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Vorgehensweise bei der modellbasierten Prozessanalyse und Ergebnisse der umgesetzten Handlungsempfehlungen am Beispiel einer Abfallverbrennungsanlage

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61 Modellbasierte Prozessanalyse – Vorgehensweise und umgesetzte Handlungsempfehlungen

Vorgehensweise bei der modellbasierten Prozessanalyse und Ergebnisse der umgesetzten Handlungsempfehlungen

am Beispiel einer Abfallverbrennungsanlage

Martin Pohl und Tao Wen

1. Modellbasierte Prozessanalyse ...62 2. Vorgehensweise bei der anlagenspezifischen modellbasierten

Prozessanalyse als Diagnose-Werkzeug ...67 3. Ergebnisse der modellbasierten Prozessanalyse ...71 4. Literatur ...73 Viele Einflussfaktoren, die sich aus dem Betrieb der Anlage heraus ergeben, aber auch durch äußere Randbedingungen gegeben sind, finden bei den automatisierten rege- lungs- und steuerungstechnischen Aufgaben keine oder nur bedingt Berücksichtigung.

Aufgaben, wie das Fahren der Anlage in teilautomatisierten Anfahr- und Lastwechsel- vorgängen bzw. bei notwendigen Regeleingriffen, die Prozessüberwachung, die War- tung und Instandhaltung der jeweiligen Apparate und die Beseitigung von Störungen obliegen dem Betriebspersonal. Faktoren, wie die Verschmutzung, der Verschleiß, der wartungsfreundlicher Betrieb oder die Korrosion werden bislang meist auf Grundlage der in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen berücksichtigt, was nicht zuletzt daran liegt, das aufgrund der Komplexität dieser Faktoren Optimierungspotentiale nicht einfach zu entdecken sind.

Die Entwicklung und Weiterentwicklung der Sensorik, z.B. Werkstoffsonden, welche es ermöglichen die Wirksamkeit von Werkstoffen und Schutzschichten an der jeweiligen Einbauposition zu testen [5] oder Messverfahren bzw. Bild- und Videoanalysen, welche es ermöglichen Brennkammerverschmutzungen [6] oder die Charakterisierung von Belägen (z.B. [3]) zu ermitteln, zeigen, dass die dadurch möglichen erweiterten bzw.

neuen Erkenntnisse zu wirtschaftlichen Vorteilen, im Rahmen des Betriebes und der Instandhaltung von Kraftwerksanlagen (z.B. intelligent ausgeführter Korrosionsschutz [7]), aber auch zur weiteren Emissionsreduzierung führen. Gleichzeitig erhöht sich aufgrund der zur Verfügung stehenden Informationen zu den Einzelprozessen die Komplexität des erfassten Gesamtsystems, dessen Wechselwirkungen zunächst ana- lysiert werden müssen, um daraus entsprechende Handlungsalternativen bzw. Hand- lungsempfehlungen abzuleiten.

Entsprechend systematisch muss zur Optimierung der Faktoren Verschmutzung, Ver- schleiß, wartungsfreundlicher Betrieb oder Korrosion vorgegangen werden, um nicht eine Problemstellung erfolgreich zu beheben, sich dabei allerdings wesentlich größere Probleme neu zu erschaffen.

Anlagen

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Martin Pohl, Tao Wen

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Modelle können die komplexen Prozesse in den Anlagen mit Hilfe von physikalischen und chemischen Zusammenhängen und entsprechenden mathematischen Gleichun- gen beschreiben. Diese Modelle in Verknüpfung mit den zur Verfügung stehenden Betriebsdaten erlauben es wiederum detaillierte anlagenspezifische Aussagen zu den Wechselwirkungen zu ermitteln, da diese sowohl historische Zustände abbilden können als auch die Betrachtung zukünftiger Szenarien erlauben.

