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an allgemeinbildenden Schulen in Sachsen

Alexander Krebs

Seminararbeit im Interdisziplin¨aren Lehrangebot des Instituts f¨ur Informatik

Leitung: Prof. Hans-Gert Gr¨abe, Ken Pierre Kleemann

http://bis.informatik.uni-leipzig.de/de/Lehre/Graebe/Inter

Leipzig, 04.04.2020

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2

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 3

2. Begriffsdefinitionen und Verhältnisbestimmungen 5

2.1 Bildung im schulischen Kontext 5

2.2 Zum Verhältnis von Technik und Bildung 6

2.3 Technik im Kontext des Technikunterrichts 9

3. Entwicklung des Technikunterrichts im allgemeinbildenden Schulwesen 10

4. Technische Bildung in Sachsen 15

4.1 Technische Bildung in der Primarstufe 15

4.2 Technische Bildung in der Sekundarstufe I 16

4.3 Technische Bildung in der Sekundarstufe II 20

4.4 Zusammenfassende Betrachtung 21

5. Fazit 23

6. Literaturverzeichnis 25

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3

1. Einleitung

Im Rahmen des interdisziplinär angelegten Moduls Gesellschaftliche Strukturen im digitalen Wandel wurden die verschiedensten Perspektiven auf tiefgreifende und meist irreversible Veränderungen der Arbeits- und Lebensbedingungen, die sich in den letzten Jahrzehnten mit technischen Entwicklungen in immer schnellerer Folge entwickelt haben, eingenommen.

Neben dem digitalen Wandel im Straßenverkehr1, im Retail- und Online-Handel2 oder im Dating3 wurden auch grundsätzliche Veränderungen im Bildungssektor am Beispiel des Konzepts der Open Educational Resources4 oder der digitalen Vorbereitungskurse für das Studium der Mathematik5 betrachtet. Angesichts der Gesamtheit der Veränderungen im Leben des Einzelnen und der Gesellschaft stellt sich unter anderem die Frage, wie die heutige schulische Bildung den Herausforderungen „der Technik“ begegnen und die weitere Entwicklung sinnvoll steuern kann.

Dass der Begriff der „Technik“ „zu facettenreich [ist], als dass man annehmen dürfte, jede Verwendung des Wortes „Technik“ betreffe ein und denselben Gegenstandstyp.“6 wurde im Rahmen der Vorlesung deutlich. Neben dem maschinenzentrierten Technikbegriff, der die

„Artefakte menschlicher Tätigkeit, als Produkte technischen Handelns […] zur Umgestaltung der Natur für Zwecke des menschlichen Daseins“7 beschreibt, wurde der handlungsbezogene Technikbegriff – anknüpfend an die griechische Vorstellung von techne – als Verfahrenswissen definiert, „das den Menschen bei der Herstellung von Dingen leitet … und dadurch ein in die Natur im reproduktiven wie manipulativen Sinne beherrschendes technisches Können ermöglicht.“8 Darüber hinaus wurde „Technik“ als Wechselverhältnis von gesellschaftlich verfügbarem Verfahrenswissen, institutionalisierten Verfahrensweise und privatem Verfahrenskönnen verstanden.9 Angesichts der verschiedenen Begriffe der „Technik“ soll im Rahmen der Seminararbeit zunächst – ausgehend von der Definition des Bildungsbegriffs im

1 Seminarbeitrag von Koch & Spröte, vgl.

http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?HansGertGraebe/SeminarWissen/2019-12-12

2 Seminarbeitrag von Gitin, vgl. http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?HansGertGraebe/SeminarWissen/2020-01-09

3 Seminarbeitrag von Nirsberger & Dannegger, vgl.

http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?HansGertGraebe/SeminarWissen/2020-01-23

4 Seminarbeitrag von Quandt & Thauer, vgl.

http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?HansGertGraebe/SeminarWissen/2019-11-14

5 Seminarbeitrag von Wlassak, vgl. http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?HansGertGraebe/SeminarWissen/2020- 01-16

6 Ropohl (2009), S. 33

7 Gräbe (2019), VL 1, Folie 18

8 Gräbe (2019), VL 1, Folie 18

9 Gräbe (2019), VL 1, Folie 20

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4 schulischen Kontext – das Verhältnis von Bildung und „Technik“ näher betrachtet werden.

Diese Verhältnisbestimmungen sollen deutlich machen, dass der Themenkomplex „Technik und Bildung“ sich nicht nur auf einen – vor allem von wirtschaftlichen Interessenverbänden eingeforderten – Technikunterricht beschränkt, sondern auch grundsätzliche Fragen des pädagogischen Handelns, der technischen Ausstattung von Schulen und dem spannungsgeladenen Verhältnis des klassischen deutschen humboldtschen Bildungsideal und der „Technik“ aufgreift. Im Anschluss daran wird der für die technische Allgemeinbildung relevante Technikbegriff definiert, der sich von den maschinenzentrierten und handlungsbezogenen Begriffsdefinitionen unterscheidet und im weiteren Verlauf der Seminararbeit die Grundlage des Verständnisses von „Technik“ ist. Im weiteren Fortgang werden die drei Grundpositionen bzw. Ansätze der Technikdidaktik betrachtet, die sich der Frage nach dem grundlegenden Wissensfundament und der Fähigkeit zur Technik bei Jugendlichen in der schulischen Allgemeinbildung widmen. Forschungs-, Lehr- und Entwicklungsgegenstände der wissenschaftlichen Disziplin der Technikdidaktik sind die technikbezogenen Lehr- und Lernprozesse. Die aus der Forschung gewonnenen Erkenntnisse sollen wiederum im Idealfall in der Bildungspraxis an den Schulen umgesetzt werden. Ob zwischen der Theorie der Technikdidaktik und der von der bundeslandspezifischen Bildungspolitik intendierten Bildungspraxis10, die durch erlassene Verwaltungsvorschriften (Stundentafel, Lehrpläne) gerahmt wird, eine gewisse Diskrepanz besteht, soll am Beispiel der technischen Bildung in Sachsen näher beleuchtet werden. Immerhin ist die Beziehung zwischen wissenschaftlicher Theorie und intendierter Bildungspraxis in gesamtdeutscher Perspektive als relativ unversöhnlich zu bezeichnen. Besonders der Vorwurf einer „anhaltende[r] Aussparung der Technik in der allgemeinen Bildung“11 und dem Thema Technik keinen „angemessenen, d.h. durchgängigen Stellenwert im allgemeinen Bildungswesen der Bundesrepublik zu sichern“12, lässt sich in der didaktischen Literatur und in Stellungnahmen vor allem wirtschaftlicher Interessenverbände wiederfinden. Auch die als Ländervergleich konzipierte Untersuchung des VDMA zur technischen Allgemeinbildung zeichnet ein „insgesamt unbefriedigendes Bild für die Techniknation Deutschland“13. Zwar befindet sich Sachsen im Ländervergleich im „oberen Mittelfeld“, die der Untersuchung zugrundeliegenden Lehrpläne

10 Bildungspraxis im Sinne der Verwirklichung von Bildungstheorie

11 Tenberg (2016), S. 15

12 Traebert (2003), S. 154

13 Pressemitteilung des VDMA vom 03.09.2019, online abrufbar unter:

https://bildung.vdma.org/documents/14969637/38443939/19+09+03+PI+VDMA+Schulfach+Technik.pdf/58927 e9d-2598-5bf4-8565-79a03800e4a2

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5 und Stundentafeln aus dem Jahr 2009 sind jedoch nicht mehr aktuell.14 Dadurch stellt sich erneut die Frage nach dem „Stand“ der technischen Allgemeinbildung in Sachsen.

2. Begriffsdefinitionen und Verhältnisbestimmungen 2.1 Bildung im schulischen Kontext

Der Begriff der Bildung ist ein spezifisch deutscher Begriff, der im Mittelalter um das Jahr 1300 als Ableitung des althochdeutschen Wortes bildunge entstanden zu sein scheint. Während dem Begriff der Bildung in seiner Begriffsgeschichte verschiedenste Bedeutungen innewohnten15, wird Bildung erst im 18.Jahrundert zu einem pädagogischen Begriff und ist seitdem ein zentraler Normbegriff der Pädagogik. Die „[…] pädagogisch gemeinte „(Ein- )Bildung ist 1. die Formung des Menschen (darin die mystische Tradition wieder aufnehmend), 2. die Formung durch den Menschen (Gott wird abgelöst)“16, wobei die Zielformulierung dieser

„Formungen“ sich je nach Gesellschafts- und Herrschaftsordnung unterschiedlich gestaltete.17 An der Formung des und durch den Menschen wird bereits deutlich, dass es analytisch unterscheidbare Seiten oder Dimensionen von Bildung gibt, die – wenn man der Argumentation von Sesink folgt – als transitive und intransitive Bedeutung des Bildungsbegriffs unterschieden werden können.

