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Bündnis für Arbeit und Ausbildung Stellungnahme des DGB zur Koalitionsvereinbarung zwischen SPDund Bündnis 90/Die Grünen vom 20. Oktober 1998 DGB-Bundesvorstand

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DGB-Bundesvorstand

Düsseldorf, den 29.10.98

Stellungnahme des DGB zur Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 20. Oktober 1998

Die Koalitionsvereinbarungen zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen sind eine gute Grundlage für einen Politikwechsel in Deutschland, der sicher auch positive Ausstrahlkraft auf Europa haben wird.

Vereinbart wurden etliche konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und für mehr soziale Gerechtigkeit. Hinzu kommen klare und verläßliche Zusagen für den Aufbau Ost, die Stärkung von Forschung und Bildung und damit der

Innovationsfähigkeit, der Einstieg in eine sozial-ökologische Steuerreform, mehr Mitbestimmung und Beteiligung der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften in der Wirtschaft und im öffentlichen Sektor sowie deutliche Zeichen für rechtsstaatliche Liberalität auch in der Ausländer- und Migrationspolitik. Dies sind Zeichen für eine andere Politik, die unser Land braucht.

Die Koalitonsvereinbarungen schlagen zugleich ein neues Kapitel in der Zusammen- arbeit von Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften in Deutschland und in Europa auf.

Das Bündnis für Arbeit in Deutschland und ein europäischer Beschäftigungspakt werden Bausteine auf dem Weg zu einem sozial gerechten, solidarischen und

bürgernahen europäischen Haus sein und können der Entwicklung unsere Gesellschaft eine neue Richtung geben.

Der DGB begrüßt auch die Bereitschaft der neuen Regierungskoalition, die gröbsten Fehlentscheidungen der bisherigen Bundesregierung in der Renten-, Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik zu korrigieren, die volle Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und den Kündigungsschutz wiederherzustellen, die Chancengleichheit der Tarifvertragsparteien zu sichern und das Schlechtwettergeld wieder einzuführen.

Damit sind insgesamt nicht nur bessere Voraussetzungen für mehr Arbeit und soziale Gerechtigkeit, sondern auch für ein positives Reformklima in unserer Gesellschaft geschaffen. Auch wenn aus der Sicht des DGB an manchen Einzelaussagen der

Koalitionsvereinbarungen Kritik zu üben ist und an einigen Stellen Einzelaussagen noch vage geblieben sind: Die Richtung stimmt.

Nun kommt es darauf an, diese Vereinbarungen zügig in die Praxis umzusetzen und den notwendigen Politikwechsel in Deutschland zu verwirklichen.

Bündnis für Arbeit und Ausbildung

Die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit ist das wichtigste innenpolitische Ziel.

Damit verbunden ist, daß jedem Jugendlichen ein qualitativ hochwertiger Aus- bildungsplatz zur Verfügung stehen muß.

Die neue Bundesregierung hat sich dieses Ziel zu eigen gemacht. Sie hat sich mit den Koalitionsvereinbarungen auch dazu entschlossen, die entsprechenden politischen Schritte zu ergreifen: Der DGB begrüsst, dass ein Bündnis für Arbeit und Ausbildung einen solchen zentralen Platz in der Koalitionsvereinbarung bekommen hat.

Die Koalitionsvereinbarungen sagen zu, den Beitrag der Bundesregierung für ein Bündnis für Arbeit und Ausbildung zu leisten. Dazu gehört, die Bedingungen für

nachhaltiges Wirtschaftswachstum und zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen sowie

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spezielle, in Bündnisgesprächen verabredete Maßnahmen gegebenenfalls gesetz- geberisch zu flankieren bzw. zu ermöglichen. Auch aus Sicht des DGB gehört zu den Beiträgen der neuen Bundesregierung eine umfassende Steuerreform, die Senkung der gesetzlichen Lohnnebenkosten, die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung sowie eine Innovationsoffensive. Staatliche wie unternehmerische Forschung und Entwicklung müssen wesentlich stärker gefördert werden. Dabei geht es nicht nur um mehr Mittel, sondern auch um die Freisetzung von Kreativität und Innovationsbereitschaft.

Beteiligung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften sind ein wesentlicher Schlüssel für Modernität und Innovation.

Der DGB und seine Gewerkschaften werden konstruktiv und mit eigenen Beiträgen an den Verhandlungen für ein Bündnis für Arbeit und Ausbildung teilnehmen und alles daran setzen, dass neue Arbeits- und Ausbildungsplätze geschaffen werden. Wir fordern auch die Arbeitgeberverbände dazu auf, dies zu tun. Von den Unternehmern erwarten wir, daß sie durch Investitionen und Innovationen neue Ausbildungs- und Arbeitsplätze schaffen und vernünftige Vereinbarungen über eine neue

beschäftigungsorientierte Gestaltung der Arbeitszeiten mit treffen.

1. Sofortmaßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit

Das erste Ziel sowohl des Regierungshandelns als auch eines neuen Bündnisses für Arbeit und Ausbildung muß sein, schon kurzfristig wirksame Sofortmaßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu beraten und umzusetzen.

1.1. Sofortprogramm für arbeitslose Jugendliche

Der DGB begrüsst nachdrücklich die geplante Offensive der neuen Bundesregierung zu einem Sofortprogramm für arbeitslose Jugendliche. Eine langjährige Forderung des DGB wird aufgegriffen, wenn Jugendlichen spätestens nach sechs Monaten

Arbeitslosigkeit ein Rechtsanspruch auf einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz bzw. eine Fördermaßnahme eröffnet wird.

Allerdings läßt die Formulierung zur gesetzlichen Umlagefinanzierung für mehr Ausbil- dungsplätze an Verbindlichkeit zu wünschen übrig. Der DGB geht davon aus, daß der bereits im letzten Bundestag eingebrachte Antrag der SPD-Bundestagsfraktion für ein entsprechendes Sofortprogramm in Gänze berücksichtigt wird. Mit der Erarbeitung eines entsprechenden Gesetzes sollte sofort begonnen werden.