Im Rahmen dieses Beitrages wird insbesondere auf die Bilanzierung – mathematische Gleichungen auf Grundlage von physikalischen und chemischen Zusammenhängen – als Methode zur modellbasierten Prozessanalyse und der damit möglichen Bewertung aktueller und historischer Prozesszustände eingegangen. Diese Bewertung erlaubt es auf Grundlage einer Problemstellung und der detaillierten Prozessanalyse, Handlungs- alternativen und Handlungsempfehlungen abzuleiten, daraus Lösungen zu entwickeln/

umzusetzen und die Nachhaltigkeit der Umsetzung sicher zu stellen, was anhand eines Beispiels näher erläutert wird.

1. Modellbasierte Prozessanalyse

Die Bilanzierung ist in der Verfahrenstechnik eine übliche und anerkannte Methode zur Untersuchung von technischen Systemen. Die Bilanzierung stellt dabei eine Ge- genüberstellung der ein- und ausgehenden Ströme für einen festgelegten Bilanzraum dar und basiert auf den allgemein gültigen Erhaltungssätzen für Masse, Energie und Impuls. Der Bilanzgegenstand ist dabei systematisch und nachvollziehbar darzustel- len – beispielhaft ist dazu ein Bilanzschema einer Abfallverbrennungsanlage mit den Bilanzgrenzen um den Bereich Feuerung/Kessel und Abgasreinigung in Bild 1 mit den relevanten ein- und ausgehenden Strömen dargestellt.

Mit Hilfe der Bilanzierung können unbekannte Größen berechnet werden bzw. ge- messene Größen hinsichtlich der Plausibilität geprüft werden. Auf Grundlage der Erhaltungssätze existieren in der Verfahrenstechnik Bilanzierungs-Ansätze, u.a. für die Verbrennungsrechnung, die Wärmeübertragung, für Trocknungs- und Befeuch- tungsvorgänge z.B. zur Modellierung von Kraftwerksprozessen. Die Verknüpfung dieser Bilanzierungsansätze ermöglicht es Modelle einzelner Apparate oder Verfahrensbau- steine bzw. Modelle einer Gesamtanlage zu erstellen. Mit Hilfe dieser Modelle können nun Modellrechnungen auf Grundlage von selbst gewählten Vorgaben durchgeführt werden, um z.B. Fragestellungen zum Einsatz bestimmter Abfall-Fraktionen in Ab- fallverbrennungsanlagen [8] zu beantworten oder auf Grundlage von Prozessdaten aus dem Anlagenbetrieb unbekannte Größen zu berechnen und daraus die jeweils stattfindenden Prozesse in der Anlage entsprechend zu analysieren.

Wie z.B. in [1, 2, 4] beschrieben ist es auf Grundlage der Bilanzierung möglich In- formationen zur Charakterisierung der zugeführten Brennstoffen (elementare Zu- sammensetzung, Brennstoffmassenstrom und Heizwert des aktuell verbrennenden Brennstoffes) über eine Rückwärtsrechnung ausgehend von Reingas-Messwerten am Kamin online zu ermitteln bzw. durch die Charakterisierung (Masse, Energie, stoffliche Zusammensetzung) aller ein- und ausgehenden Ströme der Anlage Optimierungs- potentiale aufzudecken und zu bewerten.

Anlagen

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65 Modellbasierte Prozessanalyse – Vorgehensweise und umgesetzte Handlungsempfehlungen

Bild 1: Darstellung des Bilanzschemas einer Abfallverbrennungsanlage im Bereich Feuerung/Kessel und Abgasreinigung – Darstellung der relevanten ein- und ausgehenden Stoff- und Energieströme Anlagen

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Martin Pohl, Tao Wen

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Wie in [4, 9] beschrieben ist es für die Bilanzierung der Gesamtanlage notwendig den CO2-Gehalt am Kamin (Reingas) zu bestimmen. In Bild 2 ist ein Vergleich dargestellt, welcher die Ergebnisse der Bilanzierung unter Berücksichtigung und ohne Berücksich- tigung der CO2-Messung widerspiegelt. Zu erkennen ist dabei, dass die Abweichungen mit Hilfe des hier entwickelten Ansatzes, zur Bilanzierung bei nicht gemessenem CO2-Gehalt im Abgas, relativ gering sind. Der seitens der Autoren entwickelte Ansatz basiert darauf, dass die Stoffbilanzen (für Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Wasser, Asche, Argon) mit Hilfe einer entsprechend anzupassenden Heizwertformel [2]

mit der Energiebilanz verknüpft werden und es somit möglich ist, den CO2-Gehalt im Abgas zu berechnen bzw. iterativ den Kohlenstoffgehalt im Brennstoff zu bestimmen.

