Beiträge
zur mitteliranischen Schrift- und Sprachgeschichte
Von Hans Heinrich Schaeder
1. Aramäiscii und Mitteliranisch. — 2. pwn — pat 'zu, in, mit'. —
3. ht — hyn : agar 'wenn'. — i. 'p : u- 'und'. — 5. Sogdisch zy :3t, -t
'daß; und'. — 6. Mittelpersisch angöSiä{aY) und sogdisch 'nywniyS:
anyönceS 'gleichartig, ebenso'.
1. Die mittelpersischen (mp.) Bücher der Zoroastrier sind
in einer Sprache geschrieben, die eine Menge aramäischer
Wörter — Nomina, Pronomina, Verben und Partikeln —
aufweist. Doch werden diese nicht aramäisch ausgesprochen,
sondern beim Lesen durch die bedeutungsmäßig entsprechen¬
den iranischen Worte ersetzt. Der Satz ywm-1 'rdw'n' Iwth
'swVVn' w 'ÜMyl 'l nhiyr 'zlwnt yk'ymwn't lautet also nicht:
yöme ardavän Iwäteh asvärän iv-ardasir 'al naxölr ezalänt
yqlmünät, sondern röze ardavän aßäy asvärän ud arda§lr ö naxölr
raft estäö^) ,, eines Tages war Ardavän mit den Reitern und
Ardaschir auf die Jagd gegangen". Es zweifelt heute wohl
niemand mehr daran, daß man es hier nicht mit einer iranisch¬
aramäischen Mischsprache zu tun hat — das schließen vor
allem die Verbalformen aus, die sich bei einer solchen An¬
nahme ergeben würden, — sondern mit reinem Iranisch, dem
nur bei schriftlicher Aufzeichnung aramäische Worte beige¬
mischt werden. Den gleichen Gebrauch von Ideogrammen —
man hat sie auch 'Heterogramme' oder ''Masken' genannt —,
1) Mit ßyä bezeichnet man, ziemlich überflüssigerweise, die spiran¬
tische Aussprache von bgd, die man mechanisch überall bei nach-
vokalischer Stellung derselben ansetzt, obwohl neupersisch agar, abäS
gewiß nicht ein mittelpersisches *ayar, *äßää fortsetzen. Es wäre gut,
diese Unterscheidung — die etwa bei der Schreibung des Gotischen
niemand für nötig hält — fallen zu lassen und einfach bgd zu schreiben, so wie die Turfantexte es angeben.
ZeitBChrift d. SMG Bd. 96 (Neue Folge Bd. 21) 1
2 H. H. SoHABDBB, Beitr. zur mitteliran. Schrift- u. Sprachgesch.
die nicht nach ihrem ursprünglichen Lautwert ausgesprochen,
sondern ihrem begrifflichen Inhalt gemäß 'übersetzt' werden,
kennt der alte Orient bei allen den Völkern, die unmittelbar
oder mittelbar die von den Sumerern geschaffene Keilschrift
übernommen haben: zuerst bei ihren gelehrigsten Schülern,
den semitischen Akkadern, dann bei Elamitern und Hethitern,
Churritern und Urartäern'). Gleiches gibt es sonst wohl nur
noch in Ostasien, wenn der Japaner die chinesischen Be¬
griffszeichen nicht nach ihrem Lautwert liest, sondern dafür
die Worte seiner eigenen Sprache einsetzt, etwa für das
Zeichen 'Mensch', chin, ian, sein hito.
Neuer ist die Erkenntnis, daß es in Iran neben dem mittel¬
persischen, der Reichssprache der Sassaniden (3.—7. Jh.)
eigenen System der ideographischen Verwendung aramäischer
Worte noch zwei weitere gegeben hat: das parthische und
das sogdische (sgd.). Jenes ist dem Schriftwesen des Arsa-
kidenreichs (3. Jh. vor bis 3. Jh. nach Chr.) eigentümlich,
aber erst in den parthischen Fassungen zwei- und drei¬
sprachiger Inschriften aus frühsassanidischer Zeit ausgiebig
bezeugt. Dieses kennen wir aus Urkunden und literarischen
Texten der nordostiranischen Sogdier seit dem 2. Jh. unsrer
Zeitrechnung. Die drei Systeme zeigen mancherlei Gemein¬
samkeiten und Berührungen, aber in ihrem Grundbestand
sind sie voneinander unabhängig und nicht auseinander ab¬
leitbar. Sie sind selbständige Verzweigungen aus derselben
Wurzel, nämlich aus dem aramäischen Schriftwesen der Achä¬
menidenzeit (6.—4. Jh.). Die Achämeniden hatten, um ihr in
wenigen Jahren (547—525) über ganz Vorderasien und
1) A. Alt verdanke ich den Hinweis auf zweisprachige Texte aus
Ugarit (Ras Schamra), die im Hinblick auf die weiterhin zu besprechende
Entstehung der mitteliranischen Schriftsysteme beachtenswert sind. In
der Revue d'Assyriologie 37 (1940/1) 97 ff. veröfTentlicht F. Thureau-
Dangin eine Liste von Bogen und Schleudern (Bognern und Schleu¬
derern), in der die einzelnen Posten ugaritisch, dagegen die Summanden
akkadisch geschrieben sind. Ähnliche Erscheinungen fmden sich auch
in den von Ch. Virolleaud herausgegebenen Verwaltungstexten das. 23
Nr. VII; Syria 21 (1940) 125f. Nr. II, 130f. Nr. VI, 132f. Nr. VIII,
135fT. Nr. XI, 268fr. Nr. V.
H. H. Schaedeb, Beitr. zur mitteliran. Schrift- u. Sprachgesch. 3
Ägypten ausgebreitetes Weltreich verwalten zu können, auf
das im Zweistromland bereitstehende aramäische Schreiber-
tum zurückgreifen müssen und hatten darum aramäische
Schrift und Sprache in allen Kanzleien des Reichs eingeführt').
Erst allmählich wurde in den iranischen Ländern ein ein¬
heimischer Schreiberstand herangebildet, der zunächst fort¬
fuhr, ein immer mehr mit iranischen Worten versetztes Ara¬
mäisch zu schreiben, bis sich von einem gewissen Zeitpunkt
an das Verhältnis dergestalt umkehrte, daß man die eigene
iranische Sprache zu schreiben begann, aber unter Bei¬
behaltung zahlreicher aramäischer Worte, die nun zu Ideo¬
grammen erstarrten.
In der Sprache der mp. Bücher überwiegt das iranische
gegenüber dem aramäischen Element; in den sogdischen
Texten ist der erhaltene Bestand aramäischer Worte noch
wesentlich geringer, doch enthält er einige besonders häufig
gebrauchte Partikeln. Das entgegengesetzte Verhältnis zeigen
die frühsassanidischen Inschriften. Als Beispiel diene ein
herausgegriffenes Stück aus Z. 16 f. der 1939 aufgefundenen
parthischen Fassung der um 270 n. Chr. aufgesetzten drei¬
sprachigen Inschrift des zweiten Sassaniden, Schapur I., von
der Ka'ba-i Zarduät unweit von Persepolis*). Von den
37 Worten sind nur 6 rein iranisch, die übrigen ganz oder
bis auf die 'phonetischen Komplemente' aramäisch.
«; In 'krn& Sgy' h§tr yb't w Sgy' Smh w tb^py 'bdt
u-män ani-l vas Sahr vxäSt ud vas näm ud nevef kird,
mh tnh V ktybi bys zk 'wnt mn zk krty 'wpdät ktybtn
le ed ne nißiSt bei hö ävand. ai hö kird aßdiSt nißiStan,
'yk mnw b'tr mnn yhyh ( I ) znh Smh tbpy w hwtwypy
ku ke paS ai amäh baväh, im näm nevef ud xvatävef
mh In yd'hd
6e amäh zänäh{?).