Der DGB begrüßt die Aufnahme und den Ausbau des Schwerpunktes "Integration junger Aussiedler und ausländischer Jugendlicher im Rahmen des Bundeskinder- und Jugendplanes. Geeignete Mittel sind die Einbeziehung in die Benachteiligtenförderung, Ausbau der bi-nationalen Ausbildungsprojekte, sprachliche Förderung und durch Einführung der interkulturellen Aspekte in Schule und Berufsausbildung.

1.2. Qualifizierungsoffensive

Das Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit muß der erste Schritt einer umfassenden Qualifizierungsoffensive sein, in deren Rahmen auch die Möglichkeiten der Weiterbildung auszubauen sind. Die Koalitionsvereinbarungen weisen hierzu in die richtige Richtung, allerdings bleiben sie in weiten Bereichen unklar. Enttäuschend ist, dass konkrete Festlegungen auf ein Weiterbildungsrahmengesetz unterblieben sind.

Der DGB erwartet, dass die in den Koalitionsvereinbarungen festgelegten

Gesetzesvorhaben zügig angegangen werden. Dies gilt ausdrücklich auch für den Hochschulbereich. Der DGB erwartet darüber hinaus, dass die neue Bundesregierung

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ihre Kompetenzen nutzt, um gemeinsam mit den Ländern die notwendige Reform unseres gesamten Bildungswesens voranzutreiben.

1.3. Aktive Arbeitsmarktpolitik

Der DGB unterstützt die Absicht der neuen Bundesregierung, die aktive Arbeits- marktpolitik konsequent fortzuentwickeln. Die in den Koalitionsvereinbarungen an- gekündigten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sind klare Signale zur Stabilisierung und Verstetigung der Arbeitsförderung auf hohem Niveau.

Klare Signale werden ebenso hinsichtlich der angekündigten Korrekturen, wie bei der Anrechnung von Abfindungen, dem Schlechtwettergeld und der geplanten Reform des Arbeitsförderungsrechts, gegeben. Dies gilt gleichfalls hinsichtlich einer besseren Verzahnung von Struktur- und Arbeitsförderung.

Positiv hervorzuheben ist ebenso die angestrebte "gleichberechtigte Teilhabe der Arbeitsförderung von Frauen an der aktiven Arbeitsförderung" und die angekündigte Korrektur "frauendiskriminierender Festlegungen im Arbeitsförderungsrecht". Einer Forderung des DGB entspricht es ebenso, wenn "spezifische Instrumente zur Eingliederung Behinderter verbessert und weiterentwickelt" werden. Der DGB hält weiterhin die Umsetzung des Gleichstellungsauftrages nach Artikel 3 Abs.3 Grundgesetz durch ein eigenes Gesetz für geboten.

Zu der vom Luxemburger Beschäftigungsgipfel geforderten stärkeren Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit finden sich leider keine konkreten Verabredungen.

Für die Neuregelung der Anrechnung von Entlassungsabfindungen auf das Arbeits- losengeld, die sowohl die BDA wie der DGB abgelehnt hatten, sollte rasch gemeinsam nach Lösungen gesucht werden.

Der DGB begrüßt, wenn "die Bekämpfung der Armut ein Schwerpunkt der Politik der neuen Bundesregierung" wird. Die konkret geplanten Maßnahmen entsprechen weitgehend gewerkschaftlichen Forderungen, wie die nach einer bedarfsorientierten sozialen Grundsicherung und einer besseren Zusammenarbeit von Arbeits- und Sozialämtern.

1.4. Bekämpfung des Sozialdumpings

Eine wirksame Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping, illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit ist ein aktiver Beitrag zur Stärkung des Arbeitsmarktes und zur

Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Der DGB begrüßt, dass die Koalitionsvereinbarungen faire Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt in Aussicht stellen. Aus der Sicht des DGB gehört hierzu:

- Scheinselbständigkeit muß zurückgedrängt werden. Unversicherte, aber faktisch abhängige Beschäftigung und Beitragshinterziehung sind zu unterbinden.

- Um den sozialen Schutz für Teilzeitbeschäftigte mit einer geringen Stundenzahl zu verbessern, und um den Mißbrauch zu verhindern, daß Arbeitsplätze in

sozialversicherungsfreie Beschäftigungsverhältnisse zerstückelt werden, muß die Geringfügigkeitsgrenze drastisch abgesenkt werden.

- Illegale Beschäftigung muß mit Hilfe einer Strafverschärfung sowie besserer Kontrollmöglichkeiten wirksamer bekämpft werden. Notwendig ist, eine

Generalunternehmerhaftung für Sozialversicherungsbeiträge, Steuern, Sozial- kassenbeträge und tariflichen Mindestlohn einzuführen.

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1.5. Arbeitszeitverkürzungen

Der DGB unterstützt den Willen der neuen Bundesregierung, einer flexiblen und be- schäftigungswirksamen Organisation der Arbeitszeit den Weg zu bahnen.

Allerdings bleiben die Aussagen der Koalitionsvereinbarungen in diesem Punkt relativ vage. Nach Auffassung des DGB sind zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit weitere Arbeitszeitverkürzungen sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Sektor unverzichtbar. Gewiß gehören hierzu die in den Koalitionsvereinbarungen genannten Ansatzpunkte wie die Teilzeitarbeit, die Altersteilzeit sowie Einstiegszeiten für Jüngere, der Abbau der Mehrarbeit und eine bessere Vereinbarkeit von Familien- und

Erwerbsarbeit. Neben solchen Formen der individuellen Arbeitszeitverkürzung gehört hierzu aber auch die generelle Verkürzung der Arbeitszeit sowie eine kürzere

Lebensarbeitszeit durch einen neuen, auch tarifvertraglich gestützten

Generationenvertrag. Nötig ist, unabhängig von tarifvertraglichen Vereinbarungen die gesetzlichen Rahmenbedingungen für flexible Formen der Arbeitszeitverkürzung und für die Vereinbarung von Arbeitszeitkonten zu verbessern:

- das Arbeitszeitgesetz muß reformiert werden, um die Anzahl der Überstunden zu begrenzen;

- um den Wechsel von Vollzeit- zur Teilzeitarbeit zu erleichtern, muß für Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer ein gesetzlicher Rechtsanspruch auf den Wechsel von Vollzeit- zu Teilzeitarbeit geschaffen werden;

- um Beruf, Familie und Lebensgestaltung besser in Einklang bringen zu können, soll die zeitlich befristete Kombination von Teilzeitarbeit mit Phasen der Weiterbildung, der Kindererziehung oder der familiären Pflegearbeit durch finanzielle

Kompensationsleistungen gefördert werden;

- im Arbeitsförderungsrecht soll die Möglichkeit der Job-Rotation verankert werden;

- das Altersteilzeitgesetz muß attraktiver gestaltet werden.

