Die Zusammenarbeit von VR
und Geschäftsleitung in KMU
Der KMU-Verwaltungsrat entfaltet seine grösste Wirkung, wenn die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung produktiv ist. Dies bedingt neben einer Erwartungsklärung und Regelung der Zuständigkeiten auch ein grosses Vertrauensverhältnis.
) Dr. Alexander Fust, Christoph Brunner Ein schlagkräftiges KMU-Verwaltungs- ratsgremium zeichnet sich unter ande- rem dadurch aus, dass eine produktive Zusammenarbeit mit der Geschäftslei- tung gestaltet wird. Der VR ist das stra- tegische Organ von KMU und somit für die Entwicklung der Strategie und die Kontrolle der Umsetzung zuständig. Die operative Geschäftsführung wird an die Geschäftsleitung delegiert.
Erwartungsklärung lohnend
Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit lohnt es sich, dass die Geschäftsleitung wie auch der Verwaltungsrat und der Ver- waltungsratspräsident (VRP) ihre Erwar- tungen an die jeweiligen Personen offen- legen und miteinander klären. Laut einer Studie der Universität St. Gallen sehen Geschäftsführer den VRP vor allem als Vi- sionär, Strategen, Ethiker, Coach, Netz- werker, Repräsentanten und Konfliktlöser.
Sie betonen auch, dass die zeitliche Ver- fügbarkeit der Verwaltungsräte zentral ist.
Zur Erwartungsklärung gehört, dass auch die Zuständigkeitsbereiche der Geschäfts-
dies auch formal festzulegen. Für den VRP
besteht ein Spannungsfeld zwischen
Nähe und Distanz zur Geschäftsführung.Es gilt die Verantwortung wahrzuneh- men, ohne den Handlungsspielraum der Geschäftsführung zu stark einzuschrän- ken. Folgende Fragen sind deshalb zent- ral, die von VRP, VR und Geschäftsfüh- rung diskutiert werden sollten:
> Wie oft treffen / hören sich der VRP und der CEO?
) Wer übernimmt welche Kommuni- kation innerhalb und ausserhalb der Firma?
) Welches Reporting ist für den VR zielführend?
> In welchen Abständen folgen die In- formationen für den VR und welchen Detaillierungsgrad weisen sie auf?
> Bei welchen Gesprächen mit Stakeholdern soll der VRP involviert werden?
) Wie intensiv wird die Aufsichts- funktion des VRP gegenüber der Geschäftsführung gelebt?
) Welche Anträge sollen im VR und welche in der GL diskutiert werden?
Werden vom Verwaltungsrat Aus- schüsse gebildet für die Vorbereitung
Regelung der Zusammenarbeit
Die Abgrenzung und die Regelung der Kom- petenzen von VR und GL werden formal im Organisationsreglement und oft noch de- taillierter im Funktionendiagramm festge- halten. Im Organisationsreglement werden etwa die folgenden Aspekte geregelt:
) Zuweisung von Verantwortlichkeiten, Kompetenzen und Aufgaben. Das heisst: Für welche Beschlüsse ist der VR verantwortlich?
) Rechte und Pflichten des VR ) Berichterstattung der
) Ausstand bei möglichen Interessens- konflikten
) VR-Sitzungsrhythmus mit Themen- schwerpunkten übers Jahr verteilt (oft tagt der VR mind. vier Mal jährlich) ) Beschlussfähigkeit und -fassung
(z. B. Möglichkeit von Zirkular- beschlüssen, Online-Durchführungen und Telefonkonferenzen)
> Regelung der internen und externen Kommunikation
> Bildung von Ausschüssen des VR Der VR erlässt das Organisationsregle- ment und überprüft es regelmässig in
Bezug auf Änderungen.
