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Yeşilada, Karin E.: Poesie der Dritten Sprache

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Academic year: 2022

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Die verschiedenen Artikel des Sammelbandes regen zum Nachdenken darüber an, wie man – gerade im Kontext uneinheitlicher Fremdsprachenlehrer-Ausbil- dungssituationen innerhalb der EU – die Schule durch die Lehrerausbildung zu einer demokratischeren Institution oder sie zumindest zu einem Lehr- und Lernort machen kann, wo neben der Schulleitung und den Lehrern und Lehrerin- nen auch die Schüler- und Elternschaft stärker in die Gestaltung eingebunden sind. Auch der Beschäftigung mit dem Wandel von Rolle und Anforderungsprofil der LehrerInnen wird der notwendige Raum gewidmet.

Angesichts der in diesem Band zusammengetragenen Ergebnisse liegt der Wunsch nah, diese Untersuchung auf andere EU-Länder und ggf. auch nicht EU- Länder auszuweiten und die Ergebnisse einem noch systematischeren Vergleich zu unterziehen.

Abschließend soll der Hinweis der Herausgeberinnen auf die Webseite des Projekts, auf der die dazugehörigen Lehrmaterialien zur Verfügung gestellt werden, an dieser Stelle gerne weitergetragen werden: http://www.goethe.de/siw.

 Yeşilada, Karin E.:

Poesie der Dritten Sprache. Türkisch-deutsche Lyrik der zweiten Genera- tion. Stauffenburg: Tübingen, 2012 (Stauffenburg Discussion. Studien zur Inter- und Multikultur / Studies in Inter- and Multiculture 29). – ISBN 978-3- 86057-057-9, 488 Seiten, € 64,00

(Karl Esselborn, München)

Es handelt sich hier um eine etwas verspätet erschienene, sehr umfangreiche und anspruchsvolle Dissertation von 2006 aus Marburg (wie sie neuerdings den germanistischen Nachwuchs langzeitig beschäftigt), die zu Recht als »Studie und Handbuch zugleich« (Umschlagtext) bezeichnet wird. Karin E. Yeşilada, in Deutschland aufgewachsene Publizistin und Germanistin, die schon seit Ende der 1990er Jahre regelmäßig zur (türkisch-deutschen) Migrationsliteratur veröffent- lichte, dazu Lexikon-Artikel zu Zafer Şenocak, zu Zehra Çırak, Nevfel Cumart, Şinasi Dikmen und Osman Engin, hatte zuletzt über Kontexte der türkisch-deutschen Literatur (2011) und über Feridun Zaimoğlu (2012) geschrieben1. Hier liegt nun ein ausführlicher, (mit einer umfangreichen Bibliographie) gut dokumentierter Über- blick über die türkisch-deutsche Lyrik der zweiten, in Deutschland aufgewachse- nen Einwanderergeneration vor, wie sie sich – nach der ersten Migrationslyrik von Aras Ören, Yüksel Pazarkaya, Habib Bektaş oder Kemal Kurt – freier entwickelte und erst langsam in der literarischen Öffentlichkeit wahrgenommen wird bzw.

schon wieder der gegenwärtigen Krise der Lyrik zum Opfer fällt, obwohl sie durchaus aus der Mitte der Gesellschaft heraus entsteht und nicht mehr nur im

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kulturellen ›Dazwischen‹, und dabei zum größeren Teil der deutschsprachigen trans- oder interkulturellen Literatur gehört.

Die breite theoretische Einleitung über den noch nicht sehr entwickelten For- schungsstand stellt speziell die Studien zur deutsch-türkischen Literatur vor, die allerdings die thematisierte Lyrik noch kaum erschließen oder didaktisch nach bestimmten Inhalten auswählen. Forschungsziel ist es, in einer Art Kompendium die Ergebnisse der bisherigen wissenschaftlichen Forschung zu der Lyrik der AutorInnen im Kontext ihrer biographischen und poetologischen Entwicklung zu bündeln, zu fokussieren und neu zu gewichten und auf ihre generationsspezifi- sche Identität hin zu beschreiben. Zentral ist die Erarbeitung ausführlicher Autorenartikel unter bestimmten thematischen Aspekten aus dem jeweiligen lyrischen Werk heraus, einschließlich ihrer literarischen Wertung. Um eine Festlegung auf die problematischen Begriffe von inter-, transkultureller oder eingewanderter Literatur zu unterlaufen, plädiert Yeşilada für einen Methoden- pluralismus und eine am Text orientierte Lektüre.

