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14 Migration als Chance Bericht über die

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Aktuellen Projektionen zufolge wird die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 von heute 6,8 Milliarden auf 9,1 Milliarden Menschen anwachsen. 98 Prozent dieses Bevölkerungswachstums finden in den Entwicklungsländern statt. Gleichzeitig verändert sich das Klima, mit verheeren- den Folgen vor allem in armen Ländern, die am wenigsten darauf vorbereitet sind.

Der Weltbevölkerungsbericht zeigt, dass

Familienplanung, reproduktive Gesundheit und die Förderung von Frauen den Klima- wandel beeinflussen können. UNFPA un- tersucht in dem Bericht nicht nur die Wechselwirkungen zwischen dem Klima- wandel und Bevölkerungsdynamik, Um- weltmigration und Armut, sondern präsen- tiert auch Lösungswege zum Klimaschutz und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Der Bericht nimmt Bezug Informationsdienst der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (DGVN)

Bevölkerung

Entwicklung & Informationsdienst

Nr. 69 – Dezember 2009

Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. · Zimmerstraße 26/27 · 10969 Berlin E-Mail: info@dgvn.de · Internet: www.dgvn.de

Redaktion: Christina Kamp, Dr. Beate Wagner (verantwortlich) Herstellung: EMS Eckert Medienservice, ems-eckert@ish.de

ISSN: 1614-5429 Klimaneutral hergestellt und gedruckt auf zertifiziertem FSC Papier.

Mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Inhaltsverzeichnis

1

1 Bevölkerung und Klimawandel Weltbevölkerungsbericht 2009

14 Migration als Chance Bericht über die

menschliche Entwicklung (HDR) 2009

18 Viele Frauen

zahlen hohen Preis für Migration

DGVN-Tagung

19 Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Entwicklung –

15 Jahre nach Kairo Globales NGO Forum in Berlin

12 Arabischer Bericht über die menschliche Entwicklung 2009

12 Weltwasserentwick-

lungsbericht 2009

Suresh Sawant, Mumbai

Bevölkerung und Klimawandel

Weltbevölkerungsbericht 2009

„Beim Klimawandel geht es um Menschen. Menschen verursachen Klimawandel, Menschen sind davon betroffen, Menschen müssen sich daran anpassen. Und nur Menschen haben die Macht, ihn aufzuhalten“, heißt es im aktuellen Weltbevölkerungs- bericht 2009 des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA). Der Bericht „Eine Welt im Wandel: Frauen, Bevölkerung und Klima“ stellt die Menschen – und insbeson- dere die Frauen – in den Mittelpunkt. Die internationale Klimapolitik könne nur dann erfolgreich sein, wenn sie die Bevölkerungsentwicklung stärker berücksichtigt, lautet die Schlussfolgerung des Berichts, den die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) in deutscher Kurzfassung im November 2009 in Berlin vorgestellt hat.

(2)

Bevölkerung und Klimawandel 2

auf die kommenden Klimaverhandlungen in Kopenhagen im Dezember dieses Jahres und gibt konkrete Empfehlungen ab (s. Kasten unten).

Die Autoren des Weltbevölkerungsbe- richts fordern die Regierungen auf, die Pla- nung und das Management umweltbe- dingter Migration zu verbessern und in die Katastrophenvorsorge zu investieren. In Kopenhagen dürfe es nicht nur um klima- freundliche Technologien und die Reduk- tion von Treibhausgasen gehen. „Die Kli- madebatte der Zukunft muss über tech - nische und finanzielle Fragen hinaus geöff- net werden und die menschlichen Dimen- sionen des Klimawandels einschließlich der Gender-Thematik berücksichtigen“, schreibt UNFPA-Direktorin Thoraya Ahmed Obaid in ihrem Vorwort zum Welt- bevölkerungsbericht.

Klimawandel verschärft Armut Bislang habe sich die Klimadebatte größ- tenteils um die relative Verantwortung der einzelnen Länder zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen und zur Finanzie- rung der Umstellung auf eine kohlenstoff- arme Energieversorgung und andere kli- mafreundliche Technologien gedreht.

Diese Fragen seien zwar von entscheiden- der Bedeutung. Wichtig sei aber auch die Frage nach den unterschiedlichen Auswir- kungen des Klimawandels auf die Bevöl-

kerung in den Regionen sowie in den einzelnen Ländern – als auch nach den unter schiedlichen Folgen für Männer und Frauen.

Der Klimawandel droht die Armut weiter zu verschärfen und marginalisierte Bevöl- kerungsgruppen in noch tieferes Elend zu stürzen. Weltweit leben zahllose arme Menschen in Küstengebieten, in tief lie- genden Mündungsdeltas oder auf Inseln.

Viele von ihnen sind Kleinbauern oder be- ziehen ihren Lebensunterhalt aus dem Meer. Arme Haushalte sind Klimaverän- derungen besonders schutzlos ausgeliefert, da sie wenig oder keinen Zugang zu Ge- sundheitsdiensten und anderen Sozialleis- tungen haben, die sie vor den Folgen der sich verändernden Bedingungen schützen könnten – und da es ihnen an finanziellen Mitteln mangelt, können sie der drohenden Gefahr durch Migration auch nicht ent - gehen.

Demographische Faktoren

Die Klimawissenschaftler, und das gilt auch für die Autoren der Berichte des Welt- klimarates (IPCC), sind sich bewusst, welch bedeutende Rolle die Geschwindig- keit und das Ausmaß des Bevölkerungs- wachstums in den letzten Jahrzehnten für den Anstieg der künftigen Treibhausgas- emissionen spielen. Langfristig könnte ein langsameres Bevölkerungswachstum

helfen, die globalen Emissionen in eine Balance mit der Atmosphäre zu bringen.

Kurz- und mittelfristig könne es den Län- dern helfen, sich besser an Klimaverände- rungen anzupassen, heißt es im Weltbevöl- kerungsbericht.

Die Auswirkungen des Bevölkerungs- wachstums auf die Treibhausgasemissio- nen sind aber nicht die einzige Verbindung zwischen Demographie und Klimawandel.

Die Haushaltsgröße ist eine weitere Varia- ble, die mit darüber bestimmt, wie viele Treibhausgase in die Atmosphäre freige- setzt werden. Wie Studien gezeigt haben, ist der durchschnittliche Energieverbrauch pro Kopf in kleineren Haushalten höher als in größeren Haushalten. Es gibt auch Hin- weise darauf, dass Veränderungen in der Altersstruktur und geographischen Be- völkerungsverteilung – der Trend zum Leben in der Stadt beispielsweise – den Anstieg der Emissionen beeinflussen.

Das Bevölkerungswachstum kann in vie- len Regionen zur Verknappung natürlicher Ressourcen wie Wasser und Ackerland führen und damit die Folgen des Klima- wandels verschärfen. In armen Ländern entstehen zusätzliche Hürden bei der Ar- mutsbekämpfung, die die Millenniums- Entwicklungsziele aufs Spiel setzen könn- ten. „Gesundheit muss daher Schwerpunkt der Entwicklungshilfe sein – gerade ange- sichts des Klimawandels. Sonst riskieren wir, die hart errungenen Entwicklungsfort- schritte für immer zu verlieren“, mahnt DSW-Geschäftsführerin Renate Bähr.

Wie stark eine Verringerung des Bevölke- rungswachstums ins Gewicht fallen wird, hängt auch von den zukünftigen globalen ökonomischen und technologischen Trends sowie der Entwicklung des Kon- sums ab. Nach Schätzung von Experten würden bei einem Anstieg der Weltbevöl- kerung bis 2050 auf nur acht Milliarden anstelle der bislang projizierten neun Milliarden Menschen etwa ein bis zwei Milliarden Tonnen weniger Kohlendioxid (CO2) freigesetzt.