Mit Hilfe dieses erweiterten Ansatzes sind u.a. Messwert-Plausibilitätsprüfungen, insbesondere hinsichtlich der gemessenen Abgaszusammensetzung möglich. Des Weiteren ermöglicht dieser Bilanzierungsansatz auch Anlagen zu untersuchen, wel- che über keine CO2-Messung verfügen bzw. bei denen die CO2-Konzentration nicht kontinuierlich gemessen wird.

Abfallmassenstrom kg/h

Abfallheizwert kJ/kg 30.000

25.000

20.000

15.000

10.000

5.000

00:00:000

Abfallmassenstrom (mit CO2-Messung)

18:00:00 12:00:00 06:00:00 00:00:00 18:00:00 Zeit

Frischdampfmenge t/h

Abfallmassenstrom (ohne CO2-Messung)

Heizwert (mit CO2-Messung) Heizwert (ohne CO2-Messung) Frischdampfmenge

Bild 2: Abfall-Heizwert und Abfall-Massenstrom – berechnet im prozessbasierten Bilanzmodell mit CO2-Messung bzw. ohne CO2-Messung

Dieser erweiterte Ansatz soll im Grundsatz zunächst zeigen, dass es mit Hilfe der Bi- lanzierung möglich ist, verschiedene Berechnungsstrategien angepasst an die jeweilige Fragestellung zu entwickeln.

Anlagen

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67 Modellbasierte Prozessanalyse – Vorgehensweise und umgesetzte Handlungsempfehlungen

Auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Messwerte, der erweiterten Sensorik und auf den entwickelten und verknüpften Bilanzierungsansätzen zur modellbasierten Prozessanalyse, lassen sich Informationen zu den Prozesszuständen ableiten.

Der Vorteil besteht dabei darin, nicht einzelne Messwerte, sondern die jeweiligen Prozesse im Sinne eines Anlagen-Online-Monitorings zu analysieren.

2. Vorgehensweise bei der anlagenspezifischen modellbasierten Prozessanalyse als Diagnose-Werkzeug

Insbesondere bei Abfallverbrennungsanlagen ist es aufgrund des heterogenen Ein- satzstoffes (große Variation des Schadstoffgehaltes, des Heizwertes, der Dichte) und den damit einhergehenden variierenden Betriebsbedingungen notwendig, über Informationen zur Betriebsführung u.a. zu den zugeführten Abfallstoffen (z.B. zur Abfallhomogenisierung im Bunker), den Feuerungsbedingungen (z.B. im Vergleich zur Feuerungs-Auslegung) und zu Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs (z.B.

Leckagen und damit eintretenden Falschluftströme, Emissionsüberschreitungen usw.) zu verfügen. Daraus lassen sich Zusammenhänge und Wechselwirkungen erkennen.

Wie oben beschrieben können diese Informationen auf Grundlage der modell- basierten Prozessanalyse ermittelt werden und daraus, durch eine historische und/

oder kontinuierliche Datenauswertung im Sinne eines Online-Anlagen-Monitorings, die Wechselwirkungen analysiert werden.

Die grundlegende Herangehensweise zur Datenanalyse umfasst die folgenden Schritte:

• Datenaufnahme (Anlagenkonfiguration, Betriebsmesswerte),

• Erstellung der anlagenspezifischen Berechnungs-Algorithmen auf Basis verschie- dener Bilanzierungsansätze,

• softwaregestützte Modellentwicklung,

• softwaregestützte Analyse historischer bzw. von Online-Betriebsdaten auf Grund- lage von Assistenzfunktionen als Diagnose-Werkzeug,

* Plausibilitätsprüfung von Messwerten,

* Ableitung von Wechselwirkungen.

