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Zu viel oder zu wenig Haare?

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Academic year: 2022

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Ars Medici: Welche Ursachen hat ein Haarverlust?

Prof. Dr. med. Ralph M. Trüeb: Jeder Haarfollikel durchläuft einen Haarwachstumszyklus, in dem Phasen des Aufbaus (Anagen), der Rückbildung (Katagen) und der Ruhe (Telogen) aufeinander folgen, ehe der Haarschaft ausgestossen wird (Te- lo ptose) und ein neuer Haarzyklus folgt. Jeder Haarfollikel durchläuft den Haarzyklus unabhängig von seinem Nachbar- haar, also nach dem Zufallsprinzip ohne Synchronisierung.

Der Taktgeber des Haarzyklus liegt innerhalb des Haarfolli- kels, aber zahlreiche äussere Faktoren, wie Hormone, Zyto- kine, Toxine und der Ernährungsstatus (Kalorien, Eiweisse, Vitamine und Spurenelemente) haben einen Einfluss. Die meisten Haarausfälle sind auf eine Störung des zyklischen Haarwachstums zurückzuführen. Da die Länge der Anagen- phase zu jedem Zeitpunkt den Anteil wachsender Haare be- stimmt, aber auch die Haarwachstumslänge, kommt ihr eine besondere Bedeutung zu. Zudem ist die Anagenphase auf- grund ihrer hohen Stoffwechsel- und Zellteilungsaktivität die verletzlichste Phase des Haarzyklus. Daraus leitet sich ab, dass jeder Prozess, der zu einer abnormen Verkürzung der Anagenphase führt, vermehrten Haarausfall zur Folge hat.

Dasselbe gilt für die Synchronisationsphänomene des Haarzy- klus, bei denen überzufällig mehr Haarfollikel gleichzeitig in die Teloptose kommen.

Ars Medici: Welche Ursachen für einen Haar- verlust treten am häufigsten auf?

Dies ist die androgenetische und senile Invo- lutionsalopezie einerseits und das diffuse Te- logeneffluvium andererseits.

Ars Medici: Wie wird Haarausfall diagnosti- ziert?

Trüeb: Ein Telogeneffluvium liegt vor, wenn übermässig viele Haare ausgehen oder quan- titativ mehr als 20 Prozent der Haare sich in der Telogenphase befinden. Da sich die Zahl ausfallender Haare aus der Zahl vorhandener Haare errechnet, gibt es keine allgemeingül- tige Regel, wie viele Haare pro Tag ausfallen dürfen. Erfahrungsgemäss bewährt es sich, davon auszugehen, dass, wer das Gefühl hat,

vermehrt Haare zu verlieren, meist recht und damit Anspruch auf eine Abklärung hat. Offensichtlicher ist das Auftreten von Kahlstellen. Auffälligkeiten des Haars und der Kopfhaut, die durch den Spezialisten mittels Auflichtmikroskopie unter- sucht werden, liefern weitere Hinweise. Im Zweifelsfall hilft das Trichogramm (oder die Haarwurzeluntersuchung), indem es Experten unter standardisierten Bedingungen wertvolle quantitative Aussagen über den Haarzyklus erlaubt. Vom Ein- zelfall abhängig gemacht werden weiterführende Untersuchun- gen, etwa Hormonbestimmungen im Blut oder eine Biopsie.

Ars Medici: Welche Therapien stehen bei androgenetischem oder diffusem Haarausfall zur Verfügung?

Trüeb: Zur Behandlung der androgenetischen Alopezie stehen den Männern Finasterid (Propecia®) und Minoxidil (Alopexy®, Neocapil®, Regaine®) und den Frauen Minoxidil zur Verfü- gung. Bei fortgeschrittener Alopezie kommt die Eigenhaar- transplantation in Betracht. Bei diffusem Haarausfall stehen

Zu viel oder zu wenig Haare?

Interview mit dem Zürcher Dermatologen und Haarspezialisten Prof. Dr. med. Ralph M. Trüeb zu den häufigen Problemen mit der Behaarung

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ARS MEDICI 12 2010 I N T E R V I E W

«Wer das Gefühl hat, vermehrt Haare zu verlieren, hat meist recht und damit Anspruch auf eine Abklärung.»

Anagene Phase: Der Follikel produziert ein voll ständig ausge- bildetes Haar (durchschnittlich 3 Jahre).

Katagene Phase: Der Follikel schrumpft und zieht sich vom Haarende zurück (1 bis 2 Wochen).

Telogene Phase: Die Haarpro duk - tion ruht etwa 3 Monate, danach fällt das Haar aus, und die Haar - produktion beginnt von Neuem.

