Recht und Medizin
382 Ärzteblatt Sachsen 9 / 2012
genetische Verwandte der be - troffenen Person Träger der zu untersuchenden genetischen Eigenschaften mit Bedeutung für eine vermeidbare oder behandel- bare Erkrankung oder gesund- heitliche Störung sind, umfasst die genetische Beratung auch die Empfehlung, diesen Verwandten eine genetische Beratung zu empfehlen.“
5. Von ärztlicher Seite wird die Regelung für ungenügend erach- tet, weil der Patient (die betrof- fene Person) dieser Empfehlung nicht Folge leisten muss. Die Ärzte hätten daher gern eine Regelung, die ihnen das Recht zur Information der Verwandten gibt. Das ist allerdings aus Grün- den der Schweigepflicht nicht möglich.
6. Dieses Problem stellt sich im ent- schiedenen Fall allerdings nicht, weil der Betroffene den Arzt um die Information seiner Exfrau gebeten hat. Diese Einwilligung müsste gemäß § 11 Abs. 3 GenDG ausdrücklich und schrift- lich erfolgt sein. Ob das gesche- hen ist, ist nicht bekannt. Falls es nicht geschehen sein sollte, bleibt die Frage zu klären, wie- weit dieser Formverstoß Einfluss auf das Verhältnis gegenüber dem Dritten haben kann. Dem Geheimnisschutz ist jedenfalls Genüge getan.
7. Allerdings stellt sich das weitere Problem, dass das Gesetz die Verpflichtung des Arztes zur Empfehlung nur für den Fall aus- spricht, dass es sich um eine the- rapierbare Erkrankung handelt.
Das ist bei Chorea-Huntington nicht der Fall. Es handelt sich aber auch nicht um die Verpflich- tung des Arztes, sondern um das Recht zur Information. Und das ist sinnvoll auch in diesem Fall gegeben. Für die Kinder bedeu- tet das Wissen von der Erkran- kung des Vaters die Kenntnis von der 50%-igen Wahrscheinlich- keit, auch erkrankt zu sein. Die Option, die sich stellt, ist die, mit der Ungewissheit zu leben oder Gewissheit zu erlangen. Es lebt sich sicherlich besser, wenn man weiß, dass man zu den 50%
gehört, die nicht zu den Krank- heitsträgern zählen, als über die- sen Umstand im Ungewissen zu sein.
8. Damit ist aber nur der Konflikt zwischen dem Arzt und dem Betroffenen bezüglich des Ge - heimhaltungsinteresses gelöst.
Nicht angesprochen wird im Gesetz die zweite Frage des Rechtes auf Nichtwissen des Dritten. Möglicherweise bleiben insoweit Ge setzestext und Be - gründung be wusst unklar. „Aller- dings bleibt die direkte Informa- tion auch mit Einwilligung des
Patienten problematisch, weil das Recht auf Nichtwissen der bisher unbeteiligten Dritten dagegen spricht.“ Diese Frage könnte im weiteren Prozessver- lauf einer Klärung zu geführt wer- den.
9. Zu dieser eigentlich spannenden Rechtsfrage gelangt das Gericht erst gar nicht, weil es die Anwendbarkeit des GenDG nicht
erkennt. Auch bleibt die Frage letztlich unerörtert, was es in die- sem Fall mit der Information der
„Vierten“ auf sich hat, von der das Gesetz gar nicht spricht. Die Information war für die Mutter direkt nicht belastend, denn sie hat die Krankheitsanlage sicher- lich nicht. Auch stellt sich die Frage, ob der Schutzzweck der Norm ihre behauptete Verlet- zung überhaupt erfasst.
10. Sollte das nach Ansicht des ent- scheidenden Gerichtes der Fall sein, so ist – auf der Grundlage der einschlägigen Regeln des GenDG – aber meiner Meinung nach zumindest das Verschulden des Arztes in hohem Grade frag- lich, sodass davon auszugehen ist, dass die Sachentscheidung zu einer Klageabweisung gelangen wird.
Prof. Dr. jur. Bernd-Rüdiger Kern, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Rechtsgeschichte und Arztrecht, Juristenfakultät der Universität Leipzig
Stärkere Kontrolle bei Organspende
Aufgrund der Vorwürfe gegen Trans- plantationszentren in Regensburg und Göttingen soll kriminelles Ver- halten bei Organspenden künftig schärfer geahndet werden. Darauf haben sich Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), Vertreter der Län- der und Experten aus dem Gesund- heitswesen am 27. August 2012 in Berlin geeinigt. Je nach Schwere des Verstoßes sollen nicht nur die Täter strafrechtlich verfolgt, sondern auch die betroffenen Transplantationszen- tren vorübergehend geschlossen werden. Zudem sind schärfere be - rufsrechtliche Konsequenzen für die
an Vergehen beteiligten Mediziner vorgesehen, die bis zum Entzug der Zulassung gehen können. Darüber hinaus soll künftig das sogenannte Sechs-Augen-Prinzip zur Grundlage für einen Organbedarf gemacht wer- den. Neben den Transplantationsme- dizinern muss mindestens ein Arzt einer anderen Fachrichtung prüfen, ob der betroffene Patient in die War- teliste für ein Organ gehört oder nicht. Auch die Kontrollen sollen deutlich verbessert werden. Künftig soll es regelmäßige Untersuchungen auch ohne Anlass geben.
Das Gremium sprach sich zudem dafür aus, Bonuszahlungen an Ärzte nicht mehr an die Zahl der durchge-
führten Transplantationen zu knüp- fen. Damit soll der Wettlauf nach immer mehr Organverpflanzungen eingedämmt werden.
Regelmäßig soll die Bundesärzte- kammer die Berichte der Prüf- und Überwachungskommissionen veröf- fentlichen. Von 2000 bis 2011 hat es nach deren Angaben 50.739 Organ- transplantationen gegeben. In 119 Fällen tauchten Hinweise auf Unre- gelmäßigkeiten auf, wobei in 31 Fäl- len Verstöße gegen Vorschriften fest- gestellt wurden.
Knut Köhler M.A.
Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit