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Wohnschutz-Massnahmen

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Academic year: 2022

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Research Collection

Report

Wohnschutz-Massnahmen

Author(s):

Rotach, Martin; Bachmann, Peter; Hächler, Christoph Publication Date:

1979

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https://doi.org/10.3929/ethz-b-000265857

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ETH Library

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sporttechnik ETHZ

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Prof. M. Rotach P.Bachmann C.Hächler

Wohnschutz-Massnahmen

IVT Institut fiir Verkehrsplanung und Transporttechnik ETHZ

/ETH-Bibliothek

EM000007936850_

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Vorwort

Mehr als die Hälfte aller Schweizer wohnt in Städten oder städtischen Agglomerationen, weil die mensch- liche, kulturelle und wirtschaftliche Vielfalt in diesen dicht besiedelten Gebieten eine hohe Attraktivität bietet. Diese regen Tätigkeiten und die engen Verflechtungen fordern eine grosse Anzahl von Transporten, wodurch die bekannten Verkehrs- belastungen und Verstopfungen auf dem städtischen Hauptnetz entstehen. Der hohe Motorisierungsgrad ftihrte jedoch in jüngster Zeit dazu, dass sich auch eigentliche Wohnquartiere, und zwar in städtischen wie in ländlichen Gebieten, immer ernster werden- den Verkehrsproblemen gegenübersehen. Diese Entwicklung ist kein Naturereignis, sie ist vielmehr die Folge unserer Wünsche und unseres täglichen Verhaltens. Wir alle fordern nämlich bessere Erschliessung, mehr Freiheit und Bewegung, raschere und billigere Transporte. Im kleinräumigen Wohnbereich ergeben sich dadurch Verluste an Ruhe und Behaglichkeit, Belästigungen durch Lärm und Abgase sowie Verunsicherung und Angst.

Ein neues Gleichgewicht zwischen Mensch, Verkehr und Stadt muss gefunden werden.

Die Erfahrung lehrt, dass sich ein solches Gleich- gewicht kaum von selber einstellen wird, vielmehr muss der gute Wille der Einzelnen durch Mass- nahmen, welche ftir alle zwingend gelten, unterstützt werden. Die vorliegende Zusammenstellung ver- sucht, die grosse Anzahl von in- und ausländischen Vorschlägen ftir Massnahmen zur Verkehrsberuhi- gung in Wohngebieten in einer systematischen Gliederung vorzustellen. Dabei sollen die zugehöri- gen Hinweise auf die Ziele, Wirkungen, Vor- und Nachteile jeder Massnahme deren Nützlichkeit im Einzelfall beleuchten. Die vorgenommenen Bewer- tungen entsprechen ausschliesslich der Meinung der Sachbearbeiter; Bau- und Polizeibehörden sind dadurch keineswegs gebunden. Und ebenso wichtig ist die Feststellung, dass die Beurteilung haupt- sächlich aus der Sicht des Wohnschutzes erfolgt, im Wissen, dass auch andere Kriterien wie Rentabi- lität, MobilWit, persönliche Bewegungsfreiheit und andere mehr durchaus ernst zu nehmende Massstäbe liefern.

An mehreren Fallbeispielen wird in der Folge dann gezeigt, dass meistens nur eine sinnvolle Kombi- nation verschiedener sich ergänzender Massnahmen zum Erfolg fUhren wird. Damit ist die Grundlage geschaffen, um möglichst bald ernsthafte Versuche zur Verkehrsberuhigung in schweizerischen Wohn- gebieten durchzuftihren. Unser Institut ist zur Mithilfe bei solchen Versuchen gerne bereit.

Prof. M. Rotach

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Problem

Die in solchem Ausmass und solcher Schnelligkeit unerwartete Vollmotorisierung hat in den nicht dafür konzipierten Städten und Dörfern zu Schwierigkeiten geftihrt. Die Wohnqualität vieler Ortschaften leidet heute unter Störungen durch den Strassenverkehr.

Freilich muss die genügende Erschliessung aller Liegenschaften ftir alle Bevölkerungsgruppen · gewährleistet sein. Dazu gehören die Zufahrtsmög- lichkeit ftir Motorfahrzeuge und die Gelegenheit zum Parkieren in der Nähe des Zieles. Nun hat sich aber die Verkehrserschliessung aufKosten des Ver- weilens, des Bummelns und des Spielens, die alle auch zu den Aufgaben der Erschliessungsstrassen zählen, ungebührlich ausgebreitet. Offenbar haben die Immissionen und die Gefährdung nunmehr die Schwelle des Erträglichen überschritten, so dass eine Verbesserung der Verhältnisse ftir die nichtmotori- sierten Verkehrsteilnehmer und die Anwohner als nötig erachtet wird. Die Anstrengungen der Behör- den und der Fachleute sind folglich auf die Vermin- derung der negativen Auswirkungen des Strassen- verkehrs, besonders in den Wohngebieten, zu konzentrieren. Dies ist umso besser möglich, als das Strassennetz dank den Ausbauten der vergangenen Jahre mehrheitlich genügend leistungsfähig ist.

Begriff «Wohngebieb>

Als «Wohngebieb> werden im folgenden Siedlungs- gebiete bezeichnet, in denen das Wohnen die allei- nige oder die vorwiegende Nutzungsart darstellt. Ein Wohngebiet soll (und zwar kummulativ) mindestens eine Fläche von einer Hektare, eine Wohndichte von 10 Einwohnern pro Hektare und eine Bevölkerung von 50 Einwohnern aufWeisen. Zudem muss das Gebiet klar erkennbar sein, indem es auf eine Länge von 80% oder mehr von eindeutigen natürlichen Hindernissen (Gewässern, Geländestufen, Wald usw.), von künstlichen (Bahnlinien, Hauptstrassen, Sportfeldern usw.) oder von rechtlichen Trennlinien (Bauzonengrenzen usw.) begrenzt wird.

Immissionen

Die vom motorisierten Individualverkehr erzeugten Immissionen sind: Lärm, Erschütterungen, Abgase, Staub, optische und ästhetische Belastung, Raum- beanspruchung. Das Ausmass variiert von Ort zu Ort. Die einzelnen Störungen sind meist klein, sie werden aber lästig durch ihre Häufung. Ihre Wirkung hängt zudem ab von der Einstellung der betroffenen Menschen zur Störquelle. Die Verkehrsimmissionen belästigen im grossen und ganzen nicht mehr als diejenigen von Industrie, Raumheizung, lauten Nachbarn usw. Ihre häufigste und am unangenehm- sten empfundene Form ist der Lärm.

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Gefährdung

Die Zahl der im Strassenverkehr verunglückten Personen wird einhellig als untragbar hoch empfun- den. Darunter sind innerorts unverhältnismässig viele Fussgänger und Zweiradfahrer, Kinder und ältere Menschen. Freilich ereignet sich nur jeder dritte Innerortsunfall auf einer Strasse in einem Wohngebiet, sodass dort das statistische Risiko ver- gleichsweise gering ist. Aber die Lebensqualität wird ausser durch die tatsächlichen Unfälle auch durch die ständige Unfallgefahr beeinträchtigt; letztere engt insbesondere den Bewegungsspielraum von Kindem ein.

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Zustand ohne

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Zustand mit

Wohnschutz- Massnahmen

M1 :weniger Verkehr M2 : angepasster Verkehr

Angestrebte Verbesserung durch Wohnschutz-Massnahmen

Störmass total

Zwei Unfallursachen sind hervorzuheben:

Erstens stehen Kinder und Alte den hohen Anfor- derungen des Strassenverkehrs oft hilflos gegenüber, zweitens unterschätzen viele Fahrer die objektiven Gefahren, weil sie diese subjektiv zu wenig empfinden.

Störmass nach Wohngebietstyp

Die Immissionen und die Gefährdung sind grösser in:

- dichtbesiedelten, -alten,

- gemischten,

- städtischen Wohngebieten, als in:

- dünnbesiedelten, - neuen,

-reinen,

- ländlichen Wohngebieten.

Die Störungen durch den Verkehr tragen zur Ent- völkerung der Städte wesentlich bei.

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Hauptziel: Ziele weniger Verkehr

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1. Zulassungsbeschränkung Differenzierte Parkierordnung

2. Disposition der Erschliessungs-strassen ohne <Schleichwege>

• •

3. Ausbau des übergeordneten Strassennetzes

• •

4. Förderung der umweltfreundlichen Verkehrsarten

• •

5. Raumplanerische Disposition

• •

Tabelle der Massnahmen

mit dem Hauptziel: weniger Verkehr

Lösungsmöglichkeiten

Um den geschilderten Zustand in den Wohngebieten zu verbessern, gibt es viele Lösungsmöglichkeiten;

sie können folgenden Haupt- und Unterzielen zugeordnet werden:

Hauptziel: Weniger Verkehr - nur der berechtigte Verkehr

- kein quartierfremder Durchgangsverkehr - Ersatz durch umweltfreundliche Verkehrsarten - weniger Verkehrsaufkommen

Wirkungsweise Realisierungszeit Zuständigkeit

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Hauptziel: Ziele angepasster Verkehr

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6. Verkehrsvorschriften

7. Gewundene Linienführung

8. Vertikale Versätze

9. Kleinräumiger Ausbau der Erschliessungsstrassen

• •

10. Einfache Verkehrsführung

• •

11. Immissionsschutz an den Wohnbauten

12. Umweltfreundliche Konstruktion der Motorfahrzeuge

• •

13. Motivation der Bevölkerung

Tabelle der Massnahmen

mit dem Hauptziel: angepasster Verkehr

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Hauptziel: Angepasster Verkehr - kleinere Geschwindigkeit - bewusstes Fahren - weniger Immissionen

- weniger Emissionen je Fahrzeug - rücksichtsvolles Verhalten der Fahrer

Die Lösungsmöglichkeiten unterscheiden sich in ihrer Wirkungsweise, in der erforderlichen Realisie- rungszeit, in den Kosten und darin, wer ftir die Ausflihrung zuständig ist.

Wirkungsweise Realisierungszeit Zuständigkeit

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Gesamtbetrachtung

Weil einerseits die Bedürfnisse des Wohnensund andererseits die Störungen des Strassenverkehrs vielfa]tig sind, kann es keine Patentlösung für den Schutz in Wohngebieten geben. Die umfassendste - aber auch am schwierigsten zu verwirklichende - Massnahme ist die Schulung aller Verkehrsteil- nehmer zu rücksichtsvollen Auto- oder Radfahrern und zu vorsichtigen Fussgängern. Alle anderen Lösungsvorschläge mildern oder beheben jeweils nur einen Teil der Schwierigkeiten. Es braucht also ein ganzes Bündel aufeinander abgestimmter Mass- nahmen, um in einem konkreten Gebiet die Symbiose von Verkehr und Wohnen zu erreichen.

In jedem Wohngebiet stellt sich die Aufgabe wieder anders. Bei aller Problematik darf man nicht über- sehen, dass in einem grossen Teil unserer Wohn- gebiete vieles heute schon gut gelöst ist. Wo immer Wohnschutz-Massnahmen getroffen werden, sind einfache und sofort verständliche Lösungen anzu- streben. Die Erschliessungsstrassen sollen sich auf den ersten Blick von den Hauptstrassen unter- scheiden. Ihr Erscheinungsbild ist mit Vorteil klein- räumig und wohnlich, statt linear und technisch.

Wenn heute das Ziel «wenig Störungen durch den Verkehr» als wichtiger angesehen wird als das Ziel

«Befriedigung der Verkehrsbedürfnisse», so verlangt das sowohl von den Strassenbenützern als auch von den Strassenbauern ein Umdenken, nicht zuletzt in den Wohngebieten. Schon während die Rechts- vorschriften und technischen Normen den neuen Gegebenheiten noch angepasst werden, können Offentlichkeit und Fachwelt anband von Versuchen mit Wohnschutz-Massnahmen die ersten Erfahrun- gen sammeln.

Wohnschutz hat Auswirkungen über die Verkehrs- technik, den Strassenbau und die Architektur hinaus:

- indem der Verkehr statt durch viele Signale mög- lichst einfach geregelt wird, steigt die Selbstverant- wortung der Fahrer,

- indem ein und dieselbe Fläche den Fahrzeugen und den Fussgängern zugewiesen ist, müssen sich die Verkehrsteilnehmer direkt von Mensch zu Mensch verständigen, ·

- indem der Strassenraum den Bewohnern zum Verweilen offensteht, werden Kontakt- und Entfal- tungsmöglichkeiten geschaffen,

- indem die Bürger über die Gestaltung mitsprechen können, verwurzeln sie mit dem Quartier und der Gemeinschaft.

Wohnschutz im Sinn von Verkehrsberuhigung bedeutet schliesslich Einschränkung der Starken, d. h. vor allem der Autofahrer, zu Gunsten der Schwachen, besond~rs der Kinder, Alten und der Behinderten.

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Massnahme 1

Zulassungsbeschränkung Differenzierte Parkierordnung Ziel

Weniger Verkehr Unterziel

Nur der berechtigte Verkehr

3 Beispiele ftir Zulassungsbeschränkungen

Idee

Nicht alle Motorfahrzeuge, sondern nur die «berech- tigten» dürfen in ein Wohngebiet hineinfahren und dort parkieren.

Zu diesem Zweck wird an den Einfahrten ins Gebiet entweder das Signal «Fahrverbot ftir Motorfahrzeuge»

(Nr. 203, 204) oder das Signal «Allgemeines Fahr- verbot>> (Nr. 201), beide mit der Ausnahme «Zubrin- gerdienst gestattet>> aufgestellt.

Die Berechtigung zum Parkieren auf öffentlichen Strassen und Plätzen wird. z. B. durch Vignetten geregelt, die am Auto sichtbar angebracht sind.

Wirkungsweise

Beide Massnahmen sind rechtlicher Art, beide setzen beim Verursacher von Störungen an.

Realisierungszeit

Die Zulassungsbeschränkung kann kurzfristig verftigt werden, doch können Beschwerden der Betroffenen die Ausftihrung verzögern.

Die differenzierte Parkierordnung privilegiert einen Teil der Verkehrsteilnehmer, z.B. die Anstösser, gegenüber den andern, was nach schweizerischcp,m Strassenverkehrsrecht unzulässig ist, bzw. eine Ande- rung des Gesetzes verlangt.

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Wohngebiet, zu dem die Zufahrt durch Fahr- verbote an den Einfahrten auf die «berechtig- tem> Motorfahrzeuge beschränkt ist.

Beurteilung

Bei beiden Massnahmen besteht das heikle Problem, den Kreis der «Berechtigtem> rechtlich einwandfrei festzulegen. Ausser den in jedem Fall zugelassenen öffentlichen Diensten dürfte normalerweise der Ziel- und Quellenverkehr der in einem Gebiet Wohnen- den und Arbeitenden samt ihren Besuchern, Lieferan- ten und Kunden «berechtigt» sein. Je grösser das Gebiet, desto grösser ist die Zahl der «Berechtigten», umso schwieriger sind Kontrolle und Durchsetzung der Massnahme. Wird die Zulassung gleichzeitig in

1-lAUPT~ STRA.SSL.

allen Wohngebieten beschränkt, so ist das freie Zir- kulieren nur noch auf den Hauptstrassen erlaubt, was der herkömmlichen Freizügigkeit im Befahren der Strassen widerspricht.

Zulassungsbeschränkung und differenzierte Parkier- ordnung sind um so wirksamer, je höher der Anteil der nichtberechtigten Motorfahrzeuge vorher war.

Also dann, wenn viel quartierfremder Verkehr die Strassen durchs Wohngebiet als «Schleichweg» miss- braucht, und wenn in einem benachbarten Quartier, z.B. Stadtkern, ein Parkplatzmanko besteht.

Beide Massnahmen tragen zum Schutz in Wohn- gebieten bei, wenn viel Fremdverkehr vorhanden ist.