Die transitive Bedeutung entspricht dem gängigen pädagogischen Denken, dass eine Person bildend ist, „deren Tätigkeit, das Bilden, „übergeht“ in ein Objekt […]“18, die Person bildet also eine andere Person. Wenn von Schulbildung, Jugendbildung, Erwachsenenbildung, Fortbildung usw. gesprochen wird, so sind damit normalerweise die Tätigkeiten von Personen gemeint, die andere Personen (Jugendliche, Erwachsene, Berufstätige usw.) bilden. Schulische Bildung ist also vor allem vor dem Hintergrund der transitiven Bedeutung des Bildungsbegriffs zu verstehen. Sie umfasst die Vermittlung bzw. (Heraus-)Bildung von Wissen und Fähigkeiten sowie Wertevermittlung durch ausgebildete Lehrkräfte an der gesellschaftlichen Institution Schule. Die Präzisierung des Bildungsauftrags ist aufgrund des Bildungsföderalismus abhängig

14 So wurde beispielsweise der Vertiefungskurs Technik an den Oberschulen, der in der Studie der VDMA als

„sehr relevant“ für die technische Bildung eingestuft wurde, zu Beginn des Schuljahres 2016/17 abgeschafft.

15 Vom Bildungsbegriff der deutschen Mystik in neuplatonischer Tradition (um 1300), über den biblisch- christlichen oder naturgläubig-organologischen Bildungsbegriff (beide 15./16.Jahrhundert) bis hin zum vernunftgläubigen-aufklärerischen und neuhumanistischen Bildungsbegriff (beide 18. Jahrhundert); vgl. dazu umfassende Erläuterungen bei Dohmen (2003), S. 16-28

16 Sesink (2001), S.15

17 So stand beispielsweise in der Aufklärungspädagogik die Formung des Menschen „zum (möglichst

vollkommenen) Menschen und zum (möglichst vollkommenen) Bürger“ (Sesink 2006, S.17) im Vordergrund.

18 Sesink (2001), S.

(6)

6 vom jeweiligen Landesrecht. So heißt es im Sächsischen Schulgesetz, dass die schulische Bildung

„zur Entfaltung der Persönlichkeit der Schüler in der Gemeinschaft beitragen [soll]. Diesen Auftrag erfüllt die Schule, indem sie den Schülern insbesondere anknüpfend an die christliche Tradition im europäischen Kulturkreis Werte wie Ehrfurcht vor allem Lebendigen, Nächstenliebe, Frieden und Erhaltung der Umwelt, Heimatliebe, sittliches und politisches Verantwortungsbewusstsein, Gerechtigkeit und Achtung vor der Überzeugung des anderen, berufliches Können, soziales Handeln und freiheitliche demokratische Haltung vermittelt, die zur Lebensorientierung und Persönlichkeitsentwicklung sinnstiftend beitragen.“19

Bei der intransitiven Bedeutung des Bildungsbegriff hingegen tritt das artifizielle Moment der transitiven Bildung „hinter den Gedanken eines eher organischen Sich-Bildens zurück“20. Bildung erscheint demnach als etwas, „was in der Auseinandersetzung des Menschen mit Zeit, Klima, Bedürfnis, Welt und Schicksal geschieht“21 und im Grunde „von außen“ nicht direkt pädagogisch machbar ist und nicht konstruktiv „gemacht“ werden kann. Gewissermaßen liegt dem intransitiven Bildungsbegriff das Moment der Spontaneität, der Eigentätigkeit und des Eigensinns zugrunde.

Die weitere Verwendung des Begriffs Bildung liegt der beschriebenen transitiven Bedeutung zugrunde und bezieht sich auf den schulischen Kontext.

2.2 Zum Verhältnis von Technik und Bildung

Betrachtet man Technik in Anlehnung an den in der Vorlesung entwickelten handlungsorientierten Ansatz als zweckrationales Handeln, kann das Verhältnis von Bildung und Technik genauer herausgearbeitet werden. Erscheint Technik auf der einen Seite als Ausdruck von Zweckrationalität, also als zweckmäßige Formung der äußeren Natur, und auf der anderen Seite die Bildung in ihrer transitiven Bedeutung als „die zielgerichtete Formung der inneren Natur des Menschen“22, so besteht zwischen beiden Begriffen eine „unübersehbare Verwandtschaft“23. Denn durch die Betrachtung der Bildung als „zweckmäßige Formung von

19 Sächsisches Schulgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. September 2018 (SächsGVBl. S. 648), das durch Artikel 14 des Gesetzes vom 14. Dezember 2018 (SächsGVBl. S. 782) geändert worden ist, §1 Absatz 3

20 Sesink (2006), S. 16

21 Sesink (2006), S. 17

22 Sesink (2001), S. 246

23 Sesink (2001), S. 245

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7 Verhalten zur Ausbildung gewünschter oder benötigter Qualifikationen“24 bestehe zu technischen Herstellungsverfahren eine gewisse Analogie.

Im Gegensatz dazu könne unter Zugrundlegung des intransitiven Bildungsbegriffs die Unvergleichbarkeit von Technik und Bildung betont werden. Diese Unvergleichbarkeit, der Zwiespalt prägt bis heute die erziehungswissenschaftliche Diskussion um das Verhältnis von Technik und Bildung.25

Die beschriebene Analogie zwischen Technik und Bildung hat Sesink als eine von fünf Verhältnisbestimmungen von Technik und Bildung konkretisiert und als Bildung als Technik bezeichnet. Diesem technischen Bildungsverständnis liegt eine zweckrationale Optimierung von Bildung auf vorgegebene Ziele26 zugrunde und wird zunehmend kontrolliert – bspw. im Rahmen der PISA Studien – und gesteuert (sichtbar bspw. an der Einführung des Qualitätsmanagements an deutschen Schulen). Der Zu-Bildende werde somit zum „Material, an dem sich die pädagogische als technische Gestaltungsmacht verwirklicht“27. In diesem Sinne kann schulische Bildung – auch unter Rückgriff auf den Technikbegriff aus der Vorlesung – als Technik verstanden werden: Bildungs- bzw. Lerninhalte, denen ein bedeutsamer Bildungsgehalt zugesprochen wird (gesellschaftlich verfügbares Verfahrenswissen), sollen durch die Praxis des Unterrichtens, der eine Planung bzw. Vorbereitung anhand von pädagogischen, lernpsychologischen und fachdidaktischen Kriterien durch die Lehrkraft vorausgeht (institutionalisierte Verfahrensweisen), beim Zu-Bildenden einen Zuwachs an Wissen und Kompetenzen28 (privates Verfahrenskönnen) hervorrufen. Das Schulgebäude – wiederum verstanden als Technik im Sinne eines Artefakts „menschlicher Tätigkeit […] zur Umgestaltung der Natur für Zwecke des menschlichen Daseins“29 – ermöglicht dieses Wechselverhältnis durch Bereitstellung eines geschützten Raumes für Lehr- und Lernsituationen.

Weiterhin kann die Perspektive der Technik als Bildung eingenommen werden, die auf eine Formulierung von Euler30 verweist und zum Ausdruck bringen soll, dass sich in Technik

24 Sesink (2001), S. 247

25 vgl. dazu Röhrs (2003)

26 Diese Ziele sind in Deutschland beispielsweise in Bildungsstandards, Curricula oder in den Lehrplänen definiert.

27 Sesink (2001), S. 247

28 Kompetenzen werden verstanden als „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ Weinert (2014), S. 27f.

29 Gräbe (2019), VL 1, Folie 18

30 vgl. Euler (1999)

(8)

8 Bildung objektiviert. Im Zustand der Technik sei demnach die Bildungsverfassung abzulesen, da Technik „sozusagen geronnene, vergegenständlichte Bildung“31 ist. Andererseits schließe die Verhältnisbestimmung Technik als Bildung mit ein, dass Bildung die Gestaltung der Welt mit einbezieht und „diese Gestaltung als Bildung der Welt heute eben ausgeprägt technischen Charakter trägt.“32

Anhand der Perspektive der Bildung als Kritik der Technik wird der beschriebene Zwiespalt der Pädagogen und Erziehungswissenschaftler zur Technik greifbar. Technik wird zwar als notwendige, aber von Bildung grundsätzlich unterschiedene Handlungsform verstanden.