Arbeitshypothesen sind, die türkisch-deutsche Lyrik der zweiten Generation als Genre wiederzuentdecken, ein Paradigmenwechsel hin zur literarisch-ästheti- schen Analyse, Erarbeitung eines Kompendiums und Kanons dieser Lyrik als Poesie der »Dritten Sprache« (Şenocak) mit spezifischer (auch türkischer) Topo- graphie in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur und der Autoren- und Generationsspezifik. So wird ein eigenes Kapitel über die Kontexte zum Verständ- nis der türkisch-deutschen Lyrik vorangestellt, das auch die Traditionen der türkische Literatur (als ›literarisches Erbe‹), der Volksliteratur, des Sufismus und der islamische Mystik (Emre, Rumi), der (sprachlich schwer zugänglichen) osmanischen Diwan-Lyrik bis zur Lyrik der Republikzeit und der (an Europa orientierten) Moderne einbezieht.

Die vier unterschiedlich umfangreichen Hauptkapitel über Zehra Çırak, Zafer Şenocak, Nevfel Cumart, Levent Aktoprak und ihr Werk enthalten jeweils eine Biobibliographie (entsprechend der bisherigen Rezeption), eine Textauswahl mit ausführlichen Werkinterpretationen (im Kontext), ein ausgewähltes Textkorpus (nach Entwicklung, Motiven und Themen), einen Rezensionsspiegel und ein autorenspezifisches Zwischenergebnis mit ästhetischer Wertung; sie sollen so die Erweiterung zu einem umfassenden Handbuch ermöglichen. Das fünfte Kapitel stellt mit Hasan Dewran, Hasan Özdemir, Gülbahar Kültür, Seher Çakır und Berkan Karpat weitere Autoren im Überblick dar. Der Schlussbetrachtung folgt eine ausführliche Bibliographie und ein Register.

Das erste Kapitel zu Zehra Çıraks Lyrik steht unter dem Thema »Lyrik im Freiflug« (100) (entsprechend ihrem dominanten Thema des Fliegens und in Bewegung-Seins) und beginnt nach der Biobibliographie und dem Forschungs- stand mit der Skizzierung eines Fremd- und Eigenporträts der Autorin anhand zweier selbstreflexiver Texte, die ihre problematische Kindheit und ihre ethnische

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Einordnung eher ironisch verfremdend, im literarischen Spiel in ihre hybride interkulturelle Identität einbeziehen, was die Interpretation weiterer Gedichte bestätigt, die das lyrische Ich ins Zentrum stellen. Trotz gesellschaftskritischer, zeitgeschichtlicher und politischer Bezüge geht es nicht mehr wie in der ersten Autorengeneration um Migrantenfiguren, (berliner) Frauen- und Männerpor- traits erscheinen kaum kulturspezifisch. Auffällig sind die (auch bilingualen) Sprachspiele, die jede Ordnung unterlaufen (ähnlich wie bei Jandl), die sprachli- che Originalität (Neologismen, Metaphern) und der Einfallsreichtum dieser profilierten Lyrikerin der Gegenwartsliteratur beim kosmopolitischen Blick auf die Interkulturalität.