Frauen sind besonders betroffen Der Klimawandel wird nicht nur Men- schenleben in Gefahr bringen und die Le- bensgrundlagen verringern, er verschärft auch die Kluft zwischen reichen und armen Menschen und die Ungleichheiten zwi- schen Frauen und Männern. Denn er wirkt

Empfehlungen des Weltbevölkerungsberichts für die Klimaverhandlungen in Kopenhagen

Den Unterhändlern, die im Dezember 2009 zur UN-Klimakonferenz in Kopenhagen zusammenkommen, empfehlen die Autoren des Weltbevölkerungsberichts 2009 Maß- nahmen in fünf wichtigen Bereichen:

1: Auf allen Ebenen der Klima- und Umweltdiskussionen ein besseres Verständnis von Bevölkerungsdynamik, Gender und reproduktiver Gesundheit einbringen.

2: Dienstleistungen der Familienplanung und Verhütungsmittel im Rahmen der reproduktiven Gesundheit und Rechte vollständig finanzieren und sicherstellen, dass niedrige Einkommen keine Zugangsbarriere darstellen.

3. Forschung und Datenerhebung darauf ausrichten, das Verständnis der Geschlech- terfrage und der Bevölkerungsdynamik für die Minderung des Klimawandels und die Anpassung an seine Folgen zu verbessern.

4: Die geschlechtsspezifische Aufschlüsselung von Daten zu umweltbedingter Mig - ration verbessern und heute schon mit den Vorbereitungen auf die – infolge des Klimawandels erwarteten – größeren Bevölkerungsbewegungen beginnen.

5: Aspekte zur sozialen Geschlechterfrage in die globalen Bemühungen zur Minde- rung des Klimawandels und die Anpassung an seine Folgen integrieren.

(3)

Bevölkerung und Klimawandel

3

sich – insbesondere in armen Ländern – auf Frauen anders aus als auf Männer. Kommt es zu Dürren oder unregelmäßigen Regen- fällen, müssen Frauen deutlich mehr Zeit und Energie aufwenden, um Nahrung, Was- ser und Brennmaterial heranzuschaffen.

Die Marginalisierung und Diskriminie- rung von Frauen und die mangelnde Auf- merksamkeit für die negativen Folgen der Geschlechterungleichheit für Entwick- lung, Gesundheit, Gerechtigkeit und das Wohlergehen der Menschen schwächen die Widerstandsfähigkeit von Gesellschaften gegenüber dem Klimawandel. Am anpas- sungsfähigsten seien Gesellschaften, in denen alle Menschen zur Schule gehen können, Zugang zu Gesundheitsfürsorge haben, den gleichen Schutz der Gesetze ge- nießen, in der Lage sind, über ihr eigenes Leben zu bestimmen und in vollem Um- fang an politischen Entscheidungsprozes- sen partizipieren können, heißt es im Welt- bevölkerungsbericht. Eine solche Anpas- sungsfähigkeit wurzelt häufig auch direkt in der Kultur, beispielsweise in den weit verbreiteten Traditionen, Bedürftigen zu helfen und in Zeiten der Not zusammen- zuhalten.

Der Weltbevölkerungsbericht zeigt, dass Investitionen in Frauen und Mädchen die ökonomische Entwicklung vorantreiben, die Armut bekämpfen helfen und zugleich die Widerstandsfähigkeit der Menschen

gegenüber den Folgen des Klimawandels stärken kann. Entsprechend würde eine stärkere Partizipation von Frauen in der Klimafrage – ob als Wissenschaftlerinnen, als Aktivistinnen oder als Unterhändlerin- nen bei Klimakonferenzen – neue Pers - pektiven und Lösungsansätze bringen und könne sich positiv auf die gesellschaftliche Antwort auf den Klimawandel auswir- ken.

Reproduktive Gesundheit

Die Weltbevölkerungskonferenz 1994 in Kairo war ein Meilenstein in der Ge- schichte der Bevölkerungs- und der Ent- wicklungspolitik. Auf dieser Konferenz kam die Welt überein, dass es in der Be- völkerungspolitik nicht um Zahlen geht, sondern um die Menschen. Wenn neben dem Zugang zu Dienstleistungen der Basisgesundheit und Grundbildung der Bedarf an freiwilliger Familienplanung und reproduktiver Gesundheitsfürsorge erfüllt wird, dann wird sich die Weltbevöl- kerung auf natürlichem Wege, nicht durch Zwang oder Kontrolle, stabilisieren – so die Annahme im von 179 Ländern ange- nommenen Kairoer Aktionsprogramm.

Der Rückgang der Geburtenraten würde zu einer niedrigeren Bevölkerungszahl führen als in den meisten Treibhausgas-Emis - sionsszenarien zugrunde gelegt wird.

„Ein Kopenhagener Abkommen, das der Menschheit hilft, die Treibhausgasemissio- nen zu reduzieren und sich an den Klima- wandel anzupassen, indem es das Wissen und die Kreativität von Frauen und Män- nern mobilisiert und erschließt, würde den Startpunkt einer wahrhaft wirksamen langfristigen Strategie für den Umgang mit dem Klimawandel markieren“, so UNFPA- Direktorin Obaid.

Christina Kamp

Weitere Informationen:

www.weltbevoelkerung.de www.unfpa.org

At the Frontier: Young People and Climate Change. Youth Supplement to UNFPA's State of the World Population Report. New York, 2009, www.unfpa.org/

swp/2009/en/ypreface.shtml

UNFPA-Weltbevölkerungs - bericht 2009. Eine Welt im Wandel: Frauen, Bevölkerung und Klima. Kurzfassung.

Hrsg. Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW), Hannover, 2009, 58 Seiten.

Download:

www.weltbevoelkerung.de/

pdf/WBB_09_deutsch_final.pdf

»Annex I«-Länder sind solche, die laut Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen als entwickelt gelten. »Nicht-Annex I«-Länder befinden sich noch in der Entwicklung.

Die Höhe der Balken geben das Treibhauspotenzial in Kohlendioxid-Äquivalenten pro Kopf der jeweiligen Ländergruppen an. Die Prozentangaben für die Ländergruppen beziehen sich auf ihren jeweiligen Anteil an den weltweiten energiebedingten CO2-Gesamtemissionen.

Quelle: Rogner, H.-H. und andere. 2007. »Introduction. Climate Change 2007: Mitigation.« Contribution of Working Group III to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Cambridge: Cambridge University Press.

Quelle: UNFPA Weltbevölkerungsbericht 2009, S. 12

(4)

Migration und Entwicklung 4

Fast eine Milliarde Menschen sind Migran- ten – das heißt jeder siebte Mensch auf die- ser Welt verlässt seine Heimat und migriert innerhalb seines Landes oder ins Aus- land. Der neue Bericht „Barrieren überwin- den: Migration und menschliche Entwick- lung“ macht deutlich, dass Migration die menschliche Entwicklung voranbringen kann. Sie hilft den Migranten, ihre Situa- tion zu verbessern, und sie nützt auch den Gesellschaften, sowohl in den Herkunfts- als auch in den Aufenthaltsländern der Migranten. „Migration kann eine positive Kraft darstellen und einen wesentlichen Beitrag zur menschlichen Entwicklung leisten”, betont Helen Clark, Administra- torin des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP). Entschei-

den zu können, wo man leben will, ist ein wesentlicher Teil menschlicher Freiheit, heißt es in dem Bericht.

Migration in der Wirtschaftskrise Der Bericht macht deutlich, dass die aktu- elle Wirtschafts- und Beschäftigungskrise gerade für Migranten deutliche Nachteile bringen kann. Bei Arbeitskräftemangel greifen Arbeitgeber gerne auf Migranten zurück, doch in der Rezession entlassen sie die Migranten oft auch als erste. Viele Mig- ranten sind einem doppelten Risiko ausge- setzt. Sie leiden unter Arbeitslosigkeit, Unsicherheit und gesellschaftlicher Aus- grenzung und werden gleichzeitig auch noch als Problem dargestellt. Doch dies sei

nicht der Zeitpunkt für zuwanderungs- feindlichen Protektionismus, argumentiert der Bericht. Vielmehr seien gerade jetzt Re- formen nötig, um die längerfristigen Vor- teile der Migration zur Geltung bringen.

