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Botulinumtoxin aus HNO-Sicht

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Academic year: 2022

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R E F E R A T E X P O S É

ERNSTMORITSCH

Die lokale Applikation von Botuli- numtoxin blockiert reversibel die cholinerge Synapse, was eine hemmende Wirkung auf die betroffene Muskulatur auslöst.

Dies ermöglicht das gezielte Beenden von Muskelspasmen und das Sistieren von Schweiss-, Speichel- und Tränenproduktion.

Das Botulinumtoxin bewirkt eine zeitlich begrenzte reversible Blockade der Azetyl- cholinausschüttung an der cholinergen Synapse. Nach Wochen bis Monaten kommt es zur Funktionswiederkehr, sodass eventuell eine neuerliche Applikation erfor- derlich wird.

Es existieren sieben unterschiedliche Typen dieses Toxins (Typ A–G). Therapeutische Anwendung finden die Typen A, B und F;

am gebräuchlichsten ist Typ A, welcher als Botox®zu 100 E pro Flasche im Handel ist.

Daneben gibt es noch das Präparat Dysport®mit 500 E pro Flasche. Allerdings sind die Einheiten nicht identisch, ungefähr 1 E Botox entspricht 4 E Dysport®. Bei Ver- sagen kann man auf Typ B (NeuroBloc®, MyoBloc) umsteigen.

Die Wirkung tritt nach etwa drei bis fünf Tagen ein, unter Umständen auch erst nach zwei Wochen. Anfangs sollte man eine eher geringe Dosis verwenden, wobei

eine Nachinjektion nötigenfalls appliziert werden kann. Der Effekt hält nach Einset- zen auf einem horizontalen Plateau an, um sich dann abzuschwächen. Die Gesamt- wirkzeit bei fazialen Dyskinesien wird mit zwei bis fünf Monaten angegeben, wobei sie am längsten bei einen Spasmus facialis andauert.

Vereinzelt zeigt allerdings diese Therapie keinen Effekt. Offensichtlich sind neutrali- sierende Antikörper daran schuld. Zur Ver- meidung der Bildung solcher Antikörper sollte ein Injektionsintervall von zehn bis zwölf Wochen nicht unterschritten wer- den. Bei Anwendung an verschiedenen Körperstellen ist eine entsprechende Synchronisation der Injektionstermine vor- zunehmen.

Solche sind an sich selten und dann passa- ger. Entweder liegt eine Überdosierung vor, oder es kommt zu einer Schwächung von Muskelgruppen. Die Nebenwirkungen sind allerdings deutlich kürzer als der positive therapeutische Nutzen. Typische Neben- wirkungen sind: Ptose, Augentränen, Au- genbrennen, Lagophthalmus, Doppelbil- der, trockenes Auge und umschriebene Hämatome.

Nicht anwendbar ist das Botulinumtoxin bei Myasthenia gravis und beim pseudo- myasthenischen Syndrom von Lambert Eaton Rookes.

Eine unkontrollierte Wirkungsverstärkung ist bei gleichzeitiger Einnahme von Amino- glykosid-Antibiotika zu erwarten, sodass auf andere Antibiotika zurückgegriffen werden sollte.

Eine relative Kontraindikation besteht bei kontemporärer Medikation von Tetrazykli- nen und Polymyxinen. Auch sollte die The- rapie in der Schwangerschaft und Stillzeit unterbleiben. Kinder können wie Erwach- sene behandelt werden, bei entsprechen- der Dosisreduktion.

Indikationen

Die meisten Patienten werden wegen einer fazialen Hyperkinese behandelt: Spasmus facialis, Synkinesien nach einer Fazialisde- fektheilung und Blepharospasmus. Aber auch spezielle Dystonieformen wie zum Beispiel das Meige-Syndrom (bes. bei Frauen Blepharospasmus mit lokalen Muskeldysto- nien von Mund und Unterkiefer) kommen in Betracht. Schliesslich kann gewollt eine Ptose zum Schutz der Cornea provoziert werden. Bei isolierter einseitiger Lähmung des Ramus marginalis mandibulae lässt sich eine Verbesserung der Symmetrie durch In- jektion an der Gegenseite erzielen.

Je nach Masse der hyperaktiven Muskula- tur, Ausprägungsgrad der Bewegung und Konstitution des Patienten werden Gesamt-

Botulinumtoxin aus HNO-Sicht

M M M

M e e e e r r r r k k k k -- --

p u n k t e p u n k t e

●Die Wirkung der Botulinum- toxin-Injektion tritt nach etwa drei bis fünf Tagen ein, unter Umständen auch erst nach zwei Wochen.

●Antikörperbildung kann die Wirkung von Botulinumtoxin antagonisieren.

●Während zunächst Dyskinesien im Gesicht sowie Dystonie im Zentrum standen, ist heute die Liste der möglichen Indikationen für Botulinumtoxin sehr lang ge- worden.

●Die Applikation von Botulinum- toxin gehört in die Hände ge- schulter Spezialisten.

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dosen von 20 bis 60 E Botox verwendet.

Das Mittel muss vor Gebrauch aufgelöst werden. Sinnvoll sind 1-ml-Tuberkulinsprit- zen mit feinen Kanülen (z.B. 30 Gauge).

Je nach Intensität und Ausdehnung der pathologischen Bewegungen werden ver- schiedene mimische Muskeln durch subku- tane Injektionen behandelt; Botox diffun- diert dann problemlos in das darunter befindliche Muskelgewebe: M. orbicularis oris, M. frontalis, M. zygomaticus, M. riso- rius, M. depressor labii inf. und Platysma.

Vermieden werden soll eine Injektion im medialen Augenwinkel, um den Tränen- abtransport nicht zu behindern, ferner in die Mitte des Oberlids wegen der Möglich- keit einer Ptose. Auch der laterale obere periorale Bereich sollte ausgespart bleiben, um einem Herabhängen des Mundwinkels mit Störungen beim Essen, Trinken, Spre- chen und Zähneputzen vorzubeugen. Ini- tial werden Dosen von 1,25 bis 2,5 E Botox pro Injektionspunkt eingespritzt, was peri- okulär bis auf 5,0 E gesteigert werden kann.

Eine genaue Dokumentation ist schon aus forensischer Sicht ebenso wichtig wie eine gründliche vorherige Besprechung mit dem Patienten.

Komplexe Dystonien

Bei der oromandibulären Dystonie bestim- men Zungenprotrusion und Kieferbewe- gungsstörungen das klinische Bild. Be- währt haben sich EMG-Nadeln, mit denen zunächst ein elektromyografischer Befund erhoben und sodann injiziert werden kann:

Ziele sind Mundboden und extrinsische Zungenmuskulatur mit Dosen von 10 bis 15 E Botox. Injektionen in die intrinsische Muskulatur der Zunge würden zu erhebli- chen Sprech-, Kau- und Schluckproblemen führen.

Bruxismus

Reichen konventionelle Massnahmen (Schienentherapie) nicht aus, können Injek- tionen von Botulinumtoxin in die Mm.

masseter und temporales mit Gesamtdo- sen von 10 bis 60 E Botox hilfreich sein.

Ähnlich geht man bei muskulär bedingter Kieferklemme vor, auch zur Ruhigstellung nach Kieferfrakturen.

Ein zu rigider Ösophagussphinkter (M. cri- copharyngeus) mit entsprechender Dys- phagie lässt sich analog behandeln, auch narbige und spastische Veränderungen nach Laryngektomie. Schliesslich können durch gezielte Behandlung einzelner Larynxmuskeln dysphone Störungen der Stimmbandfunktionen günstig beeinflusst werden.

