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Wahnsinniges Genie

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104 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Dezember 2014 | www.pta-aktuell.de

G

eboren wurde

Friedrich Nietz- sche am 15. Ok- tober 1844 in Rö- cken als Sohn des lutherischen Pfarrers Carl Ludwig Nietzsche und seiner Frau Franziska, ge- borene Oehler. Nach dem frü- hen Tod des Vaters (1849) und kurz darauf seines jüngeren Bruders Ludwig Joseph (1848 bis 1850) zog die Familie nach Naumburg, wo Nietzsche zu- nächst die allgemeine Knaben- schule, dann eine Privatschule und schließlich das Domgym- nasium besuchte. Aufgrund sei- ner besonderen musischen und sprachlichen Begabung wurde Nietzsche 1858 als Stipendiat in die Landesschule Pforta aufgenommen. Im Winterse- mester 1864/65 begann er mit dem Studium der klassischen Philologie und evangelischen Theologie in Bonn, brach das Theologiestudium zum Leid- wesen seiner Mutter nach dem ersten Semester jedoch ab und wechselte zum Weiterstudie- ren nach Leipzig. 1867 war er als Einjährig-Freiwilliger bei der preußischen Artillerie in Naumburg, wurde durch einen schweren Reitunfall im März 1868 allerdings dienstunfähig.

Er beendete 1868 das Studium und wurde auf Empfehlung seines Leipziger Philologiepro- fessors Friedrich Ritschl (1806 bis 1876) und Betreiben des Schweizer Philologen Wilhelm Vischer-Bilfinger (1808 bis 1874) schon mit 24 Jahren und unmittelbar im Anschluss an sein Studium zum außerordent- lichen Professor für klassische Philologie in Basel berufen.

Wahnsinniges Genie

© Foto von 1869

PRAXIS KRANKHEITEN BERÜHMTER PERSÖNLICHKEITEN

Posthum gelangte er als Philosoph zu Weltruhm. Doch Zeit seines Le-

bens kränkelte Friedrich Nietzsche. Die letzten elf Jahre verbrachte er

überwiegend in geistiger Umnachtung. Doch woran litt er tatsächlich?

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | Dezember 2014 | www.pta-aktuell.de

Aufgabe der Professur Doch bereits mit 35 Jahren musste er seine Philologieprofessur aus gesundheitlichen Grün- den wieder aufgeben. Denn Fakt ist: Fast sein gesamtes erwachsenes Leben litt Nietz- sche an verschiedenen Leiden.

Heftiger Rheumatismus sowie stechende Kopfschmerzen, Erbrechen und Sehstörungen bis zur Blindheit machten ihm häufig zu schaffen. Die Ärzte stellten „Migräne“ als Diagnose fest, konnten aber nicht helfen.

Längere Texte zu schreiben war ihm aufgrund seiner Kopfweh- attacken und Sehstörungen häufig nicht möglich, weshalb er Aphorismen benutzte. Sie wurden zu seinem Markenzei- chen – wofür Philologiestuden- ten heute noch dankbar sind.

Denn bei Nietzsche müssen sie sich – im Unterschied zu Marx, Kant oder Hegel – nicht durch langatmige Texte quälen.

Arbeit als freier Philosoph Getrieben von seinen Krank- heiten, auf der ständigen Suche nach für ihn aushaltba- ren Klimabedingungen, reiste Nietzsche seit seiner Frühpen- sionierung viel und lebte bis 1889 als freier Autor an ver- schiedensten Orten. Im Som- mer wohnte Nietzsche meist in einer Pension im schweize- rischen Sils-Maria, im Win- ter hielt er sich vorwiegend in Italien (Genua, Rapallo, Turin) sowie in Nizza auf. Ab und an besuchte er seine Familie in Naumburg. In dieser Zeit machten auch größere Werke wie „Homer und die klassische Philologie“ (1869), „Menschli- ches, Allzumenschliches – Ein Buch für freie Geister“ (1878 bis 1880) „Also sprach Zarathus- tra“ (1883 bis 1891), „Jenseits von Gut und Böse“ (1886), „Der Antichrist“ (1888), – und dies ist nur ein kleiner Ausschnitt seines Schaffens – Friedrich

Nietzsche allmählich bekann- ter. Allerdings stieß er auch vielfach auf Unverständnis, verlor wegen seiner Eigenwillig- keit Freunde, war einsam, zeit- weilig – auch angesichts immer neuer Krankheitsschübe, die ihm kontinuierliches Arbeiten erschwerten – von Suizidge- danken getrieben. Schriften und Briefe ab Herbst 1888 las- sen schließlich auf einen begin- nenden Größenwahn schließen.

