11.3.2005 starb Herbert Strauß in New York. Er war der einzige Namensträger Strauß, der es zu höheren akademischen Würden gebracht und wissenschaftliche Meriten erworben hat. Seine Frau Lotte lebt noch – hochbetagt – als diese Zeilen geschrieben wurden (2011) in New York. Auch sie hatte ein Buch, 1997 erschienen, mit dem Titel: „Über den grünen Hügel“, geschrieben. Ihre Eltern, Louis (geb. 18.1.1881 in Zimmerode) und Johanna Schloß (geb. 1.6.1885 in Salzkotten), wurden am 26.10.1942 von Berlin mit einem 798 Personen umfassenden Transport nach Riga deportiert. Riga als Deportationsziel – es wird uns noch einmal begegnen – bedeutete: nach Ankunft am Bahnhof Riga–Skirotowa entweder Transport per LKW oder Bus ins Ghetto von Riga, für einige Tage, und dann nach Bikernieke, dem „Birkenwäldchen“, im Hochwald bei Riga gelegen oder direkt vom Bahnhof nach Bikernieke, dort wurden sie erschossen.

Herbert Strauß holte seine Mutter – nach dem er in den Staaten etwas Fuß gefaßt hatte – zu sich nach New York, wo sie am 6.12.1981 starb.

Herbert Strauß’ Schwester Edith emigrierte 1938 über Italien nach Palästina und fand dort Aufnahme in dem Kibbuz Chulatha, in dem sie bis zu ihrem Lebensende blieb; sie starb 1991an Lungenkrebs, sie war zeitlebens eine starke Raucherin gewesen. Sie war mit einem aus der Kaukasus-Region stammenden Russen namens Nisanov verheiratet und hatte mit ihm 3 Kinder.

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Augusta Strauß wurde am 28.6.1878 in Heilbronn geboren. Von ihr ist nur sehr wenig überliefert: sie heiratete am 26.10.1908 in Würzburg den am 18.1.1875 in Oberdorf (bei Bopfingen, heute Ortsteil von Bopfingen) geborenen Hermann Leiter, Sohn von Handelsmann Isaak Leiter und seiner Ehefrau Helene geb. Schulmann. Hermann Leiter war gelernter Kaufmann und Mitinhaber der Schuhfabrik S. Leiter in München (das „S“ deutet auf einen Verwandten hin, evtl. ein Bruder). Aus der Ehe gingen keine Kinder hervor. Auguste starb schon am 26.7.1910 in Würzburg, 32 Jahre alt. Hermann Leiter starb am 8.9.1928 in München.

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Clara Strauß wurde am 26.11.1880 in Heilbronn geboren. Sie heiratete am 21.6.1908 in Würzburg den am 27.11.1872 in Mannheim geborenen Siegfried Kahn, Sohn von Isaak Kahn und seiner Frau Berta geb. Stern. Seit 1915 lebten sie in Mannheim. Die Zeit von der Heirat bis 1915 konnte nicht aufgeklärt werden. Siegfried Kahn war seit seinem Zuzug nach Mannheim Inhaber der schwiegerväterlichen Firma Isaac Kahn & Co, Säcke- und Deckenfabrik. Dem Ehepaar Kahn wurde nur die Tochter Ilse am 2.3.1920 in Mannheim geboren. Siegfried Kahn starb am 4.7.1937 in Mannheim. Die Tochter Ilse konnte 1939 nach England emigrieren. Dort heiratete sie den Exil-Tschechen Herbert Kraus, der schon die britische Staatsangehörigkeit hatte; durch die Heirat mit einem britischen Staatsbürger erhielt auch sie die britische Staatsangehörigkeit. Sie hieß fortan Alzbeta Krausova. Nach dem Krieg lebte sie in Prag, zeitweise aber auch in Frankfurt/M.

Clara Kahn wurde aus nicht bekannten Gründen nicht am 22.10.1940 mitsamt den 6500 badischen und saarpfälzischen Juden nach Gurs in Südfrankreich deportiert. Dafür gibt es einige mögliche Theorien, aber keine läßt sich verifizieren. Sie wurde am 24. 4.1942 zusammen mit 28 Mannheimer Juden über Stuttgart nach Izbica in Polen (ca. 55 km südöstl.

von Lublin) deportiert. Von Stuttgart ging der Transport am 26.4.1942 ab, er umfaßte 1000 Personen und kam am 29.4.1942 in Izbica an. Dieser Ort, 1939 hatte er etwa 6000 Einwohner, war nach der Besetzung Polens durch die deutsche Truppen das Durchgangs-Ghetto für Juden aus Polen, aber auch aus dem Reich in eines der Vernichtungslager (Sobibor, Belzec, Majdanek). In Izbica verliert sich Clara Kahn’ s Spur. Entweder wurde sie in einem der erwähnten Vernichtungslager umgebracht oder sie ist im Ghetto verhungert (täglich starben dort 20 – 30 Menschen an Hunger).