Das umfangreichste Kapitel behandelt die Lyrik Zafer Şenocaks (entscheidend neben seiner Prosa und kulturvermittelnden Essayistik) als »Dichtung von unterwegs«, ausgehend von seinen sich entwickelnden Konzepten einer »Poetik der Metapher, des Mythos und der Moderne« (192). Vom anfänglichen Plädoyer für eine Brückenliteratur zu postmoderner Hybridität und Unübersichtlichkeit, von einem ›Dazwischen‹ zu einem utopischen ›Dritten Ort‹ einer neuen lyrischen Sprache, die mit unendlichen Möglichkeiten spielt, wie an Werkinterpretationen gezeigt wird, beginnend mit der wilden zivilisationskritischen frühen Lyrik vor der Migrationsthematik. Um den Abstand zur Migrantenlyrik zu betonen, wird die Bilingualität des lyrischen Ich hier eher auf den Unterschied zwischen äußerer und innerer Welt, auf seine Ortlosigkeit und eigene literarische Sprache bezogen, die durch Einflüsse der islamischen Mystik (mit dem mystischen Fremdheitskon- zept im ständigen Unterwegs) und der türkischen Lyriktraditionen (auch den lyrischen Formen der Diwan-Lyrik) bestärkt wird, die Şenocak (›von innen heraus‹) übersetzt und teilweise übernommen hat. Daneben findet sich in einer (von Huchel, Celan u. a. beeinflussten) Naturlyrik eine moderne Natur-Metapho- rik, verbunden mit einer Art mystischem Pantheismus. Schwieriger und wichtiger seine ›Metropolenlyrik‹ (der problematischen Wendejahre) zu Berlin und Istan- bul, deren Verstrickung in Geschichte und Untergang der Flaneur in düster- morbider Stimmung wahrnimmt. Später geraten auch der Westen und die USA in den Blick, die neueste (auch türkisch geschriebene) Lyrik scheint lakonischer und abgeklärter. Die thematisch und formal so vielfältige Lyrik Şenocaks mit den ganz unterschiedlichen Wurzeln ihrer literarischen Sprache ist immer noch viel zu wenig rezipiert.

Der 1964 in Deutschland geborene Lyriker, Übersetzer und Publizist Nevfel Cumart wird vor allem als Vertreter eines »Brückenschlags für die Völkerverstän- digung« (267) gesehen, der öffentlich für eine Symbiose bzw. eine Synthese türkischer Tradition (und Moderne, aus der er übersetzt) und deutschsprachiger Moderne eintritt (wie als Vermittler der Migrationsliteratur), wobei die Ambigui- tät der Brückenmetapher und die mythologische Dimension des »Schmelztiegels«

und »Flammenmeers tausendjähriger Kulturen« (286) zu sehen sind. Eine frühe

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Lyrikphase bearbeitet vor allem die Traumata der bikulturellen problematischen Kindheit und vertritt eine migrantengeprägte Gesellschaftskritik wie in der politisch engagierten Literatur der 1990er Jahre (die auch als ›Betroffenheitslitera- tur‹ abgetan wurde), später dominiert dann die positiv utopische Perspektive des kulturellen Miteinander; Elemente orientalischer Dichtung oder der Reiselyrik kommen hinzu.

Ein eigenes Kapitel erhält noch der im Ruhrgebiet aufgewachsene Lyriker und Journalist Levent Aktoprak, der in seiner Lyrik bis Anfang der 1990er Jahre kritisch die Migrationsthematik und in einer imaginären Odyssee zurück in die Türkei (nach der Militärdiktatur) im Poem seine Herkunft und die türkische Kultur aufarbeitet. In einem Überblick werden weitere, weniger bekannte Auto- rInnen kurz vorgestellt, die relativ spät nach Deutschland kamen und teils in zwei Sprachen schreiben: der anatolisch-kurdische Lyriker Hasan Dewran, der »anato- lische Pfälzer« (369) Hasan Özdemir, die Journalistin und »Flaneuse in zwei Ländern« (381) Gülbahar Kültür, die ähnlich wie die austro-türkische Lyrikerin Seher Çakır ihre Bikulturalität überzeugend autonom bis ironisch vertritt. Der früh nach München eingewanderte Konzeptkünstler und Theatermacher Berkan Karpat schrieb in einer Autorengemeinschaft mit Zafer Şenocak seit Ende der 1990er Jahre szenische Lyrik zum futuristischen Thema des »Neuen Menschen«

als Libretti zu seinen türkisch-deutschen Installationen älterer Autoren und literarischer Figuren als »Futuristenepiloge« (400).

Die türkisch-deutsche »Poesie der Dritten Sprache« (431) im Rahmen eines

›Turkish Turn‹ (Adelson), geprägt durch nationalitätsspezifische Eigenheiten (und die türkische Literatur als Subtext), bietet einen Synkretismus unterschiedli- cher, interkultureller Lyriktraditionen und eine Vielfalt der Stile, von der Betrof- fenheitslyrik bis zur Sprachakrobatik – wobei der Kanon noch zu ergänzen wäre mit Texten der Slam Poetry und dem Rap oder einer türkisch-deutschen SMS-Lyrik.

