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Piraten unter grüner Flagge

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Terror: Der neue Totalitarismus

28 Falk & Schwartz / Piraten IP November 2005

Piraten unter grüner Flagge

Islamisten haben das marititime Transportwesen im Visier

von Ophir Falk und Yaron Schwartz

Komplexe Staatensysteme sind durch einen Anschlag global organisierter Terrorgruppen extrem verwundbar. Nach dem 11. September haben sich Regierungen und Geheimdienste auf den Schutz des internationalen Flug- verkehrs konzentriert. Der Welthandel ist aber weit abhängiger vom mari- timen Transportwesen. Eine Attacke auf See könnte die Weltwirtschaft daher massiv beschädigen. Genau deshalb ist sie äußerst wahrscheinlich.

5,8 Milliarden Tonnen Güter wurden im Jahr 2001 auf dem Seeweg gehandelt, stellte die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) fest. 2003 waren es bereits 6,17 Milliarden Tonnen .1 Das macht mehr als 80 Prozent des Welthandelsvolumens aus. Über 46 000 Schiffe, die global fast 4000 Häfen bedienen, tragen die Hauptlast dieses Warenverkehrs.

Seit dem 11. September wurden einige Maßnahmen zum Schutz des Seehan- dels getroffen. Dennoch bleibt dieser Sektor extrem verwundbar für Terror- attacken. Experten halten einen Anschlag für äußerst wahrscheinlich; Osama bin Laden selbst bestätigte in einem Video vom Oktober 2004, dass er sich wei- terhin auf Ziele konzentrieren wolle, die für die Weltwirtschaft wichtig sind.

Ausdehnung, leichte Zugänglichkeit und großstädtische Lage vieler Hafen- anlagen gewährleisten freien Handels- und Reiseverkehr. Dieselben Faktoren, die den maritimen Transportverkehr zum Wohlstand beitragen lassen, ma- chen ihn aber auch verwundbar für Terrorismus. Kreuzfahrtschiffe und Fäh- ren sind dabei ebenso betroffen wie der Container- und Massengüterverkehr, Öltanker und Kriegsschiffe, von den Hafenanlagen selbst ganz zu schweigen.

Die Liste der Anfälligkeiten ist beträchtlich und reicht von potenziellen An- schlägen auf Häfen, Schiffe und Ladungen bis hin zu Dokumentenfälschung und illegaler Mittelbeschaffung für terroristische Vereinigungen, Handel mit und/oder Gebrauch von Waffen, Sprengstoff oder sogar von Massenvernich- tungswaffen. Jeder Zusammenbruch des maritimen Transportsystems könnte ungeheure Kosten verursachen: an Menschenleben, und weil dadurch die Fundamente des Welthandels angegriffen werden.

Leitfaden für Operationen auf See

Piraterie ist so alt wie die Seefahrt selbst. Doch in den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl verzeichneter Angriffe von Piraten weltweit verdreifacht.

Zu den riskantesten Gebieten gehören Indonesien (die Anambas-Inseln, die Gelasa-Straße), Bangladesch (Chittagong, Mongla), Indien (Chennai, Choch- in, Haldia), Malaysia (Bintulu, Sandakan), Somalia und Nigeria.2

Wir wissen, dass Al-Qaida über einen Leitfaden für militärische Operatio- nen auf See verfügt. 3 Hier werden Möglichkeiten des Angriffs auf Schiffe, verschiedene Schiffstypen, deren Schwachstellen und die benötigte Menge von Sprengstoff angegeben. Obendrein hat Al-Qaida eine Geschichte mariti-

OPHIR FALK ist Associate des Institute for Counterterrorism (ICT) in Herzlija, Israel. Er studierte Internationale Beziehungen an der Hebrew University und Jura an der University of Manchester. Er ist Mitglied der israelischen Bar Association.

1 http://www.unctad.org/en/docs//rmt2004_en.pdf

2 UN 2003 Piracy Report.

3 Gregory Katz: International Shipping Vehicles Vulnerable to Terrorist Attacks, Dallas Morning News, 1.12.2002.

YARON SCHWARTZ ist Associate des Institute for Counterterrorism.