4.3.2.1.13

Elsa Strauß wurde am 17.9.1882 in Heilbronn geboren. 1903 heiratete sie den am 13.9.1875 in Nagy-Mihalyi/Ungarn (eine kleine Ortschaft etwa 100 km nördl. des Balaton-Sees) geborenen Julius Rosenfeld. Aus der Ehe gingen 2 Töchter hervor: Gertrude, geb.

28.10.1904, und Agnes, geb. 29.3.1909, beide in Würzburg. Lediglich von Julius Rosenfeld.

sind einige Informationen über Ausbildung und Beruf überliefert: er absolvierte eine Ausbildung an der Maschinenbauschule in Kaschau (Kosice), Slowakei, zweitgrößte Stadt des Landes, und studierte 2 Jahre an der TH Karlsruhe; 1900 wurde er an die damalige Höhere Fachschule für Maschinenbau und Elektrotechnik in Würzburg berufen und hier zum Reallehrer ernannt. Hier lernte er auch seine spätere Frau kennen. 1916 wurde er an die Höhere Technische Lehranstalt in Nürnberg berufen und dort zum 1.10.1920 zum Professor ernannt. Ab 1933 hieß diese Einrichtung Ohm – Polytechnikum. Mit Wirkung v. 1.10.1933 wurde er aufgrund des sog. Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums als Jude in den Ruhestand versetzt. Im Juli 1939 beabsichtigte er eine Auswanderung nach England.

Die Genehmigung dafür erhielt er zwar, aber aus nicht bekannten Gründen wurde nichts daraus. Vielmehr finden wir ihn ab 19.5.1940 in Budapest und ab 10.7.1940 in Humene/Slowakei. Im gleichen Jahr wurde ihm genehmigt, seinen Wohnsitz für 2 Jahre nach

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Argentinien zu verlegen. 1941 war er aber offenbar noch immer in Humene. Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt gelang ihm dann doch noch die Auswanderung nach Argentinien – allerdings ohne seine Frau. Die Tochter Agnes finden wir zwar nach dem Krieg, inzwischen verehelicht unter dem Namen Inez Frank in Argentinien wieder, aber ob sie mit dem Vater zusammen nach Argentinien ging oder allein, ist offen. Die andere Tochter Gertrude finden wir nach dem Kriege in den USA, inzwischen verehelichte Meyer. Über beide liegen sonst keine weiteren Informationen vor.

Ein Versuch des Autors mit der in Argentinien lebenden Tochter Kontakt aufzunehmen, mißlang; ein Brief – sogar in Spanisch abgefaßt – wurde nicht beantwortet, er kam aber auch nicht zurück, hat also wohl die Empfängerin oder Nachkommen erreicht.

Elsa Rosenfeld wurde am 29.11.1941 von Nürnberg nach Riga deportiert. Der Transport umfaßte 1008 Personen und kam am 2.12.1941 in Riga an. Entweder kamen die Deportierten zunächst ins Rigaer Ghetto und wurden später erschossen, oder sie wurde gleich nach Ankunft erschossen (s. auch 4. 3.2.1.10).

4.3.2.1.14

Isidor Strauß wurde am 18.5.1884 in Würzburg geboren, wenige Monate nach Ankunft der Familie in Würzburg. Er heiratete am 23.12.1924 in Basel die am 27.2.1896 hier geborene Frieda Schnurmann. Sie war Schweizerin, erhielt aber durch die Heirat mit einem Deutschen die deutsche Staatsangehörigkeit. Beide lebten seit 1924 in Mannheim. Über die Zeit vor der Eheschließung ist lediglich bekannt, daß er in Frankfurt/M lebte, nähere Informationen fehlen.

Isidor Strauß war Versicherungsagent, betrieb aber außerdem einen Handel mit Werkzeugen, Werkzeugmaschinen, und Eisenwaren in Mannheim, sie war Hausfrau. Die Ehe blieb kinderlos.

Am 22.10.1940 wurden beide von Mannheim zusammen mit 6500 badischen und saarpfälzischen Juden nach Gurs in Südfrankreich in der Nähe der spanischen Grenze deportiert, von Überlebenden als „Vorhof zur Hölle“ bezeichnet – eine Aktion der Gauleiter Robert Wagner (Baden) und Josef Bürckel (Saarpfalz), um ihr Regionen „judenfrei“ zu haben. Wagner wurde durch ein französisches Militärgericht am 3.5.1946 in Straßburg zum Tode verurteilt, allerdings nicht wegen der Deportation der badischen Juden nach Gurs, sondern in seiner Eigenschaft als Chef der Zivilverwaltung im Elsaß (ab 1940) und Verantwortlicher für die Deportation jüdischer Elsässer nach Auschwitz. Das Todesurteil wurde am 14.8.1946 in Straßburg durch Erschießen vollstreckt. Bürckel starb bereits 1944 und entging so einer Bestrafung.