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Massnahme 2

Disposition der Erschliessungs- strassen ohne «Schleichwege»

Ziel

Weniger Verkehr Unterziel

Kein quartierfremder Durchgangs- verkehr

Unterbrüche des Netzzusammenhangs an der Weberstrasse in Wintertbur und der Scheuch- zerstrasse in Zürich

Idee

Für quartierfremde Motorfahrzeuge soll es unmög- lich oder nicht lohnend sein, Erschliessungsstrassen in Wohngebieten als Abkürzung oder Umfahrung zu gebrauchen.

Zu diesem Zweck werden die Erschliessungsstrassen in neuen Siedlungen als Stichstrassen oder in der Form von Schlaufen angelegt.

In älteren Wohngebieten sind die Strassen häufig schachbrettartig angeordnet; hier sind durchgehende Strassen an geeigneten Stellen so zu unterbrechen, dass ebenfalls Stichstrassen oder Schlaufen ent- stehen.

Wirkungsweise

Diese Verkehrsplanerische Massnahme wird bei Neu- anlagen durch bauliche Mittel, in älteren Quartieren auch durch verkehrspolizeiliche verwirklicht. Sie trifft den Verursacher von Störungen.

Realisierungszeit

Neue Verkehrsvorschriften zur nachträglichen Unter- brechung von «Schleichwegen» können kurzfristig verfügt werden, doch steht den Betroffenen das Beschwerderecht zu.

Auch die bauliche Ausbildung einer vorerst mit Ver- kehrssignalen und mobilen Abschrankungen erstell- ten Unterbrechung kann in der Regel schnell und mit geringen Kosten vorgenommen werden.

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Stichstrassen und Schlaufen sind die Elemente für die Anlage des Erschliessungsnetzes

Beurteilung

In neuerer Zeit angelegte Erschliessungsnetze in der Form von Stichstrassen und Schlaufen bewähren sich an vielen Orten. Demgegenüber stösst die nach- trägliche Einrichtung von Sperren zuweilen auf den Widerstand der Anwohner, obgleich das Ziel, die Elimination des quartierfremden Durchgangsver- kehrs, erreicht wird. Das kommt daher, dass die Netzunterbrüche auch den quartiereigenen Verkehr treffen, dieser kann aber nicht aufs Hauptstrassen- netz abgedrängt werden, sondern er wird zu Umwe- gen gezwungen und belastet dadurch benachbarte Wohnhäuser mit Immissionen. Das gilt in beson-

derem Mass, wenn die Erschliessungsstrassen im Einrichtungsverkehr befahren werden.

Das Zerschneiden des Netzzusammenhangs erschwert im übrigen die Orientierung fUr ortsun- kundige Besucher.

Bei der Anlage von Sperren ist darauf zu achten, dass nicht nur die Fussgänger, sondern auch die Rad- fahrer die Sperre passieren können.

Wenn den örtlichen Gegebenheiten gebührend Rechnung getragen wird, ist der Unterbruch von

«Schleichwegen» zur Unterbindung des Durch- gangsverkehrs eine zweckmässige Wohnschutzmass- nahme.

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Massnahme 3

Ausbau des übergeordneten Strassennetzes

Ziel

Weniger Verkehr Unterziel

Kein quartierfremder Durchgangs- verkehr

Lehenmattquartier in Basel. Die National- strasse hat den früheren Durchgangsverkehr übernommen

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Ehemaliger Durchgangsverkehr, der von der Nationalstrasse übernommen wurde (Auf- nahme der Eidg. Landestopographie).

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Nationalstrasse

Idee

Das übergeordnete Strassennetz soll eine solche Lei- stungsfähigkeit aufweisen, dass gar kein Anreiz besteht, einen «Schleichweg» über Nebenstrassen zu suchen. Alle Fahrten sollen- ausser in der Nähe von Ausgangspunkt und Ziel - nur über Sammel-, Hauptverkehrs- und gegebenenfalls Hochleistungs- strassen abgewickelt werden.

Zu diesem Zweck sind Knotenpunkte und Strecken des übergeordneten Strassennetzes entsprechend dem massgebenden Verkehrsaufkommen auszu- bauen und mit den nötigen Einrichtungen zur Ver- kehrsregelung zu versehen.

Wirkungsweise

Die Ausbildung eines leistungsfähigen und damit attraktiven Hauptstrassennetzes ist primär eine bau- liche- bei Neuanlagen auch planerische- und sekundär eine betriebliche Aufgabe. Sie beseitigt die Ursache der Störungen.

Realisierungszeit

Da die betrieblichen Möglichkeiten zur Leistungs- steigerung meist schon ausgeschöpft sind und der Ausbau eines bestehenden Strassenzuges mit tech- nischen, finanziellen und politischen Schwierigkeiten verbunden ist, beträgt die Realisierungszeit mehrere Jahre.

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Durch einen optimalen Ausbau der Haupt- strassen werden Schleichwege durch die Wohn- gebiete vermieden

Beurteilung

Der einzelne Autofahrer will sein Ziel auf dem schnellsten oder bequemsten Weg erreichen. Ob er den übergeordneten Strassen folgt oder auf «Schleich- wege» durch Wohnquartiere ausweicht, hängt sowohl von der Beschaffenheit der Hauptstrassen wie der Nebenstrassen ab. Im günstigsten Fall befreit das Angebot eines leistungsfähigen Hauptstrassennetzes die Wohngebiete von allem quartierfremden motori- sierten Verkehr.

Die BündeJung von möglichst vielen Motorfahrzeug- fahrten wird auch Kanalisierung genannt. Wegen der Schwierigkeiten, welche sich dem nachträglichen Ausbau von Hauptachsen oft entgegenstellen, und weil der Gewinn an Leistungsfähigkeit durch die stetig wachsende Motorisierung aufgezehrt wird, strebt man die Kanalisierung oft durch gleichzeitigen Ausbau der Hauptstrassen und Unterbrechung der

«Schleichwege» (Massnahme 2) an.

Die Kanalisierung ist ein anerkanntes Mittel zum Schutz von Wohngebieten. Allerdings haftet ihr der Nachteil an, dass sie die an Hauptachsen wohnenden oder arbeitenden Menschen zugunsten anderer zusätz- lichen Belästigungen aussetzt. Dieser Nachteil kann durch entsprechende Nutzungsvorschriften (Bau- zonen) oder Immissionsschutz (Schallschutzfenster) gemildert werden.

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Massnahme 4

Förderung derumweltfreundlichen Verkehrsarten

Ziel

Weniger Verkehr Unterziel

Ersatz des unnötigen motorisierten Verkehrs

ÖITentlicher Verkehr, zu Fuss gehen, oder Velofahren entlasten die Strassen

Idee

Möglichst viele Strecken sollen zu Fuss, per Velo oder mit dem öffentlichen Verkehrsmittel zurück- gelegt werden.

Zu diesem Zweck sind erstens die Fusswege, die Veloverbindungen sowie das Liniennetz und der Fahrplan der öffentlichen Verkehrsmittel attraktiv auszubilden.

Zweitens soll die Wahl des Verkehrsmittels über das Portemonnaie beeinflusst werden, indem das Auto- fahren durch die bisher von der Allgemeinheit getra- genen sozialen Kosten belastet wird. Im weitem sol- len die bisher als fixe Summen jährlich erhobenen

Motorfahrzeugsteuern und Versicherungsprämien von der zurückgelegten Fahrstrecke abhängig gemacht, also z.B. auf den Benzinpreis geschlagen werden.

Wirkungsweise

Beide Massnahmen bezwecken die Änderung des Wertmassstabs flir Motorfahrzeugbesitzer, so dass öfter zu Fuss gegangen oder das Velo, die Bahn, der Bus benützt wird. Beide Massnahmen setzen beim Verursacher von Störungen an.

Realisierungszeit

Während sich einzelne Verbesserungen ftir Radfahrer und Fussgänger oft mit geringen verkehrspolizei- liehen oder baulichen Eingriffen erreichen lassen, kostet die Förderung des öffentlichen Verkehrs viel.

Um neue Finanzierungsmodelle flir den privaten Verkehr durchzusetzen, bedarf es eines langfristigen politischen Prozesses.