2. Korrektur von beschäftigungs- und sozialpolitischen Fehlent- scheidungen der alten Bundesregierung

Der DGB begrüsst, daß die neue Bundesregierung entschlossen ist, die Fehlent- scheidungen der alten Bundesregierung bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, beim Kündigungsschutz und beim Schlechtwettergeld zu korrigieren und die

Chancengleichheit der Tarifvertragsparteien zu sichern. Der DGB geht davon aus, dass dies eine Neuregelung zur Auflösung von Pattsituationen bei dem Verfahren von

Allgemeinverbindlichkeitserklärungen und die Wiederherstellung des alten § 116 AFG (jetzt: § 146 SGB III) einschließt.

Der DGB hält es auch für sachgemäß und sozial gerecht, die Verschlechterungen bei den Erwerbsminderungsrenten zurückzunehmen und die Rentenniveaukürzungen auszusetzen. Das kann kurzfristig geschehen, denn Verschlechterungen bei den Erwerbsminderungsrenten sollen erst ab dem Jahr 2000 eintreten. Die Aussetzung der Niveauabsenkung belastet den Beitragssatz im nächsten Jahr mit 0,1 %. Das könnte durch die vorgesehene Einbeziehung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse und der sogenannten Scheinselbständigen in die Versicherungspflicht ausgeglichen werden.

3. Neue Wachstums- und Beschäftigungsfelder, Modernisierung der Wirt-

schaft

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Ebenso wichtig wie kurzfristig wirksame Maßnahmen zur Schaffung neuer Arbeits- und Ausbildungsplätze ist ein grundlegender, mittelfristig wirksamer Kurswechsel in der Be- schäftigungspolitik. Er ist unverzichtbarer Bestandteil einer Reformperspektive und Erfolgsbedingung eines Politikwechsels. Durch aktives industrie- und

beschäftigungspolitisches Handeln müssen neue Wachstums- und Beschäftigungs- felder erschlossen werden. Es ist alles daran zu setzen, unseren Wirtschaftsstandort zu modernisieren.

Die Koalitionsvereinbarungen sehen hierzu vor, durch eine neue Wirtschaftspolitik der sinnvollen Kombination von Angebots- und Nachfragepolitik, einer konjunkturgerechten und soliden Finanzpolitik, mit einer Verstetigung der öffentlichen Zukunftsinvestitionen auf möglichst hohem Niveau und einer besseren internationalen Zusammenarbeit in der Wirtschafts-, Finanz-, Geld- und Währungspolitik für die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu sorgen. Sie sehen ferner eine Innovationsoffensive für mehr Arbeitsplätze und ein umweltverträgliches Wachstum vor.

Mit dieser Stoßrichtung kann die neue Bundesregierung einen nachhaltigen und zu- gleich überfälligen wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Kurswechsel einleiten.

Auch zur europäischen Handlungsebene unterstützt der DGB die Prinzipien und Ansatzpunkte der neuen Regierung. Zu betonen sind die europäische Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie verbindliche Regelungen gegen Steuer-, Sozial- und Umweltdumping.

Auch nach Auffassung des DGB ist die Sanierung der Staatsfinanzen notwendig. Daher ist der von den Koalitionspartnern formulierte Finanzierungsvorbehalt sicher

angemessen. Dennoch ist nach Auffassung des DGB zur Bekämpfung der Arbeits- losigkeit eine vorübergehende höhere Neuverschuldung vertretbar. Durch prozyklisch wirkende Einsparungen würde die inländische Nachfrage gedrosselt und die

Arbeitslosigkeit noch mehr hochgetrieben werden.

3.1. Die Innovationskraft der Wirtschaft erhöhen und die öffentliche Investitionstätigkeit verstärken

Die grundlegenden Zielsetzungen der Koalitionsvereinbarungen für einen zukunfts- weisenden Strukturwandel sind aus Sicht des DGB richtig gesetzt.

Schwerpunktmäßig sollen und sollten kleine und mittlere Unternehmen gefördert werden. Der DGB regt an, bei der Umsetzung dieses Ziels stärker auf Qualifizierungs- und Beratungsförderung zu setzen, die sich auch an spezifische Adressatenkreise richtet (z.B. Ausgründer, Hochschulabgänger, Arbeitslose).

Der DGB begrüßt, dass mehr Haushaltsmittel für den Bereich Forschung und Technologie vorgesehen sind. Für die inhaltliche Umsetzung schlägt er vor, die institutionellen und organisatorischen Voraussetzungen des Innovationswettbewerbs und der Vernetzung des Innovationsgeschehens zu verbessern. So könnte ein

wesentlicher moderner innovationsfördernder Technologiepolitik-Ansatz vorangetrieben werden. Notwendig ist eine Umschichtung der Mittel zugunsten human-

ressourcenorientierter Zukunftsvorsorge, begleitet durch einen Innovationsdialog zwischen Staat, Wissenschaft, Wirtschaft und Gewerkschaften. Aus Sicht des DGB gehört hierzu insbesondere ein Förderschwerpunkt "Zukunft der Arbeit" als fachüber- greifendes Treiberprogramm zur Förderung innovativer Organisationsstrukturen.