Bildung könne, so die Argumentation der Technikskeptiker, die Einseitigkeit der Technik durch nicht-technisch orientierte Handlungsformen kompensieren und korrigieren. Gewissermaßen solle in Bildung „gegen das Technische ein Gegengewicht durch die Pflege nicht-technischer (musischer, literarischer …) Interessen und Fähigkeiten geschaffen werden.“33

Die Perspektive der Bildung mittels Technik ist – spätestens seit der Durchdringung aller gesellschaftlicher Bereiche mit der modernen Informations- und Kommunikationstechnik – in wachsendem Maße durch den Einsatz technischer Verfahren, Hilfsmittel und Medien geprägt.

Einerseits werden die Möglichkeiten und Wirkungen des Einsatzes von (gegenständlicher) Technik in Bildungsprozessen zunehmend, vor allem durch die Medienpädagogik, untersucht.34 Andererseits wird der Notwendigkeit einer auskömmlichen Finanzierung des Bildungsbereichs im Hinblick auf die Ausstattung der Schulen mit technischen Sachmitteln zumindest in Ansätzen größerer Bedeutung beigemessen.35 Angesichts der Schulschließungen im Zuge der Corona-Epidemie und der damit verbundenen Verlagerung des Unterrichts in den digitalen Raum hat die Diskussion um die Bereitstellung finanzieller Mittel zur Gewährleistung der Weiterführung der schulischen Bildung mittels (digitaler) Technik eine neue Dynamik angenommen. So hat sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit den Bundesländern darauf geeinigt, 100 Mio. € aus dem 5 Mrd. € schweren Digitalpakt Schule für den Ausbau von Online-Angeboten und Lernplattformen zu verwenden. Auch die vom BMBF

31 Sesink (2001), S. 247

32 Sesink (2001), S. 248

33 Sesink (2001), S. 248

34 vgl. hierzu auch den Seminarbeitrag von Schulze & Hergl über Potenziale und Grenzen von E-Learning, http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?HansGertGraebe/SeminarWissen/2017-06-13

35 Beispielsweise sei hier die Absicht der Bundesregierung und der Bundesländer zu nennen, im Rahmen des DigitalPakt Schule die Digitalisierung in allgemeinbildenden Schulen zu fördern.

2589652

(9)

9 geförderte Schul-Cloud des Hasso-Plattner-Instituts soll nun, anstatt einem ausgewählten Kreis von 128 MINT-Schulen, „allen interessierten Schulen zur Verfügung [stehen].“36

Die Perspektive der Bildung zur Technik und für die Technik wird im weiteren Verlauf der Seminararbeit unter dem Aspekt der technischen Bildung eine wichtige Rolle spielen. Denn sie nimmt unter anderem die technikdidaktische Perspektive ein, wie technikbezogenes Lehren und Lernen an Schulen (anhand welcher Lerninhalte) gestaltet werden soll (Kap. 3). Daran anschließend ist die aus den Lehrplänen und Stundentafeln abgeleitete intendierte Unterrichtspraxis als „Stand der Bildung zur Technik und für die Technik“ zu begreifen. Dass die Perspektive der Bildung zur Technik und für die Technik auch die (Aus)Bildung von Kulturtechniken des Lesens, Schreibens und Rechnens, die Technik des Dreisprungs im Sportunterricht oder sogar den Erwerb von Lern- und Arbeitstechniken37 (wie Techniken der Beschaffung, Überprüfung, Verarbeitung und Aufbereitung von Informationen, Techniken der Arbeits-, Zeit- und Lernregulation, Motivations- und Konzentrationstechniken sowie Kooperations- und Kommunikationstechniken) umfasst, soll verdeutlichen, dass Technik (im Sinne des handlungsorientierten Ansatzes) allgegenwärtig in der schulischen Bildung ist.

2.3 Technik im Kontext des Technikunterrichts

In der Technikwissenschaft – der Bezugswissenschaft der Technikdidaktik – wird zwischen einem engen, einem weiten und einem so genannten mittelweiten Technikbegriff unterschieden. Während der enge Technikbegriff die Welt der zusammengesetzten mechanischen, elektrischen und optischen Geräte – also künstlich gemachte Gebilde, so genannte Artefakte – beschreibt, knüpft der weite Technikbegriff an den Ausdruck der Geschicklichkeit an und umfasst „jede Art von kunstfertiger Verfahrensroutine in beliebigen menschlichen Handlungsfeldern.“38 Folgt man der Argumentation von Ropohl sind sowohl der enge als auch der weite Technikbegriff für ein Technikverständnis unangemessen, da sie das reale Technikverhalten nicht widerspiegeln können. Auf der einen Seite beschreibe der enge Technikbegriff die Welt der Technik ohne jegliche menschliche Handlung, also losgelöst von der Umwelt und könne dadurch die soziotechnische Realität nicht widerspiegeln. Andererseits spiele im weiten Technikbegriff die menschliche Handlung zwar die Hauptrolle, es fehle aber

36 Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 27.03.2020, online abrufbar unter:

https://www.bmbf.de/files/2020-03-27_037%20PM%20Schulcloud.pdf

37 Die genannten Techniken werden als schulformübergreifende Ziele unter dem Aspekt ‚Lernen lernen‘ in den Lehrplänen aufgeführt.

38 Ropohl (2009), S. 34

(10)

10 die Berücksichtigung technischer Instrumentarien bei diesen Handlungen.39 Der Versuch der Synthese beider Technikbegriffe hat Ropohl mit der Definition eines „mittelweiten“

Technikbegriff vorgelegt.40 Der Technikbegriff zielt sowohl auf eine Betrachtungsweise von technischen Gebilden, als auch auf das damit verbundene menschliche Handlungsfeld, das mit der Herstellung und Verwendung der technischen Gebilde eindeutig zusammenhängt. Die Technik umfasse demnach

„(a) die Menge der nutzenorientierten, künstlichen, gegenständlichen Gebilde (Artefakte oder Sachsysteme), (b) die Menge menschlicher Handlungen und Einrichtungen, in denen Sachsysteme entstehen und (c) die Menge menschlicher Handlungen, in denen Sachsysteme verwendet werden.“41

Die Verwendung dieses Technikbegriffes im Rahmen der Seminararbeit wird vor allem dadurch begründet, dass die im Bildungskontext relevanten Akteure aus der Bildungspolitik und der Technikdidaktik auf eben jenes Verständnis von Technik Bezug nehmen. Die Beschreibungsformel der Realtechnik von Ropohl sei, so der Technikdidaktiker Bienhaus, für die allgemeine Technikdidaktik als bedeutsam anzusehen42 und werde, so wiederum der Technikdidaktiker Geißel, „in der allgemein bildenden Technikdidaktik breit aufgegriffen und vertreten.“43

3. Entwicklung des Technikunterrichts im allgemeinbildenden Schulwesen

Die geschichtliche Entwicklung des Technikunterrichts lässt sich bis in die Epoche der Aufklärung in die Zeit der Gründung von Industrieschulen nachverfolgen. Gegen Ende des 18.

Jahrhunderts entstanden in Böhmen die ersten Industrieschulen, die dem eigenen Anspruch nach auf die steigende Armut und die aufkommenden Veränderungen in den Wirtschafts- und Produktionsverhältnissen reagieren wollten. Vor allem Kinder aus der Unterschicht sollten zur Arbeit erzogen und ausgebildet werden, um für das Erwerbsleben in der aufkommenden

39 vgl. Ropohl (2009), S. 34ff.

40 Erstmalig bereits 1979 im Bildungskontext formuliert, vgl. Ropohl (1979), S. 157 und 30 Jahre später nochmals präzisiert, vgl. Ropohl (2009), S. 37

41 Ropohl (2009), S. 37

42 vgl. Bienhaus (2008), S. 1

43 vgl. Geißel (2018), S.217

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11 Industriegesellschaft vorbereitet zu sein.44 Wilkening argumentiert, dass sich in dieser Zeit eine

„Doppelstruktur der Arbeitserziehung“45 manifestierte: auf der einen Seite die vorrangige Stellung fertigungs- und produktionsbezogener Unterweisungen und auf der anderen Seite die vorrangige Stellung erfinderische Tätigkeiten.