Zusammenbruch in Turin In brieflichen Ankündigungen, die sicherlich Ausdruck der voranschreitenden geistigen Umnachtung waren, wollte Nietzsche etwa den Papst ins Gefängnis stecken, Bismarck und Kaiser Wilhelm erschießen lassen. Unterschrieben wurde diese Briefe mit „Dionysos“

beziehungsweise „Der Gekreu-

zigte“. Zudem bestimmten starker Appetit auf Essen und Sex (der wohl immer nur ge- danklich war), Prahlereien und Selbstüberschätzung das Bild, das Nietzsche zum Besten gab.

Anfang Januar 1889 erlitt er schließlich in Turin einen end- gültigen geistigen Zusammen- bruch. Der deutsche Arzt Dr.

Baumann stellte dort noch als vernichtende Diagnose „Hirn- schwäche“ fest. Nietzsches Freund Franz Overbeck, Pro- fessor für Kirchengeschichte in Basel, holte ihn in die dor- tige neue psychiatrische Klinik

„Kantonale Irrenanstalt Basel Stadt“. Dort wurde als Ursache für den Zusammenbruch eine

progressive Paralyse vermu- tet. Die kurz darauf angereiste Mutter setzte gegen alle Wider- stände durch, dass Nietzsche in die nächstgelegene Klinik seiner Heimatstadt Naumburg nach Jena verlegt wurde. Als es im Oktober 1889 zu einer deutlichen Remission der Er- krankung kam, bewog dies wiederum seine Mutter, ihren Sohn im März 1890 mit nach Hause nach Naumburg zu neh- men. Dort pflegte sie ihn bis zu ihrem Tod am 20. April 1897 liebevoll. Denn mit Nietzsche ging es unaufhaltsam bergab.

Seine letzten drei Lebensjahre, die er – dank seiner Schwester Elisabeth, die nicht uneigen- nützig die weitere Pflege über- nahm – in Weimar verbringen sollte, waren geprägt vom stetigen Fortschreiten der Pa- ralyse. Nach mehreren Schlag-

anfällen war Nietzsche zudem teilweise gelähmt und konnte weder stehen noch sprechen.

Nietzsches Schwester machte aus ihrem apathisch-wehrlo- sen, aber immer berühmter werdenden Bruder jedoch ein Schaustellungsstück für die Öffentlichkeit: Die Villa Silber- blick wurde zu einem Zentrum des Weimarer Kulturlebens, auf zahlreichen Veranstaltun- gen mit Gästen wurde ihrem Bruder ein weißes Laken über- gezogen, seine geistige Abwe- senheit als Zustand mystischer Überhöhung verklärt, er quasi zum Guru einer besseren Welt erhoben. Damit nicht genug:

Als überzeugte Antisemitin,

ja Judenhasserin, sorgte seine Schwester zusätzlich dafür, dass die Übermenschphilosophie ihres Bruders zur Basisideologie der Faschisten uminterpretiert wurde.

Tod mit 55 Der umnachtete Nietzsche starb schließlich am 25. August 1900 an den Fol- gen einer Lungenentzündung und eines weiteren Schlagan- falls. Eine Autopsie fand nicht statt. Und so wurde eine große Chance vertan, tatsächlich Klarheit über seine Krankheit zu gewinnen. Psychiater, Neu- rologen und Mediziner, die ihn zeitlebens untersuchten, aber auch weit nach seinem Tod aufgrund vorhandener me- dizinischer Aufzeichnungen oder Äußerungen von Zeitge- nossen Rückschlüsse zogen, gelangten nicht zu einhelligen,

also vollständig gesicherten Ergebnissen. Vielfach wird als Ursache für den Zusammen- bruch eine progressive Para- lyse, womöglich als Folge von Syphilis, vermutet. Diese Di- agnose ist allerdings zweifelhaft und umstritten – hält sich aber dennoch hartnäckig. Genauso wahrscheinlich scheint es je- doch, dass Nietzsches Demenz durch einen Hirntumor in der Nähe des rechten Sehnervs aus- gelöst wurde. ■

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

»Es ist wahrscheinlich, dass Nietzsches

Demenz durch einen Hirntumor in der Nähe

des rechten Sehnervs ausgelöst wurde.«

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