Funktionendiagramm (beispielhaft)
Konstituierungdes VR Entscheid
Durchführung der GV Vollzug Vorbereitung
Festlegung des Organi-
sationsreglements Entscheid Vorbereitung / Antrag
Erstellung Jahres-
rechnung Entscheid Vorbereitung
Marketing und
Informationsanspruch Entscheid und Vollzug
Geschäftsleitung
Aufgaben Gesamt-VR VRP
Konstituierung des VR Entscheid
Durchführung der GV Vollzug Vorbereitung
Festlegung des Organi-
sationsreglements Entscheid Vorbereitung / Antrag
Erstellung Jahres-
rechnung Entscheid Vorbereitung
Marketing und
Informationsanspruch Entscheid und Vollzug
Verkaufsaktivitäten
Allfällig weitere Per- sonen, z.B. Delegier- ter des VR, Sekretär des VR oder externer Berater
Im Funktionendiagramm werden die
Kompetenzzuweisungen an den VRP,den VR und die GL definiert. Dabei kön- nen diese Zuweisungen in einer Tabelle festgehalten werden, in der die Zuständig- keiten für einzelne Aufgaben festgelegt werden. So wird definiert, wer für die Vor- bereitung, die Beratung, den Entscheid, die Kontrolle und den Vollzug zuständig ist. Dies kann mit Angabe von Buchstaben und einer Legende erreicht werden und nach Leitungsaufgaben, Organisation und Personal, IT, Finanz- und Rechnungs- wesen sowie Produktion, Marketing und Verkauf unterteilt werden. In der Tabelle werden beispielhaft einzelne Aufgaben vorgestellt (in Anlehnung an Müller et al., 2014, S. 863). Weiterführende Ausführun- gen und ein Beispiel zu dem Organisations- reglement und dem Funktionendiagramm können im Buch von Roland Müller und weiteren Autoren gefunden werden (Der Verwaltungsrat, 4. Auflage, 2014, Kapitel 11.55 und 11.31).
Entwickeln und umsetzen
Strategieworkshops werden in KMU vom VR mit der Geschäftsleitung durchgeführt mit dem Ziel, eine Vision, Mission, Strate- gie, strategische Ziele und Massnahmenzu definieren. Die Rollen von VR und GL werden in der Praxis unterschiedlich wahrgenommen. Die Geschäftsleitung ist nahe am Markt und hat dadurch oft einen Informationsvorsprung gegenüber dem VR. Die Strategieentwicklung in KMU wird zudem durch unterschiedliche Per- sönlichkeiten geprägt. Wer wie stark die Strategieentwicklung beeinflusst, hängt einerseits von den Charaktereigenschaf- ten (zum Beispiel Dominanz) und ande- rerseits von der eigenen Expertise der beteiligten Personen ab. Die Erfahrung zeigt grosse Unterschiede, inwiefern die
Geschäftsleitung, der VR oder beide
gleichberechtigt die treibenden Akteure bei der Entwicklung der Strategie sind.Die Geschäftsführung ist für die Umset- zung der Strategie zuständig und der VR für das Controlling der Umsetzung. Die Geschäftsführung definiert, was ihr Bei- trag für die Zielerreichung der Firma sein wird. So werden strategische Ziele für die GL aus der Firmenstrategie abgeleitet.
Gleiches wird für die nächsten Hierar- chiestufen vorgenommen. So herrscht Klarheit, was sie zu den Firmenzielen bei- tragen können. Die Ziele sollen möglichst klar formuliert werden. Das heisst: Was ist der Beitrag der einzelnen Bereiche ei- ner Firma zur Erreichung der Firmenstra-
tegie? So werden in der Praxis die Ziele nach «SMART» formuliert (das heisst spe- zifisch, messbar, aktivierend, realistisch und mit einem Termin versehen).
Neuere Ansätze wie etwa OKR («Objec- tives» und «Key Results») oder 4DX (die vier Dimensionen der Umsetzung) konzen- trieren sich dabei auf die Umsetzung von weniger Zielen und sind agiler. Bei OKR nehmen sich die Abteilungen und Mitar- beitenden fünf Ziele vor mit jeweils nicht mehr als vier Kernergebnissen, damit die übergeordneten Ziele der Firma erreicht werden können. Bei 4DX geht es darum, dass sich die ganze Firma auf die maximal zwei wichtigsten strategischen Ziele (soge- nannte «WIG, wildly important goals») konzentriert, damit die Wahrscheinlich- keit ihrer Umsetzung erhöht wird.