Er studierte Internationale Beziehungen an der Columbia University und der University of Manchester.

Der Abdruck dieses Textes erfolgt mit freundlicher Genehmigung des ICT.

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Terror: Der neue Totalitarismus

IP November 2005 Falk & Schwartz / Piraten 29 mer Anschläge vorzuweisen. Die taktische Ausrichtung des Netzwerks deutet

darauf hin, dass es sich in Zukunft auf Schiffs- und Hafengerät konzentrieren will, um ökonomisch relevante Ziele zu treffen. Geheimdienste haben bereits Frachter identifiziert, die Al-Qaida vermutlich zur Verschiffung von Aktivis- ten, Bomben, Geld oder Waren auf hoher See nutzt.4

Der Bereich maritime Sicherheit wird noch immer zugunsten der Siche- rung des Flugverkehrs vernachlässigt, weil Objekte an Land oder in der Luft als wahrscheinlichste Ziele des Terrorismus gelten. Dabei rammte bereits im Jahr 2000 im Jemen ein mit Sprengstoff beladenes kleines Boot die USS Cole;

im Oktober 2002 wurde der französische Supertanker Limburg im Persischen Golf Ziel eines ähnlichen An- griffs. Im Februar 2004 sank eine Fähre mit insgesamt 1050 Passagieren an Bord vor der Küste der Philippinen, nachdem eine in einem Fernseher versteckte und nur vier Kilogramm schwere TNT-Bombe im Unterdeck ex-

plodiert war. Aktuelle Geheimdiensterkenntnisse und das Muster der Atta- cken der vergangenen Jahre legen den Schluss nahe, dass Terroristen ver- stärkt auf Anschläge auf den Schiffsverkehr im Mittleren Osten sowie auf Seehäfen und die im Mittelmeer stationierten Koalitionstruppen setzen könn- ten. Staaten, die der von den USA geführten Koalition im Irak angehören, er- scheinen – kurzfristig – stärker bedroht als die übrigen Länder.

Ungeachtet der von Regierungen weltweit getätigten Investitionen im Be- reich Sicherheit auf See stellt diese Bedrohung immer noch eine unmittelbare Gefahr dar. Sogar in den Vereinigten Staaten, wo vielleicht das größte Budget für maritime Angelegenheiten zur Verfügung gestellt wurde, sind die Häfen

Geheimdienste identifizierten bereits Frachter, die Al-Qaida wohl zur Verschiffung von Aktivisten oder Waren nutzt.

4 Ebd. Fifteen Fighters Believed to be Linked to Al-Qaida.

9.710.000 TEU GAOXIANG Rang 9

7.003.479 TEU HAMBURG Rang 7

8.300.000 TEU ROTTERDAM

Rang 11 6.630.746 TEU

ANTWERPEN

Rang 10 6.428.883 TEU

DUBAI

3.624.000 TEU LAEM CHABANG

Rang 13 5.243.593 TEU

KLANG Rang 16 4.020.421 TEU TANJUNG PELEPAS

Rang 14 5.139.700 TEU

QUINGDAO Rang 18 3.414.000 TEU

TIANJIN

Rang 20 3.580.000 TEU

TOKIO

20.000.000 TEU SINGAPUR Rang 4

13.650.000 TEU SHENZHEN

Rang 1 21.932.000 TEU

HONGKONG Rang 5

11.430.000 TEU BUSAN

Rang 12 5.779.852 TEU LONG BEACH

Rang 8 7.321.440 TEU

Rang 3 14.557.000 TEU

SHANGHAI Rang 17 9.005.500 TEU

NINGBO Rang 15

4.400.000 TEU NEW YORK

Die 20 größten Häfen der Welt nach Warenumschlag im Jahr 2004.