Der Haarzyklus

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die Ursachenabklärung und eine ur sächliche Behandlung im Vordergrund. In seinem «Landarzt» schreibt Franz Kafka, dass es nicht genüge, einfach Rezepte zu schreiben – sich mit den Patienten zu verständigen, sei das Schwierigste. Das unter- streicht die Bedeutung einer kompetenten Beratung bezüglich begleitender Massnahmen wie Haarpflege, Ernährungsverhal- ten und Lebensstil sowie der Patientenführung.

Ars Medici: Wie entsteht Hypertrichose beziehungsweise Hirsutismus?

Trüeb: Hypertrichose bezeichnet jede Form der androgenun- abhängigen Überbehaarung, wobei in die Definition die sub- jektive Empfindung von «zu viel Haaren» einfliesst. Diese ist soziokulturell mitbestimmt. Die Ursachen der Hypertrichose sind vielfältig. Man unterscheidet umschriebene und genera- lisierte Formen. Beide können als isolierte Störung auftreten oder mit anderen Anomalien vergesellschaftet sein, sodass sie einer sorgfältigen fachärztlichen Abklärung und präzisen Klassifikation bedürfen. Hirsutismus bezeichnet eine Über - behaarung entsprechend dem Muster der männlichen Sexual- behaarung bei Frauen und ist androgenabhängig. Auch hier

gilt es, zugrunde liegende Hormonstörungen, insbesondere der Sexualhormone, systematisch abzuklären, bevor die Ent- haarungsmassnahmen eingeleitet werden. Die häufigste Ursa- che von endokrin bedingtem Hirsutismus bei Frauen ist das polyzystische Ovarsyndrom (PCO). Wenn keine Hormonstö- rung gefunden wird, spricht man von einem idiopathischen Hirsutismus.

Ars Medici: Welche therapeutischen Massnahmen stehen für die Enthaarung zur Verfügung?

Trüeb: Zur Haarentfernung gibt es keine einzelne Methode, die für alle Patienten und Lokalisationen gleich gut geeignet ist. Die Wahl der Methode hängt von der Art, Ausdehnung und Stärke der Behaarung sowie von den Vorstellungen der Pa- tienten ab und umfasst pharmakologische Massnahmen, kos- metische Haarentfernungen sowie den Einsatz von Laser und Blitzlampen. Aktive Massnahmen zur Haarentfernung haben sich nach dem individuell empfundenen Leidensdruck der Betroffenen zu richten und sozioökonomische Faktoren zu berücksichtigen. Die pharmakologischen Massnahmen zur Behandlung des Hirsutismus umfassen Hormonbehandlun- gen (Ovulationshemmer und Antiandrogene) und das Eflor- nithin (Vaniqa®, bei Gesichtshirsutismus). Die kosmetischen Massnahmen zur Behandlung von Hypertrichose und Hirsu- tismus schliessen das Zupfen, das Bleichen und die Rasur der Haare, die Wachsepilation, chemische Depilatorien und die Elektroepilation ein. In den letzten Jahren wurden auf dem Gebiet der Epilation durch die Entwicklung medizinischer Lasergeräte und Blitzlampen (IPL) grosse Fortschritte erzielt.

Bei richtiger Indikationsstellung, insbesondere auch unter Ausschluss pathologischer Zustände mit übermässigem Haar- wachstum, und geeigneter Technik kann bei 80 Prozent der Patienten eine signifikante Haarreduktion erzielt werden, die permanent ist. Oft sind die nachwachsenden Haare dünner und schwächer pigmentiert, was ebenfalls zum kosmetischen Ergebnis beiträgt. In der Regel sind mehrere Sitzungen nötig.

Die Anwendung von Laser- und IPL-Geräten zur Haarentfer- nung sollte grundsätzlich durch erfahrene Ärzte erfolgen. Im Hinblick auf die Erwartungshaltung der Patienten ist eine umfassende Aufklärung wichtig. Diese schliesst eine ausführ - liche Information über Gegenanzeigen und unerwünschte Wirkungen ein.

Ars Medici: Herr Professor Trüeb, wir danken Ihnen für das

Gespräch.

Die Fragen stellte Gisela Stauber.

ARS MEDICI 12 2010

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Zur Person Prof. Dr. med. Ralph M. Trüeb ist Leitender Arzt an der Dermatologischen Klinik des Universitätsspitals Zürich. Er ist Koautor des 2002 erschienenen Buches «Hauptsache Haar», das eine kritische Auseinandersetzung mit pseudowissenschaftlichen Metho- den und irrationalen Praktiken bietet (ISBN 978-3-907625-13-2).

«In die Definition der Hypertrichose

fliesst auch die subjektive Empfindung ein,

die soziokulturell mitbestimmt ist.»

Referenzen

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