Darüber hinaus sollte die sozialwissenschaftliche Begleitforschung, auch im Hinblick auf die Beschäftigungswirkungen von Innovationen, verstärkt werden.

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Der DGB begrüßt die Absicht, die Investitionsentscheidungen über Verkehrswege und Umschlagplätze in ein umfassendes Verkehrskonzept zur Umsetzung der öko-

nomischen und ökologischen Ziele zu integrieren. Er bedauert jedoch in diesem Zu- sammenhang das Fehlen eines verkehrsträgerübergreifenden Konzepts zur Anpassung von Steuern und Abgaben, um die externen Umweltkosten zu integrieren.

3.2. Aufbau Ost und Regionalpolitik

Die formulierte Schwerpunktsetzung für den Aufbau Ost und die vorgeschlagenen Prioritäten für das Programm "Zukunft Ost" werden vom DGB unterstützt. Be- dauerlicherweise ist jedoch die Zielrichtung des notwendigen Strukturwandels nur unklar beschrieben. Internationale Wettbewerbsfähigkeit und Exportfähigkeit darf sich nicht nur auf Industrie-, sondern muss sich auch auf Dienstleistungsunternehmen beziehen. Notwendig ist in diesem Zusammenhang ein Entwicklungsrahmen mit der Konzentration auf Wirtschaftsregionen und der Bündelung von Förderinstrumenten und Maßnahmen in regionalen Entwicklungskonzepten.

Bei der Perspektive für die ehemaligen Treuhandunternehmen vermisst der DGB einen klaren Arbeitsauftrag und Finanzierungsbedingungen für die BVS. Konkret geht es aus Sicht des DGB u.a. um Sanierungsbeteiligungsgesellschaften und Beratungsfonds für Interessenvertretungen.

Für die Regionalpolitik insgesamt bleibt unklar, welche Position die neue Bundes- regierung bei der Reform der EU-Strukturfonds einnehmen wird, zumal die alte

Regierung einen Teil der Reformvorschläge der EU-Kommission ablehnte. Das von der EU-Kommission vorgeschlagene Partnerschaftsverfahren sollte zum Grundprinzip auch der deutschen Regional- und Entwicklungsförderung werden.

Dagegen sind die Vereinbarungen der Koalitionspartner zur Verbesserung der Be- schäftigungslage und der Produktion in der Landwirtschaft und in den ländlichen Räumen in Deutschland eine gute Basis. Insbesondere durch eine konsequenter an sozialen und ökologischen Standards ausgerichtete Landbewirtschaftung können die bestehenden Beschäftigungspotentiale in den ländlichen Räumen besser ausgeschöpft werden und damit ein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung der Einkommenssituation in der Landwirtschaft geleistet werden.

Allerdings bleiben die Koalitionsvereinbarungen hinsichtlich der Lösung der Probleme der Saisonarbeit und der Einführung einer verbindlichen Vorruhestandsregelung für landwirtschaftliche Arbeitnehmer unbestimmt, obwohl es sich um zwei Aufgaben

handelt, die zu Beginn der kommenden Legislaturperiode gelöst werden sollten, um die angestrebten positiven Beschäftigungsziele zu erreichen.

3.3. Energie- und Umweltpolitik

Der DGB begrüßt die Beteiligung der Gewerkschaften an der Erarbeitung einer

nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, die zum Schutz der Umwelt und der Schaffung von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen beiträgt. Er bedauert jedoch, dass der betriebliche Umweltschutz nicht die ihm zukommende Bedeutung erhalten hat. Insbesondere in diesem Bereich muss eine gesetzliche Stärkung der Mitwirkungsrechte der

Arbeitnehmer und ihrer Vertreter gewährleistet werden (Betriebsverfassungsgesetz, EG-Öko-Audit-Verordnung, Umweltgesetzbuch).

Aus der Sicht des DGB völlig richtig ist, das zersplitterte Umweltrecht in ein Um- weltgesetzbuch zusammenzuführen, sofern damit keine Verschlechterung des materiellen Umweltrechts einhergeht. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Unter-

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nehmen sind ergänzend zum Ordnungsrecht sinnvoll, sofern sie rechtlich verbindlich umgesetzt werden. Der vorgesehene Ausbau der Umwelthaftungspflicht wird begrüßt.

Auch die angekündigte Anpassung der Anforderungen des Gewässerschutzes und der Luftreinhaltung an den Stand der Technik wird ebenso wie die geplanten Maßnahmen im Bereich der Verwertung von Altautos und des Elektronikschrotts (Kreislaufwirtschaft) unterstützt.

Die energiepolitischen Zielsetzungen der Koalitionsvereinbarungen und die ins Auge gefassten konkret formulierten Schritte sind auch aus der Sicht des DGB notwendige und zutreffende Bestandteile der von der neuen Regierung angestrebten

Modernisierungsstrategie. Dies betrifft die Reform des Energiewirtschaftsrechts, Maßnahmen zur Energieeinsparung und zur Förderung regenerativer Energien, auch wenn dem Aspekt der Förderung von Energiedienstleistungen nicht das notwendige Gewicht beigemessen wurde.

Der DGB begrüsst ausdrücklich, dass der von der Regierung beschlossene Ausstieg aus der Kernenergie im Konsens mit allen Beteiligten erreicht werden soll. Der DGB unterstützt ebenfalls die vorgesehenen gesetzlichen Schritte, sofern ein Energie- konsens nicht zustande kommt. Dabei muss die Zukunft der Arbeitsplätze für die in diesem Sektor Beschäftigten bzw. verbundenen Branchen im Mittelpunkt der Konsensfindung stehen.

3.4. Die Modernisierung des öffentlichen Sektors

Der DGB begrüßt, daß das Thema "Modernisierung des öffentlichen Dienstes" auch im Rahmen des Bündnisses für Arbeit und Ausbildung angesprochen werden soll.

Bedauerlich ist aber, daß der Blick zum Teil auf die "Verwaltung" verengt und bezüglich der erhöhten Ausbildungsleistung der Beitrag der Bundesregierung nicht beziffert wird.