1) S. jetzt auch meine Schrift Das persische Weltreich (1941) 19.
2) M. Sprengling, Shahpuhr I, the Great on the Kaabah of Zoro¬
aster (American Journal of Semitic Languages 57, 1940, 341—429) 373f.
Vgl. diese Zs. 95 (1941) »14 »ff.; Forsch, u. Fortschr. 1942, 1/2, 13f.
1»
4 H. H. Schaedbb, Beitr. zur mitteliran. Schrift- u. Sprachgesch.
Zu deutsch: „Und Wir suchten noch viele andre Länder
auf und erwarben viel Namen und Heldenruhm, was Wir
hier nicht aufgezeichnet haben außer soviel. Um des willen
wiesen Wir an, (es) aufzuschreiben, damit wer nach Uns sein
wird, diesen Unsern Namen und Heldenruhm und Herrschaft
erfahre." Die griechische Fassung übersetzt den parthischen
Text streng wörtlich :
xai i^fxelg erega no?.kä e&vrj iCrjT'^aafiev xai noli) ovo/xa xai
avdQtiÖTrjxa inenoiijaa/aev, ä ivddds ovx Bveygdrpafiev. diä rovro
ixeXevaa/iEv ygaqirjvai, Iva oarig fie&^ Vfiäg earai, rovro rd ovofia xai rfjv ärdgeiav xai rrjv deanoxeiav rrjv ij/xerdgav emyvdiaexai [so].
Das Beispiel zeigt, wie stark in der Schreibweise der
parthischen Kanzlei bis zu ihrem Ausgang das aramäische
Element überwog, zugleich aber, wie vollkommen es erstarrt
war. Auch dort, wo ein ganzer Satz aus aramäischen Worten
zusammengesetzt ist, kommt doch kein aramäisches Satz¬
gefüge zustande: die zum Ausdruck kommende Sprachform
ist rein iranisch.
Da die aramäischen Worte nur geschrieben, nicht ge¬
sprochen wurden, geriet ihre ursprüngliche Aussprache im
Laufe der Zeit in Vergessenheit. Aus dem gleichen Grunde
waren sie in der ohnehin fortschreitend undeutlicher werden¬
den mp. Kursive allerlei Entstellungen ihrer Schriftgestalt
ausgesetzt. Infolgedessen ist vielfach unter der Form, die
sie in der Schreibweise der mp. Bücher angenommen haben,
ihr ursprüngliches Aussehen kaum oder gar nicht mehr
kenntlich. Die frühsassanidischen Inschriften mit ihren älteren
und durchsichtigeren Schreibungen haben ein gut Teil der
Rätsel, die hier geblieben waren, von selbst gelöst. Dagegen
zeigen die in einer Unziale geschriebenen Stücke einer von
Christen verfaßten mp. Übersetzung der Psalmen, der so¬
genannte Pahlavi-Psalter (PPs)'), die gleichen, mehrfach zur
Unkenntlichkeit entstellten Ideogrammformen wie die Hand¬
schriften der zoroastrischen Bücher.
1) Hrsg. von K. Barr, SBPrA. 1933, 91—152.
H. H. Schabdeb, Beitr. zur mitteliran. Schrift- u. Sprachgesch. 5
Die Ideogramme, die in den Inschriften und Büchern
vorkommen, sind heute größtenteils abschließend erklärt,
zumal seitdem ihre Stellung in der aramäischen Sprach¬
geschichte bestimmt ist. Sie gehören — was geschichtlich
von vornherein gegeben war — dem Reichsaramäischen an,
der Verwaltungssprache der Achämeniden, die durch In¬
schriften, Urkunden und literarische Texte — darunter die
aramäischen Stücke des Alten Testaments und die Papyri
von Elephantine — reichlich bezeugt ist^). Neben den lite¬
rarisch gebräuchlichen Ideogrammen gibt es noch eine nicht
ganz geringe Zahl von solchen, die nur lexikographisch über¬
liefert sind, und zwar im Frahang i Pahlavik (FrP), einer
sachlich geordneten aramäisch-mittelpersischen Wörterliste
Ein guter Teil dieser sonst nicht bezeugten Ideogramme —
hauptsächlich Nomina, aber auch etliche Verben — ist in
der früh verwilderten Überlieferung so stark entstellt, daß
eine einigermaßen überzeugende und nicht rein subjektive
Deutung nicht möglich ist.
Anders steht es mit einigen häufig vorkommenden Par¬
tikeln. Vor vierzig Jahren äußerte einer der Bahnbrecher der
Pahlaviforschung, Th. Nöldeke, die drei Ideogramme pwn =
pa, ht = agar und mdm = aßar seien noch durchaus unklar ^).
Die richtige Deutung des dritten Wortes teilte 1910 F.C.An¬
dreas*) mit: mdm ist entstellt aus aram. qdm : qdäm. In der
parthischen Schrift blieb q erhalten, freilich nur in aramäischen
Worten. In der mp. Schrift wurde es dem m so ähnlich, daß
man es überall durch k ersetzte; nur in dem häufigen qdm
blieb es erhalten und fiel schließlich mit m zusammen —-
die Schreibung mdm ist schon in den Inschriften durch¬
geführt. Wie qdm 'vor' zu der Bedeutung 'auf kam, die von
mp. aßar gefordert wird, ließ Andreas unerklärt. Es ergibt
1) Iranische Beiträge 1 (1930) 32f.
2) Soeben neu bearbeitet von E. Ebeling, Das aramäisch-mittel¬
persische Glossar Frahang-i-pahlavik im Lichte der assyriologischen Forschung (Mitt. d. Altor. Ges. 14/1, 1941).
3) Zum Mittelpersischen, WZKM 16 (1902) 3.
4) SBPrA. 1910, 871.
6 H. H. Schaedeb, Beitr. zur miiieliran. Sclirift- u. Sprachgesch.
sich aus dem eigentümlichen Gebrauch des Wortes in den
aramäischen Beischriften auf neubabylonischen Urkunden-
täf eichen').
Die beiden andern Ideogramme, pwn und ht, sind viel
erörtert worden, ohne daß man zu einem anerkannten Ergeb¬
nis gekommen wäre. Von ihnen soll jetzt die,Rede sein.
2. Mp. pad (älter pat, aus altpersisch [ap.] patiy, später
pa, im Neupersischen [np.] infolge von Satzsandhi baö-, ba)
ist Präposition für alles: es bezeichnet Richtung und Ziel,
Ort und Zeit, Mittel, Ursache und begleitenden Umstand;
gelegentlich erscheint es auch als Postposition. Es wird in den
zoroastrischen Büchern nö geschrieben, d. i. pnn oder pwn;
Inschriften und PPs haben die eindeutige Schreibung pwn.
Bei Antreten des Personalsuffixes der 3. Sg. -S wird in den
Büchern statt pwn stets lautgerecht ptS : pati§ {padiS) ge¬
schrieben, entsprechend im PPs ptSy mit einem für die Aus¬
sprache bedeutungslosen -y. Im FrP wird pwn auffälligerweise
nicht angeführt. Im Pazend, d. h. in den Niederschriften
mittelpersischer Texte mit awestischen Buchstaben, heißt
das Wort pa.
Die Lesungen für pwn, die von den ersten europäischen
Pahlaviforschern aufgestellt wurden, haben ein Interesse
höchstens für die Geschichte der Irrtümer, die auf diesem
Felde haben überwunden werden müssen. Mit Th. Nöldeke*)
und C. Salemann') verzichtete eine kritischer gewordene
Generation auf Lesung und Deutung. Obwohl Salemann aus¬
drücklich anmerkte, das Wort sei nicht semitisch, hielten
andre doch weiterhin Ausschau nach einer Erklärung aus
dem Aramäischen. Vor zehn Jahren schlug mir ein Hörer
vor, pwn mit syr. pwn'j' : punnäjä zu verbinden, das unter
anderm 'Entgegnung, Erwiderung' heißt; bei dieser Gelegen-
1) Iranische Beiträge 42 A. 2. — Die soeben von E. Ebeling a.O. 55
vorgeschlagene Erklärung von mdm als Kontamination von akk. mu^^i
und aram. qdm ist unannehmbar.