Auf Grundlage der Anlagenkonfiguration müssen zunächst die Bilanzschemata (z.B.

Gesamtanlage und unterteilt in thermisches Hauptverfahren, Abgasreinigung und Energieumwandlung) mit den jeweils angetragenen ein- und austretenden Strömen erstellt und damit die Bilanzgrenzen festgelegt werden. Im Weiteren sollten die zur Verfügung stehenden Betriebsmesswerte in den Schemata hinterlegt werden, sodass die anlagenspezifischen Berechnungsalgorithmen daraus ermittelt werden können.

Das dabei entstehende Bilanzierungssystem zur modellbasierten Prozessanalyse ist an vielen Stellen überbestimmt, z.B. kann die Feuchte des Abgases im Rohgas (nach Kessel) als Messwert vorliegen oder über die Bilanzierung auf unterschiedliche Wege

Anlagen

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ermittelt werden – dies ermöglicht es erste Messwert-Validierungen zunächst auf Grundlage historischer Werte durchzuführen. Neben der Feuchte im Rohgas (nach Kessel), welche es zunächst ermöglicht die Sauerstoffmessung im Rohgas (nach Kessel) auf trockenen Bezug umzurechnen, ist es im weiteren möglich die Sauerstoffmessung (O2) nach Kessel hinsichtlich der Plausibilität zu betrachten. Die Prüfung des Sauer- stoffgehaltes nach Kessel ist wichtig, da dieser als Regelgröße für die Feuerungsleis- tungsregelung dient und entsprechend Einfluss auf die Feuerungsbedingungen hat.

Bilanzierungsalgorithmus „_Berechne Falschluft_AGR“ im Bereich Abgasreinigung Assistenzfunktion

„_Berechne Falschluft/Plausibilität der Messwerte Berechnung

„_Berechne Falschluft_AGR“

O2,Kamin (Reingas), i.N.tr.

VKamin (Reingas), i.N.tr.

O2,Kessel (Rohgas), i.N.tr.

Berechneter Wert

„_Falschluftvolumenstrom_AGR“

VProzess- und Falschluft (AGR), i.N.tr.= x

Bilanzierungsalgorithmus „_Berechne Falschluft_Gesamtanlage“

Berechnung

„_Berechne Falschluft_Gesamt“

Berechneter Wert

„_Falschluftvolumenstrom_Gesamt“

VProzess- und Falschluft (Gesamt), i.N.tr.= y

y > x > 0 „Ausgabe x“

„Ausgabe y“

prüfen &

vergleichen

x < 0 oder y < 0 oder y < x

Anzeige

„Messwerte unplausibel“

Weiter zu Prüfung

„erhöhter Falschlufteintrag“

Weiter zur weiteren Messwert-Validierung...

Bild 3: Auszug aus dem Schema zur Vorgehensweise bei der Erstellung von Assistenzfunktionen – Plausibilitätsprüfung von Messwerten auf Grundlage der Falschluftvolumenstrom- Berechnung

Die Plausibilitätsprüfung kann dabei zunächst über die Berechnung der Falschluft- volumenströme (V. ) mit Hilfe der modellbasierten Prozessanalyse erfolgen. Wie in Bild 3 dargestellt können mittels des Bilanzierungsalgorithmus zur Berechnung der Falschluft im Bereich der Abgasreinigung und den Bilanzierungsalgorithmus zur Berechnung des Gesamtfalschluft-Volumenstromes, die jeweiligen Falschluft-Volumenströme berechnet werden. Die Plausibilitätsprüfung erfolgt auf Grundlage der Prüfung und dem Ver- gleich der jeweils berechneten Werte. Nicht plausibel sind die für diese Berechnungen notwendigen Messwerte, wenn die berechneten Falschluft-Volumenströme kleiner als Null werden, bzw. wenn der Gesamtfalschluft-Volumenstrom kleiner als der Falschluft- Volumenstrom im Bereich der Abgasreinigung ist. Durch weitere Berechnungen kann der oder können die nicht plausible(n) Messwert(e) (insbesondere der O2 nach Kessel) weiter eingegrenzt werden. Diese Plausibilitäts-Abfragen werden seitens der Autoren auch als Assistenzfunktionen bezeichnet.