Die im Kapitel "Moderner Staat" zur Modernisierung des öffentlichen Sektors niederge- schriebenen Schlagworte deuten in die richtige Richtung, wenn auch ihre jeweilige Bedeutung und Verbindlichkeit noch kaum erkennbar ist. An die in der Wortwahl zum Ausdruck kommende Denkrichtung lassen sich gewerkschaftliche Vorstellungen von der Modernisierung des öffentlichen Dienstes im Allgemeinen und der

Bundesverwaltung im Besonderen anknüpfen. Ob vergleichbare Begrifflichkeiten aber auch zu beiderseits akzeptablen Lösungen führen, muß die nun beginnende

gemeinsame Arbeit an der Modernisierung der Bundesverwaltung zeigen. Die Ankündigung, notwendige Reformen sozialverträglich umzusetzen, wird begrüßt, bedarf aber der Konkretisierung.

Eine "angemessene" Beteiligung der Beschäftigten an den Reformschritten kann aus gewerkschaftlicher Sicht nur im Rahmen einer Modernisierungsvereinbarung zwischen der Bundesregierung auf der einen und DGB sowie Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes auf der anderen Seite ausgehandelt werden. Der DGB geht davon aus, daß die entsprechenden Gespräche in den nächsten Wochen aufgenommen werden.

Auch die Arbeitsämter müssen in die Lage versetzt werden, effektiver zu arbeiten.

Bürokratische rechtliche Vorschriften müssen beseitigt und die personelle Ausstattung der Arbeitsämter verbessert werden.

3.5. Mitbestimmung

Die Chancen, die Wirtschaft - einschließlich der öffentlichen Verwaltung - zu modernisieren, steigen erheblich, wenn die Beschäftigten die Reformprozesse von Anfang an mitgestalten und ihre Erfahrungen und Kreativität genutzt werden. Dazu ist

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eine Anpassung der Betriebs- und Unternehmensverfassung mit den Zielen erfor- derlich, die Mitwirkungsrechte der einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Mitbestimmungsrechte der Betriebs- und Personalräte zu verbessern und die Mitbestimmung auf der Unternehmensebene - auch vor dem Hintergrund europäischer Entwicklungen - dauerhaft zu sichern.

Vorrang hat nach Meinung der Koalitionspartner die Novellierung der Betriebs-

verfassung. Hinzu kommen muß die Sicherung und Weiterentwicklung der qualifizierten Mitbestimmung in den Unternehmen und in Europa (Europäische Betriebsräte,

Europäische Aktiengesellschaft).

3.6. Reform des Berufsbeamtentums

Den Beamtinnen und Beamten werden noch immer grundlegende Kollektivrechte vorenthalten. Der DGB begrüßt deshalb, daß die Bundesregierung das Beteiligungs- recht der Gewerkschaften bei der Regelung beamtenrechtlicher Verhältnisse zumindest auf weitere Verbesserungen hin prüfen will. Der DGB wird in den Verhandlungen dafür eintreten, die auch von Verfassungsrechtlern eingeräumten Möglichkeiten des

Grundgesetzes voll auszuschöpfen. Sollte die neue Bundesregierung dies mittragen, könnte ein weiterer Schritt zur Modernisierung des Berufsbeamtentums gegangen und die Vertragsidee auch im Beamtenrecht stärker verankert werden.

Der DGB hält es auch für richtig, einen Erfahrungsbericht zur Dienstrechts- und zur Versorgungsrechtsreform anzufertigen. Dieser Bericht sollte auch die besonderen Veränderungen für eine Teilzeitbeschäftigung im Beamtenverhältnis untersuchen, um hieraus bessere Bedingungen für die Teilzeitarbeit ableiten zu können.

Der DGB geht davon aus, daß die angedeuteten Reformen zum Dienstrecht des

Hochschulpersonals, der juristischen Aus- und Fortbildung sowie der Erfahrungsbericht zur Dienstrechts- und zur Versorgungsrechtsreform in enger Zusammenarbeit

bearbeitet werden. Dies gilt auch für die angedeutete Fortentwicklung der

Beamtenversorgung. Der DGB erwartet, dass sowohl die für das Rentenrecht als auch die für das Gesundheitssystem formulierten Ziele und Maßnahmen systemkonform auf das Beamtenversorgungsrecht und das Beihilferecht übertragen werden.

4. Steuerreform

Die Steuerreform ist in den Koalitionsvereinbarungen eines der zentralen Instrumente, um mehr Arbeit und soziale Gerechtigkeit zu erreichen. Aus der Sicht des DGB sind die im einzelnen hierzu vereinbarten Ansatzpunkte grundsätzlich geeignet, diese Ziele zu erreichen.

Vorgesehen ist zum einen, die Einkommensteuer und die Unternehmensbesteuerung zu reformieren und das Kindergeld zu erhöhen. Diese Reform soll - mit Rücksicht auf die angespannte Finanzlage der öffentlichen Haushalte - einerseits dreistufig erfolgen und andererseits weitgehend aufkommensneutral durchgeführt werden; erst ab dem Jahre 2002 wird eine Nettoentlastung von 10 Mrd. DM für vertretbar gehalten. Dies entspricht der DGB-Auffassung über die sehr geringen Haushaltsspielräumen für eine Steuer-Nettoentlastung.

Kernstück der Steuerreform ist die Absenkung des Einkommenssteuertarifes durch einen höheren Grundfreibetrag, einen geringeren Eingangssteuersatz und einen ge- ringeren Spitzensteuersatz sowie das höhere Kindergeld. Die Entlastung konzentriert sich auf den Kernbereich der durchschnittlichen und mittleren Einkommen zwischen 50.000 und 120.000 DM, sowohl absolut als auch - gemessen an der bisherigen

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Steuerbelastung - prozentual. Nach Jahren der steigenden Belastung von Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer mit Steuern und Abgaben erfolgt damit nunmehr eine auf sie konzentrierte Steuerentlastung. Dies wird sich sicher positiv auf die kaufkräftige Nachfrage und damit auf die Binnenkonjunktur und den Arbeitsmarkt auswirken und ist zudem ein deutlicher Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit.