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Neubeurteilung der Vor- und Nachteile unter Berechnung der durch das Auto verursachten externen Kosten: Lärm, Abgase, u.a.m.

Beurteilung

Der Ersatz des motorisierten Privatverkehrs durch umweltfreundlichere Verkehrsarten verringert nicht nur den quartierfremden, sondern im Gegensatz zur Zulassungsbeschränkung, zum Unterbruch der

«Schleichwege» und zum Ausbau des übergeord- neten Strassennetzes auch den quartiereigenen Ver- kehr. Ja, die theoretische Wirkung geht weit über die Wohngebiete hinaus, letztlich bis in die nationale Verkehrskonzeption.

Doch so gross die denkbare Wirkung sein könnte, praktisch darf man nur mit bescheidensten Verände- rungen rechnen, wenn die Freiheit, das Verkehrs-

mittel selber zu wählen, gewahrt bleibt. Denn die Vorzüge des Autos hinsichtlich Reisezeit und Be- quemlichkeit sind gegenüber den andern Verkehrs- mitteln so deutlich, dass sie nur ausnahmsweise durch Verbesserungen an Fuss- und Radwegen oder am Angebot des öffentlichen Verkehrs bzw. durch eine höhere steuerliche Belastung wettgemacht werden.

Somit ist die teilweise Ersetzung des motorisierten Verkehrs durch andere Verkehrsmittel von der Ver- kehrsberuhigung her durchaus zu begrüssen, sie liegt aber auf einer andern Ebene als die übrigen Wohn- schutz-Massnahmen. Immerhin kann man daraus die Forderung einer bevorzugten Behandlung von Fuss- gängern und Radfahrern bei allen Verkehrslenkeri- schen Eingriffen ableiten.

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Massnahme 5

Raumplanerische Disposition Ziel

Weniger Verkehr Unterziel

Weniger Verkehrsaufkommen

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Verkehr entsteht durch die räumliche Trennung verschiedener Aktivitäten

Idee

Wieviele Personen reisen oder wieviele Güter zu befördern sind, hängt von den Gewohnheiten einer Gesellschaft und von den wirtschaftlichen Gegeben- heiten ab. Die zu bewältigenden Distanzen ergeben sich aus der örtlichen Verteilung der Wohnorte, Arbeitsplätze, Erholungsgebiete usw.

Bei der Orts-, Regional- und Landesplanung sollen die Siedlungsgebiete und die verkehrsreichen zentra- len Einrichtungen nun so verteilt werden, dass die Summe aller Fahrtstrecken so klein wie möglich wird.

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Personenfahrten pro Tag in beiden Richtungen

Verkehrsbeziehungen zwischen Zürich und der Umgebung

Wirkungsweise

Diese Massnahme ist von planerischer oder bau- rechtlicher Art. Sie greift bei der Ursache an.

Realisierungszeit

Die raumplanerische Disposition ist eine langfristige Massnahme. Bei der Konzeption eines Neubau- gebiets oder bei der Standortwahl z.B. eines Schul- hauses oder Einkaufszentrums beginnt die Wirkung schon mittelfristig.

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Was es in der Stadt der Vergangenheit gab:

Wohnen, Arbeiten, Erholen und Konsumieren

«unter einem Dach», das sollte mit den heute verftigbaren technischen Mitteln auch wieder möglich sein

Beurteilung

Quellen und Ziele von Ortsveränderungen so anzu- ordnen, dass möglichst kurze Wege entstehen, ist- bei gegebener Zahl von Ortsveränderungen - die grundsätzlichste Lösung. Man bemühte sich, wenn auch oft unausgesprochen, seit je darum. Kurze Verkehrswege sind aber nur eines der bei der Raum- planung angestrebten Ziele neben der zweckmässi- gen Nutzung des Bodens und der geordneten Be- siedlung des Landes. Die Massnahme 5 bedeutet somit: stärkere Gewichtung des Ziels «minimale Wege» gegenüber den andern Zielen.

Da die freie Wahl des Berufs- und Wohnortes nicht angetastet werden soll, kann die entsprechende Dis- position der Siedlungen und der verkehrsreichen Einrichtungen den Wohngebieten nur eine teilweise Entlastung vom motorisierten Verkehr bringen.

Diese Massnahme hat, im Vergleich zu den an einem konkreten Ort anwendbaren Massnahmen 1, 2 und 3, eher den Charakter eines Grundsatzes, den es bei jeder Entscheidung zu beachten gilt.

Wenn die zurückzulegenden Wege im Durchschnitt kürzer sind, so kann ein grösserer Teil zu Fuss oder mit dem Velo zurückgelegt werden, d.h. als Neben- wirkung wird die Massnahme 4 unterstützt; des- gleichen, wenn die Siedlungsgebiete entlang den Linien des öffentlichen Verkehrs angeordnet und verdichtet werden.

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Massnahme 6

Verkehrsvorschriften Ziel

Angepasster Verkehr Unterziele

Kleinere Geschwindigkeit Erhöhte Aufmerksamkeit

Signale, die eine langsame und rücksichtsvolle Fahrweise bezwecken

Idee

Die Motorfahrzeuge sollen durch generelle Vor- schriften oder durch Verkehrssignale zu einer Fahr- weise angehalten werden, die der besonderen Situa- tion in den Wohngebieten angemessen ist.

In Frage kommen die generelle Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts und die Signalisation von örtlich abweichenden Höchst- geschwindigkeiten (Signal Nr. 216). Weiter sind die Signale zu nennen, die nicht verbieten, sondern war- nen (z.B. Nr. 123).

Wirkungsweise

Verkehrsvorschriften sind rechtlicher Art; sie setzen beim Verursacher an.

Realisierungszeit

Verkehrsvorschriften können kurzfristig erlassen wer- den, doch kann dagegen rekurriert und so die Aus- ftihrung verzögert werden.

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Das Signal «Wohnstrasse>> bedeutet:

Die Fussgänger dürfen die ganze Strasse benüt- zen, das Spielen auf der Strasse ist erlaubt Die Höchstgeschwindigkeit der Motorfahrzeuge ist beschränkt (höchstens 20 km/h)

Die Fahrzeugftlhrer dürfen die Fussgänger weder gefahrden noch behindern; anderseits dürfen die Fussgänger den Verkehr nicht unnö- tig behindern

Das Parkieren von Automobilen ist nur an daftir besonders gekennzeichneten Stellen (Signale, Markierungen) gestattet

(Quelle: Antwort des Bundesrates auf die ein- fache Anfrage von Nationalrat Blum)

Beurteilung

Verkehrsvorschriften sind nur dann wirksam, wenn ihr Sinn vom Fahrer eingesehen wird oder wenn die

~olizei ihre Beachtung durchsetzt. Die ständige Uberwachung des Verkehrs in den Wohngebieten durch die Polizei ist erstens unsympathisch (Polizei- staat) und zweitens bei den heutigen Mannschafts- beständen gar nicht zu bewältigen.

Einsicht in zwingende oder warnende SignalisaHo- nen setzt voraus, dass die Signale überhaupt wahr- genommen werden. Gerade dies ist aber zweifelhaft, da die an vielen Orten vorhandenen Signale das Aufnahmevermögen vieler Fahrer heute schon überfordern.

Die generelle Herabsetzung der Höchstgeschwindig- keit innerorts wird in der Schweiz zur Zeit erwogen;

ein dreijähriger Grassversuch beginnt Mitte 1979.

Doch WGder die generelle, noch die örtlich abwei- chende Tempolimite kann für sich allein «angepass- tes Verhalten» aller Fahrer bewirken.

Deshalb ist die Einführung eines - im Ausland schon bewährten - neuen Signals «Wohnstrasse» vorge- sehen. Dieses hat entsprechend der komplexen Situation in den Wohngebieten eine mehrfache rechtliche Bedeutung: es warnt zunächst, es fordert ferner Fussgänger und Fahrer zur gegenseitigen Rücksicht auf, und es schreibt den Autofahrern die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h vor.