Vertrauensverhältnis
Eine produktive Zusammenarbeit bedingt ein gutes Vertrauensverhältnis. Die Ge- schäftsführung wird nur dann ehrlich und offen kommunizieren, wenn sie weiss, dass der VR angemessen mit diesen Infor- mationen umgehen wird und sie nicht zum Nachteil der Geschäftsführung einsetzen wird. Ansonsten wird die Geschäftsfüh-
fern darf und welche nicht. Umgekehrt darf der VR auch von der GL eine solche Behandlung erwarten. Als Konsequenz heisst das, dass die GL und der VR integre
und engagierte Persönlichkeiten mit
Vorbildfunktion sein sollen, um die Firma erfolgreich führen zu können. Eine gro- sse Gefahr für KMU sind Spannungen zwischen dem VR und insbesondere dem VRP und der Geschäftsführung. So wer- den nicht nur weniger relevante Infor- mationen ausgetauscht, sondern auch falsche Prioritäten in den Diskussionen gesetzt, die zu falschen Entscheidungen führen können. Idealerweise soll eine At- mosphäre geschaffen werden, in welcher die Geschäftsführung und alle VR-Mit- glieder ihre Ideen, Vorschläge und Be- denken einbringen können, ohne Angst vor Ausgrenzung. Unterschiedliche An- sichten können so geteilt werden. Der
giVeranstaltung zum Thema
mit dem CEO zuständig.
In Krisensituationen
Krisensituationen wie etwa die aktuelle Situation aufgrund der Entscheide und Verordnungen rund um Covid-19 bean- spruchen den KMU-VR und vor allem den VRP besonders. In dieser Zeit gilt es, die Geschäftsleitung zu unterstützen, oft als Sparringspartner zu begleiten und Massnahmen mit der Geschäftsleitung zu entwickeln. Eine besondere Situation ist auch der kurzfristige Ausfall des Ge- schäftsführers. Es gilt für den VRP mit der Geschäftsleitung sofort zusammen- zusitzen und die weiteren Schritte und Verantwortlichkeiten zu definieren. Der VRP wird intensiv damit beschäftigt sein und in den meisten Fällen auch operative
Symposium für KMU-Verwaltungsräte
Am 4. September 2020 findet bereits zum vierten Mal das von der OBT AG und dem KMU-HSG organisierte VR-Symposium statt. Veranstaltungsort ist Zürich Oerlikon. Heinz Eberhard, VRP der Eberhard Unternehmungen, wird berichten, wie er als VRP die Zusammenarbeit mit dem CEO in der Praxis erlebt. Darüber hinaus wird Nadja Lang über die Wichtigkeit der Nachhaltig- keit diskutieren und wie KMU-VR dieses Thema als Chance nutzen können.
Dr. Sibylle Peuker wird die künstliche Intelligenz in KMU betrachten und wie gute Entscheidungen getroffen werden können. Als Abschlussreferat wird
Stellung des VRP
Der Verwaltungsratspräsident hat in ei- nem KMU eine spezielle Stellung. Diese Person koordiniert die Informationen und die Kommunikation zwischen dem VR und der GL. Das äussert sich etwa in der
Vorbereitung und Leitung der VR-
Sitzungen und der GV, den Telefonaten oder Treffen mit der Geschäftsführungzwischen den VR-Sitzungen und der
Nachbereitung. Dabei nimmt die/der VRP auch eine helfende und motivierende Funktion als kritischer Sparringspartner der Geschäftsführung ein. Die Effizienz und Schlagkraft des VR kann durch eine enge Zusammenarbeit vom VRP mit der Geschäftsführung gesteigert werden.
Porträt
Dr. Alexander Fust
Leiter Transfer und Fördergefässe, KMU-Institut der Universität St. Gallen
Dr. Alexander Fust arbeitet am Schweizerischen Institut für Klein- und Mittelunternehmen, ist Direktor des För- dervereins KMU-HSG und Lehrbeauftragter an der Uni- versität St. Gallen. Er leitet Erfahrungsaustauschgruppen von Unternehmern aus unterschiedlichen Branchen, begleitet Start-ups und ist in mehreren KMU-Verwaltungsräten tätig.
Christoph Brunner Partner, OBT AG
Christoph Brunner ist Partner der OBT AG und leitet den Bereich Treuhand und Unternehmensberatung. Er führt Erfahrungsaustauschgruppen von KMU-Verwaltungsrä- ten, referiert in VR-Weiterbildungen und ist in verschie-
denen KMU als VR tätig.
Kontakt
alexander.fust @unisg.ch, www.unisg.ch christoph.brunner@obt.ch, www.obt.ch