Von der Gegenfinanzierung sind vor allem Unternehmenseinkommen durch eine An- passung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen an internationale Maßstäbe be- troffen. Aber auch Arbeitnehmerhaushalte werden durch die folgenden Maßnahmen auch zur Gegenfinanzierung herangezogen:

- Halbierung des Sparerfreibetrages ab dem Jahr 2000, so dass (der heute realistische Zinssatz von 3 % unterstellt) Zinsen aus einem Vermögen von 100.000/200.000 DM (Ledige/Verheiratete) unversteuert bleiben.

- Begrenzung des Splittingvorteils auf 8.000 DM pro Jahr.

Die Begrenzung des Splittingvorteils liegt nahe bei den DGB-Positionen. Die

nunmehr gefundene Technik zur Begrenzung des Splittingvorteils ist allerdings sehr kompliziert.

- Außerdem soll die steuerliche Begünstigung von Abfindungen eingeschränkt werden, und zwar in erster Linie gezielt auf solche Personen, die nach Aus- scheiden aus einem Dienstverhältnis rasch wieder einen Anschluß-Arbeitsplatz bekommen. Aber auch bei Personen ohne Anschluß-Arbeitsplatz, die nach Aus- scheiden aus einem Dienstverhältnis steuerfreie Einkünfte haben, wie z. B.

Arbeitslosenunterstützung, können bei Abfindungen, die deutlich über 68.000 DM hinausgehen, gewisse Höherbelastungen auftreten. Deshalb muss gewährleistet sein, dass eine spürbare Mehrbelastung bei nicht vorhandenem Anschluß- Arbeitsplatz und durchschnittlichen Abfindungen nicht eintritt. Überhaupt dürfte nach eingehender Prüfung des Gegenfinanzierungskataloges die eine oder andere Position noch hinterfragt werden müssen.

Vorgesehen ist zum anderen ein Einstieg in eine sozial-ökologische Steuerreform.

Vorgesehen ist auch hier ein mehrstufiges Verfahren. In der ersten Stufe sollen bestimmte Energiesteuern angehoben und im Gegenzug die Sozialversicherungs- beiträge um 0,8 Prozentpunkte gesenkt werden. Weitere Stufen Energiesteuer-

erhöhung sollen im Zuge einer europäischen Harmonisierung der Energiebesteuerung erfolgen, verbunden mit der Zielsetzung, die Sozialversicherungsbeiträge auf unter 40 Prozent zu senken.

Auch dieser Teil der vereinbarten Steuerreform ist aus Sicht des DGB zu begrüssen.

Dabei ist wichtig, dass die vorgesehene Belastung von nicht regenerativen Energien zu keiner Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie führen dürfte, auch, weil die national vorgesehenen Maßnahmen in engem Zusammenhang mit den auf europäischer Ebene (deutsche EU-Präsidentschaft) zu beschließenden Maßnahmen stehen. Der DGB begrüßt, dass die Steuermehreinnahmen vollständig zur Senkung der Sozialversicherungsbeiträge verwandt werden. Wünschenswert wäre allerdings eine klare Festlegung auf die Senkung der Beiträge zur

Arbeitslosenversicherung.

Aus Sicht des DGB ist es vernünftig, dass ein Einstieg in eine sozial-ökologische Steuerreform in einem ersten Schritt nicht mit massiven Preiserhöhungen beginnt.

Entscheidend ist die Festlegung auf eine kontinuierliche Erhöhung der Energiepreise, damit sich die Unternehmer und Verbraucher mittel- und langfristig auf energie- sparende Produkte und Verhaltensweisen orientieren können. Es geht um eine

strategische Weichenstellung. Die vorgesehenen Energiepreiserhöhungen führen auch

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wegen der anderweitig beschlossenen abgaben- und steuerpolitischen Maßnahmen bei den besonders betroffenen Personengruppen zu keinen unbilligen Belastungen.

5. Reform des Sozialstaates

5.1. Ein leistungsfähiges und bezahlbares Gesundheitssystem für alle

Mit den Koalitionsvereinbarungen bekennt sich die neue Bundesregierung zu einer sozial gerechten Gesundheitspolitik, die sich dem Solidar- und Sachleistungsprinzip wie der paritätischen Finanzierung verpflichtet fühlt. Auch dies ist aus Sicht des DGB ein Teil des Politikwechsels und positiv zu bewerten. Wenn für die Bundesregierung Gesundheitsförderung und Gesundheitsvorsorge anzustrebende Ziele sind, ist es aber erforderlich, daraus konkretes Handeln folgen zu lassen (Reform des § 20 SGB V).

Vereinbart ist als Ziel, die Beiträge zur Krankenversicherung dauerhaft zu stabilisieren.

Dazu soll in einem ersten Schritt ein Vorschaltgesetz verabschiedet werden, mit dem einerseits eine vorläufige Ausgabenbegrenzung, andererseits eine Rücknahme

bestimmter Sozialabbaumaßnahmen aus der letzten Legislaturperiode und zum dritten eine "Modifizierung der Krankenversicherungskarte (Arztwechsel)" festgelegt werden soll. Letzteres muß genauer gefaßt werden.

Diesem Vorschaltgesetz soll eine Strukturreform folgen, die für mehr Wettbewerb um Qualität, Wirtschaftlichkeit und effizientere Versorgungsstrukturen sorgen soll. Einzelne Eckpunkte dieser Strukturreform werden genannt; hinzuzufügen wäre, dass das

Vertragsrecht zwischen GKV und Anbietern von Gesundheitsleistungen überprüft werden muß.

5.2. Reform des Rentenversicherung

Bei der Rentenversicherung haben sich die Koalitionsparteien auf zwei Reformschritte verständigt. Im ersten Schritt werden die von der alten Regierung durchgesetzten Ein- schnitte in die Erwerbsminderungsrenten und Rentenniveaukürzungen ausgesetzt; im zweiten Schritt soll eine große Rentenreform auf den Weg gebracht werden, mit der die Renten und das Rentenniveau langfristig gesichert und die Beiträge stabilisiert werden soll.