Frieda Strauß gelang es im April 1942 von Gurs aus in die Schweiz zu gelangen, vermutlich aufgrund ihrer früheren schweizerischen Staatsangehörigkeit, die sie auch wieder erhielt.

Isidor Strauß wurde am 31.8.1942 von Gurs über das Zwischenlager Drancy bei Paris mit Transport Nr. 26 nach Auschwitz deportiert. Der Transport umfaßte 1000 Personen (die übliche Stärke), 961 wurden nach Ankunft sofort vergast, 39 wurden zur Arbeit selektiert, von diesen überlebten 17; Isidor Strauß war nicht unter ihnen.

In Auschwitz kamen etwa 1,1 Mill. Juden um, außerdem eine weitere halbe Million sowjetischer Kriegsgefangener, Zigeuner, Homosexuelle, Zeugen Jehovas u. a. Der KZ Kommandant von Auschwitz (05/40 – 11/43), Rudolf Höß, wurde am 2.4.1947 in Warschau zum Tode verurteilt und am 16.4.1947 in Auschwitz gehenkt. Auch die anderen Auschwitz- Kommandanten – Friedrich Hartjenstein, Josef Kramer, Richard Baer, Arthur Liebehenschel, Heinrich Schwarz – wurden zum Tode verurteilt und gehenkt bzw. sind vor oder während des Prozesses in der Haft verstorben.

Frieda Strauß starb am 28.8.1959 in Riehen bei Basel.

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4.3.2.1.15

Arthur Strauß wurde am 24.3.1886 in Würzburg geboren; er war das jüngste von allen Kindern von Leopold Strauß. Dieser war bei der Geburt seines Sohnes Arthur schon 60 Jahre.

Am gleichen Tag wie dieser Arthur wurde auch sein Neffe, jüngster Sohn von Moritz Strauß, geboren und erhielt auch den gleichen Namen (s. 4.3.2.1.3).

Arthur Strauß hatte eine Ausbildung als Apotheker; davon sind allerdings nur 3 Semester (1908 – 1910) an der Universität Würzburg nachweisbar, wo und wann er seine weitere pharmazeutische Ausbildung und seine Approbation erhielt, war trotz intensiver Recherchen an verschiedenen Universitätsarchiven nicht feststellbar; als approb. Apotheker ist sein Name jedoch in einem Verzeichnis jüd. Apotheker aus dem Jahre 1930 enthalten. Er war seit 1911 als angestellter Apotheker neben einem weiteren approb. Apothker in der Schwan – Apotheke von Julius Davidsohn, geb. 3.7.1882 in Friedland/Ostpr, die dieser 1911 von einem Vorbesitzer übernommen hatte, in Mannheim tätig. Am 1.4.1924 verzog er nach Mainz und heiratete dort die Ärztin Dr. Elisabeth Raphaelson, geb. 5.4.1899, Tochter des Apothekers Alfred Raphaelson und seiner Frau Ella geb. Herrnberg (* 7.4.1878), beide aus Allenstein stammend. Am 16.5.1924 starb die gerade erst 5 Wochen zuvor geheiratete Ehefrau Elisabeth in Mainz. Die Gründe für ihren so frühen Tod sind nicht bekannt. Arthur Strauß kehrte bereits am 1.2.1925 nach Mannheim als Witwer in seine alte Anstellung zurück. Kinder hatte er keine.

Aufgrund einer VO v. 30.3.1936 war es Juden untersagt, eine Apotheke zu betreiben, daher verkaufte Julius Davidsohn seine Apotheke an einen Arthur Holler und wanderte im Januar 1937 mit Frau und Tochter nach Argentinien aus und von da zu einem nicht bekannten Datum in die USA. Der Sohn war schon 1934 in die USA ausgewandert. Arthur Strauß war mit der Familie Davidsohn freundschaftlich verbunden. Was hat Arthur Strauß gemacht, nachdem sein Arbeitgeber ausgewandert ist? Wir wissen es nicht. Als Apotheker/Apothekengehilfe durfte er als Jude nicht arbeiten. Von ihm ist lediglich überliefert, daß er am 28.10.1941 von Mannheim, wo er noch immer wohnte, nach Nürnberg zog. Einen Monat später, am 29.11.1941, wurde er zusammen mit seiner Schwester Elsa Rosenfeld und weiteren 1006 Juden von Nürnberg nach Riga deportiert und kam dort um (s.4.3.2.1.13). Dies bedeutet aber auch, daß er am 22.10.1940 nicht nach Gurs deportiert wurde wie die 6500 badischen und saarpfälzischen Juden. Die Gründe dafür sind nicht bekannt. Seine Schwiegermutter Ella Raphaelson wurde am 25.3.1942 von ihrem Wohnort Mainz über Darmstadt nach Piaski in Polen ins Ghetto deportiert, ein Durchgangs-Ghetto, um von hier in eines der Vernichtungslager gebracht zu werden; ihre Spur verliert sich hier.

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