Der Bericht über die menschliche Entwick- lung argumentiert, dass Regierungen über die gegenwärtige Wirtschaftskrise hinaus- schauen müssen. So lasse sich auch die wirtschaftliche Erholung vorbereiten, zum Beispiel durch Strukturreformen zur Libe- ralisierung und Vereinfachung der regulä- ren Wege, auf denen Arbeitskräfte Jobs an- nehmen können. Zugleich müssen die Rechte der Migranten gewahrt werden.

Der Bericht sieht in der gegenwärtigen Re- zession eine Chance, einen „neuen Deal“

für Migranten einzuleiten – eine bessere

Migration als Chance

Bericht über die menschliche Entwicklung 2009

Migration sowohl innerhalb einzelner Länder als auch international zuzulassen, kann die menschlichen Freiheiten erweitern und das Leben von Millionen Menschen weltweit zum Besseren wenden, heißt es im Bericht über die menschliche Entwicklung 2009 (Human Development Report – HDR), der Anfang Oktober in Bangkok und in deutscher Übersetzung in Berlin vorgestellt wurde. Die Ärms- ten und Geringqualifizierten könnten durch die Migration am stärksten profitieren. Doch gerade sie sind mit den größten – recht - lichen, finanziellen und gesellschaftlichen – Migrationsbarrieren konfrontiert. Durch mutige Reformen ließe sich dies ändern.

Karte 1 Die meiste Migration findet innerhalb einzelner Regionen statt

Herkunfts- und Zielregionen internationaler Migranten, Daten aus dem Jahr 2000

Quelle: Schätzungen des HDR Teams, basierend auf der Datenbank von Migration DRC (2007).

Index für menschliche Entwicklung (HDI), 2007 Sehr hoch

Hoch Mittel Niedrig

Die Größe der Länder ist proportional zur Bevölkerungszahl von 2007 dargestellt.

Region Anzahl der Migranten (in Millionen) Nordamerika

Europa Ozeanien Lateinamerika/Karibik Asien Afrika

Intraregionale Migration Europa

Asien

Ozeanien Afrika

Lateinamerika/Karibik Nordamerika

0,01 0,02

0,31 0,13 0,25

0,08 0,75

0,35 0,30 19,72

1,33 1,34

15,69 0,35

0,06

2,44

0,14

0,73 13,18

35,49

1,29 0,53

8,53 8,22 9,57

1,65 0,22 7,25

3,13 1,30

3,54

31,52 0,84

1,07 1,24 3,1

1

H D e

t r a K

e t n n i e n o i g e r l e i d Z n - u s t f n u k r e H

n t i e d n n fi o i t a r g i e M t s i e e m i D

0,84 0 84

1,30

0,84 0,84

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1,30 1 331 33 1

damerik da erika r Nor No

n, Daten a e

t n a r g i r M e l a n o i t a n r e

n e n o i g e r R e n l e z n i b e l a h r e n n

0 15 669

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31,52

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opa 8,22

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15 695,6 1,34

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aus dem Jahr 2000 t

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0 335

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0 3

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0,53

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0

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54

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9 72 0

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Lateinamerika/Karibik

1 07,000 3

0 35 3,13

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3

7 25 3 13

3

07 1

0 3,13

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0,35

0,25 02

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0 0 0 0,31

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0,22 0

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0, 0 31

3 7

2

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1

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R D s H e n d e g n u z t ät h c : S e ll e u Q

Die Größe d Niedrig Mittel Hoch Sehr hoch

Index für mens DI)

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oportional zur Bevölke der Länder ist pr

schliche Entwicklung (HDI), 2007 0,01

erungszahl von 2007 dargestellt.

0,01

Afrika Asien Lateinamerika/Karibik Ozeanien opa Eur damerika Nor

Anzahl der Migranten (in Millionen) Region Migranten (in Millionen)nt lionen)

Migration egionale Intrar

Quelle: UNDP Bericht über die menschliche Entwicklung 2009, S. 30

(5)

Migration und Entwicklung

5

Migrations- und Integrationspolitik, die nicht zuletzt auch vor zuwandererfeind - lichem Protektionismus schützen könnte.

Fehleinschätzungen hinterfragen Die im HDR 2009 vorgestellten Erkennt- nisse werfen ein neues Licht auf einige ver- breitete Fehleinschätzungen zur Migra tion.

Zum Beispiel findet der größte Teil der Mig ration nicht international sondern in- nerhalb einzelner Länder statt. 740 Millio- nen Menschen sind Binnenmigranten – das sind fast viermal so viele wie internationa- le Migranten, und unter den internationa- len Migranten sind es weniger als 30 Pro- zent, die aus Entwicklungsländern stam- men und in entwickelte Länder ziehen.

Entgegen gängiger Auffassungen erhö- hen Migranten in den Aufenthaltsländern die wirtschaftliche Produktion, fördern die Innovationskapazitäten und die gesell- schaftliche Vielfalt.

Die Ärmsten profitieren am meisten…

Der Bericht zeigt, dass Migration auch we- sentliche Auswirkungen auf die Minderung der Armut haben kann. Angesichts des un- gleichen Entwicklungsstands zwischen und innerhalb von Ländern und Regionen bietet Migration enorme Chancen gerade für die ärmsten Menschen, ihre Situation deutlich zu verbessern. Migranten aus den ärmsten Ländern können durch ihren Umzug in ein Land mit besseren Chancen ihr Einkommen im Durchschnitt um das 15fache steigern, heißt es im HDR. Die Einschulungsquoten lassen sich dadurch verdoppeln. Auch gibt es Hinweise darauf, dass Migrantenfamilien weniger und ge- sündere Kinder haben, als wenn sie in ihrer Heimat geblieben wären. In aktuellen Un- tersuchungen bei Migranten in den Verei- nigten Staaten wurde herausgefunden, dass sich ihr Gesundheitszustand im ers- ten Jahr nach der Migration deutlich ver- bessert hat. Das gilt insbesondere für die Gesundheit der Einwandererkinder.

… doch sie migrieren am wenigsten

Andererseits stellt der Bericht aber auch fest, dass gerade die Ärmsten oft nicht die Möglichkeiten haben, überhaupt zu migrie-

ren. Denn in vielen Fällen entstehen hohe Kosten, bevor ein Migrant oder eine Mig - rantin sein bzw. ihr Land überhaupt verlas- sen kann. Für gering qualifizierte Arbeits- kräfte, z.B. Hausangestellte, können erheb- liche Vermittlungsgebühren oder enorme Kosten für Visa und andere Reisedoku- mente anfallen – von einer oft unüberwind- baren „Papiermauer“ spricht hier der Be- richt. Die Armen haben meist nicht genü- gend finanzielle Mittel und Informationen.

Außerdem schränken gesellschaftliche und andere Barrieren ihre Migrations- möglichkeiten weiter ein.

Für Menschen aus armen Familien ist es daher sehr viel einfacher, innerhalb ihres eigenen Landes umzuziehen, als ins Aus- land zu gehen. Erfahrungen aus Bangla- desch, China, Indien, Indonesien, Mexiko und Tansania zeigen, dass die Armutsquo-

ten der Haushalte gesunken sind, aus denen mindestens ein Familienmitglied in- nerhalb des eigenen Landes umgezogen ist.