Das neue Signal wird - zumal wenn es durch bau- liche Massnahmen unterstützt wird - seine Wirkung nicht verfehlen.

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Massnahme 7

Gewundene Linienftihrung Ziel

Angepasster Verkehr Unterziel

Kleinere Geschwindigkeiten

Lange Geraden verleiten zu schneller Fahr- weise

Idee

Aus der Linienftihrung des Fahrwegs sollen die Fah- rer sogleich erkennen, dass eine Strasse nicht ftir hohe Geschwindigkeiten geeignet ist.

Zu diesem Zweck werden neue Erschliessungs- strassen als Folge von höchstens 150 m langen Geraden und von Kurven entworfen, wobei auch kleine Radien (bis 12 m) angewendet werden dürfen.

Damit bestehende lange gerade Erschliessungs- strassen nicht mehr zu hohen Geschwindigkeiten verleiten, soll der Fahrweg innerhalb der Strassen- breite in Abständen von 50 bis 100 m seitlich ver-

setzt werden, sei es durch gestalterische Mittel (z.B Grünrabatten), sei es durch abwechselnd links und rechts angeordnete Parkflächen.

Wirkungsweise

Strassenräume mit gewundener Linienführung wer- den optisch von den Fahrern anders empfunden als die herkömmlichen, auf einen Fluchtpunkt zustre- benden Strassen. Diesen Eindruck setzen die Fahrer unbewusst in verringerte Geschwindigkeit und in erhöhte Aufmerksamkeit um. Folglich trifft auch diese Massnahme die Verursacher von Störungen.

Realisierungszeit

Die alternierende Anordnung von Parkflächen kann durch Signalisation und Markierung kurzfristig ein- gefUhrt werden. Der nachträgliche Einbau von Grün- rabatten u.ä. erfordertje.nach Ausftihrung einen grösseren Aufwand und mehr Zeit.

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Horizontale Versätze unterbrechen die zügige Linienführung

Beurteilung

Die entweder schon bei der Neuanlage einer Er- schliessungsstrasse vorgesehene oder nachträglich durch die Anordnung von horizontalen Versätzen erreichte «slalomartige» Führung des Fahrstreifens verlangsamt die Motorfahrzeuge, die quartiereigenen so gut wie die fremden. Da eigentliche horizontale Versätze meist zusammenfallen mit einer örtlichen Verringerung der Fahrbahnbreite, ist ihre Wirkung stärker als die einer in Kurven angelegten Strasse von gleichbleibender Breite. Änderungen am optischen Erscheinungsbild einer Strasse beeinflussen das Fahrverhalten, ohne dass es dem Fahrer bewusst

wird, auf der ganzen Länge, im Gegensatz etwa zu Verkehrssignalen (Massnahme 6), welche punktartig an die Vernunft oder den Gehorsam appellieren.

Als willkommene Nebenwirkung vermindert die gewundene Linienftihrung den Anreiz, eine Neben- strasse als «Schleichweg» zu missbrauchen; sie unter- stützt folglich die Kanalisierung (Massnahme 3).

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Massnahme 8

Vertikale Versätze Ziel

Angepasster Verkehr Unterziel

Kleinere Geschwindigkeit

Verschiedene Ausführungen von vertikalen Versätzen

Idee

Am Anfang und am Ende von Erschliessungsstras- sen, bei wichtigen Fussgängerübergängen oder bei den Kreuzungen mit andern Erschliessungsstrassen werden die Fahrbahnen auf kurzer Strecke angeho- ben, um den Fahrer darauf aufmerksam zu machen, dass er sich nicht auf einer Hauptstrasse befindet.

Je kürzer die Anrampung bei gegebener Höhe ist, desto heftiger werden darüberfahrende Autos erschüttert, und desto stärker ist der Bremseffekt Kurze vertikale Versätze heissen «Schwellen», län- gere (~5 m) heissen «Aufpflasterungen».

Wirkungsweise

Vertikale Versätze wirken sowohl optisch wie mecha- nisch dynamisch, Aufpflasterungen nur optisch, wobei die Wirkung durch einen andersfarbigen Belag verstärkt werden kann.

Aufpflasterungen, z.B. durchgezogene Trottoirs beim Anschluss an eine übergeordnete Strasse, haben auch eine rechtliche Bedeutung, sie sind wie Trottoir- überfahrten oder sehr kurze Fussgängerzonen zu betrachten, d.h. sie ändern das Vortrittsrecht zu Gunsten der Fussgänger.

Realisierungszeit

Aufpflasterungen und Schwellen können kurzfristig realisiert werden. Zuständig sind die Strasseneigen- tümer.

(31)

Beurteilung

Vertikale Versätze verlangsamen die Motorfahrzeuge, sie machen aber darüberhinaus den Fahrer auf die kritischen Punkte, z.B. Kreuzungen mit rollendem Verkehr oder mit Fussgängerströmen, aufmerksam.

Hohe und kurze Schwellen, die eben noch ohne Schaden befahren werden können, bremsen mehr als Aufpflasterungen. Sie werden aber vom motorisier- ten Verkehr als Schikanen empfunden, sind ftir Zwei- räder nicht ungefährlich und verursachen Schwierig- keiten beim Winterdienst; sie könnten auch Art. 4 SVG widersprechen (Verkehrshindernisse).

Aufpflasterungen erreichen eine angepasste Fahr- weise dadurch, dass die optische Erscheinung einer Strasse erhöhte Vorsicht unbewusst gebietet. Auf- pflasterungen erlauben dem Fussgänger das Queren der Fahrbahn ohne Niveaudifferenz und erst noch mit Vortrittsrecht

Vertikale Versätze machen «Schleichwege» weniger attraktiv, sie unterstützen folglich die Kanalisierung (Massnahme 3).

Vertikale Versätze werden zweckmässigerweise zusammen mit gewundener Linienftihrung (Mass- nahme 7) angewendet.

(32)

Massnahme 9

Kleinräumiger Ausbau der Erschliessungsstrassen Ziel

Angepasster Verkehr Unterziel

Kleinere Geschwindigkeiten

Solche schnurgeraden Strassen sind aus der Sicht des Wohnschutzes unerwünscht

Idee

Der Strassenraum weckt im Autofahrer unmittelbar das Geftihl, sich auf einer Nebenstrasse zu bewegen.

Zu diesem Zweck sind die Erschliessungsstrassen bezüglich Fahrbahnbreite, horizontaler und verti- kaler Linienftihrung, Belag usw. deutlich anders, und zwar kleinräumiger als bei Hauptstrassen auszubilden.

Wo Grosszügigkeit erwünscht ist, sollen Baumalleen gepflanzt oder Grünrabatten angelegt, doch niemals grosseRadien usw. gewählt werden.

Wirkungsweise

Kleinräumig angelegte Strassen wirken optisch, je nachdem auch akustisch (holpriger Belag) oder auf den Gleichgewichtssinn (enge Radien), aufjeden Fall direkt auf das Empfinden und damit auch auf das Verhalten der Fahrer.

Realisierungszeit

Am einfachsten ist es, neue Strassen von Anfang an kleinräumig auszubilden. Die nachträgliche Umge- staltung bestehender Erschliessungsstrassen kann wegen der Kosten meist nur mittelfristig vorgenom- men werden, z.B. wenn der Strassenbelag erneuert oder wenn Werkleitungen verlegt werden müssen.

In gewissen Kantonen sind noch Änderungen der Strassengesetze nötig.

(33)

Kleinmassstäbliche Strassenräume

Beurteilung

Erschliessungsstrassen, die mit geringen Fahrbahn- breiten, Radien usw. entworfen sind, werden unver- züglich als Nebenstrassen erkannt und veranlassen die Fahrer zu aufmerksamer und langsamerer Fahrweise.

Die unmittelbare Wirkung auf die Fahrer wird ver- stärkt, wenn auch die Häuser und Vorgärten in die Gestaltung einbezogen werden, wenn die Strasse als Raum und nicht als Band empfunden wird. Eine solche Abstimmung von Verkehrsweg und Hoch- bauten ist auch städtebaulich erwünscht und erleich- tert in günstigen Umständen die Befriedigung wei- terer Bedürfnisse in Wohnquartieren, wie Spiel und Begegnung.