Auch hier werden lediglich Eckpunkte genannt, die aber allesamt einen gelungenen sozialpolitischen Auftakt der zukünftigen Regierungskoalition erwarten lassen.

Die vorgesehene Entlastung der Rentenkasse von beitragsungedeckten Leistungen entspricht den Erwartungen des DGB. Die Beitragszahlung für Kindererziehungszeiten sollte über eine Familienkasse erfolgen. Gleiches sollte später auch für Aus-

bildungszeiten über eine Ausbildungskasse geschehen.

Die Einbeziehung aller Altersicherungssysteme in die Reform ist wichtiger Beitrag zur Harmonisierung der Alterssicherungssysteme, die vom DGB seit langem gefordert wird.

In einem ersten Schritt könnte die BA für Arbeit der GRV die Kosten für die arbeitsmarktbedingten EU/BU Renten erstatten ( 1998=7 Mrd. DM).

Die geplanten Regelungen zur Lebensarbeitszeit und zur Altersteilzeit sollten bedeuten, die vorgezogene Anhebung der Altersgrenzen zu überprüfen und sie in Abhängigkeit von der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt neu zu regeln.

Die Absicherung unsteter Erwerbsverläufe wird vom DGB unterstützt.

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Unklar bleibt in den Koalitionsvereinbarungen, was mit den Stichworten "Eigenständige Alterssicherung der Frau, dabei auch Rente nach Mindesteinkommen, Reform der Hinterbliebenenversorgung, Prüfung der rentenrechtlichen Absicherung von Teilzeitarbeit" inhaltlich beabsichtigt ist. Tatsächlich kann die eigenständige

Alterssicherung von Frauen nur in diesem Gesamtkomplex geregelt werden. Ein erster Schritt wäre aus Sicht des DGB die Entfristung der Rente nach Mindesteinkommen. Die Einführung des Rentensplittings sollte ebenfalls erfolgen.

Unklar bleibt ferner, welche "Vorsorgemaßnahmen für den demografischen Wandel (z.

B. ergänzendes Kapitaldeckungsverfahren)" getroffen werden sollen. Die zuvor genannten Reformschritte beinhalten u. E. genug Möglichkeiten, für den demo- grafischen Wandel Vorsorge zu treffen.

5.3. Wohnungspolitik

Die Aussagen zur Wohnungspolitik und zum Mieterschutz werden vom DGB insgesamt begrüßt. Es fehlt jedoch an klaren Aussagen zur dauerhaften Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus und zur Nachhaltigkeit bei Bauprodukten und Bodenverbrauch.

Bedauerlicherweise werden keine Aussagen bei der Reform des Mietrechts zur Erhaltung des sozialen Mieterschutzes gemacht.

6. Demokratische Gesellschaft

6.1. Gleichstellung von Mann und Frau

Mit den Koalitionsvereinbarungen beabsichtigt die Bundesregierung, die Gleichstellung von Mann und Frau wieder zu einem großen gesellschaftlichen Reformprojekt zu machen. Angekündigt wird ein Aktionsprogramm "Frau und Beruf", zu dem ein

effektives Gleichstellungsgesetz auch für die Privatwirtschaft gehören soll. Außerdem soll bei den anderen, in den Koalitionsvereinbarungen genannten politischen Vorhaben gleichstellungspolitische Ziele berücksichtigt werden.

Damit können die in den Koalitionsvereinbarungen angekündigten gleichstellungs- politischen Zielstellungen und Reformansätze im Grundsatz begrüsst werden. Ver- schiedene Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen lassen sich allerdings im Einzelnen noch nicht bewerten. Sie hängen von der konkreten Ausgestaltung der einzelnen Ansätze ab.

6.2. Migrations-, Flüchtlings- und Integrationspolitik

Migranten und Migrantinnen müssen entsprechend ihrer Betroffenheit gefördert werden. Ausländische Frauen sind besonders benachteiligt. Der DGB begrüßt daher die Absicht der Bundesregierung, ihre soziale und rechtliche Stellung zu verbessern.

Besondere Bedeutung haben dabei die Bekämpfung von Menschenhandel, hier vor allem von Frauen und Kindern, die Beachtung von frauenspezifischen Verfolgungs- gründen bei Asylgewährung, die Verbesserung des eigenständigen Aufenthaltsrechts für Frauen. Wir fordern die Koalitionsparteien auf, ihre weiterführenden Überlegungen zur Verbesserung des eigenständigen Aufenthaltsrechts von Frauen sowie der

Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Verfolgung als Asylgrund im Gesetzgebungsverfahren wieder aufzugreifen.

In der Bundesrepublik Deutschland ist der politische Rechtsextremismus zu einem wachsenden Problem für ein freiheitliches und friedliches Zusammenleben von

Menschen geworden. Der DGB begrüßt, daß die Bundesregierung die Bekämpfung des Rechtsextremismus zu einem Schwerpunkt machen wird, und unterstützt das

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angestrebte Bündnis für Demokratie und Toleranz. Der beabsichtigte Ausbau der Bürgerrechte, die Erweiterung der politischen Beteiligungsrechte, die Förderung der Toleranz, die Achtung von Minderheiten und die Stärkung ihrer Rechte sind sicher wichtige Leitziele der Innen- und Rechtspolitik.

Der DGB begrüsst die Vereinbarung der neuen Bundesregierung, das Staatsan- gehörigkeitsrecht zu ändern. Vor allem ist hervorzuheben, dass Kinder ausländischer Eltern mit Geburt in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten sollen; dies ist sicher eine wichtige Integra-

tionsvoraussetzung.

Mit der Absicht der neuen Bundesregierung, das kommunale Wahlrecht auch für Drittstaatsangehörige einzuführen, wird sichergestellt, dass auch Menschen, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen, politische Beteiligungsmöglichkeiten erhalten.