Migration ergänzt Entwicklung Was die Migranten erreicht haben, teilen sie oft mit ihren Familien und Gemein- schaften in der Heimat. In vielen Fällen ge- schieht dies in Form von Geldtransfers (‘remittances’), die in vielen Ländern sogar höher sind, als die offizielle Entwick- lungshilfe. Doch oft bringt die Migration den Migranten und ihren Heimatländern auch neue Ideen, unternehmerische Fähig- keiten und den Transfer von Technologien Wissen und Ressourcen, die die mensch- liche und wirtschaftliche Entwicklung be- fördern können. Diese so genannten ‘ge- sellschaftlichen Transfers’ (‘social remit-

Frauen als Migrantinnen

Fast die Hälfte aller Migranten sind Frauen. Ihr Anteil hat sich in den vergangenen 20 Jahren kaum verändert. Gerade für Frauen bedeutet Migration oft eine Art von Befreiung und eine Stärkung ihrer Rolle. Sie können ihr Einkommen dadurch deut- lich erhöhen und ein besseres Bildungsniveau erreichen. Doch viele Frauen ris - kieren auch, harte Bedingungen ertragen zu müssen und ausgebeutet zu werden. Für Migrantinnen aus Entwicklungsländern, die nur über geringe formale Bildung ver- fügen, konzentrieren sich die Beschäftigungsmöglichkeiten auf den Pflegebereich, bezahlte Hausarbeit und den informellen Sektor. Diese Arbeit ist in der Regel nied- rig bezahlt, es gibt wenig Unterstützungsleistungen und nur sehr begrenzte Karriere - aussichten. Dadurch wird die soziale Benachteiligung dieser Frauen noch verstärkt.

In einer Untersuchung in arabischen Ländern wurde festgestellt, dass die Arbeits - bedingungen für Hausangestellte nicht selten mit Missbrauch und Ausbeutung verbunden sind. Migrantinnen werden in einem Teufelskreis der Armut gefangen gehalten und riskieren oft eine HIV-Infektion. In den schlimmsten Fällen werden Frauen von Menschenhandelsnetzwerken mit dem Versprechen gut bezahlter Arbeit ins Ausland gelockt. Dort werden ihnen unter Umständen die Reisedokumente abgenommen und sie werden isoliert, was ihre Flucht erschwert. Sie können in der Schuldknechtschaft landen und einer solchen Situation aufgrund sprachlicher, so - zialer und physischer Barrieren kaum entkommen. Würde man diesen Frauen die gleichen Rechte auf Schutz zugestehen, die für Bürgerinnen und Migrantinnen mit legalem Aufenthaltsstatus gelten, ließen sich Missbrauch und Ausbeutung besser ver- folgen und verhindern.

Doch auch die ganz legale Migration wird Frauen nicht selten erschwert. Über 20 Länder erlauben Frauen zum Beispiel nicht, eigenständig einen Reisepass zu beantragen. Andere, darunter Myanmar, Saudi-Arabien und Swasiland, verhängen Ausreisebeschränkungen für Frauen. Wenn es Frauen gelingt zu migrieren, sind sie in einigen Zielländern von normalen Arbeitsschutzbestimmungen ausgeschlossen.

Wenn zum Beispiel eine alleinstehende Migrantin in einem der Staaten des Golf- Kooperationsrates (GCC) schwanger wird, wird sie abgeschoben.

Trotz aller Widrigkeiten schicken Frauen häufiger und – anteilig an ihrem Ein - kommen gemessen – mehr Geld in die Heimat als Männer, um für ihre Familien ein besseres Leben aufzubauen.

(6)

Migration und Entwicklung 6

tances’) haben weniger greifbare, aber nicht weniger bedeutende Auswirkungen auf die Versorgung, z.B. im Gesundheits- und Bildungsbereich, oder in Hinblick auf die Geschlechterverhältnisse.

Für die Wirtschaft und Gesellschaft eini- ger, insbesondere kleiner Länder ist die Auswanderung ein bedeutender Faktor.

Die 13 Länder mit den höchsten Emigra- tionsquoten weltweit sind kleine Staaten wie Antigua und Barbuda, Grenada oder Saint Kitts und Nevis mit Emigrationsquo- ten von mehr als 40 Prozent. Die finanziel- len Vorteile der Migration sind relativ groß. Im Jahr 2007 machten die Geld - transfers in kleine Staaten durchschnittlich 233 US-Dollar pro Kopf aus, verglichen mit einem Entwicklungsländer-Durch- schnitt von 52 US-Dollar.

Untersuchungen, die für den Bericht über die menschliche Entwicklung in Auftrag

gegeben wurden, zeigen, dass eine Reihe von Ländern, darunter Albanien, Bangla- desch, Kirgisistan und Sri Lanka, migra- tionspolitische Handlungskonzepte erfolg- reich mit Strategien zur Armutsbekämp- fung verknüpft haben. Nationale Entwick- lungspläne bieten die Chance, Migration besser in die allgemeinen Entwicklungs- prioritäten zu integrieren.

Migration in Notsituationen

In welchem Maße die Menschen von der Migration profitieren, hängt stark von den Bedingungen ab, unter denen sie migrie- ren. Migration ist kaum Ausdruck einer einfachen Entscheidung”, sagt Jeni Klug- man, Hauptautorin des Berichts. „Für zu viele Menschen ist Migration das Nach- spiel von Konflikten, Naturkatastrophen oder großer wirtschaftlicher Not”.

Schätzungsweise 14 Millionen Flüchtlin- ge leben außerhalb des Landes ihrer Staats- zugehörigkeit. Das sind in etwa sieben Pro- zent der Migranten weltweit. Die meisten bleiben in der Nähe des Landes, aus dem sie geflohen sind, und leben typischerwei- se in Flüchtlingscamps, bis die Umstände in ihrer Heimat wieder eine Rückkehr er- lauben, circa eine halbe Million pro Jahr begibt sich jedoch in ein entwickeltes Land und ersucht dort um Asyl. Eine weitaus höhere Zahl, etwa 26 Millionen, leben als Binnenvertriebene in einem an- deren Teil ihres Landes.

Barrieren abschaffen

Auch in Zukunft werden Menschen mig - rieren. Der Bericht empfiehlt deshalb In- strumente, um die menschliche Mobilität besser zu steuern. Das vorgeschlagene

Karte Geldtransfers von Migranten fließen vorwiegend aus entwickelten Regionen in Entwicklungsregionen

Umfang internationaler Geldtransfers von Migranten, 2006-2007

Quelle: Daten des HDR-Teams auf der Grundlage von Ratha und Shaw (2006) sowie Weltbank (2009b).

Geldtransfers von Migranten als Anteil am BIP, 2007 Regionen Geldtransfers von Migranten, 2006 (in Milliarden US-Dollar) Nordamerika

Europa Ozeanien Lateinamerika und Karibik Asien Afrika keine Daten

0,0%–0,4%

0,5%–0,9%

1,0%–4,9%

5,0%–9,9%

10,0%–14,9%

15,0%–19,9%

20,0%–24,9%

25,0%–29,9%

>30%

Interre- gionale Geldtransfers von Migranten 1,1

0,9 0,1 3,6

0,08 0,01

0,5 0,02

0,02 0,3

4,0 0,3 2,9

3,1

1,5 1,6 0,3

0,9

10,3

1,9 2,2

2,8 0,4

52,5 42,0

0,2 30,1

17,3

36,3

5,3

15,9

1,2 4,4

0,02 2,2

Asien Europa

Nordamerika

Lateinamerika und Karibik

Afrika

Ozeanien

2 e t r a

K 2 Geldtransfers von Migrante t d l e r G e l a n o i t a n r e t n g i n a f m U

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2 - 6 0 0 n, 2 e t n a r g i n M o s v r fe s n a r

3

5,3 17,3

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7 3 4,4 5

w t n n E n i e n o i g e n R e t l e k c i w t n

7 0 0 2

3

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1

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BIP, 2007

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Laateinamerika und Karibik Asien Afrika

gionale Geldtransfers von Migranten

Quelle: UNDP Bericht über die menschliche Entwicklung 2009, S. 91

(7)

Migration und Entwicklung

7

Reformpaket baut darauf auf, dass man die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen realistisch einschätzt. Doch mit politischem Mut seien die Reformen machbar.