TEU: Thirty Feet Equivalent Unit (Standardcontainer)

Grafik: IP / A. Wolff

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Terror: Der neue Totalitarismus

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alles andere als sicher. Das Hafensicherheitsprogramm hat laut dem General- inspekteur des Heimatschutzministeriums „noch nicht die angestrebten Er- gebnisse in Form einer tatsächlichen Verbesserung der Hafensicherheit er- zielt“. Infolgedessen hatte das Ministerium „keine Gewissheit, dass das Pro- gramm tatsächlich die kritischsten und verwundbarsten Bestandteile der Ha- feninfrastruktur und der Hafenvermögenswerte schützt“.5

Die Ernennung von Saud Hamid al-Otaibi zum neuen Befehlshaber von Al-Qaida in Saudi-Arabien – die er zum großen Teil seiner Expertise im Be- reich Terror auf See verdankt – hat viele Sicherheitsexperten dazu veranlasst, dem Bedrohungsniveau im Bereich maritime Sicherheit mehr Aufmerksam-

keit zu schenken. Zu Hamid al-Otaibis „Erfahrungs- schatz“ zählt seine aktive Rolle bei der Explosion der USS Cole im Oktober 2000 und beim Anschlag auf den französischen Tanker Limburg zwei Jahre später. Nach al-Otaibis Ernennung warnten die Vereinigten Staaten eine Reihe von Mittelmeerstaaten, dass Anschläge auf See auch unter Einsatz chemischer Kampfstoffe unmittelbar bevorstehen könnten.

Container als Waffen

Der Katalog an möglichen Vorgehensweisen für Terroristen reicht weit: Sie könnten ein Schiff entführen, es in einem „Billigflaggenland“ registrieren las- sen und für terroristische Aktivitäten gebrauchen oder ganz offiziell eine Reederei und deren Schiffe erwerben und für terroristische Anschläge nut- zen, ohne in Verdacht zu geraten. Diese Schiffe könnten mit explosivem Ma- terial beladen werden und dann andere Schiffe, Hafenanlagen oder Bevölke- rungszentren an der Küste rammen.

Auch Öltanker oder Schiffe mit Gefahrengut an Bord können als Waffen dienen. Neben den bereits genannten Schiffsarten würden auch große Häfen, an der Küste gelegene Öldepots, Kraftwerke oder Brücken ideale Ziele für Anschläge bieten. Bei Angriffen auf See wäre auch der Einsatz von kleinen U-Booten oder motorbetriebenen Unterwasserschlitten denkbar.6 Ei- nige terroristische Gruppen haben bereits mit solchen Methoden experimen- tiert. Geheimdienstberichte weisen darauf hin, dass Aktivisten der Jemaah Islamiah, einer hauptsächlich in Südasien tätigen und mit dem Al-Qaida- Netzwerk in Verbindung stehenden Gruppierung, in Guerillatak tiken auf See trainiert wurden. Dazu gehörten etwa Selbstmordtauch- und -ramm- manöver, wie sie von den srilankischen Liberation Tigers of Tamil Eelam entwickelt wurden.7

Terroristen könnten sich auch unautorisierten Zugang zu Schiffen und Ha- fenanlagen verschaffen, um dort Sprengstoff zu platzieren. Von mindestens einem Al-Qaida-Aktivisten ist bekannt, dass er versuchte, sich eine interna- tionale Kapitänslizenz zu besorgen, die ihm ohne Visum Einlass in jeden Hafen der Welt verschaffen würde.8 Eine der beängstigendsten Bedrohungen

5 New York Times, 27.2.2005.

6 National Infrastructure Protection Center, Possible Use of Scuba Divers to Conduct Terrorist Attacks, Information Bulletin 02-006, 23.5.2002, http://nipc.gov/publications/infobulletins/

2002/ib02-006.html.

7 Experts Say Islamic Militants Trained for Sea Attacks, Reuters, 22.1.2003.

8 Patrick E. Tyler: Qaeda Suspect Was Taking Flight Training Last Month, New York Times, 22.12.2002.

Terroristen könnten ein Schiff

entführen oder ganz offiziell

eine Reederei kaufen.