Mit Hilfe von Assistenzfunktionen ist es neben der Messwert-Plausibilitätsprüfung auch möglich, während des Anlagenbetriebs (dazu kann das Anlagenmodell im Sin- ne des Online-Anlagen-Monitorings über eine Schnittstelle auch mit Echtzeit-Daten versorgt werden), Falschlufteinbrüche und Messwertdriften zu detektieren und diese visuell zu signalisieren.

Anlagen

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71 Modellbasierte Prozessanalyse – Vorgehensweise und umgesetzte Handlungsempfehlungen

In Bild 4 sind beispielhafte Visualisierungen zum Abfallmassenstrom und Abfallheiz- wert dargestellt, welche, wie weiter vorn erwähnt, über eine Rückwärtsrechnung auf Grundlage der Reingas-Messwerten am Kamin online bestimmt werden können. Die verschiedenen Darstellungen ermöglichen es den momentan verbrennenden Abfall- massenstrom auf dem Rost und dessen Abfallheizwert als Momentan-Wert oder Trend anzuzeigen.

Differenz zum Stundenmittelwert Differenz zum Tagesmittelwert Differenz zum

Mittelwert 0 Abfalldurchsatz bezogen

auf 22 t/h (Auslegungsfall) 0 Stunde Stunde Schicht Schicht Tag Tag

74 % 25 % 4 % 74 % 25 % 4 % t/h30

2520 1510 0

15

30 45

+1,25

+2,5

+3,75 -1,25

-2,5

-3,75

-5 MJ/kg | +5 MJ/kg 20,78

173,65

0 t/h t/8h t/d

10,44 9,95

MJ/kg MJ/kg Letzter Stundenwert

Letzter 8-Stundenwert Letzter Tageswert

Stundenmittelwert Tagesmittelwert

Bild 4: Visualisierung der auf Grundlage der modellbasierten Prozessanalyse berechneten Daten Abfallmassenstrom und Abfallheizwert

Dabei kann im speziellen die Berechnung und Visualiserung des Heizwert- und Abfallmassenstrom-Trendes dem Kranführer wichtige Informationen zum Abfall- Bunkermanagement liefern.

Die hier dargestellten Basis-Assistenzfunktionen am Beispiel von Abfallverbren- nungsanlagen sind zunächst Beispiele, welche die grundlegende Herangehensweise widerspiegeln. Weitere Assistenzfunktionen werden derzeit aus der modellbasierten Prozessanalyse mittels des Anlagen-Monitorings entwickelt und erprobt. Ebenso ist die Herangehensweise auch auf andere Kraftwerkstypen bzw. verfahrenstechnische Anlagen übertragbar.

3. Ergebnisse der modellbasierten Prozessanalyse

Im Rahmen einer Untersuchung einer Abfallverbrennungsanlage sollten Optimierungs- potentiale hinsichtlich der Feuerungsleistungsregelung ermittelt werden. Die Probleme bestanden insbesondere darin, dass aufgrund nicht optimaler Feuerungseinstellungen sich hohe Temperaturen im Feuerraum und am Eintritt der Überhitzer einstellten und damit als Auswirkung nur sehr geringe Bauteil-Standzeiten erreicht wurden.