Der Bericht ruft dazu auf, bestehende Zu- zugsmöglichkeiten für mehr Arbeitskräf- te zu öffnen, insbesondere für solche mit geringen Qualifikationen. Was die interna- tionale Migration angeht, befürwortet der Bericht keine groß angelegte Liberalisie- rung, denn die Menschen in den Ziellän- dern hätten ein Recht darauf, ihre Gesell- schaften zu gestalten. Doch sehr viel spre- che dafür, in Branchen mit einem hohen Bedarf an Arbeitskräften (einschließlich gering qualifizierten Arbeitskräften) die Arbeitsmöglichkeiten für Migranten zu

verbessern. Dies ist für entwickelte Län- der besonders wichtig, da ihre Bevölkerun- gen altern – was den Bedarf an ausländi- schen Arbeitskräften erhöht. Die Zuwan- derungsbestimmungen zu lockern und die Kosten zu senken sind wichtige Schritte, um den Strom irregulärer Migranten ein- zudämmen, argumentiert der Bericht.

Denn für die Menschen wird es damit ein- facher und billiger, legale Wege zu gehen.

Der Bericht beinhaltet auch einen Aufruf an die Zielländer, gegen die Diskriminie- rung von Migranten anzugehen. Die grundlegenden Menschenrechte der Mig- ranten müssen gewahrt werden, angefan- gen von der Grundversorgung im Bil- dung- und Gesundheitsbereich bis hin zum Wahlrecht. Die Regierungen sollten

mit Arbeitgebern, Gewerkschaften und Gruppen vor Ort zusammenarbeiten, um Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen.

Viele Zielländer erkennen Zeugnisse wie zum Beispiel Universitätsabschlüsse oder Nachweise beruflicher Qualifikationen entweder nicht an oder sie verlangen zeit- aufwändige und teure Beglaubigungspro- zesse. Eine Folge davon ist, dass viele hoch qualifizierte Migranten schließlich in we- niger qualifizierten Berufen arbeiten. Da- durch sinkt der Nutzen der Migration, so- wohl für die Migranten selbst, als auch für die Zielländer. Der Bericht drängt die Re- gierungen, solche Qualifikationen einfa- cher anzuerkennen.

Der Bericht argumentiert, dass es eine kühne Vision braucht, um die potenziellen, durch Migration erzielbaren Gewinne für die menschliche Entwicklung zu erhöhen.

Es gilt sicherzustellen, dass die Entschei- dungen von Millionen Menschen pro Jahr, die auf der Suche nach besseren Chancen ihre Heimat verlassen, zu mehr Gewinn für die menschliche Entwicklung führen.

Christina Kamp Weitere Informationen:

www.dgvn.de

http://hdr.undp.org/en/

Ungleiche Verteilung, ungleiche Fortschritte:

Der Index für menschliche Entwicklung (HDI) in 182 Ländern

Trotz der im Laufe der vergangenen 25 Jahre erzielten Fortschritte in vielen Berei- chen bestehen zwischen reichen und armen Ländern weiterhin große Disparitäten beim menschlichen Wohlergehen. Dies geht aus dem Index für menschliche Entwicklung (Human Development Index – HDI) hervor, der im Bericht über die menschliche Entwicklung 2009 veröffentlicht wurde. Der HDI kombiniert Indikatoren für die Lebenserwartung, die Alphabetisierung, die Einschulungsquote und das Bruttoinlands- produkt (BIP) pro Kopf. Der diesjährige HDI wurde für 182 Länder und Territorien berechnet – das sind mehr als je zuvor.

„Viele Länder haben in den vergangenen Jahrzehnten angesichts von Wirtschafts - rezessionen, konfliktbedingten Krisen und der HIV/Aids-Epidemie Rückschläge er- lebt. Und dies schon bevor die Auswirkungen der derzeitigen globalen Finanzkrise spürbar wurden”, sagt Jeni Klugman, Hauptautorin des Berichts. Denn die aktuells- ten vergleichbaren Daten stammen aus dem Jahr 2007.

Die HDI-Trends zeigen bedeutende Fortschritte bei der menschlichen Entwicklung.

Durchschnittlich haben sich die HDI-Werte der einzelnen Länder um 15 Prozent verbessert. Die drei Länder auf den aktuellen HDI-Spitzenplätzen sind Norwegen, Australien und Island, in dieser Reihenfolge. Fünf Länder sind im Vergleich zum Jahr 2006 um drei oder mehr Plätze aufgestiegen: China, Kolumbien, Frankreich, Peru und Venezuela. Ausschlaggebend dafür waren Fortschritte bei der Einkommens - entwicklung und der Lebenserwartung. Im Falle von China, Kolumbien und Vene- zuela waren es auch Verbesserungen im Bildungsbereich.

Im gesamten Länderranking gab es starke Veränderungen. Fünfzig Länder sackten im Vergleich zu 2006 um einen oder mehr Plätze ab und eine ähnliche Anzahl an Ländern stieg auf – wenngleich selten um mehr als zwei Plätze. In Afrika südlich der Sahara hat zum Beispiel Ghana dank seiner Fortschritte im Bildungsbereich zwei Plätze gewonnen. Der Tschad, Mauritius und Swasiland sind dagegen um zwei Plätze zurückgefallen. Sieben Länder sind in der Rangfolge um mehr als zwei Plätze ab- gefallen: Belize, Ecuador, Jamaika, der Libanon, Luxemburg, Malta und Tonga. Die drei letzten Plätze im diesjährigen HDI-Ranking belegen Niger, Afghanistan (das seit 1996 das erste Mal wieder in den HDI aufgenommen wurde) und Sierra Leone.

Bericht über die menschliche Entwicklung 2009. Barrieren überwinden: Migration und menschliche Entwicklung.

Deutsche Ausgabe.

Hrsg. Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN), Berlin, 2009, 253 Seiten.

ISBN:

978-3- 923904- 65-5 Bezug:

UNO-Verlag Bonn,

E-Mail: info@uno-verlag.de, Internet: www.uno-verlag.de Kostenlose illustrierte Kurzfassung des Berichts unter www.dgvn.de/

publikationen.html

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Migrantinnen 8

Die Hälfte aller Menschen, die sich zur Mig ration entschließen, sind inzwischen Frauen. 1960 waren es erst etwa sechs Pro- zent. Jan de Wilde von der Internationalen Migrationsorganisation (IOM), dem Ko- operationspartner bei der Tagung, machte deutlich, dass der Umfang der Migration von Frauen stark von kulturellen Traditio- nen beeinflusst wird. Während der Frau- enanteil unter den internationalen Migran- ten aus den Philippinen, Indonesien und Sri Lanka bis zu 70 Prozent erreicht, ist ihr An- teil unter den Migranten aus Pakistan sowie den Ländern des Mittleren Ostens und Nordafrikas nur gering. In verschiede- nen Ländern ist es alleinstehenden Frauen nicht erlaubt, als Migrantinnen ins Ausland zu gehen.

Der gefahrvolle Weg in die USA Professorin Úrsula Oswald Spring aus Mexiko stellte bei der DGVN-Fachtagung in ihrem Vortrag über „Migrantinnen zwi- schen mehr Lebenschancen und größerer Ausbeutung“ detailliert dar, warum es eine wachsende Zahl internationaler Mi- grantinnen gibt und welche Konsequenzen dies hat.

Es gibt inzwischen 23 Millionen mexika- nische Migrantinnen und Migranten in den USA, und deren Zahlungen in die Heimat in Höhe von 27 Milliarden Dollar im Jahr sind hinter den Öleinnahmen die zweit- wichtigste Devisenquelle des Landes. Seit die USA Ende der 1980er Jahren die lega- len Migrationsmöglichkeiten stark einge- schränkt haben, ist der Anteil der Mexika- nerinnen und Mexikaner, die ohne legalen Status in den Vereinigten Staaten leben und arbeiten, rasch gestiegen. Besonders für Frauen ist die illegale Migration sehr ris- kant. 70 bis 80 Prozent dieser Migrantin- nen werden in Zusammenhang mit dem illegalen Transit in die USA vergewaltigt.

Hinzu kommt eine hohe Zahl ermordeter Frauen. Die Grenzregionen Mexikos wer- den inzwischen von Drogen- und Men-

schenhandelskartellen beherrscht. In den USA angekommen, müssen die Frauen schlecht bezahlte und oft auch gesundheits- gefährdende Arbeiten annehmen. Mexika- nische Migrantinnen verdienen noch ein Drittel weniger als Männer. Sie müssen zudem ständig fürchten, entdeckt und de- portiert zu werden.