2) Aufsätze zur persischen Geschichte (1887) 153 A. 2.
3) GIrPh. la 318.
H.H. Schabdbb, Beitr. zur mitteliran. Schrift- u. Sprachgesch. 7
heit erfuhr ich von andrer Seite, daß F. C. Andreas das Wort
zu dem gleichen aramäischen Stamm gestellt habe. Vorher
schon hatte E. Herzfeld') die Lesung p'n vorgeschlagen und
sie, unter Hinweis auf die gelegentliche punische (!) Schrei¬
bung p'n für pn, mit hebr. pn, dem angeblichen Sing, von
pänlm 'Gesicht' verbunden, im Hinblick auf hebr. lipne 'vor'
— aber gerade diese Bedeutung hat mp. pad nie.
Dagegen stellte H. S. Nyberg — der in unsren Tagen die
Pahlaviforschung vorwärts gebracht hat wie kein zweiter,
und an dessen Arbeit jetzt einige Berichtigungen anzu¬
bringen keine große Sache ist — eine höchst scharfsinnige
Deutung*). Er las pön und setzte dies mit der jüdisch¬
aramäischen, nur in den Targumen vorkommenden Partikel
pön 'wohl, etwa' gleich, die sich nach Th. Nöldeke^) ,,in der
Bedeutung ungefähr mit dem griech. äv deckt und dem Satze
eine hypothetische Färbung gibt." Die Verbindung gewann
er durch zwei Stellen der altpersischen Inschriften*), wo
patiy nachgestellt vorkommt, anscheinend als verallge¬
meinernde oder verstärkende Partikel. Danach schien yadi-
patiy an der zweiten Stelle — die Lesung steht fest — in
der von Nyberg angenommenen Bedeutung 'wenn nun' un¬
mittelbar mit targ. illü pön 'wenn etwa' vergleichbar zu sein.
Aber drei seither bekanntgewordene Belege, im zweiten Teil
der Grabinschrift des Dareios von Naq§i Rustam und in
einer Inschrift des Xerxes von Persepolis^), gestatten es,
1) Paikuli (1924) 236 Nr. 878.
2) Le Monde Oriental 20 (1926) 236/8. Danach Hilfsbuch des Pehlevi 2 (1931) 105f.
3) Mandäische Grammatik 473 A. 1.
4) Xerxes Pers. a 15. Dar. NRa 38.
5) E. Herzfeld, Altpersische Inschriften 5 Z. 20 nai-pati-mä avakäma ,,und auch danach verlangte es mich nicht"; Z. 32 ima pati-maiy aruvasiam ,,und dies ist (= hierin äußert sich) meine Rüstigkeit";
37 Z. 40 tya-patiy adam akunavam uta-maiy tya pitä akunauS ,,und
was Ich baute und was mein Vater baute". — In den beiden mp. Stellen,
die Nyberg a.O. 237 zum Vergleich heranzieht (Mx. 2, 196; 13, 15),
ist — was Nyberg selber als Möglichkeit ins Auge faßt — pai un¬
bedingt mit dem folgenden räi zu verbinden : paS . . . rää, in einem
8 H. H. Schabdeb, Beitr. zur mitteliran. Schrift- u. Sprachgesch.
die Bedeutung von patiy in diesen Fällen genauer zu fassen.
Es dient nur, ohne daß ein besondrer Nachdruck spürbar
wäre, der Satzverbindung und wird daher von der akkadischen
Fassung überall durch einfaches u 'und' wiedergegeben').
Keinesfalls gibt es dem Satz hypothetische Färbung, wie
targ. pön.
Wenn nun auch dieser Weg zur Herleitung von pwn aus
dem Aramäischen nicht gangbar ist, so wird die Frage unaus¬
weichlich, ob pwn überhaupt ein Ideogramm und nicht viel¬
mehr ein im Schriftbild entstelltes iranisches Wort ist. Für
diese Möglichkeit sprechen noch drei Tatsachen, die jede für
sich nicht ausschlaggebend sind, aber zusammen ins Gewicht
fallen: das Fehlen von pwn im FrP, die regelmäßige laut¬
gerechte Schreibung pt-S statt pwn-S, endlich der Umstand,
daß in den parthischen Inschriften die Präposition pad nur
in der lautgemäßen Schreibung pty erscheint. (Im Sogdischen
ist altiranisch [air.] pati nur als Präverb und Pränomen, nicht
als selbständige Partikel erhalten.)
Schreibt man pt in jüngerer reichsaramäischer Schrift*),
80 erhält man Wurden bei flüchtigem Schreiben die
beiden Striche des t nicht fest verbunden, so ergab sich
was ohne weiteres pwn gelesen werden konnte'). Ich nehme
an, daß diese Schreibung in Mode kam, als eine der vielen
seltsamen Schreiberlaunen, denen man in der Geschichte des
iranischen Schriftwesens auf Schritt und Tritt begegnet. So
fuhr man fort, pwn zu schreiben, auch auf den Inschriften,
für die man die gewöhnliche Schrift in eine Monumentalform
mit fast durchgängiger Zeichentrennung umsetzte, und in den
parthischen Text pa9 . . . räz (SBPrA. 1934, 879, 18 — vom Heraus¬
geber nicht verstanden ; irrig A. Ghilain, Essai sur la langue parthe 69 A. 35) ist np. baräy, älter ba . . . räy 'um . . . willen'.
1) Diese Entsprechung für u ist bei O. Rößler, Untersuchungen über die akkadische Fassung der Achämenideninschriften, Diss. Berlin 1938, 24 unter w nachzutragen.
2) S. die Schrifttafeln 2 und 3 bei F. Rosenthal, Die aramaistische Forschung seit den Veröffentlichungen Th. Nöldekes (1939).
3) Die dabei vorausgesetzte Vereinfachung des n zu einem Abstrich
ohne Häkchen am oberen Ende tritt vereinzelt schon im 5. Jh. auf.
H. H. Schaedbb, Beitr. zur mitteliran. Schrift- u. Sprachgesch. 9
Büchern, in deren Schrift die Zeichen w und n zusammen¬
fielen.
Das Wort iiö ist also pat (pad) zu lesen und gehört unter
die durch Entstellung ihres Schriftbildes entstandenen un¬
echten Ideogramme, wie gb'h : giyäh 'Gras', gyw'k : giyäy
'Ort', pyt'rri {pgt'm) : /»ayyäm'Botschaft', ydd'n : yazdän'Goit\
'nhwm' : 'whrmzd 'Ohormizd' und andre.
3. Die Annahme der Entstellung eines echten Ideogramms
beseitigt eine zweite crux und bestätigt zugleich eine schon
vor sechzig Jahren geäußerte Vermutung Th. Nöldekes, der
er selber nicht weiter nachgegangen ist. Für mp. agar (älter
hakar — np. agar) 'wenn' — ursprünglich 'einmal' — wird
in den Inschriften und zoroastrischen Büchern regelmäßig kt
geschrieben, während die parthischen Inschriften nur die
lautgemäße Schreibung 'k : ay kennen, entsprechend dem 'g
der parthisch-manichäischen Texte. Im FrP 25, 3 wird ht
als Ideogramm aufgeführt und durch agar erklärt').