Die durchgeführte modellbasierte Prozessanalyse ergab einen im Vergleich zur Ausle- gung des Rostsystemes nur sehr geringen Luftüberschuss bei der Verbrennung (Pro- zessgröße λ) und wurde somit als Kernursache detektiert. Daraufhin wurde geprüft, wie das Problem zu lösen ist. Festgestellt wurde daraufhin, dass die zu gering zugeführten Luftmengen auf eine fehlerhafte Messung des Sauerstoffgehaltes im Rohgas zurückzu- führen sind, welche etwa 1,5 Vol.-% zuviel an Sauerstoff misst, was wiederum anhand der zuvor beschriebenen Assistenzfunktion unplausible Messwerte auf Grundlage der Bilanzierung ermittelt werden konnte. Die daraus abgeleitete Handlungsempfehlung

Anlagen

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ergab zunächst einen Austausch der Sauerstoff-Messung im Rohgas, welche zu einer Erhöhung der zugeführten Luftmenge führt, was auch eine entsprechende Anpassung der Feuerungsleistungsregelung insbesondere hinsichtlich der Zielwerte zur Folge hat. Zu berücksichtigen war des Weiteren inwieweit durch die dann verringerten Temperaturen im Abgas bei gleichzeitiger Erhöhung des Abgasvolumenstromes die gleiche Last (Dampfmenge t/h) erreicht werden kann. Kesselseitige Berechnungen mit der modellbasierten Prozessanalyse ergaben, dass insbesondere die konvektiven Überhitzer-Heizflächen und die Speisewasservorwärmer aufgrund des höheren Abgas- volumenstromes die gleiche Wärmeleistung auskoppeln können, dass gleiche konnte für die zur Verdampfung des Wassers notwendige Wärmeleistung ermittelt werden.

vor Optimierung August 2015

nach Optimierung August 2016 54

52 50 48 46 1,4 1,2 1,0 0,8 0,6 9 1,4

8 7 6 5 65K60K 55K50K 45K 150 145 140 135 120 110 100 90 80 950 900 850 800 660640 620600 580

560 Woche 32 Woche 33 Woche 34 Woche 32 Woche 33 Woche 34

Abgas vor Überhitzer ºC Temperatur im Feuerraum ºC Ammoniakwasser l/h Stickoxid- Emissionen mg/m3

Primärluft m3/h O2 im Rohgas Vol.-% i.N.f.Durchschnitt Luftzahl Primärluft -- Frischdampf t/h

Nicht plausible Messung

50,358 51,180 49,555 50,339 50,487 50,976 50,686

49,799

1,2584

7,745

7,635 7,703 7,897 6,648

6,657 6,790 6,498

62.739 64.414

65.768 64.307

52.225 54.456

48.971 53.247

145,29 145,37

143,96 146,54

139,36

141,30 140,34

136,42

88,15 81,58

89,74 86,49 106,44

85,58 90,53

94,18

911,18 917,91 907,75 907,89

846,54 850,02 846,33 843,27

577,06 570,78

574,09 573,98 662,74 636,19

657,75 652,23

Bild 5: Ergebnisse der Untersuchung mit der modellbasierten Prozessanalyse – vor und nach der Optimierung

Anlagen

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73 Modellbasierte Prozessanalyse – Vorgehensweise und umgesetzte Handlungsempfehlungen

In Bild 5 sind die Messwerte und berechneten Werte aus der modellbasierten Prozess- analyse vor und nach der Optimierung dargestellt – jeweils zur gleichen Reisezeit.

Bei gleicher Last konnten die Temperaturen auf dem Abgasweg entscheidend gesenkt werden, sodass sich im Ausblick die Bauteil-Standzeiten erhöhen sollten. Gleichzeitig konnte durch die Maßnahmen die Stickoxid-Minderung optimiert werden – bessere Abgasvermischung und geringere Temperaturen in der Entstickungsebene.