Nachdem sie diese erschütternde Situa tion dargestellt hatte, fragte Úrsula Oswald Spring in ihrem Vortrag: „Warum migrie- ren Frauen, wenn sie solch riesige Proble- me erleben müssen?“ Ihre Antwort: „Die Lebenschancen sind trotzdem besser.“ Mig - ration bringt nicht nur persönliche Vorteile.

Besonders in den ärmsten Gegenden Mexi- kos haben sich die Lebensbedingungen durch die Geldtransfers der Mig rantinnen deutlich verbessert: „Frauen schicken Geld für notwendige Zwecke wie Ernährung, Kleidung und Gesundheit.“ Die Frauen nehmen Risiken und Ausbeutung auf sich, weil sie ihren Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen wollen: „Es geht den Frauen nicht nur um Lebenschancen für sich selbst, sondern auch für ihre Kinder.“

Allerdings sind auch die Kinder gefährdet, die mit ihren Eltern oder ihrer Mutter in die USA migrieren: „Zwischen Januar und September 2008 wurden 90.000 Kinder deportiert, getrennt von ihren Eltern. Die Eltern versuchen, zurück in die USA zu kommen, die Kinder auch. Tausende Kin- der versuchen, irgendwo über die Grenze zu kommen, um wieder zu ihren Familien auf der anderen Seite der Grenze zu gelan- gen.“

Mexiko ist keine Ausnahme, ging aus dem Tagungsbeitrag von Dr. Heike Bra- bandt von der Universität Bremen hervor.

Angesichts der hohen Hindernisse für eine legale Migration in Industriestaaten bleibt vielen afrikanischen und asiatischen Frau- en nur die Möglichkeit, Schlepperbanden zu nutzen, was mit hohen Kosten und Ri- siken verbunden ist. Heike Brabandt plä- diert für eine länderübergreifende Zusam- menarbeit von Frauen: „Es geht nicht nur um die Rechte von Frauen in den Her- kunftsländern, sondern auch darum, wie Frauen hier bei uns gemeinsam etwas ver- ändern können.“

Viele Frauen zahlen hohen Preis für Migration

DGVN-Tagung thematisiert die Situation von Migrantinnen

„Migration im Fokus – menschliche Entwicklung, Klimawandel, Frauen“ lautete das Thema einer Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen, die am 30. November 2009 in Berlin in Kooperation mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) stattfand. In verschiedenen Beiträgen wurde deutlich, welche Chancen Migration für Frauen bedeutet, aber auch, welchen Gefahren sie ausgesetzt sind. Die Tagung ließ auch erkennen, warum immer mehr Frauen trotz aller Risiken migrieren.

Dr. Úrsula Oswald Spring, I.E. Delia Domingo Albert, Sibylle Pfeiffer (MdB, Mitglied des DGVN-Beirats für Weltbevölkerung), Dr. Heike Brabandt (v.l.n.r.) Foto: Dieter Düvelmeyer

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Reproduktive Gesundheit

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Die Chancen legaler Migration Wenn die Migrantinnen die Unterstüt- zung ihrer Regierungen erhalten und wenn sie legal arbeiten können, verbessert das ihre Situation deutlich. I.E. Delia Domin- go Albert, Botschafterin der Philippinen in Deutschland, gab einen Einblick in die Si- tuation der internationalen Migrantinnen und Migranten ihres Landes. Inzwischen ist jeder zehnte Bürger der Philippinen mi- griert, und die Hälfte von ihnen lebt per- manent in einem anderen Land. Ein hoher Bildungsstand und große Anpassungsfä- higkeit erleichtern es, in anderen Gesell- schaften Fuß zu fassen.

Dennoch, räumte die Botschafterin ein, haben diese Erfolge einen Preis. Dazu ge- hört die Trennung von Familien und in vie- len Fällen nur eine Tätigkeit unterhalb des tatsächlichen Qualifikationsniveaus: „Man findet in Dubai einen Taxifahrer, der

Rechtsanwalt ist. Und gut ausgebildete Buchhalterinnen arbeiten als Verkäufe- rinnen in Duty-free-Shops.“

Eva Jespersen, eine der Autorinnen des dies- jährigen „Berichts über die menschliche Entwicklung“ mit dem Schwerpunkt „Mi- gration und menschliche Entwicklung“, betonte in Berlin: „Die Perspektive des 'Hu- man Development Reports' ist es, auf den Nutzen von Migration zu blicken.“ Ange- sichts der Gefahren und Benachteiligungen, denen viele Migrantinnen ausgesetzt sind, forderte sie: „Wir müssen dafür sorgen, dass die Vorteile der Migration erhöht und die Ri- siken gemindert werden.“ Dahin ist es, so wurde auf der DGVN-Tagung deutlich, noch ein langer Weg.

Frank Kürschner-Pelkmann

Weitere Informationen:

www.dgvn.de

www.klimawandel-bekaempfen.de

I.E. Delia Domingo Albert, Botschafterin der Philippinen in Deutschland

Foto: Dieter Düvelmeyer

Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Entwicklung – 15 Jahre nach Kairo

Globales NGO Forum vom 2. bis 4. September 2009 in Berlin

Mehr als 400 Expertinnen und Experten aus 131 Ländern fordern von Regierungen konkrete und voll finanzierte Maßnahmen, um die vor 15 Jahren auf der Kairoer Weltbevölkerungskonferenz (ICPD) gegebenen Versprechen zu halten. Mit der internationalen Konferenz „Global Partners in Action: NGO Forum on Sexual and Reproductive Health and Development“ Anfang September in Berlin gaben sie der globalen Bewegung für die Gesundheit und Rechte von Frauen neuen Schwung.

Die Konferenz brachte Vertreter führender Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aus aller Welt zusammen, die zu sexueller und reproduktiver Gesundheit arbeiten.

Die Ergebnisse des Forums sollen in den Folgeprozess der Kairoer Weltbevölke- rungskonferenz und weiterer UN-Konfe- renzen einfließen. Auf der Weltbevölke- rungskonferenz in Kairo 1994 hatten 179 Regierungen zugesagt, mehr in Gleichheit, Menschenrechte sowie die soziale und wirtschaftliche Entwicklung von Mäd- chen und Frauen zu investieren.

Konjunkturmittel für

Entwicklungszusammenarbeit Mit einem Appell an die Staaten, ein Pro- zent ihrer Konjunkturmittel für Entwick- lungshilfe bereitzustellen, eröffnete Heide-

marie Wieczorek-Zeul, im September noch Thoraya A. Obaid (UNFPA), Heidemarie Wieczorek-Zeul (BMZ), Gill Greer (IPPF),

Imane Khachani (Youth Coalition, Marokko), Helen Clark (UNDP), v.l.n.r Foto: C. Kamp

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Reproduktive Gesundheit 10

Bundesentwicklungsministerin, das „Glo- bale NGO-Forum“ in Berlin. Mit einem Zehn-Punkte-Papier rief sie zu mehr poli- tischem Engagement für Frauen und Mäd- chen in aller Welt auf. „Investitionen in die Gesundheit von Frauen sind Investitionen in die Zukunft“, so Wieczorek-Zeul. Sie betonte die Fortschritte, die seit Kairo gemacht wurden. So sei zum Beispiel die weibliche Genitalvertstümmelung in vie- len Ländern unter Strafe gestellt worden.

Aber an vielen Stellen sei man hinter den Zielen weit zurück. Nach wie vor gehör- ten Gewaltexzesse zum Alltag von Millio- nen Frauen. Wenn Länder sogar im Falle von Vergewaltigungen Schwangerschafts- abbrüche nicht zulassen, widerspreche das den Menschenrechten. „Wenn Männer Kinder auf die Welt bringen würden, wäre das Gesundheitssystem das am besten ausgebaute System“, vermutet Wieczorek- Zeul.