In ht wollte H. S. Nyberg*) ein echt mittelpersisches ha'&
erkennen, das aus air. a^a 'so' hervorgegangen wäre, mit der
gleichen Entwicklung zur Bedingungspartikel, die 'so' auch
im Deutschen erfahren hat. Aber aus ada mußte mp. *ah
werden, vgl. mp. öh 'so' aus air. ava&a. Ebenso unerklärlich
wie die Erhaltung des ■& wäre seine Schreibung mit t\ beides
kommt nur in dem einen Falle des gelehrten Wortes geteh
(getih) 'Welt' — zu aw. gae&ä- — vor. Endlich gibt es kein
Anzeichen dafür, daß im Iranischen jemals ein Wort für 'so'
die Bedeutung 'wenn' angenommen hätte. Parth. ay und
mp. np. agar gehören zu aw. hakat und hakdrdt 'einmal',
sgd. kö und oss. käd zu aw. kada 'wann'.
Da anderseits ht keinesfalls aramäisch ist, so besteht aller
Anlaß, mit Th. Nöldeke') zu fragen, ob nicht ht aus hyn ent-
1) S. jetzt Ebeling a.O. 56f., wo schon meine hier näher ausgeführte Erklärung mitgeteilt wird.
2) Hilfsbuch 2, 91. 105 f.
3) Bezzenbergers Beiträge zur Kunde der idg. Sprachen 4 (1878)
43 A. 3.
10 H.H. Schaeder, Beitr. zur mitteliran. Schrift- u. Sprachgesch.
stellt ist, also das reichsaramäische hn : hin (bibl.-aram. hm, vgl.
mand. hyn gegenüber syr. en) 'wenn' vertritt. In reichsaram.
Schrift konnte /"»/Jf hyn leicht in zusammengezogen und
zu ht verlesen werden. Zur Pleneschreibung des i-Lautes ver¬
gleiche man das Ideogramm 'ymt : kay 'wann' FrP 25, 1, das
auch im Sogdischen belegbar ist. In dem zweiten der von
H. Reichelt herausgegebenen alten sogdischen Briefe'), in
1) Die soghdischen Handschriftenreste des Britischen Museums 2
(1931) 11—19. Der Name des Briefschreibers ist nicht znyßntk, sondern
nnyßntk : Nane-ßanda 'Nang's Knecht', das auf den Namen des Brief¬
empfängers ßrz'kk folgende Wort, offenbar der Name seines Vaters,
nicht znyäß"r, sondern nnySß"r : N ane-9-ßär 'Nan6's Gabe' zu lesen.
Ebenso heißt der in Briefl und 3 wiederholt genannte znyS't (znySt)
vielmehr Nane-Sät 'von NanS gegeben'. Der erste der drei Namen ist
westiranisch oder sogdisch, der zweite nur sogdisch, der dritte nur
westiranisch. Nan6 ist die seit uralter Zeit in dem babylonischen Uruk
verehrte Göttin Nanai, deren Kult in arsakidischer Zeit einen gewal¬
tigen Aufschwung nahm und sich damals nicht nur im Euphrat-Tigris-
Gebiet ausbreitete, sondern von dort nach Armenien und ostwärts in
das ostiranisch-nordwestindische Reich der Kuschan verpflanzt wurde.
Nach ihrer häufigen Nennung — als Nava und Navaia — und Abbildung
auf den im Kabultal und Pendschab gefundenen Münzen des Kaniska
und seiner Nachfolger stand sie unter den Kuschankönigen besonders
im 2. und 3. Jh. in Ehren.
Naneßanda, der Schreiber des nach Samarkand gerichteten Briefes 2,
befindet sich jenseits von Krorain-Lou-lan, aber wohl nicht, wie Reichelt vermutete, in Kao-C'ang (Turfan), sondern viel weiter östlich, jenseits
von Tun-huang und der Großen Mauer. Er schreibt, 'ykzy iyrisw'n
mr'y 13 srä wm'tw ,,als es 13 Jahre des Herrn von öyrSsw'n waren".
Der einzige zu iyrSsw'n einigermaßen passende Ortsname — der weder
in Ost- noch gar in Westturkestän gesucht werden kann — ist Tsiu-
ts'üan TfH J^, das heutige Su-öou in Kansu, an der großen Straße von
Ostturkestan nach dem inneren China. — Der wichtige Satz Z. lOf.
firzy tiwt'ynß znh prßtm ßypwr m'S w'ß'nt mn äßz' 'pr'h mn sry ist so
zu fassen: ,,und dann. Euer Hochwohlgeboren, hat sich dieser letzte
Himmelssohn (= Kaiser) — so sagten sie — aus Hunger von Sara/
{= Lo-yang) aufgemacht".
Für das Verständnis von Brief 1 und 3 ist die zuerst von F. Rosen¬
berg, OLZ 1932, 760, erkannte Tatsache entscheidend, daß beide von
der gleichen Frau Mywn'yb herrühren, die nur in Brief 3 ihre Tochter
ä'ynh außer einer Nachschrift auch die Adresse hat schreiben lassen.
Die beiden Briefe sind aber nicht, wie Rosenberg wollte, in größerem
H.H. Schaedbb, Beitr. zur mitteliran. Schrift- u. Sprachgesch. 11
dem das sonst übliche kö 'wenn, als' nicht vorkommt, er¬
scheint siebenmal 'ymtw, das, wie ich glaube, auch in Z. 55
für 'ym[..] zu ergänzen ist. Der Herausgeber gibt es mit
'endlich' wieder, was an keiner Stelle einen befriedigenden
Sinn gibt. Dagegen läßt es sich an den einigermaßen klaren
Stellen Z. 45, 48, 50, besonders 53, (55) ohne weiteres als
Konjunktion 'wenn, als' fassen. Ein weiteres Gegenstück
zur Schreibung 'ymt ist jüd.-aram. 'ymt^) neben 'mt (gegen¬
über syr. 'mty : emmat, mand. 'm't). Nachträglich ist im mp.
Ideogrammsystem 'ymt : kay 'wann' künstlich unterschieden
worden von 'mt : ka 'wenn' FrP 25, 2.
Daß gerade Partikeln wie die besprochenen — mdm, pwn
und ht — ihre Endgestalt durch graphische Entstellung
gewonnen haben, hängt vor allem daran, daß solche kurzen
und häufig vorkommenden Worte überall besonders leicht
flüchtiger oder abgekürzter Schreibung ausgesetzt sind.
4. Während Nyberg, wie wir sahen, in pwn ein aramäisches
Wort suchte, gilt ihm 'p als Schreibung für echt iranisches
api *). Im FrP 24, 1—3 wird 'p- in Verbindung mit den
Personalsuffixen der 1., 2. und 3. Sg. als Ideogramm mit der
Bedeutung 'und' aufgeführt. Es ist darum seit jeher auf
aram. ap 'auch' zurückgeführt und gemäß der Anweisung
eines Teils der Frahang-Überlieferung u 'und', mit Personal¬
suffixen u-m, u-t, u-i, gelesen worden.
Die Bedenken, die gegen Nybergs neue Erklärung geltend
zeitlichem Abstand voneinander, sondern gleichzeitig und wegen des
gleichen Anliegens geschrieben. Die Briefschreiberin lebt in Tun-huang, das sie wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten unter allen Umständen
verlassen will. Deswegen wendet sie sich in Brief 3 an ihren Gatten
NanSrfät, mit dem sie offensichtlich nicht gut steht, in Brief 1 an ihre Mutter C't.ys}}.
1) Aber nicht 'emat zu lesen (Ebeling a.O. 56), sondern immat, wie
die vokalisierten Formen bei G. Dalman, Gramm, des jüd.-pal. Aram.»
212 mit A. 3, zeigen. (Die Form des Ma'lüla-Dialekts heißt nicht emmat
— so Dalman a. O. —, sondern emmat: A. Spitaler, Gramm, des neu¬
aram. Dialekts von Ma'lüla, 1938, 120).
2) Hilfsbuch 2, 19.
12 H. H. Schabdbb, Beitr. zur mitteliran. Schrift- u. Sprachgesch.
zu machen sind, sind bereits ausgesprochen'); sie brauchen
hier nicht wiederholt zu werden. Nyberg stützt sich darauf,
daß häufig die Verbindung w 'p- : ud api- vorkomme, die
freilich eine Lesung u u- ausschließen würde. Aber an der
einzigen Stelle, auf die er verweist, Mx. 2, 133, hat entgegen
dem von ihm gebotenen Text*) die zugrunde liegende Hand¬
schrift K43 nicht krt' w'pt, sondern nur krt''pt^). Falls es
sicherere Beispiele gibt, ist von vornherein zu erwarten, daß
das w vor 'p vielmehr der Schlußstrich des vorhergehenden
Wortes ist.
Anderseits ist 'p den parthischen Inschriften, die nur das
Ideogramm w : ud 'und' haben, ebenso unbekannt wie den
lautgemäß geschriebenen parthisch- und mp.-manichäischen
Texten aus Turfan, in denen es nicht nur gelegentlich, sondern
häufig vorkommen müßte, wenn es echt iranisch wäre. Beides
zwingt zu dem Schlüsse, daß 'p- ein dem mp. — und, wie
wir sehen werden, sgd. — Schriftsystem eigenes Ideogramm
aramäischer Herkunft ist.
In den mp. Inschriften und Büchern tritt die Verbindungs¬
partikel tt) : ud nur selbständig, 'p nur mit Personalsuffixen
auf; nur im PPs erscheint es zweimal selbständig, jedoch nur
am Zeilenende, wo es besser füllte als w. Dies Nebeneinander
von tt) und 'p- entspricht genau dem von selbständigem
'wd : ud und mit Suffixen verbundenem 'w- : u- sowohl in
den parthischen wie in den mp. Turfantexten: das hat nach
ihrem ersten Bekanntwerden Chr. Bartholomae*) sogleich
gesehen. Also ist im mp. Schriftsystem eine Verteilung der
beiden nahezu gleichbedeutenden Ideogramme w 'und' und
'p 'auch' derart erfolgt, daß jenes für das selbständige ud,
dieses für das daraus vor Pronominalsuffixen gekürzte u-
1) Gött. gel. Anz. 1935, 13f.
2) Hilfsbuch 1, 42, 3/4.
3) F. C. Andreas, The Book of the Mainyo-i-khard (1882) 13, 5 =
Cod. Avest. et Pähl. Univ. Hafniensis V: The Pahlavi Codex K 43,
First Part, 17, 5.
4) Zum altiranischen Wörterbuch (1906) 87—90 A. Danach E. Herz¬
feld, Paikuli 140 Nr. 120/3.
H. H. Schaedeb, Beitr. zur mitteliran. Schrift- u. Sprachgesch. 13
eintrat. Es ist anzunehmen, daß der Schwund des 6 zuerst
vor den Suffixen der 2. Person, Sg. -t PI. -tän, erfolgte und
sich von dort ausbreitete.
Zu klären bleibt noch die Form eines dieser Suffixe in
den Inschriften. Seit Jahrzehnten ist das in der Hadschiabad-
Inschrift Schapurs I. ^) in der mp. Fassung dreimal belegte
'pn 'und (von) uns' bekannt; dazu kommt das einmalige
'dynn 'dann (von) uns'. In Z. 4/6 heißt es: 'pn 'mt znh hty'
ädytn 'dynn l'yny Stld'l'n ivblbyt'n wwörkn w'z't'n Sdytn : u-n
ka en tir vist, ayay-n peS Sahrdärän uö vispuhrän ud vazurgän
ud äzädän vist „und als Wir diesen Pfeil schössen, da schössen
Wir (ihn) vor den Fürsten, Prinzen, Großen und Edlen."
Der parthische Text hat (Z. 5/6): w 'mt In znh hty' Hyt,
qdmth hitrdryn brbyt'n rb'n w 'z'tn Sdyt. Während also im
mp. Text das Agens ('Subjekt') '(von) uns' im Vorder- wie im
Nachsatz durch ein der satzeinführenden Partikel angehängtes
-n ausgedrückt wird, steht dafür im parth. Text im Vorder¬
satz w ... In, während der Nachsatz sowohl auf die ein¬
führende Partikel wie auf den nochmaligen Ausdruck des
Agens verzichtet. Für parth. In steht ebenso wie für das
entsprechende mp. Ideogramm Inb die Lesung amä(h) 'wir,
uns' (Nom. und Obl.) fest.
Wie ist nun das -n der mp. Fassung zu lesen und zu er¬
klären? Nach dem Sprachgebrauch der manichäischen Texte
kann kein Zweifel aufkommen: die Lesung ist u-män. Das
Personalpronomen, ob es nun das Agens, den Possessiv- oder
den Objektsausdruck vertritt, kann im mp. Satz durch die
selbständige Form des Pronomens im Obl. ausgedrückt
werden. Mit Vorliebe aber wird es einem satzeinführenden
Pronomen oder einer Partikel — Ae'wer?, welcher', i'welcher',
6e 'was?, was; denn', ka 'als', ku 'weil', agar 'denn', ayay
und ä 'dann'*) — in den Suffixformen -m, -t, -i; -män, -tän.
1) Paikuli 86/9.
2) Chr. Bartholomae, Zur Kenntnis der mitteliranischen Mund¬
arten 4 (1922) 14.
14 H.H. Schaeder, Beitr. zur mitteliran. Sclirift- u. Sprachgescli.
-Mn angehängt. Denn soweit sich auch im allgemeinen das
Mittelpersische vom indogermanischen Sprachbau entfernt
hat, 80 getreu wahrt es die altindogermanische Regel, nach
der Enklitika hinter das erste Wort des Satzes treten. Be¬
merkenswert sind die aus diesem Anlaß entstandenen Suffix¬
häufungen in der Sprache des PPs: 118, 135 'pmyt 'mwöy
'dwyny : u-m-it ämöz ayven „und lehre mich dein Gesetz";
118, 136 mhtyM V ntlwnt 'dwyny : (e-t-iSän ne päd ayven
,,denn sie hielten dein Gesetz nicht"; 129,2 'pmyt 'Smhnt
w'ngy : u-m-it iSnüd väng „und du hast meine Stimme ge¬
hört" usf.
Für 'pn, 'dynn in der Hadschiabad-Inschrift ist also
u-män, ayay-män zu lesen. Der Vorschlag, in -n vielmehr die
mp. Fortsetzung von air. *nah (aw. nö ai. nah) 'uns, unser' zu
sehen*), ist unannehmbar. Sowohl parthisch wie mp. sind —
nach Ausweis der manichäischen Texte, deren Grundstock
mit den frühsassanidischen Inschriften gleichzeitig ist und
die lebendige Sprache des 3. Jh. vor Augen führt — air. */iaA,
*vah, 'uns', 'euch' restlos durch die Neubildungen -män, -tän
ersetzt. (Dagegen ist im Sogdischen *vah durch -ß [-ßy, -ßn]
vertreten.)