Im aufkommenden Neuhumanismus konnte sich der Technikunterricht nicht weiter entfalten und wurde weiter zurückgedrängt. Trotz der zunehmenden Bedeutung der Naturwissenschaften an Hochschulen und den Gymnasien und dem stärker werdenden Wechselspiel zwischen Naturwissenschaften und Technik46 wurde der technischen Allgemeinbildung keinerlei Bedeutung zugeschrieben. Im Gegenteil solle die Allgemeinbildung, so Wilhelm von Humboldt, die technische Entfremdung, die durch „unverstandene, bloße mechanische Fertigkeiten“47 in der Arbeitswelt verursacht werde und nicht auf die Formung des Menschen zurückwirken könne, überwinden. Technik spiele lediglich in der Spezialbildung, also der beruflichen Bildung eine Rolle:

„Beide Bildungen – die allgemeine und die spezielle – werden durch verschiedene Grundsätze geleitet.

Durch die allgemeine sollen die Kräfte, d.h. der Mensch selbst gestärkt, geläutert und geregelt werden;

durch die spezielle soll er nur Fertigkeiten zur Anwendung erhalten.“48

Neben Bestrebungen und Umsetzungen am Ende des 19.Jahrhunderts Technik – unter handwerklicher Perspektive – im Rahmen des Werkunterrichts an den Schulen zu implementieren, sind weiterhin in der reformpädagogischen Epoche zu Beginn des 20.Jahrhunderts der technikbezogene Unterricht im Konzept der Arbeitsschule von Kerchensteiner – ebenfalls unter stärkerer Berücksichtigung der handwerklichen Perspektive – als Vorläufer des Technikunterrichts an allgemeinbildenden Schulen zu nennen.

Folgt man der Argumentation von Geißel, ist der Beginn der allgemeinbildenden Technikdidaktik und damit des allgemeinbildenden Technikunterrichts in der Mitte der 1960er Jahre zu verorten. Ausgangspunkt dieser Beobachtung war „der Übergang von einem primär musischen-gestalterisch ausgerichteten Werkunterricht […] in das technische Werken bzw.

44 Diesem Anspruch muss man kritisch begegnen, da Industrieschulen zunehmend als Einrichtungen zur Förderung der Kinderarbeit und sozialer Ausbeutung in Verruf gerieten und sich deshalb auch nicht durchsetzen konnten.

45 Schmayl, Wilkening & Bienhaus (1995), S. 28

46 Neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse wurden zunehmend technisch umgesetzt. Um besser naturwissenschaftlich forschen zu können, wurden neue Technologien benötigt. Um technisch „weiter zu kommen“ wurde naturwissenschaftlich geforscht.

47 Hörner (2010), S. 22

48 Humboldt 1809, zit. nach Hörner (2010), S.21

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12 dem Technikunterricht.“49 Im Zusammenhang von wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit zu den sozialistischen Ländern in den 1960er Jahren wurden zudem verstärkt technische und ökonomische Inhalte als Bereiche der Allgemeinbildung gefordert. Nach den Empfehlungen des Deutschen Ausschusses (1964) und den Empfehlungen der Kultusministerkonferenz der Länder (1969) wurde schließlich die „Arbeitslehre“ eingeführt, die in einigen Bundesländern als Technikunterricht mit einem hohen Anteil von sich auf Arbeit beziehenden Gegenstandsfeldern bezeichnet wurde. Der Forderung nach allgemeiner Verfügbarkeit der technischen Bildungsinhalte wurde insofern nicht eingelöst, als die Einführung des Technikunterrichts sich auf bestimmt Schulformen, bspw. die Hauptschule, beschränkte – im Gegensatz etwa zu den Entwicklungen der polytechnischen Bildung in der DDR seit den 1950er Jahren.50

Vor dem Hintergrund der Forderungen, die Lernenden stärker zur Arbeits- und Berufswelt hinzuführen, wurden auf den Werkpädagogischen Kongressen diverse Ansätze und Möglichkeiten der didaktischen Umsetzung technischer Bildung im allgemeinbildenden Schulwesen diskutiert. Daraus gingen drei technikdidaktische Grundpositionen hervor, die im Folgenden näher betrachtet werden sollen.51

Der Allgemeintechnologische Ansatz gilt als der älteste Ansatz der allgemeinbildenden Technikdidaktik und wurde bereits auf dem 1. Werkpädagogischen Kongress (1966) ausgearbeitet und vertreten. Dass die Lernenden sich in einer zunehmend technisierten Welt orientieren können, wurde als Leitziel eines Technikunterrichts identifiziert. Neben technischen Artefakten standen technische Prozesse – insbesondere das Konstruieren und Fertigen – im Mittelpunkt der Unterrichtspraxis. Die theoretisch-inhaltliche Fundierung des Unterrichts wurde anhand der Technikwissenschaften vollzogen, so dass die Lehrenden – zunächst vor allem Ingenieure – die fachwissenschaftlichen Theorien für die Lernenden mittels didaktischer Reduktion fassbar aufbereiten mussten. Die didaktisch-methodischen Grundprinzipien der Unterrichtspraxis wurden ebenso den typischen Ingenieurstätigkeiten nachempfunden:

einerseits der geplante, schöpferische Prozess für die Entwicklung eines Artefaktes für die Lösung eines Problems, andererseits die Herstellung des Artefakts. Darüber hinaus sollten auch das technische Experiment oder die Aspekterkundung zur Kenntnisgewinnung beitragen. Die (Unterrichts)Gegenstandsstrukturierung erfolgte anhand von Bau, Gerät und Maschine (z.B.

49 Geißel (2018), S. 218; Auf dem 1. Werkpädagogischen Kongress in Heidelberg (1966) wurde programmatisch die Wendung der Werkspädagogik zur technischen Bildung und zum Technikunterricht signalisiert.

50 vgl. hierzu Hüttner (2017), Köhler (2004)

51 Aus Gründen einer einheitlichen Terminologie werden die Bezeichnungen von Schmayl genutzt.

(13)

13 statische Betrachtungen von Brücken und Türmen, Zusammensetzung und Funktionszusammenhänge von Geräten und Funktionsweise von Maschinen).

Im Zuge der stärker sozialkritischen Zeiten wurde auf dem 3. und 4. Werkpädagogischen Kongress (1970, 1972) eine „Hinwendung zur gesellschaftlichen Emanzipation auch in der Technikdidaktik vertreten.“52 Im Anschluss an den Allgemeintechnologischen Ansatz trat verstärkt der Arbeitsorientierte Ansatz53 hervor. Leitziel der Unterrichtspraxis dieses Ansatzes war wiederum die „Beförderung individueller und gesellschaftlicher Emanzipation, die durch die Gestaltungsfähigkeit von Technik, der Schaffung eines kritischen Bewusstseins und einer Vorbereitung auf die Arbeits- und Berufswelt erfolgen sollte.“54 Die Themen des Allgemeintechnologischen Ansatzes Bau-Gerät-Maschine wurden zwar übernommen, aber jeweils um einzelne Aspekte inhaltlich verändert.55 Die wechselseitige Abhängigkeit von Technik, Wirtschaft und Politik wurde ins Zentrum der Unterrichtstätigkeit gerückt, wodurch der Technikunterricht in der Arbeitslehre aufging und nicht als eigenständiges Unterrichtsfach auftauchte. Fächerübergreifender Unterricht und Projektarbeit – hier vor allem die Produktion von Gebrauchsgütern, um Einblick in die Erwerbsarbeit zu gewinnen – wurden als didaktisch- methodische Gestaltungsmerkmale des Unterrichts favorisiert und durch Elemente wie Arbeitsplatzanalysen, Betriebserkundungen, Fall- und Produktanalysen ergänzt. Das Ziel der Schaffung eines kritischen Bewusstseins bezüglich der Technik beschränkte sich hingegen auf die (negativen) Auswirkungen und Folgen von Technik, die zumeist über Unterrichtsmedien (Statistiken, Diagramme, Filme) zugänglich gemacht wurden.