Partnerschaften zwischen UN und Nichtregierungsorganisationen Doch da dem nicht so ist, sind es die Frau- en, die Veränderungen voranbringen. Dass

dies auch innerhalb der Vereinten Nationen gilt, betonte Thoraya Ahmed Obaid, Direk- torin des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA), der das NGO-Forum zusammen mit dem BMZ ausgerichtet hat. Sie betonte auch die Rolle der Nicht- regierungsorganisationen, die die Agenda von Kairo mitgestaltet haben. Menschen- rechte, Vielfalt und Partnerschaften seien der Weg nach vorn. UNFPA arbeite mit der International Planned Parenthood Federa- tion (IPPF) zusammen und wünsche sich in einem „Netzwerk der Willigen“ ähn liche Partnerschaften auch mit anderen Organi- sationen, so Obaid. Die UNFPA-Direkto- rin kündigte an, im Januar 2010 eine NRO-Beratungsgruppe einrichten zu wol- len.

Mangelnde Fortschritte bei MDG 5 Helen Clark, frühere Premierministerin von Neuseeland und Administratorin des Entwicklungsprogramms der Vereinten Na- tionen (UNDP), räumte den Millen niums- Entwicklungszielen (Millennium Develop- ment Goals – MDGs) kaum Chancen ein, solange 50 Prozent der Weltbevölkerung

ihre Rechte verwehrt blieben. Bei Ziel 5 zur Verbesserung der Müttergesundheit sei am wenigsten erreicht worden. Zwar hätten ei- nige Länder Fortschritte gemacht, jedoch viel zu langsam. Die Verbesserung der se- xuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte von Frauen sei wesentlich, um auch die anderen Ziele menschlicher Entwick- lung zu erreichen. Zugleich nützten Fort- schritte bei anderen Zielen, z.B. im Bil- dungsbereich, auch für Ziel 5. „Nie zuvor hatte die Welt so viel Wissen und so viele Ressourcen. Das galt in Kairo und gilt heute noch viel mehr“, so Clark. Doch sie wies auch auf die Gefahren durch die Wirt- schaftskrise hin, die viele der mühsam er- zielten Entwicklungsfortschritte aufs Spiel setzt. Frauen und Mädchen werden am schlimmsten betroffen sein.

Junge Menschen einbeziehen

„Die Herausforderungen sind heute größer als im Jahr 1994“, sagte Gill Greer, Gene- raldirektorin der International Planned Parenthood Federation (IPPF). „Dazu gehö- ren die weltweite Finanzkrise, der Klima- wandel, die HIV/Aids-Epidemie, zuneh - men der Konservatismus und fragmentierte Gesundheitssysteme.“ Junge Menschen unter 25 Jahren bilden heute die größte Jugend generation aller Zeiten – mehr als 1,5 Milliarden Menschen. „Wer im Jahr 1994 geboren wurde, ist jetzt 15 Jahre alt – an der Schwelle zum Erwachsensein“, sagte sie. „All diese Jugendlichen brauchen um- fassende gesundheitliche Aufklärung und Gesundheitsdienstleistungen.“

Junge Menschen einzubeziehen stelle nicht etwa einen Gefallen dar, den man ihnen tue, sondern sie hätten nach der Kinder- rechtskonvention ein Recht darauf. Darauf wies Norwell Jermin Hinds (GuyberNet, Guyana) hin. Die Agenda von Kairo müsse von denen vorangebracht werden, die persönlich betroffen seien. Dies bestä- tigte auch Anand Grover, Sonderbericht- erstatter der Vereinten Nationen zum Recht auf Gesundheit. Er verwies auf die Erfah- rungen, die mit HIV/Aids gemacht wurden.

Man müsse die Betroffenen mobilisieren, ihre Rechte einzufordern. Durch Nichtregie- rungsorganisationen allein ließe sich dies nicht ersetzen. Zu HIV/Aids gebe ist mitt- lerweile eine Lobby. Die brauche man zu den anderen Themen in diesem Kontext auch.

Seit der Weltbevölkerungskonferenz von Kairo 1994 stehen die Rechte und die

Gesundheit der Frauen im Mittelpunkt Foto: Vereinte Nationen

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Reproduktive Gesundheit

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Rückblick auf Kairo

Als Sprecherin der Jugendlichen, die auf dem NGO Forum in großer Zahl vertreten waren, blickte Imane Khachani von der Youth Coalition, Marokko, auf Kairo zu- rück. „Kairo war ein Meilenstein in der

Geschichte – das Ende der Bevölkerungs- kontrolle. Für mich wurde es zu einer Verpflichtung und einem Versprechen – dem Versprechen, dass die Gesundheit der Menschen über politischen und wirt- schaftlichen Überlegungen zu stehen hat“.

Seit Kairo seien bedeutende Fortschritte

gemacht worden, so Khachani. In Marok- ko seien die Teenager-Schwangerschaften zurückgegangen, das Heiratsalter erhöht worden. „Heute können wir sagen, dass mein Land sich engagiert, die Ziele von Kairo umzusetzen.“ Doch es gebe weiter- hin Barrieren, nicht nur in Marokko, son- dern auch in anderen Teilen der Welt.

Sexualkunde sei oft medizinisch ausge- richtet, andere Aspekte würden nicht be- rücksichtigt. „Doch was wollen junge Menschen?“, fragte Khachani „Sie wollen nicht als homogene Gruppe angesehen werden. Programme für Jugendliche soll- ten ihre Vielfalt und die jeweiligen Be- dürfnisse der Jugendlichen anerkennen.“

Dabei gelte es, über Kairo hinauszuden- ken.

Die Botschaft von Kairo: Sexy, langweilig oder einfach schwierig?

Auch Gita Sen, Professorin am Indian Institute of Management in Bangalore, Indien, hob die Bedeutung von Kairo her- vor. „Die Internationale Konferenz zu Be- völkerung und Entwicklung (ICPD) hat uns das Vokabular zur Verfügung gestellt, um auszudrücken, was wir wollen. Vor Kairo bedeuteten einige Begriffe nur das, was sie für die Bevölkerungskontrolle be- deuteten. Nach Kairo erhielten sie eine neue Bedeutung. Große Veränderungen wie Kairo geschehen nur, wenn sie einen günstigen Moment, eine ’Welle’ in der Ge- schichte nutzen.“

Die „Revolution von Kairo“, so Pinar Ilkkaracan, Direktorin der türkischen Organisation Women for Women’s Human Rights, bestand darin, dass die Menschen und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt gestellt wurden. Doch gerade in den ver- gangenen zehn Jahren hatten Angriffe auf das ICPD-Programm durch einen konservativen, rechten Diskurs negative Auswirkung. „Dadurch wurde unser Diskurs an den Rand gedrängt“. Der gha- naische Consultant und frühere Regie- rungsberater in Fragen reproduktiver Gesundheit, Fred Sai, stellte fest, dass viele Länder zwar das Aktionsprogramm von Kairo unterschrieben hätten, aber nicht wüssten, wie es umgesetzt werden solle. Ghana habe zum Beispiel versucht, ein Gesetz gegen häusliche Gewalt zu ver- abschieden. Die meisten Aspekte dieses Gesetzes seien auch verabschiedet wor-

Berliner Aufruf zum Handeln

Abschlusserklärung des Global NGO Forums

In einem fünf Punkte umfassenden „Berlin Call to Action“ fordern die Teilnehme- rinnen und Teilnehmer der internationalen Konferenz „Global Partners in Action“

die internationale Gemeinschaft auf, das Aktionsprogramm der Weltbevölkerungs- konferenz von Kairo bis 2015 umzusetzen. „So notwendig der Kairoer Aktionsplan schon 1994 war, heute ist er noch wichtiger geworden“, heißt es in dem Abschluss- dokument der Konferenz.