Aber wie ist die Schreibung -n zu erklären? An eine Ab¬
kürzung aus -mn bzw. -m'n ist nicht zu denken. Hier hilft
die parthische Fassung der neuen Inschrift des Schapur von
der Ka'ba-i Zarduät weiter. Sie sagt in Z. 4 dynr VC 'Ipyn
'lyn yntnt: denär panjsad .... däd „er gab Uns 500000 Denar" ;
in Z. 19 mn hw gyn 1000 mb mn trkpySn 'lyn 'hdyny : ai hö
meS (?) hazär, te ai tarkafiSn .... aßden ,,von den tausend
Schafen, die Uns vom 'Überschuß' zustehen". In der schon
oben S. 3 angeführten Stelle Z. 16 heißt es mnw b'tr mnn
yhyh : ke pai .... baväh, aber an der Parallelstelle Z. 29
1) So unabhängig voneinander J. Markwart, ZDMG 49 (1895) 667,
und F.C.Andreas bei C. Salemann, GIrPh. 1 a 291 § 72A; danach
E. Herzfeld, Paikuli 140 Nr. 122/3, 219 Nr. 656. Das dort anschließend unter Nr. 657 behandelte -n ist das -än nicht des Verbaladjektivs, wie Herzfeld will, sondern der 1. Sg. Präs. Subj., wie die angeführten Belege aus der Inschrift des Kävar (Pers. 11) zeigen.
H. H. Schaeder, Beitr. zur mitteliran. Schrift- u. Sprachgesch. It)
mnw b'tr mn') In rjhyh: ke paS ai amäh baoäh; beides heißt
„wer nach Uns sein wird". An den beiden ersteren Stellen
bedeutet 'lyn unzweifelhaft 'uns, i^f^Tv', und ebenso deutlich
ist es, daß mnn = mn In 'von uns' bedeutet. In allen diesen
Fällen kann aber -n nicht für -män stehen. Denn weder im
Parthischen noch im Mittel- und Neupersischen kann das
von einer Präposition regierte Personalpronomen als Suffix
der Präposition angehängt werden, mit alleiniger Ausnahme
der nip. Verbindung von az- 'von', pad- 'zu' und av- 'zu'
mit dem -(i)S der 3. Sg. Also ist für 'lyn zu lesen ö amäh,
für mnn : ai amäh. Das bedeutet aber, daß -n zum Ideogramm
gehört und aramäisch ist, nämlich das aram. Personalsuffix
der 1. PI. -nä mit althergebrachter defektiver Auslauts¬
bezeichnung*). Die ursprüngliche Aussprache von 'lyn und
mnn — beide Formen sind übrigens in den Elephantinepapyri
belegt — ist also 'alenä und min(n)anä. Beide Worte wurden
im ganzen als Ideogramme übernommen. Da 'ly- und mn-
auch anderweitig in Gebrauch waren, wurde -n zur ideo¬
graphischen Bezeichnung des Personalpronomens der 1. PI.
abstrahiert, und zwar sowohl für das selbständige amäh wie
für das suffigierte -män. Denn im Falle von mp. 'pn, 'dynn
sind nur die Lesungen u-män, ayay-män am Platze.
5. Während 'p dem parthischen Schriftsystem fremd ist,
kommt es im sgd. noch häufiger als im mp. System vor,
und zwar regelmäßig mit zy verbunden zu 'pzy, das in den
buddhistischen Schriften unterschiedslos mit einfachem zy
wechselt und gleich diesem 'daß; und' bedeutet. Wie ist zu
lesen? Die Frage ist nicht von der andern zu trennen, wie die
Konjunktion zu lesen ist, die früher mit ny umschrieben
und dann als Ideogramm zy (ZY) erkannt wurde '), deren
Lesung aber bisher nicht öffentlich festgestellt ist. Eine voll¬
ständige Darlegung des Sachverhalts, die ich schon vor Jahren
1) Nach n sind noch Schriftreste zu sehen, die ein y sein können.
Sprengling liest MN-y.
2) Iranische Beiträge 42/4.
3) Iranische Beiträge 45 A.I. 96. W. Lentz, SBPrA. 1934, 510f.
16 H.H. Schabdeb, Beitr. zur mitteliran. Schrift- u. Sprachgesch.
in Aussiclit gestellt habe, kann leider an dieser Stelle noch
nicht gegeben werden, da sie eine Gesamtdarstellung der sehr
fein ausgebildeten Syntax der Konjunktionen im Sogdischen
erfordert. Zum Nachweis der richtigen Lesung von zy werden
die folgenden Angaben genügen.
Aus dem Wechsel der Schreibungen C)kyZY und (')kyty
'welcher', (')^«;Zy und {')öwty 'was', (')kwZY und Okwty 'wo',
'WZY, kfr ZY und kt'r 't 'oder', p'rZY und p'rwty 'denn,
sondern' u. a. geht hervor, daß zy nach auslautendem Vokal-i,
nach Konsonant mit einem unbestimmten Vokal -9t zu lesen
ist; das -y in -ty ist für die Aussprache unerheblich. Ein
neuerlich veröffentlichter manichäischer Text ') schafft — was
dem Herausgeber entgangen ist — dadurch endgültige Klar¬
heit, daß er in allen den Verbindungen, wo in der Sprache
der alten Briefe (2. Jh. n. Chr.) und in den buddhistischen
Texten -zy erscheint, 'ty schreibt. So hat er ky(y) 'ty 'welcher',
(w 'ty 'was', kw 'ty 'wo', pr'w 'ty und p'rty 'denn'. Ferner
bietet er die Erklärung für 'ykzy durch S'nw 'ty 'wenn', für m'd
zy durch m'yd 'ty 'so daß' usf. Im Christlich-Sogdischen sind
diese Verbindungen fest zusammengewachsen, wie z. B. m't:
mät 'so daß' aus *m'ö-t, p't : pät (weiter p') aus p'r-t 'denn'
zeigen.
In allen diesen Fällen hat das -t, -st nicht etwa nur ver¬
stärkende oder hervorhebende Bedeutung — wie bisher an¬
genommen wird, soweit man sich überhaupt Gedanken dar¬
über gemacht hat —, sondern es hat eine ganz bestimmte
und charakteristische Funktion: es verwandelt Adverbien in
Konjunktionen — z. B. 'so' in 'so daß', 'nur' in 'nur daß, aber'
— und es macht Konjunktionen und Relativa als solche noch¬
mals besonders kenntlich. Entsprechendes gibt es schon im
Altiranischen. Im Jungawestischen steht neben ya&a 'wie,
wie wenn' das verdeutlichende^a^a yat 'weil, als ob, so daß';
im Altpersischen hat die Daivainschrift des Xerxes ya'&ä tya
'als' (Z. 29) statt des sonst üblichen ya'&ä und yadätya (Z.34),
yadäyä (Z. 39) 'wo' gegenüber einem in aw. yadät 'woher'
1) Ein manichäisches Bet- und Beichtbuch (Abh. Preuß. Akad. 1936,
10: 1937), Textn49— 51).
H. H. Schaedeb, Beitr. zur mitteliran. Schrift- u. Sprachgesch. 17
enthaltenen air. *yadä'vfo\ Diese Verdeutlichung des Relativ¬
ausdrucks hat im Sogdischen eine umfassende Verbreitung
erfahren: sgd. -t, -9t, das auf eine air. Relativpartikel bzw. ein
Relativpronomen, und zwar wohl auf *yat, zurückgeht, ist
zum 'Relativzeichen' schlechthin (weiterhin auch zur bloßen
Betonungs- und Verstärkungspartikel) geworden.