Der Mehrperspektivische Ansatz wird wiederum ab den 1980er Jahren vertreten und verfolgt einen explizit subjektorientierten Ansatz. Als Leitziel wird „die Förderung der Handlungsfähigkeit der Lernenden in technisch geprägten Lebenssituationen“56 genannt. Diese Handlungsfähigkeit und die konstituierte Mehrperspektivität wird anhand der drei so genannten Erkenntnisperspektiven – Sachperspektive, human-soziale Perspektive, Sinn- und Wertperspektive – formuliert, die wiederum mit vier Zielperspektiven des Technikunterrichts zusammenhängen57: die Perspektive der technischen Kenntnisse und Strukturzusammenhänge sowie die Perspektive des technischen Handelns (Sachperspektive), die Perspektive der

52 Geißel (2018), S. 219

53 Bei Zinn (2018a) wiederum als gesellschaftsorientierter Ansatz bezeichnet.

54 Geißel (2018), S. 219

55 Bau: bedarfsgerechtes Wohnen, Stadtplanung; Gerät: Produktionsbedingungen, Gebrauchswertanalyse;

Maschine: Folgen der Arbeitsteilung (Taylorismus)

56 Geißel (2018), S. 220

57 vgl. dazu Bienhaus (2008), S.2-4

(14)

14 Bedeutung und Bewertung technischer Sachverhalte (human-soziale Perspektive) und die Perspektive der vorberuflichen Orientierung. Als „individuell und gesellschaftlich bedeutsame Handlungs- und Problemfelder“58, sprich die Inhalte des Technikunterrichts wurden (1) Arbeit und Produktion, (2) Bauen und Wohnen, (3) Versorgung und Entsorgung, (4) Transport und Verkehr und (5) Information und Kommunikation identifiziert. Für das didaktisch-methodische Vorgehen werden neben Konstruktions- und Fertigungsaufgaben und technischen Experimenten (fachpraktische Seite) auch Unterrichtsgespräche und Fallanalysen genannt, die

„in kognitiven Unterrichtsphasen eher erörternd-betrachtend auf technische Zusammenhänge, human-soziale Wirkungen und deren Bewertung“59 eingehen sollen.

Die drei vorgestellten Ansätze lassen sich nach wie vor in aktuellen Diskussionen in der Technikdidaktik wiederfinden und sind allesamt diskussionswürdig.60 Es ist festzustellen, dass aufgrund des „jahrzehntelang andauernden und vehement geführten Richtungsstreit[s]“61 eine allgemein anerkannte Strukturierung auf der Ebene der Inhaltsbereiche technikbezogenen Lernens nicht gelungen ist und generell kein allgemein akzeptierter Ansatz hervorgebracht werden konnte. Hinzu kommt, dass aufgrund des Bildungsföderalismus die genannten Ansätze in der Bildungspolitik variabel interpretiert und umgesetzt werden. In der Konsequenz gibt es keine inhaltliche wie organisatorische Stringenz der technischen Bildung in Deutschland.62 Die einzige Stringenz, die sich in allen Bundesländern finden lässt, ist das Fehlen des polytechnischen Ansatzes oder eines Polytechnischen Unterrichts. So merkt Hüttner an, dass

„eine stringente und gezielte Nutzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen mit und durch die polytechnische Bildung im Allgemeinen oder des Polytechnischen Unterrichts im Besonderen […] es nach 1989 nicht gegeben [hat]“63, da die föderalen Organisationsstrukturen und das Primat der Politik und ihrer „ideologischen Strategen“64 gegenüber der Wissenschaft eine sachliche Auseinandersetzung verhindert habe.65

58 Sachs 1979, zit. nach Bienhaus (2008), S. 4

59 Geißel (2018) S. 220

60 vgl. dazu Geißler (2018), Kap. 2.4

61 Geißel (2018), S. 228

62 vgl. dazu bspw. die Studie des VDMA zum Technikunterricht in Deutschland (2019) (online abrufbar unter:

http://bildung.vdma.org/technikunterricht , letzter Zugriff: 30.03.2020): anhand des Rankings der Bundesländer auf einer Punkteskala von 0 bis 100 ergibt sich eine Spannweite von 26,3 Punkten (Baden-Württemberg: 87,9 Punkte, Hessen: 61,6 Punkte)

63 Hüttner (2017), S. 72

64 Hüttner (2017), S. 72

65 Vertiefend hierzu auch Grüneberg (2015)

(15)

15

4. Technische Bildung in Sachsen

Die Grundlage der Unterrichtspraxis und der pädagogischen Umsetzung der technischen Bildung in Sachsen sind die Lehrpläne. Sie formulieren nicht nur den Bildungs- und Erziehungsauftrag sowie allgemeine Bildungs- und Erziehungsziele der einzelnen Schulformen, sondern auch allgemeine fachspezifische (Lern-)Ziele und didaktische Grundsätze. In den einzelnen Lernbereichen einer Klassenstufe, die mit Zeitrichtwerten in Unterrichtsstunden (Ustd.) angegeben sind, werden die Lernziele und -inhalte konkretisiert. Die Gestaltung der Lernbereiche erfolgt in den Lehrplänen in tabellarischer Form. Die in der linken Spalte aufgeführten Lernziele und -inhalte sind verpflichtend und kennzeichnen „grundlegende Anforderungen in den Bereichen Wissenserwerb, Kompetenzentwicklung und Werteorientierung“66. Die Bemerkungen in der rechten Spalte haben wiederum nur Empfehlungscharakter. Die weiterführenden Betrachtungen beziehen sich deshalb auf den obligatorischen Teil der Lehrplaninhalte.

Zudem sind die schulformspezifischen Stundentafeln zu berücksichtigen, die den einzelnen Fächern ein gewisses Kontingent an wöchentlichen Unterrichtsstunden zuweisen. Die Stundentafeln verkörpern gewissermaßen Politik, indem die Existenz gewisser Fächer und ihre zugesprochenen Wochenstunden in Zahlen zeigen, welche Domänen des Wissens und Könnens den politischen Akteuren wichtig sind. Zudem stecken sie die zur Verfügung stehende Zeit zur Vermittlung von Wissen und Kompetenzen ab – je weniger Zeit einem Fach zugesprochen wird, desto geringer kann die Auseinandersetzung mit den Inhalten einer Wissenschaftsdomäne sein.

4.1 Technische Bildung in der Primarstufe

Das Fach Werken wird in den Klassenstufen 1 bis 4 mit je einer Wochenstunde unterrichtet.67 Der Zeitrichtwert pro Klassenstufe umfasst 25 Unterrichtsstunden und wird je nach Klassenstufe auf verschiedene Lernbereiche verteilt. Eine erste Annäherung an die Technik im schulischen Kontext erfolgt in der Klassenstufe 1 im Lernbereich 1 (8 Ustd.) Entdecken von Technik im Alltag, in dem Zweck und Funktionsweise eines ausgewählten technischen Objekts betrachtet werden sollen und dieses Wissen um Zweck und Funktionsweise auf das Bauen oder

66 Lehrplan Biotechnologie und Bionik, S. IV, gleiche Formulierung in allen anderen Lehrplänen der allgemeinbildenden Schulen

67 vgl. VwV Stundentafeln vom 20. Juni 2018 (MBl. SMK S. 347), die durch die Verwaltungsvorschrift vom 17.

April 2019 (MBl. SMK S. 93) geändert worden ist, enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 9. Dezember 2019 (SächsABl. SDr. S. S 385)

(16)

16 die Montage eines technischen Objekts übertragen werden soll. Im Lernbereich 2 (38 Ustd.), der in Klassenstufe 2 weitergeführt wird, stehen technische Planungs- und Herstellungsprozesse unter dem Leitthema Umgehen mit Material und Werkzeug im Vordergrund. Im Lernbereich 3 (8 Ustd.) Bauen stabiler Konstruktionen werden wiederum Kenntnisse über funktionale und konstruktive Zusammenhänge von Bau- und Trägerwerken beim selbstständigen „Bauen technischer Objekte“68 angewandt. In der Klassenstufe 3 erfolgt dann im Lernbereich 1 (10 Ustd.) Nutzen von elektrischem Strom das Anwenden des Wissens über einfache Stromkreise auf das Entwickeln und Bauen technischer Objekte sowie das Beurteilen von elektrisch betriebenen Einrichtungen. Im Lernbereich 2 (15 Ustd.) Planen und Herstellen eines Gegenstandes wird dann nochmals der technische Planungs- und Herstellungsprozess am Beispiel des Werkstoffes Holz nachvollzogen. Auch in der Klassenstufe 4 stehen technische Objekte in den Lernbereichen 1 (6 Ustd.) Warten und Pflegen technischer Objekte und 2 (13 Ustd.) Vergleich von Werkstoffen und Herstellen eines Produkts im Zentrum der Unterrichtspraxis. Neben der Fehlersuche sowie der Pflege und Wartung der technischen Objekte wird nochmals der technische Herstellungsprozess – diesmal ist neben dem Einsatz von Holzwerkstoffen auch der Einsatz von Kunststoffen möglich – durchlaufen. Schließlich werden im Lernbereich 3 (6 Ustd.) Begegnung mit Robotern und Automaten mit vergleichsweise geringem zeitlichem Umfang das EVA-Prinzip und die Steuerung von Robotern und Automaten mittels einfacher Programmierumgebung und Baukästen thematisiert.