Im Unterschied zur neuen Bundesregierung sieht der DGB nach wie vor die Not- wendigkeit einer umfassenden Reform des Ausländerrechtes.

Der DGB begrüsst die Bereitschaft der neuen Bundesregierung, die bestehende Praxis zu des Asylverfahrens überprüfen. Auch mit der Zielsetzung einer europäischen

Asylpolitik ist es aber notwendig, die besten Praktiken der Staaten der Europäischen Union aufzunehmen und bereits in nationales Recht umzusetzen. Der DGB begrüsst daher die Beachtung geschlechtsspezifischer Verfolgungsgründe.

Der Wille der Koalitionsparteien, ein "Gesetz gegen Diskriminierung und zur Förderung der Gleichbehandlung" auf den Weg zu bringen, das Diskriminierung wegen

Behinderung, Herkunft, Hautfarbe, ethnischer Zugehörigkeit und sexueller Orientierung ausschließen soll, ist ebenfalls ein wichtiger Beitrag zu einer offenen, demokratischen Gesellschaft. Neben der Unterstützung des "Aktionsplans gegen Rassismus" der Europäischen Union ist die Entwicklung eines nationalen Aktionsplans notwendig.

6.3. Justizreform, Datenschutzrecht, Verbandsklagerecht

Die von der neuen Bundesregierung geplante umfassende Justizreform u. a. durch eine Vereinfachung und Angleichung der Verfahrensordnungen hält der DGB nur dann für sinnvoll, wenn den spezifischen Gegebenheiten insbesondere in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit nach wie vor hinreichend Rechnung getragen wird. Der DGB weist darauf hin, daß praktikable Lösungen für die einzelnen Gerichtszweige Vorrang vor einer Angleichung um jeden Preis haben muß.

Der DGB begrüßt, daß die notwendige Anpassung des deutschen Datenschutzrechts an die Richtlinie der Europäischen Union kurzfristig umgesetzt werden soll und ein effektiver Datenschutz im öffentlichen und im privaten Recht zu den unverzichtbaren Voraussetzungen für eine demokratische, verantwortbare Informationsgesellschaft gezählt wird.

Der DGB begrüßt ausdrücklich, daß die Tarifautonomie bewahrt und ein Verbands- klagerecht eingeführt werden soll.

7. Europapolitik, Entwicklungspolitik

Der DGB begrüsst, dass die Koalitionsvereinbarung die Priorität der Europapolitik auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit legt. Dies soll durch die Schaffung eines euro-

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päischen Beschäftigungspaktes, die Festlegung verbindlicher und nachprüfbarer Ziele in den beschäftigungspolitischen Leitlinien und eine Politik der ökologischen

Modernisierung erreicht werden.

Die allgemeinpolitischen Forderungen stehen in der Kontinuität der alten Bundes- regierung, sie setzen aber auch neue Schwerpunkte wie die Weiterentwicklung der Politischen Union durch eine Sozial- und Umweltunion, die Forderung nach einer europäischen Koordinierung der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik, die Stärkung der Rechte des Europäischen Parlamentes, die entschlossene Osterweiterung der EU.

Der DGB unterstützt diese europapolitischen Zielsetzungen.

Unzureichend sind die Aussagen bezüglich der europäischen Umweltpolitik. Der DGB verweist hier insbesondere darauf, dass Grundlage für die Harmonisierung von Umweltvorschriften in der EU der Stand der Technik sein muss, um ökologische Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil deutscher Unternehmen in Europa zu ver- meiden.

Der DGB begrüßt die Absicht der Koalition, dass den europäischen Verträgen eine Grundrechtscharta vorangestellt werden soll. Die Bürgerrechte in Europa müssen gestärkt, die Asyl-, Flüchtlings- und Migrationspolitik muss harmonisiert und Sozialdumping verhindert werden.

Der DGB begrüßt die Überlegungen für eine gemeinsame europäische Flüchtlings- und Migrationspolitik. Dabei ist sicherzustellen, dass bereits auch im nationalen Rahmen die Genfer Flüchtlingskonvention und Europäische Menschenrechtskonvention Beachtung finden.

Ebenso wie die Bundesregierung ist auch der Deutsche Gewerkschaftsbund der Auffassung, dass die notwendigen Voraussetzungen für die Herstellung der Arbeit- nehmerfreizügigkeit gegeben sein müssen. Auch die Auswirkungen der Dienst- leistungsfreiheit auf den Arbeitsmarkt, die sozialen Sicherungssysteme und die

Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen sind zu berücksichtigen.

Dem Prinzip der Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen am Einsatzort ist Vorrang einzuräumen.

Der DGB begrüßt die Ankündigung, den Abwärtstrend des Entwicklungshaushaltes umzukehren und dem international vereinbarten 0,7% Ziel öffentlicher Entwicklungshilfe näher zu kommen.

8. Politische Umsetzung, gesellschaftliche Reforminitiative

Der DGB hegt keinen Zweifel daran, dass der Koalitionsvertrag alle Voraussetzungen für einen Politikwechsel enthält. Deshalb kommt es auf die politische Umsetzung an.

Gute politische Absichten und gute Ansatzpunkte müssen zu guten, in der Wirklichkeit nachprüfbaren Ergebnissen führen.

Das bedeutet einerseits, daß ohne Umschweife getan wird, was schnell bewirkt werden kann: Sofortmassnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Korrektur der beschäftigungs- und sozialpolitischen Fehlentscheidungen der alten Bundesregierung.

Ein Politikwechsel muss rasch an Gestalt gewinnen. Die neue Bundesregierung braucht zählbare Anfangserfolge, um ihren Vertrauenskredit zu rechtfertigen. Der DGB ist bereit, sie darin zu unterstützen.

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Andererseits kommt es darauf an, jetzt damit zu beginnen, was mehr Zeit braucht. Die Arbeit an Reformen muß unverzüglich aufgenommen werden. Wir brauchen ein gesellschaftliches Reformklima, wenn der Politikwechsel an Dauer und an Stabilität gewinnen soll.

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