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Terror: Der neue Totalitarismus

IP November 2005 Falk & Schwartz / Piraten 31 für die maritime Sicherheit auf See besteht darin, dass Terroristen Frachtcon-

tainer benutzen könnten, um Sprengstoff oder Massenvernichtungswaffen (vor allem „schmutzige Bomben“) in ein souveränes Land einzuschmuggeln und sie dort zum Einsatz zu bringen. Ein solches Szena-

rio erscheint plötzlich weniger fiktiv, wenn man hört, wie italienische Sicherheitskräfte im Oktober 2001 in Gioia Tauro auf ungewöhnliche Geräusche aus einem Frachtcontainer aufmerksam wurden. Als die Polizei den Container aufbrach, entdeckte sie einen Kanadier

ägyptischer Herkunft. Der gut gekleidete Mann, der später den Spitznamen

„Container-Bob“ erhielt, war gerade damit beschäftigt, Luftlöcher zu bohren.

Zur Ausstattung seines Containers gehörten Bett, Toilette, Wasservorräte, ein Satellitentelefon, Laptop, Kameras und Karten. Er besaß auch Sicherheitspäs- se für verschiedene Flughäfen in Nordamerika.

Eine in einem Container geschmuggelte Waffe könnte bei der Ankunft im Hafen oder an jedem strategischen Punkt auf der Route des Containers ge- zündet werden. Mögliche Ziele wären strategische Transportknoten, symboli- sche Wahrzeichen oder große Bevölkerungszentren. Zusätzlich zu Tod und Zerstörung hätte solch ein Anschlag mit dem Einsatz von Massenvernich- tungswaffen sicher eine traumatische Wirkung auf die Psyche der betroffenen Nation – ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf die regionale und globale Wirtschaft.

Einige Regionen sind anfälliger für Anschläge auf See als andere. Eine der Hauptvariablen für die Verwundbarkeit eines Landes ist naturgemäß dessen geographische Lage. Zu den wahrscheinlichsten Zielen einer Attacke gehören jene Länder, die leicht von Staaten aus erreicht werden können, die – wie vermutlich der Libanon, Syrien oder Libyen – terroristische Organisationen in den eigenen Hoheitsgewässern operieren lassen.

Sicherheitskodex für Schiffe und Hafenanlagen

Nur offene und dauerhafte internationale Zusammenarbeit kann Terror erfolg- reich verhindern. Im Fall maritimen Terrors ist eine globale Kooperation ohne Frage von noch größerer Bedeutung. Verbesserte physische Sicherheit der Ha- fenanlagen, intensivere Überwachung der Wasserwege, Häfen und Küstenanla- gen, Containersicherheit und Schutzvorkehrungen gegen Sprengstoff sowie die Errichtung von Datenbanken, um den Weg von Fracht, Schiffen und Seeleuten verfolgen zu können, stellen unbedingt erforderliche Maßnahmen zur Ab- schwächung der Bedrohung dar. Doch sie wären fast alle vergebens, wenn in- ternationale Übereinkünfte und Kooperation nicht aufrechterhalten werden.

Der Internationale Sicherheitskodex für Schiffe und Hafenanlagen (ISPS- Code) steht in diesem Zusammenhang für eine wichtige internationale Sicher- heitsinitiative, die von der 148 Mitgliedstaaten zählenden Internationalen Schifffahrtsorganisation (IMO) entwickelt wurde. Der Kodex enthält sicher- heitsrelevante Anforderungen an Regierungen, Hafenbehörden und Reedereien sowie eine Reihe von Richtlinien, wie diese Erfordernisse erfüllt werden kön- nen. Der Kodex sollte bis Juli 2004 umgesetzt worden sein; viele große und po- tenziell anfällige Häfen müssen jedoch den internationalen Vorgaben erst noch nachkommen. Dieser Mangel in der Einhaltung der Anforderungen führt dazu, dass die gesamte Schifffahrtsindustrie verwundbar für Anschläge bleibt.

In Containern können

Menschen wie Waffen überall

hingebracht werden und zum

Einsatz kommen.

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