Gemeinsam sind neue Aspekte, Grundthemen und Blickwinkel wie das Reisen und Unterwegssein, die Auseinandersetzung mit der Türkei und der eigenen Geschichte, speziell auch mit den Metropolen und den politischen Krisen der 1990er Jahre, dazu neue Modelle deutsch-türkischer Beziehungen und eigener Identitäten sowie neue (historische) Topographien eines ›dritten Raums‹. Umso wichtiger erscheint die Erweiterung des deutschen Lyrikkanons um diesen vitalen Bestandteil, und dass die Wahrnehmung türkischer, türkisch-deutscher Anteile an der deutschsprachigen Gegenwartslyrik – wie ebenso der Literatur der Autoren aus anderen Herkunftsländern – zunehmend selbstverständlicher wird.

In die systematisch erarbeiteten literaturwissenschaftlichen Übersichten über die türkisch-deutsche Literatur wie jetzt beim Forschungsprojekt der Universität Paderborn wäre allerdings auch die Migrationsliteratur der ersten Generation mit einzubeziehen (die international von berühmten Autoren vertreten wird), ohne sie auf die sog. Gastarbeiterliteratur zu reduzieren, und beide wären einzustellen

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in den Zusammenhang des gesamten Bereichs der türkisch-deutschen bzw. der interkulturellen deutschsprachigen Literatur in Deutschland (und der Schweiz und Österreichs). Die vorliegende Arbeit leistet dafür einen sehr beachtlichen Beitrag.

Anmerkung

1 Ein Handbuch der türkisch-deutschen Literatur, das sie an der Universität Paderborn mit herausgibt, ist angekündigt.

Literatur

Yeşilada, Karin E.: Kontexte der türkisch-deutschen Literatur. Würzburg: Königshausen &

Neumann, 2011 (Studien zur deutsch-türkischen Literatur und Kultur 2).

Cheesman, Tom; Yesilada, Karin E. (Hrsg.): Feridun Zaimoğlu. Oxford: Lang, 2012 (Contem- porary German Writers & Filmmakers 1).

 Ziem, Alexander; Lasch, Alexander (Hrsg.):

Konstruktionsgrammatik III. Aktuelle Fragen und Lösungsansätze. Tübin- gen: Stauffenburg, 2011 (Stauffenburg Linguistik 58). – ISBN 978-3-86057-196- 5. 290 Seiten, € 34,80

(Petra Szatmári, Budapest / Ungarn)

Die Konstruktionsgrammatik III von Alexander Ziem und Alexander Lasch reiht sich in die von K. Fischer und A. Stefanowitsch herausgegebenen Konstruktions- grammatik-Bände (2006, 2008) ein und will, anders als seine Vorgänger, »einen repräsentativen Überblick über aktuelle konstruktionsgrammatische Arbeitsfel- der, Fragen, Methoden und Lösungsansätze« (4) darbieten, um als Baustein auf dem Weg zu einer Konstruktionsgrammatik (KxG) des Deutschen zu fungieren.

Fünf zentrale konstruktionsgrammatische Forschungsfelder (Grammatiktheorie und Syntax, Sprachwandel, Phraseologie, Spracherwerb, Interaktionale Linguis- tik) wurden ausgewählt. Ein Überblicksartikel leitet in den Bereich ein, ihm folgen je zwei Fallstudien. Ein Kapitel zum Forschungsstand der KxG im deutschsprachi- gen Raum bzw. das Kapitel »Fazit und Ausblick« der Herausgeber dienen als Rahmen.

Anatol Stefanowitsch setzt sich in seinem Beitrag »Konstruktionsgrammatik und Grammatiktheorie« mit den gegenwärtig für Grammatiktheorien postulierten Kriterien auseinander. Weniger als eine Grammatiktheorie ist die KxG aufgrund ihres Verzichts auf Formalismen, das Mehr besteht aber darin, dass sie sich als eine von Modellvorstellungen ausgehende »allgemeine Theorie des Erwerbs, der Repräsentation und der Verarbeitung sprachlichen Wissens« (15) versteht. Noch

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