4. Literatur

[1] Beckmann, M.; Horeni, M.; Metschke, J.; Krüger, J.; Papa, G.; Englmaier, L.; Busch, M.: Opti- mierung von Müllheizkraftwerken durch Einsatz eines Online-Bilanzierungsprogramms. In:

Thomé-Kozmiensky, K. J.; Beckmann, M. (Hrsg.): Optimierung der Abfallverbrennung 2. Neu- ruppin: TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky, 2005, S. 219-240

[2] Beckmann, M.; Scholz, R.; Pohl, M.: Bilanzierung und energetische Bewertung von Verfahren zur Abfallbehandlung. In: Thomé-Kozmiensky, K. J.; Beckmann, M. (Hrsg.): Energie aus Abfall, Band 9. Neuruppin: TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky, 2012, S. 147-192. ISBN 978-3-935317- 78-8

[3] Grahl, S.; Beckmann, M.: In-situ-Analyse von Ablagerungsstoffeigenschaften in Dampferzeu- gern. In: 26. Deutscher Flammentag. 11.09.-12.09.2013, Düsseldorf: VDI-Verlag, 2013. S. 189- 199. ISBN: 978-3-18-092161-7

[4] Horeni, M.: Möglichkeiten für die energetische Optimierung von Müllverbrennungsanlagen – Entwicklung, Erprobung und Validierung eines Online-Bilanzierungsprogramms. Papierflieger, 2007. – Diss. an der Bauhaus Universität Weimar, ISBN 3-89720-889-X

[5] Kaiser, M.; Schneider, D.; Brell, J.; Molitor, D.; Kuttner, T.: Effizienzsteigerung – Anwendung der Temperature-Range-Probe zur Optimierung der Werkstoffwahl in MVA. In: VGB PowerTech, Ausgabe 10/2015, S. 53-58

[6] Koschack, R.; Fiehe, S.; Taj, P.: Einsatz von Infrarot-Kameras zur Lokalisierung von Brennkam- merverschmutzungen am BoA-Block des Kraftwerkes Niederaußem und erste Betriebserfah- rungen. In: Beckmann, M.; Hurtado, A. (Hrsg.): Kraftwerkstechnik – Sichere und nachhaltige Energieversorgung, Vol. 2. Neuruppin: TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky, 2010, S. 495-50 [7] Manzke, A.: Intelligent ausgeführter Korrosionsschutz – Schweißplattiieren. In: SAXONIA

Standortentwicklungs- und -verwaltungsgesellschaft mbh (Hrsg.): Dampferzeugerkorrosion 2015: Betrieb und Instandhaltung 4.0, Freiberg 2015, ISBN: 978-3-934409-58-3

[8] Pohl, M.; Bernhardt, D.; Beckmann, M.: Die Energieeffizienz der Bioabfallbehandlung in Ab- fallverbrennungsanlagen – energetische Bilanzierung. In: Thomé-Kozmiensky, K. J.; Beckmann, M. (Hrsg.): Energie aus Abfall, Band 10. Neuruppin: TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky, 2013, S. 793 - 804. ISBN 978-3-935317-92-4

[9] Schwarzböck, T.; Rechberger, H.; Fellner, J.: Biomasseanteil in österreichischen Abfallver- brennungsanlagen. In: Thomé-Kozmiensky, K. J.; Beckmann, M. (Hrsg.): Energie aus Abfall, Band 12. Neuruppin: TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky, 2015, ISBN 978-3-944310-18-3

Anlagen

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Vorwort

4

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar

Karl J. Thomé-Kozmiensky, Michael Beckmann (Hrsg.):

Energie aus Abfall, Band 14

ISBN 978-3-944310-32-9 TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky

Copyright: Elisabeth Thomé-Kozmiensky, M.Sc., Dr.-Ing. Stephanie Thiel Alle Rechte vorbehalten

Verlag: TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky • Neuruppin 2017

Redaktion und Lektorat: Dr.-Ing. Stephanie Thiel, Elisabeth Thomé-Kozmiensky, M.Sc.

Erfassung und Layout: Sandra Peters, Anne Kuhlo, Janin Burbott-Seidel, Claudia Naumann-Deppe, Ginette Teske, Gabi Spiegel, Cordula Müller

Druck: Universal Medien GmbH, München

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funk- sendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9.

September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig.

Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.

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