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Innovationen können mehr als wirtschaftliche Impulse geben: Soziale Innovationen für die Zukunft

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Innovationen können mehr als wirtschaftliche Impulse geben:

Soziale Innovationen für die Zukunft

Josef Hochgerner

Mitten im Zweiten Weltkrieg (1944) veröffentlichte der aus Österreich-Ungarn stammende Ökonom Karl Polanyi eine fundamentale wirtschaftshistorische Analyse. Die darin beschriebene „große Transformation“ besteht darin, dass im industriell und finanzökonomisch entwickelten Kapitalismus das „System der Marktwirtschaft“ im Unterschied zu früheren Marktformen zu einer spezifischen Institution wurde, die „von ungeheurer Bedeutung für die Gesamtstruktur der Gesellschaft ist: sie bedeutet nicht mehr und nicht weniger als die Behandlung der Gesellschaft als Anhängsel des Marktes. Die Wirtschaft ist nicht mehr in die sozialen Beziehungen eingebettet, sondern die sozialen Beziehungen sind in das Wirtschaftssystem eingebettet.“ (dt. Ausgabe 1978, S. 88f.)

Eine derartige Dominanz ökonomischer Kriterien und Maßstäbe in bzw. gegenüber der Gesellschaft bringt es mit sich, dass alle sozio-kulturellen Fundamente wirtschaftlich bestimmt erscheinen. Vor diesem Hintergrund tritt nicht überraschend eine Wertdifferenz zwischen „sozialen“ und „wirtschaftlichen“ Innovationen hervor: Innovationen in und durch die Ökonomie, deren Erfolg in Umsatz- und Ertragsziffern definiert und gemessen werden kann, stehen im Vordergrund, werden beachtet, gefördert und akklamiert. Innovationen

„außerhalb der Wirtschaftswelt“, also in staatlichen und zivilgesellschaftlichen Sektoren erscheinen davon nicht nur verschieden, sondern finden auch weniger Beachtung, Förderung und Zustimmung.

Aber – obwohl nach ihren Zielsetzungen und Handlungslogiken wirtschaftliche und soziale Innovationen begrifflich unterschieden werden können – für alle Innovationen gilt, dass sie sozial relevant sind: Sie entstehen unter gesellschaftlichen Voraussetzungen in diversen Kontexten, und sie haben soziale Auswirkungen. Umgekehrt können soziale Innovationen, die primär nicht auf ökonomische Ziele ausgerichtet sind, ebenfalls wirtschaftliche Effekte zur Folge haben. Derartige Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Innovationsprozessen gewinnen aktuell und in Zukunft an Bedeutung. Das Handlungsfeld „soziale Innovation“ findet international Eingang in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Das ist sowohl an der wachsenden Zahl von Institutionen abzulesen, die soziale Innovationen erforschen und/oder praktisch unterstützen, wie auch an politischen Absichtserklärungen, Konferenzen und Dokumenten, die das Thema aufgreifen.

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Soziale Innovationen sind neue Konzepte und Maßnahmen zur Lösung sozialer Herausforderungen, die von betroffenen gesellschaftlichen Gruppen angenommen und genutzt werden. Sie betreffen unter den Bedingungen der Globalisierung immer größere Teile der Gesellschaft und gestalten nicht nur Prozesse und Trends in der Zivilgesellschaft, sondern ebenso in der öffentlichen Verwaltung, in politischen Institutionen, in der Wirtschaft und Interessenverbänden der Sozialpartner. Das Verhalten einzelner Individuen in Kleingruppen kann davon ebenso berührt sein wie z.B. die Organisationsentwicklung in Betrieben, die Gestaltung von Lehr- und Lernformen im Bildungswesen, oder strukturell wirksame Regelungen der gesellschaftlichen Verfassung (Sozialrecht, Pensions- und Steuersysteme, Gesundheitsvorsorge u.a.m.). Im 21. Jahrhundert werden neben weiteren technisch-wirtschaftlichen Innovationen eine Vielzahl an kleinen und großen sozialen Innovationen, bis hin zu „gesellschaftlichen Basisinnovationen“, unverzichtbar. Friede und Entwicklung – und zwar den Standards der industriellen Möglichkeiten entsprechend – wären sonst in einer Weltgesellschaft von acht bis zehn Milliarden Menschen angesichts von Problemen wie Klimawandel und der wachsenden Kluft zwischen Reichtum und Armut extrem gefährdet.

Unter Bezugnahme auf diese Herausforderungen und Polanyi’s Diagnose der Gesellschaft als Anhängsel der Wirtschaft kann die Re-Integration der Ökonomie in die Gesellschaft als notwendigste Basisinnovation des 21. Jahrhunderts formuliert werden. Dazu müssen erstens wirtschaftliche Indikatoren (die der Ableitung und Begründung von wirtschafts-, arbeitmarkt- und sozialpolitischen Maßnahmen dienen) zukünftig Wohlstand statt Produktivität messen.

Dafür gibt es verschiedene Ansätze, zu deren Systematisierung die Kommission von Joseph Stiglitz, Amartya Sen und Jean-Paul Fitoussi (Commission on the Measurement of Economic Performance and Social Progress; s. www.stiglitz-sen-fitoussi.fr) seit 2009 bereits wichtige Beiträge geliefert hat. Zweitens ist es hoch an der Zeit, neben der Beseitigung von Knappheiten (im Sinn des Stillens realer Bedürfnisse) als ebenso zentrale Aufgabe von Wirtschaft und Wirtschaftspolitik Überflussmanagement zu etablieren.

Publiziert am 16.11.2010:

http://www.oe2020.at/home/meinungsforum/146?id=146

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