Ein genaues Gegenstück bietet das Aramäische in seiner
Relativpartikel, die in den späteren Dialekten, so im Syri¬
schen, d-, im Reichsaramäischen dl, in archaischer Schreibung
zy, heißt. Sie entspricht der sgd. Partikel nach Bedeutung
und Funktion bis ins einzelne und bot sich also als das ge¬
wiesene Ideogramm für sie an. Die Einführung gerade dieses
Ideogramms für eine dem Sogdischen eigentümliche Partikel
ist zugleich einer der stärksten Beweise dafür, daß die sog¬
dischen Schreiber ihre Ideogramme, und damit ihr Schrift¬
system überhaupt, unabhängig von der parthischen Kanzlei,
die das zy nicht kennt, ausgebildet haben — und eine Über¬
nahme aus der mittelpersischen Kanzlei, die zy für das dem
sgd. Relativzeichen z. T. entsprechende e, i schreibt, kommt
geschichtlich nicht in Frage. Vielmehr erklärt sich diese
Parallele nur aus dem gemeinsamen Ursprung des mp. und
sgd. Schriftwesens aus der aramäischen Kanzlei der Achä¬
menidenzeit. Nimmt man noch die Tat8a,che hinzu, daß noch
im 3. Jh. V. Chr., zur Zeit des Aäoka, in Nordwestindien einem
iranischen Kunsthandwerker eine nicht nur der Schrift, son¬
dern auch der Sprache nach aramäische Inschrift gesetzt
wird — die Inschrift von Taxila —, so ergibt sich die Un¬
ausweichlichkeit der in meinen 'Iranischen Beiträgen 1' ver¬
tretenen Auffassung, an die nur G. Messina nicht hat glauben
wollen: daß nicht nur in den westlichen, vorderasiatischen,
sondern auch in den östlichen, iranischen Provinzen des
Achämenidenreichs die Kanzleisprache das Aramäische war.
In den alten Briefen, von denen wegen ihres Alters trotz
der vielen ungelösten Rätsel, die sie noch enthalten, bei jeder
sogdischen Untersuchung auszugehen ist, steht für 'und', wie
schon bemerkt, die Ideogrammverbindung 'p-zy. Das ein-
ZaitKhrUt d. DUO Bd. »6 (Neoe Folge Bd. Sl) 2
2 •
18 H. H. Schaedeb, Beitr. zur mitteliran. Schrift- u. Sprachgesch.
fache zy, mit dem in den buddhistischen Texten 'pzy unter¬
schiedslos wechselt, findet sich hier noch nicht. Nur einmal
(2, 35), aber völlig gesichert, erscheint das Wort für 'und'
in der lautgemäßen Schreibung 'rty. Sie ist auch den bud¬
dhistischen Schriften geläufig, in denen sie mit rty (auch
rtty, rt) wechselt; dazu tritt die leichtere Form 't (auch
"t). In den manichäischen Texten findet man 'rty, 'rt und
überwiegend 'ty, in den christlichen vereinzelt 'rty und 'ty,
meist'«.
Obwohl es auf den ersten Blick naheliegt, 't(y) als jüngere
Fortsetzung von 'rt{y) mit geschwundenem r anzusprechen,
ist dennoch, wie ich meine, 't{y) nicht von air. uta zu trennen,
von dem alle andern mitteliranischen Worte für 'und' (auch
sak. u) abgeleitet sind. Danach ist 't{y) als ursprünglich an¬
zusehen, dagegen 'rt(y) zu den gesicherten Beispielen") für
sekundär eingedrungenes -r- zu stellen. Ihnen ist auch buddh. -
sgd. ßry'r : v.rxär hinzuzufügen, das aus ai. vihära umge¬
bildet und seinerseits als v(a)rxar ins Uigürische, als jarxär
ins Neupersische entlehnt ist'). Die von E. Benveniste') an¬
genommene Zurückführung von 'rty auf aw. ha&ra 'gleich¬
zeitig, zugleich, zusammen' ist ebensowenig glaubhaft wie
die dabei vorausgesetzte Entwicklung von air. -?9r- zu sgd. -rt.
Wenn nun für 'ty, 'rty die Verbindung 'p-zy geschrieben
wird, 80 bedeutet dies, daß 'p- für den Begriff 'und' steht,
wie im mp. Ideogrammsystem für u- 'und', während ' zy
gewissermaßen als 'phonetisches Komplement' dient und das
gesprochene -t besonders zum Ausdruck bringt, obwohl es
in diesem Falle nicht das Relativzeichen ist, für das zy als
Ideogramm eingeführt wurde. Es ist das die aus dem mp.
System bekannte Erscheinung der Ideogrammübertragung,
deren bekanntestes Beispiel die Verwechslung von mnw {ke),
'mt (ka) und 'yk (ku) ist; veranlaßt wurde sie durch den spä¬
teren lautlichen Ausgleich von ke, ka und ku.
1) Bet- und Beichtbuch 88 f.
2) Unzutreffend beurteilt von E. Benveniste, Bull. Soc. Ling. 28
(1928) Fasc. 2, 7 f.
3) Essai de grammaire sogdienne 2 (1929) 171.
H. H. ScHABBBB, Beitr. zur mitteliran. Schrift- u. Sprachgesch. 19
Im Laufe der Zeit behauptete sich — das zeigt das Vor¬
dringen von 'i in den christlichen Texten und das -t 'und'
im Yagnobi"), dem heutigen Fortsetzer des Sogdischen —
für 'und' die Form 9t. Dafür begann man nun auch das ein¬
fache zy zu schreiben, neben dem 'pzy als archaische Schrei¬
bung weiterlebte. Die um 720 n. Chr. aufgezeichneten Ur¬
kunden des Fundes vom Berge Mugh, 120 km östlich von
Samarkand, haben bereits durchgängig zy für 'und'.
Das sgd. Ideogramm zy 'daß; und' ist also überall 9t, -t
zu lesen ; 'pzy bedeutet in älterer Zeit 9rt, 9t, später — ebenso
wie zy — gleichfalls 9t, -t.
Soviel muß an dieser Stelle zur Aufhellung von zy hin¬
reichen. Hinzugefügt sei nur noch, daß eben dies zy ein
schon vor fünfzehn Jahren richtig beurteiltes, neuerdings
verkanntes Dasein in einigen christlich-sgd. Texten führt.
Dem Leser der sechs Stücke dieser Gattung, die W. Lentz
aus dem Nachlaß F. W. K. Müllers herausgegeben hat muß
es auffallen, daß in den Texten 4 und 5 als Verbindungs¬
partikel kein einziges Mal das sonst gewohnte, auch in den
Texten 1—3 und 6 ausschließlich verwendete 't erscheint,
sondern ein Zeichengebilde, das sich, auf die sgd. Abwand¬
lung der für diese Texte verwendeten syrisch-nestorianischen
Schrift bezogen, yy (syr.'y) lesen läßt; dies yy ist aber
den andern Texten ganz unbekannt.
Daraus folgt mit Notwendigkeit, daß yy in der einen
Textgruppe dasselbe bedeutet und ebenso auszusprechen ist
wie 't in der andern. Müller') hat es daher mit dem zy der
buddhistischen Texte — das er irrigerweise noch NI las —
zusammengebracht und für ein Ideogramm erklärt: und das
ist ohne Zweifel richtig. Lentz*) wandte dagegen ein, daß
diese Texte sonst keine Ideogramme verwenden und daß yy
1) Vgl. GIrPh. lb 343, Satz 33 (mit A. 52): xurjtn 't sandüq nas
,,nimm den Sack und die Kiste".
2) Soghdische Texte II, SBPrA. 1934, 504—607.
3) SBPrA. 1926, 2 A. 2.
4) a. O. 511.
2»
20 H.H. Schabbbr, Beitr. zur mitteliran. Schrift- u. Sprachgesch.
aus dem Iranischen zu erklären, nämlich mit schugni %u")
zu verbinden sei. Aber abgesehen davon, daß von *yi zu
keine Brücke führt, genügt die Gegenüberstellung der Texte
mit yy und derer mit 't, um diese Deutung abzuweisen.
Daß zwei im übrigen sprachlich ganz gleichartige Textgruppen
zwei ganz verschiedene Worte für 'und' gebrauchen, das gibt
es nicht.