Es bleiben nur noch fünf Jahre, um das Aktionsprogramm umzusetzen. Deshalb werden lokale, nationale und internationale Entscheidungsträger aufgefordert, gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen konkrete, praktische und voll finanzierte Maßnahmen zu ergreifen, um den Zugang zu sexueller und reproduk- tiver Gesundheit und entsprechenden Rechten zu sichern. Die Nichtregierungsor- ganisationen verpflichten sich zur Zusammenarbeit mit politischen Entscheidungs- trägern und fordern sofortiges Handeln auf nationaler und internationaler Ebene, um

– zu garantieren, dass sexuelle und reproduktive Rechte als Menschenrechte durch gesetzliche Reformen und neue Familienpolitiken voll anerkannt werden;

– in den Zugang zu umfassenden Informationen über sexuelle und reproduktive Ge- sundheit, Hilfsgütern und Dienstleistungen zu investieren – zugleich ein vordring- liches Ziel für die Stärkung von Gesundheitssystemen –, indem der Zugang für alle (insbesondere von Menschen in Notsituationen) zu Familienplanung, zu professio- neller Betreuung von Schwangeren und Neugeborenen sowie zur Prävention und Behandlung von HIV/Aids verbessert wird und indem unsichere Abtreibungen als Gesundheits- und Menschenrechtsproblem angegangen werden;

– die sexuellen und reproduktiven Rechte junger Menschen zu wahren, indem die Hindernisse, die ihnen den Zugang zu Informationen und Dienstleistungen verweh- ren, abgebaut werden. Ziel ist es, dass sie Zugang zu Informationen erhalten und Entscheidungen über ihr eigenes Leben treffen können;

– formale Mechanismen zu schaffen, die eine bedeutende Beteiligung der Zivilge- sellschaft an Entscheidungen sicherstellen und die eine Überprüfung von Program- men, Politikentwürfen und Budgets etablieren, indem Lobbyisten als Verteidiger der Menschenrechte geschützt, junge Menschen beteiligt werden sowie Randgrup- pen und Nichtregierungsorganisationen im politischen Dialog Autonomie garan- tiert wird;

– sicherzustellen, dass Geberbeiträge, nationale Haushalte und Politiken die Bedürf- nisse aller Menschen nach sexueller und reproduktiver Gesundheit und ihren Rech- ten befriedigen, insbesondere in wirtschaftlichen Krisenzeiten.

„Die Menschen können ohne die volle Umsetzung des Aktionsprogramms von Kairo nicht in Würde leben“, heißt es im Abschlussdokument. „Es ist eine Frage der Men- schenrechte, Demokratie und Gleichberechtigung für alle.“

Der „Berlin Call to Action“ im Internet:

www.globalngoforum.de

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Informationen 12

den, außer der Vergewaltigung in der Ehe. Noch immer werde häusliche Gewalt nicht als das verstanden, was sie wirklich sei: Gewalt!

Reproduktive Gesundheit und Armut

Nafis Sadik, Sonderberaterin des UN-Ge- neralsekretärs machte deutlich, dass es zum Thema sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte in der jüngsten Zeit mehr Fortschritte gegeben habe als jemals zuvor in der Geschichte. Doch noch immer würden genauso viele Frauen bei einer Ge- burt sterben wie vor 15 Jahren, als diese Nachricht die Welt schockierte.

Sara Seims von der Flora Hewlett Foun-

dation berichtete von einer Studie in Ban- gladesch, in der auf Haushaltsebene ge- zeigt werden konnte, dass sich mit weni- ger Kindern pro Familie und einem besse- ren Gesundheitszustand die wirtschaftliche Situation der Familien verbessert. Mit einem Kind weniger pro Familie haben die Familien 43 Prozent mehr Vermögen und erzielen pro Schulbesuchsjahr um 150 Prozent höhere Löhne. Die Armut habe sich durch Familienplanung und bes- sere Gesundheitsversorgung deutlich ver- ringern lassen.

Berliner Aufruf zum Handeln Mit einem abschließenden „Berliner Auf- ruf zum Handeln“ (s. Kasten Seite 11) ga -

ben die Konferenzteilnehmerinnen und - teilnehmer neue Impulse zur Umsetzung des Aktionsprogramms von Kairo. Das Ab- schlussdokument nahmen Abgeordnete aus dem Tschad, der Dominikanischen Republik, Litauen und Schweden stellver- tretend entgegen. „Das Forum hat uns neue Energie gegeben“, fasste Purnima Mane, Vize-Direktorin von UNFPA, die Bedeutung der Veranstaltung zusammen.

„Der Berliner Aufruf bestätigt unser Enga- gement für die Ziele der ICPD.“

Christina Kamp Weitere Informationen:

www.globalngoforum.org

„Berliner Appell“ des BMZ:

www.bmz.de/de/zentrales_downloadarchiv/

Presse/berliner_appell_de.pdf

Der aktuelle „World Water Development Report“ (WWDR) 2009 „Water in a Changing World“ analysiert den Zustand der Süßwasserressourcen der Welt. Der alle drei Jahre erscheinende Bericht ermög- licht, die Veränderungen der Süßwasser- vorräte, ihr Management und die Fort- schritte in Hinblick auf die Millenniums- entwicklungsziele zu beobachten. Dabei wird deutlich, dass Herausforderungen wie der Klimawandel und die Bevölke- rungsdynamik die Risiken im Wasserma- nagement erhöhen und die Probleme kom-

plexer machen. Externe Faktoren und po- litische Handlungskonzepte, die außer- halb des Wassersektors liegen, haben mehr Einfluss auf das Wassermanagement als die Wasserpolitik der dafür im Kern zu- ständigen Ministerien. Das World Water Assessment Programme (WWAP), das auch den Bericht koordiniert, arbeitet mit seinen Partnern daran, mit der Wasserver- sorgung verbundene Unsicherheiten zu verringern, Entscheidungen zu erleich- tern und Investitionen zu fördern. Dazu wird die Bedeutung der Investitionen in die

Wassermanagement-Kapazitäten und der Infrastruktur in anderen Bereichen im Zu- sammenhang mit der sozioökonomischen Entwicklung hervorgehoben. Das WWAP ist ein Zusammenschluss von 26 Institutio- nen des UN-Systems und weiteren Part- nern, darunter Regierungen und internatio- nalen und zivilgesellschaftlichen Organi- sationen.

ck

Weitere Informationen:

www.unesco.org/water/wwap/wwdr

Weltwasserentwicklungsbericht 2009

Unter dem Titel „Herausforderung für die menschliche Sicherheit in den arabischen Staaten“ untersucht der Arabische Bericht über die menschliche Entwicklung (AHDR) 2009, weshalb sich die Hinder- nisse für die menschliche Entwicklung in der Region als so hartnäckig erweisen. Der Bericht findet Antworten in der Fragilität der Politik-, Gesellschafts-, Wirtschafts- und Umweltstrukturen. Zudem fehle es an einer Entwicklungspolitik, die auf die Menschen ausgerichtet ist, und nicht zu- letzt sei die Region durch Interventionen von außen verwundbar. Da ohne mensch- liche Sicherheit die Voraussetzung für

Fortschritte in der menschlichen Entwick- lung fehle, müsse diese wieder aufgebaut werden. Deshalb fordert der Bericht eine Neuausrichtung des arabischen Gesell- schaftsvertrages, basierend auf sieben Bausteinen. Genannt werden ein verbesser- ter Umweltschutz, die Stärkung rechts- staatlicher Strukturen, ein besserer Schutz der Rechte von Frauen, Kindern und Flüchtlingen, die Verringerung der Abhän- gigkeit von Rohölexporten zugunsten einer diversifizierten und wissensbasierten Wirt- schaft sowie Maßnahmen zur Beseitigung von Armut und Hunger. Das Menschen- recht auf Gesundheit müsse gestärkt und

Besatzung, militärische Konflikte und Interventionen beendet werden. ck

Arabischer Bericht über die menschliche Entwicklung 2009.

Herausforderungen für die menschliche Sicherheit in den arabischen Staaten.

Kurzfassung. United Nations Development Programme (UNDP).

Regional Bureau for Arab States, 2009, 19 Seiten.

Deutsche Zusammenfassung:

www.dgvn.de unter Publikationen

Arabischer Bericht über die menschliche Entwicklung 2009

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