Zervikale Dystonie

Diese Dystonie ist die häufigste Form idio- pathischer fokaler Art. Die Patienten leiden unter unwillkürlichen tonischen Aktivitäten der Mm. sternocleidomastoidei, des M. sple- nius capitis und trapezius, der Skalenus- gruppe und des M. levator scapulae. Es kommt zu Bewegungseinschränkungen, Schmerzen und Stigmatisierung; sekun- däre Veränderungen der Halswirbelsäule können hinzutreten. Die gezielte Verabfol- gung von Botox in der jeweils betroffenen Muskulatur ohne systemische Nebenwir- kungen erwies sich als überaus effektvoll.

Hier sind allerdings höhere Dosen indiziert, etwa 40 bis 120 E. Passagere Nebenwir- kungen sind Mundtrockenheit, Dysphagie, lokaler Schmerz, Müdigkeit, Sprechstörun- gen und Übelkeit.

Seltene Indikationen

Tremor palatinus: Die pathologischen Be- wegungen erzeugen ein Geräusch im Ohr («Ear click»), das auch extern vernommen werden kann. Botox-Injektionen erfolgen in den M. tensor veli palatini.

Zum Beispiel nach Parotisoperationen kann es durch Fehlinnervation zum gustatori- schen Schwitzen (Kauschwitzen, Frey-Syn- drom; statt Speichel wird Schweiss produ- ziert) kommen. Ursächlich handelt es sich um eine fehlgeleitete Reinnervation des operativ durchtrennten N. auriculotempo- ralis. Mittels Jod-Stärke-Test nach Minor wird das schwitzende Areal genau identifi- ziert und in kleine Quadrate von etwa 4 cm2unterteilt. In diese einzelnen Felder werden jeweils 2,5 E Botox intrakutan inji- ziert. Wegen Schmerzhaftigkeit wird die vorherige Applikation einer anästhesieren- den Salbe, z.B. Emla-Creme®, empfohlen.

Im Allgemeinen hält die Wirkung viele Wochen an.

Eine einfache Hypersalivation lässt sich durch Injektion von 2,5 bis 12,5 E Botox di- rekt in die Glandula parotis beziehungs- weise submandibularis herabsetzen. Bei Speichelfisteln führt eine Umspritzung der Fistelöffnung mit 2,3 bis 12,5 E Botox zum Versiegen der unerwünschten Salivation.

Dermatologen behandeln übermässiges axilläres, palmares und plantares Schwitzen mit Botulinumtoxin. Aber auch kranio- faziale Hyperhidrose ist mit einer solchen intradermalen Therapie günstig zu beein- flussen.

Neue Indikationen

Bei Spannungskopfschmerz und Migräne sind die Ursachen komplex. Die Einnahme diverser Medikamente kann durch Botox- Injektionen in den M. trapezius, splenius capitis, frontalis und temporalis sowie in die Glabellarregion reduziert werden. An- gewandt werden Dosen von 80 bis 100 E Botox. Eine nasale Hypersekretion auf aller- gischer oder intrinsischer Basis war bisher nur unbefriedigend therapierbar. Da die nasalen Drüsen vorwiegend cholinerg in- nerviert werden, erwies sich eine Botuli- numtoxin-Injektion in die Muscheln als er- folgreich. Auch die Einlage von mit Botulinumtoxin getränkten Schwämm- chen dürfte effektvoll sein.

Im plastisch-ästhetischen Bereich findet die Substanz verbreitet Anwendung. Falten lassen sich gezielt durch Ausschaltung kon- trahierender Muskeln glätten. Eine genaue Vorher-Nachher-Dokumentation ist uner- lässlich.

Kommentar des Referenten Die geschilderten Indikationen stellen nur einen Ausschnitt der Anwendungsmög- lichkeiten dar. So wurde auf Massnahmen mit Botulinumtoxin beim Schielen, Schreib- krampf oder Spitzfuss, um nur einige Bei- spiele zu nennen, nicht eingegangen. ● Quelle: HNO 2004; 52: 635–641.

Ernst Moritsch, Wien

Interessenkonflikte: keine deklariert

Botulinumtoxin aus HNO-Sicht

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