4.2 Technische Bildung in der Sekundarstufe I

Das Fach Technik/ Computer an Gymnasien wird in den Klassenstufen 5 und 6 mit je einer Wochenstunde unterrichtet.69 Im Vergleich zur vorherigen Fassung der Stundentafel, die bis zum 31.07.2019 galt, wurde die Anzahl der Wochenstunden des Fachs Technik/Computer in der Klassenstufe 5 von zwei auf eins reduziert. Hintergrund dieser Anpassung war v.a. eine generelle Reduzierung der Wochenstunden in den Klassenstufen 5 bis 870 und die Einführung des Fachs Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung/Wirtschaft (G/R/W) in den Klassenstufen 7

68 Lehrplan Werken, Grundschule S. 8

69 vgl. VwV Stundentafeln vom 20. Juni 2018 (MBl. SMK S. 347), die durch die Verwaltungsvorschrift vom 17. April 2019 (MBl. SMK S. 93) geändert worden ist, enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 9. Dezember 2019 (SächsABl. SDr. S. S 385)

70 in der Klassenstufe 5 eine Reduzierung der Wochenstunden von 31 auf 29 Stunden (durch Wegfall einer Wochenstunde in den Fächern Mathematik und Technik/Computer), in den Klassenstufen 6-8 eine Reduzierung der Wochenstunden um eins (Klassenstufe 6: Reduzierung der Wochenstunden der zweiten Fremdsprache um eins, Klassenstufe 7: Reduzierung der Wochenstunden der Fächer Biologie und Sport um jeweils eins, Klassenstufe 8: Reduzierung der Wochenstunden der zweiten Fremdsprache und des Fachs Musik um jeweils eins)

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17 und 8 mit je einer Wochenstunde. In insgesamt 50 Unterrichtsstunden (à 45min) sind die im Lehrplan ausgewiesenen Lernbereiche (1) Grundlagen im Umgang mit digitalen Medien (13 Ustd.), (2) Konstruieren technischer Systeme (12 Ustd.) und (3) Fertigen eines technischen Objektes (25 Ustd.) zu unterrichten. Neben dem Erwerb grundlegender Fähigkeiten zur Nutzung vernetzter Informatiksysteme verfolgt das Fach Technik/Computer die allgemeinen fachlichen Ziele, technikbezogene Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben, technische Sachverhalte zu verstehen und Nutzen und Qualität technischer Mittel und Verfahren zu bewerten.71 Ausgehend von diesen Zielen, die laut Lehrplan auf dem beschriebenen mehrperspektivischen Ansatz technischer Bildung basieren sollen, wird die Relevanz der Inhalte “zu Arbeit und Produktion sowie Information und Kommunikation”72 betont. Dabei ist festzustellen, dass hier den Inhalten der Arbeit und Produktion ein größerer Stellenwert eingeräumt wird, was sich unter anderem an dem größeren Umfang an Unterrichtsstunden der Lernbereiche 2 und 3 zeigen lässt. Auch der explizite Verweis auf die den beiden Lernbereichen zugrundeliegenden Unterrichtsmethoden (Konstruktionsaufgabe und Fertigungsaufgabe) und auf die Erschließung von “Möglichkeiten zur Sensibilisierung für Aspekte der Berufsorientierung”73 als didaktischer Grundsatz des Unterrichts, verdeutlichen diese Relevanz. Bei genauerer Betrachtung der Lernziele in den Lernbereichen 2 und 3 wird außerdem deutlich, dass Technik eher als Menge der nutzenorientierten, künstlichen, gegenständlichen Gebilde und vereinzelt auch als Menge menschlicher Handlungen, in denen Sachsysteme entstehen, in der Unterrichtspraxis betrachtet werden soll. So sollen Schüler einen Einblick in den Aufbau und die Wirkungsweise einer Maschine gewinnen, Kenntnisse zu Getrieben auf die Konstruktion von Modellen mittels altersgerechten Baukästen übertragen oder “einfache Bauteile oder Werkstücke nach Planungsvorgaben und unter Verwendung bekannter bzw. neuer Fertigungsverfahren”74 herstellen.

Das Fach Technik/Computer an Oberschulen wird in der Klassenstufe 5 mit zwei Unterrichtsstunden und in der Klassenstufe 6 mit einer Unterrichtsstunde unterrichtet.75 Im Unterschied zum Gymnasium war das Fach Technik/Computer von einer Reduzierung der Wochenstunden durch die Einführung der neuen Stundentafel nicht betroffen. Entsprechend ist der Gesamtumfang der Unterrichtsstunden im Vergleich zum Gymnasium höher. In der

71 vgl. Lehrplan Technik/Computer Gymnasium, S. 1

72 Lehrplan Technik/Computer Gymnasium, S. 1

73 Lehrplan Technik/Computer Gymnasium, S. 2

74 Lehrplan Technik/Computer Gymnasium, S. 7

75 vgl. VwV Stundentafeln vom 20. Juni 2018 (MBl. SMK S. 347), die durch die Verwaltungsvorschrift vom 17. April 2019 (MBl. SMK S. 93) geändert worden ist, enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 9. Dezember 2019 (SächsABl. SDr. S. S 385)

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18 Klassenstufe 5 sind die Zeitrichtwerte mit 50 Unterrichtsstunden und in der Klassenstufe 6 mit 25 Unterrichtsstunden bemessen.76 Dem Fertigen eines technischen Objekts (Klasse 5, Lernbereich 1, 38 Ustd.) und dem Konstruieren eines technischen Objekts (Klasse 6, Lernbereich 1, 19 Ustd.) wird dadurch mehr Zeit anberaumt als im Gymnasium. Die allgemeinen fachlichen Ziele an den Oberschulen sind - bis auf das Fehlen des Ziels Erwerb grundlegender Fähigkeiten zur Nutzung vernetzter Informatiksysteme - inhaltsgleich mit denen an Gymnasien.77 Ähnlich verhält es sich wie an den Gymnasien, dass arbeits- und produktionsbezogene Technik eine große Relevanz zugesprochen wird. Auch an den Oberschulen sollen, basierend auf dem mehrperspektivischen Ansatz technischer Bildung,

“insbesondere Inhalte zu Inhalt und Produktion sowie Information und Kommunikation”78 in den Mittelpunkt der Unterrichtspraxis gestellt, die Fertigungs- und Konstruktionsaufgabe als zentrale Unterrichtsmethoden genutzt sowie “Möglichkeiten zur Sensibilisierung für Aspekte der Berufsorientierung”79 erschlossen werden. Technik als Menge der nutzenorientierten, künstlichen, gegenständlichen Gebilde und als Menge menschlicher Handlungen, in denen Sachsysteme entstehen, wird in der Oberschule zudem stärker im Kontext von Arbeit und Produktion akzentuiert. So wird die stoffliche Seite der Technik genauer herausgearbeitet, indem das technische Experiment zur Untersuchung von Werkstoffen zum Unterrichtsgegenstand werden soll (Klasse 5, Lernbereich 1). Weiterhin sollen Schüler Werkzeuge, Geräte und Maschinen für den Fertigungsprozess beurteilen und sich zu politischen, ökonomischen und ökologischen Aspekten des Maschineneinsatzes positionieren.