Geringere Strassenbreiten bedeuten bei Neuanlagen geringeren Landverbrauch und geringere Kosten. Bei der Umwandlung bestehender Strasse kommt die eingesparte Fahrbahnfläche den Fussgängern oder Grünanlagen zugute.

(34)

Massnahme 10

Einfache Verkehrsftihrung Ziel

Angepasster Verkehr Unterziel

Höhere Aufmerksamkeit

Strassennetz mit komplizierter Verkehrsftihrung

Idee

In Nebenstrassen wird eine einfache Verkehrsftihrung angestrebt, in der Regel Zweirichtungsverkehr, an den Kreuzungen Rechtsvortritt; die Verantwortung wird damit vollumfanglieh den Verkehrsteilnehmern übertragen, welche sich folglich aufmerksamer ver- halten.

Zu diesem Zweck werden die mancherorts auch in Wohngebieten anzutreffenden Einbahnstrassen wieder - wie früher! - dem Beidrichtungsverkehr geöffnet, werden Stopsignale bei der Kreuzung von zwei Erschliessungsstrassen aufgehoben usw.

Wirkungsweise

Die einfache Verkehrslenkung ist sowohl eine ver- kehrsplanerische wie auch eine rechtliche Mass- nahme. Sie trifft den Verursacher.

Realisierungszeit

Die Aufhebung bestehender, bzw. der Verzicht auf den Erlass neuer Verkehrsvorschriften ist eine kurz- fristig realisierbare und billige Massnahme.

(35)

Strassennetz mit einfacher Verkehrsftihrung

Beurteilung

Im Gegensatz zu den Hauptstrassen brauchen Er- schliessungsstrassen weder leistungsfahig zu sein noch hohe Fahrgeschwindigkeiten zuzulassen. Es ist vielmehr erwünscht, dass sich die Erschliessungs- strassen in der baulichen Form und im Betrieb deut- lich von den Hauptstrassen unterscheiden.

Wo der Platz neben parkierten Autos zum Kreuzen nicht ausreicht, werden Behinderungen bewusst in Kauf genommen. Solche Situationen zwingen den Fahrer zu vorausschauender und langsamerer Fahr- weise.

Durch den Verzicht imfEinbahnstrassen wird in Wohngebieten die Orientierung erleichtert, und es entfallen viele Umwege.

Je weniger Signaltafeln stehen, desto grösser ist die Wirkung der aus zwingenden Gründen belassenen Vorschriften.

Die einfache Verkehrslenkung leistet einen Beitrag zum Ziel «angepasster Verkehr», am besten in Kom- bination mit den Massnahmen 7, 8, 9.

(36)

Massnahme 11

Immissionsschutz an den Wohnbauten

Ziel

Reduktion der Auswirkungen Unterziel

Weniger Immissionen

Lärmschutz zwischen Autobahn und Wohn- gebiet

Idee

Die Bewohner sollen vor den Verkehrsimmissionen - vor allem dem Lärm - geschützt werden: durch geeignete Stellung der Bauten, durch gezielte Anord- nung der unempfindlichen Nutzung am Rand der Wohngebiete, durch Schallisolation.

Auch Erdwälle, die in die Gartengestaltung einbe- zogen werden können, oder Lärmschutzwände ver- hindern die Lärmausbreitung; sie kommen aber eher am Rand als im Innern von Wohngebieten, z.B. längs einer Hauptstrasse in Frage.

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Wirkungsweise

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Immissionsschutz an Wohnbauten ist bei Neuan- lagen eine Sache der Architektur, bei nachträglicher Anwendung eine Aufgabe der Bauphysik.

Immissionsschutz bekämpft die Störung nicht an der Quelle, sondern schützt die Betroffenen.

Realisierungszeit

Während die Immissionen bei neuen Siedlungen durch vielerlei Massnahmen leicht ferngehalten wer- den können, gibt es bei alten Wohngebieten meist nur die Möglichkeit, Schallschutzfenster einzubauen, was wegen der Kosten nur mittelfristig getan werden kann.

(37)

Beurteilung

Spezielle Immissionsschutzmassnahmen sind vor allem dort nötig, wo Wohngebiete an eine Haupt- strasse grenzen, oder wo ein starkbefahrener

«Schleichweg» durch ein Wohngebiet fUhrt.

Bei entsprechendem Aufwand ist ein guter Lärm- schutz erreichbar, allerdings nur innerhalb der geschützten Räume. In Zimmern mit offenen Fen- stern, auf Balkonen und in Gärten fehlt die Schutz- wirkung. Daflir helfen Immissionss,chutzmassnah- men auch gegen andere Störungen, z.B. Fluglärm, Gewerbelärm. Immissionsschutz an Wohnbauten löst die Problematik des motorisierten Verkehrs in

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Wohngebiet mit Immissionsschutz entlang den HVS

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® Lärmschutz-Fenster

@ Optimale Gebäuderichtung

@) Lärmschutz-Wand

® Bepflanzung

® Strasse in Tieflage/Tunnel

!JJ Zurückgesetzte Baulinie

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Wohngebieten nicht. Er kann höchstens als zusätz- liche Massnahme oder von der Wohnqualität her als solcher erwünscht sein. Die Notwendigkeit und der Nutzen von Immissionsschutzmassnahmen nehmen ab, je besser es durch die übrigen Massnahmen gelingt, die Menge der Motorfahrten zu verringern und die rücksichtslose Fahrweise einzelner Motor- fahrzeuge zu zähmen.

Schliesslich stellt sich die Frage, wer die Immissions- schutzmassnahmen bezahlen soll; nach dem in Umweltfragen als richtig erkannten Verursacher- prinzip müssten es die Motorfahrzeugbesitzer sein (siehe Massnahme 4).

(38)

Massnahme 12

Umweltfreundliche Konstruktion der Motorfahrzeuge

Ziel

Angepasster Verkehr Unterziel

Weniger Emissionen

«Sechsundsechzig Jahre Altersunterschied bestehen zwischen den abgebildeten Solar- fahrzeugen. Das amerikanische Solarauto 1912 wurde mit einem Sonnenkollektor ausgerüstet, welcher eine Batterie von 72 Volt speiste. Acht bis zehn Stunden Aufladezeit waren notwendig, um Energie flir eine Geschwindigkeit von 40 km/herreichen zu können.

Das Solarmobil1978 wurde vor kurzem in Sasbach (BRD) vorgestellt. Der Motor wird mit Strom aus Solarzellen angetrieben, wodurch eine Fahrgeschwindigkeit von 8 km/h ermög- licht wird» (Zeitschrift SOLARIA, Nr. 111978).

Wie wird das umweltfreundliche Automobil des Jahres 2000 aussehen?

Idee

Die Autos und Motorräder sollen so konstruiert wer- den, dass sie wenig Lärm und schädliche Abgase erzeugen, und dass sie bei allfälligen Kollisionen Fussgänger und Radfahrer möglichst wenig verletzen.

Leider setzen sich lärm- oder abgasarme sowie ver- letzungsschonende Konstruktionen nicht von selbst durch, sodass zu obigem Zweck wohl die einschlä- gigen Bestimmungen der Verordnung über Bau und Ausrüstung der Strassenfahrzeuge verschärft werden müssen.

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Wirkungsweise

Verbesserte Konstruktionen zeitigen ihre Wirkung, wo immer die Motorfahrzeuge verkehren, al~o aucH ausserhalb der Wohngebiete. Schärfere Vorschriften treffen den Verursacher.

Realisierungszeit

Bis der Erfolg eintritt, ist mit einer Zeitspanne von über 10 Jahren zu rechnen, weil zuerst die Vor- schriften auf eidgenössischer - wenn nicht gar inter- nationaler - Ebene modifiziert, sodann neue Kon- struktionen entwickelt und angewendet sowie schliesslich der Fahrzeugbestand ausgewechselt wer- den müssen.