Freilich ist yy insofern kein echtes Ideogramm, als es
in dem Schriftsystem, in dem es verwendet wird, nicht be¬
heimatet ist. Es ist gar nicht nach der nestorianischen Schrift
yy zu lesen, sondern es ist das aus der buddhistischen Schrift
als Chiffre übernommene zy. Ein genau entsprechendes Gegen¬
stück ist unser &, das wir noch bei der Schreibung von
Firmennamen verwenden — wobei die wenigsten Benutzer
wissen, daß es von Hause aus das lateinische et ist.
Soeben veröffentlicht O. Hansen einen chr.-sgd. Text*), in
dem 't und zy nebeneinander vorkommen, jedoch im Ver¬
hältnis 7:1. Auch Hansen schreibt nach dem Vorgang von
Lentz yy. Ich empfehle, bei der Umschreibung solcher Texte
statt dessen fortan das Zeichen & zu gebrauchen. Zu lesen
ist es wie 't : a<. •
6. Obwohl nicht zu den Ideogrammen gehörig, sei hier
noch ein mp. Wort angeschlossen, dessen überlieferte Lesung
mehrfach beanstandet und das noch nicht richtig erklärt
worden ist. Geschrieben wird es 'ngw$yt{k), erläutert durch
Pazend angöSida. E. W. West las statt dessen ängunt-attö,
C. Salemann*) umschrieb 'ngn'ytk, Chr. Bartholomae*) las
ängönlhit[ak. H.S.Nyberg^) brachte die Pazendlesung wieder
1) Lentz sagt a. O. 585 a und an der dort angegebenen Stelle nicht,
was das Wörtchen eigentlich bedeutet. — Abwegig Bet- und Beicht¬
buch 58 A. 2 (yi zu maralbaschi-sakisch yi, auch ya, yä, yul).
2) Berliner soghdische Texte I. Bruchstücke einer soghdischen Ver¬
sion der Oeorgspassion (Abh. Preuß. Akad. 1941, 10). Vgl. Forschungen und Fortschritte 1941, 360 f.
3) GIrPh. la 321.
4) Zum sasanidischen Recht 2 (1918) 41.
5) Hilfsbuch 2, 102.
H. H. ScHABDBK, Beitr. zur mitteliran. Schrift- u. Sprachgesch. 21
zu Ehren, las aber etwas abweichend hangöSitak, was er zu
einem von Fr. Müller angesetzten — mir sehr zweifelhaften —
hamköS 'synonym' stellte.
Die richtige Lesung und Erklärung des Wortes folgt aus
buddh.-sgd. 'nywnöyd. Der erste Teil dieses Wortes ist, wie
bereits festgestellt'), mit 'nywn 'in gleicher Weise, ebenso'
und dem gleichbedeutenden mp. hngwn : hangön zu ver¬
binden; beides geht auf air. *hama-gauna- zurück. Das ganze
Wort ist offenbar aufzulösen in an-yön-(-ed 'gleicher Weise
wie dies'; -ed ist dasselbe wie buddh.-sgd. 'yd, häufiger yyd:
xed, chr.-sgd. xV^ 'dieser', dessen Herkunft noch unklar ist —
jedenfalls läßt es sich nicht einfach von air. *aita- ableiten*).
Gleichwertig mit 'nyvoniyd ist die häufig, aber gleichfalls
nur in buddhistischen Texten belegte Bildung 'ywywnöyd^):
evyönöed, die nur anyän 'auf dieselbe Weise' durch evyön 'auf
6ine Weise' ersetzt, vielleicht beeinflußt durch 'ywznk{yd)
'gleichartig'.
Danach ist mp. 'ngwSyt{k), zu lesen angöSid(ay), auf ein
älteres angönSed zurückzuführen, das tatsächlich durch die
von Bartholomae a. O. verzeichnete seltenere Schreibung
'ngwn° bezeugt wird. Außerdem erweist sich das Wort als
nicht ursprünglich mp., sondern entlehnt, und zwar, nach
Ausweis der Vertretung von 6 durch S, aus dem Parthischen.
Daß in einem Teil des parthischen Sprachgebiets diese beiden
Laute zusammenfielen, geht daraus hervor, daß die parthi¬
schen Inschriften für beide nur ein Zeichen, das aramäische S
haben (aram. s, das im mp. und sgd. Schriftsystem für 6 ver¬
wendet wird, bleibt im parthischen System auf Ideogramme
beschränkt). Dasselbe lehren parthische Lehnworte im Ara¬
mäischen, wie syr. nahSirä aus parth. naxSir (naxöikr) 'Jagd',
Srägä aus 6iräy 'Lampe', und der Vergleich zwischen man.-
parth. Snng 'Harfe' und np. 6ang.
1) Bet- und Beichtbuch 104.
2) Vgl. W. Lentz a. O. 585 unter xy^; dazu E. Benveniste, JA 19361 218/20.
3) Vgl. E. Benveniste, Gramm, sogd. 95.104. (Unzutreffend ist die
Angabe S. 95, daß -ed in diesem Worte keinen bestimmten Wert habe.)
22 H.H. Schaedbb, Beitr. zur mitteliran. Schrift- u. Sprachgesch.
Die Tatsache der Entlehnung erklärt sowohl die sprach¬
liche Entwicklung wie die Bedeutungsverschiebung, die das
Wort im Mp. erfahren hat. Seiner Bildung nach ist es ein
Adverb, und als solches — nie als Adjektiv oder Substantiv —
wird sgd. 'nywnöyd (und 'ywywnöyd) allein gebraucht. Im
Mp. dagegen ist es zu einem Substantiv in der Bedeutung
'Art, Weise' geworden, so daß es in einem manichäischen
Text') zu einem Hendiadyoin mit dem gleichbedeutenden
ayvenay verbunden werden kann: pad en harn angöSiöay uö
ayvenay heißt ,,auf diese selbe Art und Weise".
1) SBPrA. 1933, 300, 15 mit A. 5.
Von indischen Tieren Von Heinrich Lüders
Es gibt eine Menge altindischer Tiernamen, deren Be¬
deutung unklar ist. Die Angaben der Lexikographen sind
vielfach zu allgemein, als daß sich danach das Tier, das
gemeint ist, feststellen ließe. Auf die Kommentatoren ist
kein Verlaß; hinter ihren Erklärungen verbirgt sich häufig
krasse Unwissenheit. Auch ist zu beachten, daß Tiernamen
nicht nur örtlich in verschiedenem Sinne gebraucht sein
können, sondern bisweilen auch im Laufe der Zeit ihre Be¬
deutung ändern. Ich habe aus der Fülle des Materials, das sich
darbietet, vier Namen ausgewählt, die alle schon im Veda
vorkommen, und versucht ihre Bedeutung genauer zu be¬
stimmen, und ich meine, daß die darauf verwendete Mühe
nicht umsonst ist. Ich halte es jedenfalls nicht für gleichgültig,
ob die vedischen Arier sich ein Krokodil oder einen Delphin
vor dem Wagen ihrer Aävins dachten, ob sie glaubten, daß
die Hexenmeister Kuckucksgestalt annehmen oder sich in
Wehrwölfe verwandeln könnten, und ich hoffe, zeigen zu
können, daß die Feststellung der wahren Bedeutung von
Namen wie godhä und parasvat sogar das Verständnis der
vedischen Texte berichtigen und vertiefen kann.
1. Godhä
Godhä ist der Name einer Eidechsenart, die in der Sanskrit-
Literatur seit dem Rgveda oft erwähnt wird. Es werden
nach der Färbung verschiedene Arten unterschieden; Varä-
hamihira spricht Brhats. 53, 13 von einer weißen (svetä),
53, 69 von einer braunen (kapilä) godhä. Brhats. 87, 3; Agnip.
230, 19 wird sie unter den Tieren genannt, die bei Tag und
Nacht wandeln. Bei Suäruta 1,46,76 und Vägbhata, Astäüga-