Das Fach Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales (WTH) wurde im Schuljahr 2004/05 als Ergebnis der sächsischen Lehrplanreform an den Oberschulen eingeführt und baut auf dem Unterricht der Fächer Werken und Technik/Computer auf. WTH wird in der Klassenstufe 7 mit zwei Wochenstunden und in den Klassenstufen 8 und 9 mit je drei Wochenstunden unterrichtet. Der Inhaltsbereich der Technik ist dabei mit den Bereichen Wirtschaft und Haushalt/Soziales vernetzt. Neben dem vorrangigen Ziel der Berufsvorbereitung, stehen in den einzelnen Klassenstufen verschiedene Leitthemen im Vordergrund: Vom Bedürfnis zum Gebrauchsgut in Klassenstufe 7, Der Markt aus dem Blickwinkel von Produzenten und Konsumenten in Klassenstufe 8 und Vielfältige Aspekte der privaten Haushaltsführung in Klassenstufe 9.80 Auffallend ist hierbei, dass die wirtschaftliche Komponente mit ihren

76 vgl. Lehrplan Technik/Computer Oberschule, S. 4

77 vgl. Lehrplan Technik/Computer Oberschule, S. 1

78 Lehrplan Technik/Computer Oberschule, S. 1

79 Lehrplan Technik/Computer Oberschule, S. 1

80 Lehrplan Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales Oberschule, S. 2

(19)

19 ökonomischen Denk- und Handlungsweisen als “zusammenführende Klammer” der einzelnen Bereiche fungiert81, und, dass das Lösen „realitätsbezogener Aufgaben- und Problemstellungen durch sach- und fachgerechtes Umgehen mit Artefakten, Verfahren und Informationen“82 als allgemeines, übergreifendes Ziel formuliert wird. So ist im Lernbereich 2 der Klassenstufe 7 - ähnlich wie im Fach Technik/Computer - die “Fertigung materieller Güter”83 vorgesehen (26 Ustd.). Ausgehend von einer wirtschaftlichen Bedarfsanalyse, der Wahl von Werkstück und Werkstoffen und einer Materialkostenerfassung ist der Fertigungsprozess in selbstständiger Planung und Durchführung zu gestalten, um im Anschluss den Fertigungsprozess zu bewerten und “mit industriell gefertigten Produkten unter Beachtung der Nachhaltigkeit”84 zu vergleichen. In der Klassenstufe 8 im Lernbereich 2 (Produktion von Gütern im Unternehmen, 28 Ustd.) folgt dann die Anwendung „technisch-konstruktiver Handlungsweisen in Anlehnung an betriebliche Prozesse“85, die dem technisch-konstruktiven Prozess zugrunde gelegt werden sollen und der Folge der Arbeitsschritte aus dem Lernbereich Fertigen eines technischen Objekts des Fachs Technik/Computer entspricht (Anfertigen von Konstruktionsunterlagen, Fertigung des Produkts, Bewertung des Produkts, Betrachtung unter den Aspekten der Nachhaltigkeit). Ebenso wird Technik als Menge der nutzenorientierten, künstlichen, gegenständlichen Gebilde betont, indem der prinzipielle Aufbau von Maschinen, Maschinenarten und die Entwicklung von Maschinen im Unterricht zur Erfüllung des übergeordneten Ziels Kennen von Zielen und Möglichkeiten betrieblicher Rationalisierung durch Mechanisierung und Automatisierung behandelt werden soll. Schließlich werden in der Klassenstufe 9 im Lernbereich 3 Wohnen und Wohnumfeld sowohl Kenntnisse zur Elektrotechnik im Wohnbereich (Schaltpläne, Grundschaltungen der Beleuchtungstechnik, Schutzmaßnahmen) als auch Wissen zu „Geräte[n] der Informations- und Kommunikationstechnik im Wohnumfeld“86 vertieft.

81 Vgl. dazu das allgemeine fachliche Ziel: Erkennen komplexer Zusammenhänge der Lebens- und Arbeitswelt in übergreifender ökonomischer Betrachtungsweise; Lehrplan Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales

Oberschule, S. 2

82 Lehrplan Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales Oberschule, S. 2

83 Lehrplan Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales Oberschule, S. 5

84 Lehrplan Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales Oberschule, S. 6

85 Lehrplan Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales Oberschule, S. 9

86 Lehrplan Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales Oberschule, S. 15

(20)

20

4.3 Technische Bildung in der Sekundarstufe II

In der Sekundarstufe II kann der fächerübergreifende Wahlgrundkurs Biotechnologie und Bionik87 mit zwei Wochenstunden belegt werden.88 In insgesamt 112 ausgewiesenen Unterrichtsstunden sollen dabei die Themen Einführung Biotechnologie und Bionik (Lernbereich 1, 13 Ustd.), Prokaryonten in der Biotechnologie (Lernbereich 2, 25 Ustd.), Eukaryonten in der Biotechnologie (Lernbereich 3, 36 Ustd.), und Eukaryonten in der Bionik (Lernbereich 4, 38 Ustd.) behandelt werden. Als allgemeine fachliche Ziele werden das Erwerben von Wissen über biologische Systeme und deren technische Nutzung, das Entwickeln des interdisziplinären und komplexen Denkens und Handelns sowie das Entwickeln eines begründeten Standpunkts zu aktuellen Forschungstendenzen und -ergebnissen der Biotechnologie und Bionik genannt.89 Als zentrale didaktische Prinzipien des Grundkurses werden die mehrperspektivische und ganzheitliche Betrachtung naturwissenschaftlicher Sachverhalte sowie das interdisziplinäre Denken und Handeln durch das „Einbeziehen von Gegenstandsbereichen aus anderen Fächern wie Biologie, Chemie und Physik sowie Ethik und Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung/Wirtschaft“90 betont. Die inhaltliche Ausgestaltung mit Bezug zur Technik bezieht sich dabei vor allem auf die Gentechnik: neben der Anwendung der Kenntnisse der Molekulargenetik auf die Gentechnik im Lernbereich 2 (Schrittfolge der Gentechnik, Untersuchungsmethoden, Chancen und Risiken, ethische Grenzfälle) und im Lernbereich 3 (Reproduktionsbiologie, analytische Biologie), ist die Übertragung der Kenntnisse der Gentechnik auf die biotechnologische Produktion im Lernbereich 2 (weiße, gelbe und braune Biotechnologie, Bioreaktoren) und im Lernbereich 3 (Humangenom, rote Biotechnologie) von großer Bedeutung (zusammen insgesamt 51 Ustd.). Aber auch das Übertragen von physikalischen und chemischen Eigenschaften von Eukaryonten auf technische Fragestellungen sowie die Auseinandersetzung mit Anwendungen im industriellen Leichtbau und in der Produktion von funktionalen Oberflächen (selbstreinigende Oberflächen, Strömungsoptimierung durch Mikroturbulenzminderung) im Lernbereich 4 scheint mit einem Zeitrichtwert von 38 Unterrichtsstunden nicht weniger relevant zu sein.91 Weiterhin ist hervorzuheben, dass ethische Problemfelder der Biotechnologie und juristische Regelungen

87 Biotechnologie im Sinne der technischen Nutzung der physiologischen Fähigkeiten von Organismen, Bionik im Sinne der technischen Nutzung der physikalischen Eigenschaften von Organismen, vgl. dazu Lehrplan Biotechnologie und Bionik, S. 5

88 Eines der Grundkursfächer Geographie, G/R/W, Biologie oder Chemie wird dabei durch Belegung des Wahlgrundkurses ersetzt.

89 Lehrplan Biotechnologie und Bionik, S. 1

90 Lehrplan Biotechnologie und Bionik, S. 1

91 Vgl. Lehrplan Biotechnologie und Bionik, S. 7f.

(21)

21 (Embryonenschutzgesetz, Zulassungsverfahren gentechnisch veränderter Organismen) diskutiert werden sollen und eine begründete Positionierung zu ethischen Aspekten und Aspekten der Nachhaltigkeit in allen Lernbereichen erfolgen soll.92

4.4 Zusammenfassende Betrachtung

Die Betrachtung der Lehrpläne und der Stundentafeln in den einzelnen Schulformen und -stufen hat gezeigt, dass der technischen Bildung eine vergleichsweise geringe Bedeutung beigemessen wird. Das ließe sich zunächst an der minimalen Wochenstundenanzahl zeigen, die sich sicherlich auf einem gleichen Niveau wie andere „Nebenfächer“ befindet. Dabei wird jedoch ausgeblendet, dass der technikbildende Unterricht nicht durchgängig in der Schullaufbahn, sondern lediglich in den unteren Klassenstufen stattfindet. Dass sich an dieser Situation etwas zu Gunsten eines weiterführenden Technikunterrichts ändert, mag bezweifelt werden. Die jüngsten Veränderungen der Stundentafeln und Lehrpläne haben gezeigt, dass das Stundendeputat des Technikunterrichts eher zugunsten bspw. der politischen Bildung oder aufgrund einer generellen Verringerung der Gesamtwochenstunden reduziert wurde. Oder, wie im Schuljahr 2016/17 an den Oberschulen geschehen, der Vertiefungskurs Technik gänzlich abgeschafft wurde. Weiterhin ist festzustellen, dass die Bedeutung eines technikbildenden Unterrichts schulformspezifisch zu betrachten ist. Während an Gymnasien und Oberschulen das Fach Technik/Computer in den Klassenstufen 5 und 6 verpflichtend ist, wird an den Oberschulen darüber hinaus Technik mehr Zeit anberaumt (höhere Stundenanzahl des Fachs Technik/Computer) und im Rahmen des Fachs Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales unter arbeits- und produktionsbezogener sowie berufsvorbereitender Perspektive vertieft. Betrachtet man darüber hinaus die Lehrplaninhalte auf der Grundlage der im mehrperspektivischen Ansatz beschriebenen Problem- und Handlungsfelder, ist zu beobachten, dass das Handlungsfeld der Arbeit und Produktion sowohl in der Primar- als auch in der Sekundarstufe I deutlich überrepräsentiert und das Handlungsfeld Information und Kommunikation zumindest in Ansätzen – und eher vorbereitenden Charakter auf den folgenden Informatikunterricht hat – vorhanden ist. Das Handlungsfeld Bauen und Wohnen wird lediglich an der Oberschule im Fach WTH und auf einem eher basalem Anforderungsniveau in der Primarstufe thematisiert.