(39)

Lärm-Grenzwerte, die von Motorfahrzeugen nicht überschritten werden dürfen (Verordnung über Bau und Ausrüstung der Strassenfahr- zeuge [BA V) vom 27. August 1969)

Beurteilung

Von der Lebensqualität in den Wohngebieten her ist

die Bekämpfung des Lärms und der Abgase an der ~

Quelle, beim Motorfahrzeug, zweifellos erwünscht. , Ubrigens bestehen schon seit langem und in den

letzten Jahren noch verschärfte Grenzwerte ft.ir die zulässigen Immissionen.

Bei Ausschöpfen der technischen Möglichkeiten könnten die von Motorfahrzeugen erzeugten Lärm- und Gasemissionen so reduziert werden, dass sie in Wohngebieten neben Windgeräuschen, Kinderlärm, Heizungsabgasen usw. nicht mehr ins Gewicht fallen.

Konstruktionen, welche Fussgänger oder Radfahrer bei Kollisionen möglichst schonen, z.B. durch beson- dere Form oder nachgiebiges Material, sind anzu- streben. Sie mildem die Folgen der Unfalle. Hohe Verkehrssicherheit kann aber nur durch eine Kombi- nation mehrerer Massnahmen, z. B. mit den Mass- nahmen 8, 9, 10 erreicht werden.

(40)

Massnahme 13

Motivation der Bevölkerung Ziel

Angepasster Verkehr Unterziel

Rücksichtsvolles Verhalten der Fahrzeugführer

Plakate der Schweizerischen Beratungsstelle ftir Unfallverhütung

Idee

Konflikte zwischen motorisiertem Verkehr und Woh- nen werden vermieden, wenn alle Fahrer folgende Grundregel beachten:

Strassenverkehrsgesetz, Art. 26, Grundregel

I Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgernässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefahrdet.

2 Besondere Vorsicht ist geboten gegenüber Kindern, Gebrechlichen und alten Leuten, ebenso wenn Anzeichen daftir bestehen, dass sich ein Strassen- benützer nicht richtig verhalten wird.

Zu diesem Zweck soll den Fahrern durch Schulung die von den Motorfahrzeugen ausgehende Störung und Gefährdung bewusst gemacht und sie dazu ange- regt werden, Störungen und Gefahrdung möglichst zu vermeiden.

Wirkungsweise

Schulung und Motivation suchen die Ursache von Störungen und Gefahrdungen zu ändern. Sie haben eine Wirkung über die Wohngebiete hinaus.

Realisierungszeit

Schulung und Motivation sind eine ständige Auf- gabe, deren Ergebnis sich erst nach längerer Zeit zeigt.

(41)

Informationsfenster in einer Wohnstrasse

Beurteilung

Das Problem des Verkehrs in den Wohngebieten ist gelöst, wenn die Fahrzeugführer soweit gebracht wer- den, dass sie das Interesse der andem Menschen an Ruhe und Sicherheit gleich oder gar höher bewerten als ihr eigenes Interesse an schnellem Vorwärtskom- men und ihr Fahrverhalten danach richten.

Weil dieses Ziel nur langfristig und nie in vollem Umfang erreicht werden kann, sind Schulung und Motivation als dauerndeMassnahmen zu betrachten, welche gleichzeitig mit den andem Wohnschutz- Massnahmen anzuwenden sind. Schulung und Moti- vation lehren die Fahrer nicht nur, sich in den bau-

lieh oder durch Verkehrsvorschriften veränderten Erschliessungsstrassen richtig zu verhalten; von den baulichen und verkehrspolizeiliehen Massnahmen geht - wenn sie verstanden werden - umgekehrt eine Bewusstseinsveränderung, eine Schulung aus. Aus diesem Grunde ist es nötig, dass die verantwort- lichen Behörden alle geschilderten Massmihmen mit dem Ziel «weniger Verkehr» oder «angepasster Ver- kehr» der betroffenen Bevölkerung ausfUhrlieh dar- legen; am besten ist es, die Bevölkerung bei der Umgestaltung ihrer Nachbarschaft mitarbeiten zu lassen.

(42)
(43)

Am Beispiel von vier Wohngebieten aus Basel, Bern, Zürich und Fällanden soll gezeigt werden, wie der Konflikt zwischen Wohnen und Verkehr durch die Anwendung der vorne beschriebenen Massnahmen entschärft werden kann. Die vier Wohngebiete unter- scheiqen sich im Alter der Bebauung, in der Baue dichte (Ausnützungsziffer = AZ), im Mischungs- verhältnis zwischen Einwohnern und Arbeitsplätzen und in der Disposition des Strassennetzes.

(44)

Beispiel!

Wohnstrasse Basel

Bärenfelserstrasse

Bärenfelserstrasse 1975

Wohngebietstyp:

gemischte Nutzung

dicht, Ausnützungsziffer grösser als 1,0

mehrheitlich vor 1910, etwa 20% nach 1960 erbaut

Beschrieb

Die Bärenfelserstrasse liegt in einem dichtbebauten und -besiedelten städtischen Wohngebiet, das Ende des 19. Jahrhunderts erstellt worden ist und an einer Seite an die Industriezone angrenzt. Das Wohnen ist durchmischt mit Gewerbe und Büros.

In einem schachbrettartigen Strassenraster verläuft die Bärenfelserstrasse parallel zu einer Hauptstrasse, beginnt und endet mit T-Einmündungen an andern Erschliessungsstrassen. Wegen der durchwegs gerin- gen Strassenbreiten (Bärenfelserstrasse: 5,4 m Fahr- bahn und 2 x 1,8 m Trottoir) werden fast alle Strassen des Quartiers als Einbahnstrassen befahren.

Da lange nicht für alle Autos Abstellplätze auf pri- vatem Grund vorhanden sind, besteht in der Bären- felserstrasse und ihrer Umgebung eine grosse Park- platznot

(45)

Bärenfelserstrasse als Wohnstrasse eingerichtet

Beurteilung

Konflikte zwischen Verkehr und Wohnen ergeben sich einerseits aus dem ortskundigen Berufsverkehr, der während der Abendspitzenzeit überlastete Hauptstrassenknoten umfährt, und andererseits aus den parkierten Autos, die zuweilen den Zubringer- dienst und Güterumschlag behindern. Vor allem aber kann die vom Verkehr voll beanspruchte Bärenfelser- strasse nicht auch noch zum Verweilen, zum Spielen der Kinder benützt werden - und gerade das wäre notwendig in einem so dichten Quartier ohne Frei- flächen.

Verbesserungsmöglichkeiten:

Durch den Ausbau der nächsten Hauptstrassen würde der «Schleichweg» durch die Bärenfelserstrasse seinen Reiz verlieren (Massnahme 3).

Die Erstellung eines Quartierparkings ft.ir die Bewohner könnte die Strassen von den parkierten Motorfahrzeugen befreien (Massnahme 1). Beide Massnahmen sind jedoch sehr teuer und nur mit grossen Eingriffen langfristig zu verwirklichen.

Im Rahmen eines Versuchsprogramms mit Wohn- strassen sind in der Bärenfelserstrasse kurzfristig und mit verhältnismässig geringen Kosten Verbesserun- gen ausgeftihrt worden: horizontale Versätze (Mass- nahme 7), Ansätze zur Kleinmassstäblichkeit durch Möblierung der Strasse (Massnahme 9), Zulassungs- beschränkung (Massnahme 1), Ankündigung als

«WOllnstrasse» (Massnahme 6), Aufhebung der Parkplätze auf der Fahrbahn. Anstelle der drei letz- ten Massnahmen soll später das neue Signal «Wohn- strasse» aufgestellt werden.

(46)

Beispie12

Wohnsiedlung Zürich Neubühl

Erschliessungsstrasse der Siedlung Neubühl

Wohngebietstyp:

reine Wohnnutzung

initteldicht, Ausnützungsziffer 0,3 bis 1,0 erbaut: ca. 1930

Beschreibung:

Die am Stadtrand auf einem Hügel gelegene Wohn- siedlung weist ein dem Gelände angepasstes, unre- gelmässiges Strassennetz auf. Die nicht einmal 6 m breiten Erschliessungsstrassen haben keine Trottoirs.

Daftir sind quer zu ihnen zur Erschliessung der Häu- sergruppen viele Fusswege vorhanden.

Weil keine Einstellmöglichkeiten aufprivatem Grund bestehen, werden die Autos auf den Strassen

parkiert.

Die Fahrt durchs Quartier ist nur dem Zubringer- dienst gestattet. Die schmalen Strassen werden im Einbahnverkehr befahren. Das Signal Nr. 123 macht auf spielende Kinder aufmerksam.

(47)

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Verbesserungsvorschläge

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Beurteilung:

In der Wohnsiedlung Neubühl sind dank der

weitsichtigen 50 Jahre alten Konzeption wenig Wider- sprüche zwischen Wohnen und Verkehr. Die Er- schliessungsstrassen sind als solche sofort zu erken- nen. Die Fussgänger können einen Teil ihrer Gänge auf reinen Fusswegen zurücklegen.

Dennoch war es offenbar nötig, den quartierfremden Verkehr durch ein allgemeines Fahrverbot fernzu- halten (Massnahme 1) und den verbleibenden Ver- kehr zu besonderer Vorsicht anzuhalten (Mass- nahme 6).

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Verbesserungsmöglichkeiten:

Um die Einfahrt ins Gebiet psychologisch zu erschweren, kann beim Anschluss an die Sammel- strasse ein vertikaler Versatz angeordnet werden.

Anstelle der unschönen Abschrankung ist eine kleine Grünrabatte anzulegen, welche durch ihre geometrischen Abmessungen ebenfalls eine niedrige Geschwindigkeit erzwingt (Massnahmen 8, 9).

Zur Herabsetzung der Fahrgeschwindigkeit können die Parkplätze alternierend längs beiden Strassen- seiten angeordnet werden (Massnahme 7). Der Wechsel erfolgt am besten bei den Abzweigungen der schlecht sichtbaren Fusswege, weil diese dadurch gut erkennbar gemacht werden.

Diese Verbesserungen erlauben, auf das Fahrverbot und das Warnsignal zu verzichten.

(48)

Beispie13

Wohnstrasse Bem Mindstrasse

Wohnstrasse Mindstrasse

Wohngebietstyp:

reine Wohnnutzung

mitteldicht, Ausnützungsziffer 0,3 bis 1,0 erbaut zwischen 1920 und 1930

Beschreibung:

Die Mindstrasse ist eine200m lange Erschliessungs- strasse. Sie zweigt von einer Sammelstrasse recht- winklig ab und mündet in eine andere Erschlies- sungsstrasse. In unmittelbarer Nähe zu dieser Strasse führt eine Hauptverkehrsstrasse vorbei ohne Zugang zur Mindstrasse.

Besonderes Merkmal ist die unterschiedliche Stras- senbreite: Am Anfang und am Ende sind 6 m breite Passagen zwischen Gartenzäunen, während der mitt- lere Abschnitt doppelt so breit ist. Hier stehen auf beiden Seiten Bäume.

Die Mindstrasse hat kein Trottoir, obwohl das Be- fahren in beiden Richtungen ohne Einschränkung erlaubt ist.

Zwischen den Bäumen hat es Platz zum Parkieren, jedoch sind keine Parkplätze auf privatem Grund vorhanden.

(49)

Verbesserungsvorschläge

Beurteilung:

In der Mindstrasse gibt es keine nennenswerten Kon"

flikte zwischen Wohnen und motorisiertem Verkehr.

Dank ihrer Lage im Strassennetz zirkulieren auf der Mindstrasse nur quartierbezogene Motorfahrzeuge:

diese verhalten sich zumeist rücksichtsvoll. Kinder können ohne vom Verkehr gefährdet zu sein und ohne ihn zu stören auf der Mindstrasse spielen.

Auf den ersten Blick erkennt man die Mindstrasse als Nebenstrasse. Die beiden Baumreihen, dieGär- ten, die quergestellten Wohnhäuser erzeugen einen charakteristischen und wohnlichen Strassenraum, welcher durch die Gebäude an den Querstrassen optisch abgeschlossen wird.

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Verbesserungsmöglichkeiten:

Der weder durch Trottoirs noch durch parkierte Autos eingeengte schnurgerade Fahrweg von 6 m Breite und 200 m Länge lässt zu hohe Fahrgeschwin- digkeiten zu.

Durch Anordnung der Parkplätze in quergestellten Paketen, einmal links, einmal rechts, erhält der Fahr- weg eine gewundene Linienftihrung (Massnahme 7).

Wenn das Parkieren ausserhalb gekennzeichneter Felder verboten wird, kann gleichzeitig eine genü- gend grosse Spielfläche ausgeschieden werden, wo keine Gefahr besteht, dass Bälle parkierte Autos beschädigen. Bei der Einfahrt können die Trottoirs durchgezogen werden (Massnahme 8).

(50)

Beispie14

Wohnsiedlung Fällanden ZH Bengien

Erschliessungsstrasse der Siedlung Bengien

Beschreibung:

Bengien ist eine der typischen Grossüberbauungen, wie sie in den sechzigerund siebziger Jahren im Einzugsbereich der schweizerischen Grassstädte ent- standen sind.

Wohngebietstyp:

reine Wohnnutzung

mitteldicht, Ausnützungsziffer 0,45 erbaut 1970-1975

Die Siedlung wird durch Stichstrassen erschlossen;

dadurch entfällt quartierfremder Durchgangsverkehr.

Beim Einkaufszentrum münden die Stichstrassen in die Sammelstrasse, welche die Siedlung an das Hauptverkehrsstrassennetz anschliesst.

Die Erschliessungsstrassen sind 7,5 m breit. Die paral- lel dazu gefUhrten Gehwege sind durch 2 bis 5 m breite Grünstreifen von der Fahrbahn getrennt.

In der Siedlung Bengien wurde die seinerzeit propa- gierte Trennung des Fusswegnetzes vom Autoverkehr weitgehend realisiert. Der Fussgängerbereich ist grassräumig angelegt und zusammenhängend gestaltet. Das Wegnetz ist auf das Schulhaus und das Einkaufszentrum ausgerichtet, und findet in ver- kehrsfreien Wanderwegen eine natürliche Fort- setzung.

Die Parkierung der Autos wurde nach dem derzei- tigen Stand der Motorisierung bemessen: Es stehen 1,4 Abstellplätze pro Haushalt zur Verfügung. 85%

der Parkplätze sind in Sammelgaragen unter den Grünflächen angeordnet. 15% sind oberirdisch als Besucherparkplätze angelegt.

Der Anschluss an das öffentliche Verkehrsnetz der Stadt Zürich ist durch einen Busdienst gewährleistet.

(51)

Verbesserungsvorschläge

Beurteilung:

In Bengien wurde schon bei der Planung mit einer grossen Zahl von Autos gerechnet. Deshalb sind die Konflikte zwischen Wohnen und Verkehr heute rela- tiv klein. Die Erschliessungsstrassen sind jedoch zu breit und zu flüssig geftihrt; sie erwecken den Ein- druck von Sammelstrassen und verleiten zu einer dementsprechenden Fahrweise. Wo die Erschlies- sungsstrassen sich mit stärker frequentierten Fuss- wegen unumgänglicherweise doch kreuzen, verur- sacht die zu sehrteHe Fahrweise erhöhte Gefahren- momente.

Verbesserungsmöglichkeiten:

Durch Reduktion der übermässig breiten Fahrbahn wird der Ausbaustandard sichtbar herabgesetzt. Die Verschmälerung der Fahrbahn wird abwechslungs- weise einmallinks und einmal rechts vorgenommen:

Die bereits vorhandene, gewundene Linienflihrung der Strasse wird dadurch verstärkt und die Fahrweise der Autos günstig beeinflusst (Massnahmen 7, 9).

Die Kreuzungen mit den Fusswegen sind durch ört- liche Aufpflasterungen optisch hervorzuheben (Massnahme 8).

(52)
(53)

Abbildung

Tabelle der Massnahmen
Tabelle der Massnahmen

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