Die Problem- und Handlungsfelder Versorgung und Entsorgung sowie Transport und Verkehr sucht man vergeblich. Das verengt den Blick auf Technik und wird dem Anspruch der Technikdidaktik nach einer allumfassenden Betrachtung von Technik nur in geringem Maße

92 Vgl. dazu Lehrplan Biotechnologie und Bionik, S.5-8

(22)

22 gerecht. Generell lässt sich für die Primar- und Sekundarstufe I das Primat der Sachperspektive als Erkenntnisperspektive feststellen. Die Perspektive der technischen Kenntnisse und Strukturzusammenhänge beschränkt sich zumeist auf technische Geräte und Maschinen sowie auf Werkstoffe wie Holz oder Plastik. Das Konstruieren und Fertigen technischer Objekte, dem schon im allgemeintechnologischen Ansatz eine bedeutende Rolle zugesprochen wurde, sind unter der Perspektive des technischen Handelns als scheinbar bewährte und zu bewahrende Unterrichtsmethoden anzusehen, die jedoch künftig noch stärker durch rechnerunterstütztes Entwicklung und Konstruktion (CAD-Systeme) betont werden sollten. Es erscheint fragwürdig, wie die human-soziale Perspektive der technischen Bildung auf der Grundlage der Lehrpläne sinnstiftend eingenommen werden kann, sofern diese in „kognitiven Unterrichtsphasen eher erörternd-betrachtend“93 eingenommen wird. Generell macht es den Anschein, dass zwar in den Lehrplänen explizit auf den mehrperspektivischen Ansatz der technischen Bildung verwiesen wird, die Inhalte und Strukturen jedoch mehr die Konturen der allgemeintechnologischen und arbeitsorientierten Ansätze hervorheben. Zusammengefasst ist die Bildungsvorstellung zur Technik auf Werkstoffkunde, Fertigungsverfahren, Maschinenkunde, Technische Dokumentation, Arbeitsschutz und Technikgeschichte beschränkt.

Der Wahlgrundkurs Biotechnologie und Bionik ist in der beschriebenen Betrachtung nicht miteinzubeziehen. Durch den konkreten Bezug zur Gentechnik und zur Übertragung physikalischer und chemischer Eigenschaften auf technische Fragestellungen lässt sich keine Anschlussfähigkeit an die Problem- und Handlungsfelder des mehrperspektivischen Ansatzes feststellen. Mit Hilfe des allgemeintechnologischen und gesellschaftstheoretischen Ansatzes lässt sich der Wahlgrundkurs ebenso wenig beschreiben. Nichts desto trotz kann festgestellt werden, dass ein ganzheitlicher Bezug zur Technik – wie er in den aktuellen Diskussionen der Technikdidaktik eingefordert wird – durch die interdisziplinäre Konzipierung des Kurses mit dem expliziten Verweis auf ethische, rechtliche, politische und wirtschaftliche Aspekte und der Bereitstellung von genügend Unterrichtszeit ermöglicht wird. Trotz alle dem drängt sich die Frage auf, warum gerade für Biotechnologie & Bionik und nicht auch für andere interdisziplinäre Disziplinen, wie Robotik, Mechatronik oder Photonik ein allgemeingültiger Lehrplan existiert.

93 Geißel (2018) S. 220

(23)

23

5. Fazit

Der Befund, dass der Technik kein „angemessene[r], d.h. durchgängige[r] Stellenwert im allgemeinen Bildungswesen der Bundesrepublik“94 zugesprochen wird, lässt sich anhand der Lehrpläne und Stundentafeln der allgemeinbildenden Schulen in Sachsen bestätigen. Technik wird entweder nur beiläufig als „Anhängsel“ der Naturwissenschaften betrachtet oder findet sich nur in unteren Klassenstufen als eigenständiges Fach wieder. Die Fokussierung auf die Perspektive der Arbeit und Produktion – auch wenn diese ihre Daseinsberechtigung vor dem Hintergrund der Vermittlung (berufsvorbereitender) Qualifikationen hat – schränkt die Möglichkeiten zum Erwerb eines generellen Technikverständnisses und einer individuellen Technikmündigkeit ein. Es wäre wünschenswert das in den Lehrplänen durchschimmernde traditionelle Technikverständnis, das den Blick auf die Sachtechnik (technischer Gegenstand und technischer Prozess) verengt und die Dominanz des Technisch-Funktionalen betont (eindimensionale Sichtweise), durch die mehrperspektivische Sichtweise – bezogen auf technischen Gegenstand und technischen Prozess sowie auf Bedingungs- und Auswirkungsgefüge und das Hinterfragen von Technik aus ökologischer, sozialer und politischer Sicht – tatsächlich erweitert wird. Ebenso sind die unterschiedlich gewichteten und inhaltlich ausgestalteten Bezüge zur Technik an Gymnasien und Oberschulen kritisch zu betrachten. Inwieweit kann von einer „allgemeinen“ technischen Bildung gesprochen werden, wenn Jugendliche in unterschiedlichem Umfang und Tiefe am umfassenden Bereich der Technik „gebildet“ werden? Spätestens mit der Einführung der Gemeinschaftsschulen in Sachsen wird die spannende Frage geklärt werden müssen, wie der Technikunterricht „für alle“

in der konkreten Ausgestaltung (Ziele, Methoden, Inhalte) aussehen und an welchen Stationen der Schulbiographie technikbezogenes Lernen eine Rolle spielen soll. Dass eine kritische Auseinandersetzung bzw. Weiterentwicklung vor dem Hintergrund des Erfahrungshorizontes einer polytechnischen Bildung als zentrale Bildungsidee des DDR-Bildungssystems, die den Anspruch der Umsetzung für alle Jugendliche hatte, auch dreißig Jahre nach der Vereinigung Deutschlands nicht stattgefunden hat, mag vor diesem Hintergrund „immer schmerzlicher wahrgenommen [werden].“95

Ob vor dem Hintergrund der Bildung zur Technik und für die Technik, die im Rahmen der Seminararbeit anhand der Perspektive der Technikdidaktik und des Technikunterrichts in

94 Traebert (2003), S. 154

95 Gräbe (2019), Anmerkungen zum Vortrag,

http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?HansGertGraebe/SeminarWissen/2019-12-19

(24)

24 Sachsen eingenommen wurde, eine adäquate Auseinandersetzung mit den Herausforderungen

„der Technik“ gelingen kann, ist nur schwer abzuschätzen. Es scheint jedoch gesichert, dass der durch Lehrpläne und Stundentafeln gesetzte Rahmen eine systematisch entfaltete allgemeine (sic!) technische Bildung nur verkürzt und für die von Technik durchdrungene Lebenswirklichkeit nur wenig vorbereitend ist. Die modernen technisch und gesellschaftlich- politisch relevanten Themen, wie Web 2.0, Industrie 4.0, „Smart Home“, Drohnenüberwachung, „Smart-Phones“ usw., treffen in der Schule auf einen im Kern durch Konstruktion und Fertigung fachpraktisch ausgeprägten Unterricht, der jene Themen im Fachverständnis nicht aufgreifen kann.

(25)

25

6. Literaturverzeichnis

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technischer Bildung im internationalen Kontext. In: Meier, B. (2012). Arbeit und Technik in der Bildung: Modelle arbeitsorientierter technischer Bildung im internationalen Kontext.

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Technische Bildung und MINT – Chance und Risiko. Einführungsvortrag zur 16. Tagung der

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