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Einleitung [zu: Museumsgeschichte : kommentierte Quellentexte 1750-1950]

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Kristina Kratz-Kessemeier, Andrea Meyer, Bénédicte Savoy

Einleitung

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Kratz-Kessemeier, Kristina; Meyer, Andrea; Bénédicte Savoy: Einleitung, in: Kratz-Kessemeier, Kristina; Meyer, Andrea; Bénédicte Savoy (Hg.): Museumsgeschichte : kommentierte Quellentexte 17501950. -Berlin : Reimer, 2010. - ISBN: 978-3-496-01425-6. - S. 9-18.

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„Meilen über uns jagen Flugzeuge durch die Lüfte, beladen mit Tizians und Pous-sins, van Dycks und Goyas. Darunter überwachen derweil Kuratoren in Museen und Galerien fast überall in Europa und den Vereinigten Staaten den Transfer der normalerweise an ihren Wänden hängenden Bilder in unzugängliche und überfüllte Lagerräume und bereiten emsig große neue Erläuterungstafeln vor.“ – Diese Worten bilden den Auftakt zu Francis Haskells wunderbarer Studie The

Ephemeral Museum. Old Master Paintings and the Rise of the Art Exhibition.1 Und in der

Tat: Gegenwärtig scheint die ganze Welt von einem Museumsfieber ergriffen zu sein. Spektakuläre Neubauten oder Blockbuster-Ausstellungen werden in kurzen Intervallen eröffnet und verzeichnen Besucherrekorde, Unternehmen nutzen das museale Ambiente für ihre Veranstaltungen, Privatmuseen schießen wie Pilze aus dem Boden. In den Medien ist fast täglich von Sonderausstellungen oder Erwei-terungen traditionsreicher Häuser die Rede, von teils umstrittenen Schenkungen und Leihgaben aus privater Hand. Heikle Themen wie Restitution und Raubkunst ziehen das Publikum in ihren Bann, man diskutiert über die Auswirkungen von Wirtschaftskrise und Globalisierung auf das Kunstmuseum. Dabei herrscht weltweit Konsens darüber, dass das Museum nach wie vor die maßgebliche Institution für die Bewahrung und Pflege des kulturellen Erbes ist.

Eine ähnlich große Aufmerksamkeit erfährt das Kunstmuseum auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung: Literaturwissenschaft, Geschichte, Soziologie, ja sogar die historische Wirtschaftsforschung haben das Museum als Ort einer spezifischen Generierung von Kreativität und Emotionen, von Wissen, sozialem Verhalten und ökonomischen Mechanismen identifiziert und untersucht. Mit der verstärkten Hinwendung der Kunstwissenschaft zu Fragen und Ansätzen der Rezeptionstheorie sind spätestens seit den achtziger Jahren auch die Räume der populären Kunstvermittlung ins Blickfeld geraten. Wie die Kunstkritik, die Kunstgeschichtsschreibung oder der Kunsthandel wurde das Museum auf seine prägende Rolle für die Wahrnehmung von Kunst und Künst-lern hin befragt. Mittlerweile hat sich die Museumsgeschichte als eigener For-schungszweig etabliert. Entstehung und Entwicklung öffentlicher Sammlungen, ihre Funktion für die Geschmacksbildung und – oftmals politisch gesteuerte

1 Francis Haskell: The Ephemeral Museum. Old Master Paintings and the Rise of the Art Exhibi-tion. New Haven/London 2000, S. 1 [Übersetzung: Kristina Kratz-Kessemeier].

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– nationale Identitätsfindung, Wechselwirkungen zwischen musealer und privater Sammlerkultur sowie zwischen universitärer Kunstgeschichte und Museumspraxis – die Liste an Themen ließe sich fortsetzen – sind in den letzten zwei Jahrzehnten Gegenstand zahlreicher Studien geworden. Das Kunstmuseum ist dabei nicht nur zum idealtypischen Objekt interdisziplinärer Analysen avanciert, sondern es hat darüber hinaus Studien angeregt, die entscheidend zu einer Erweiterung des kunsthistorischen Selbstverständnisses beigetragen haben.

Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass bislang noch keine auf Über-blick zielende Sammlung wichtiger Schlüsseldokumente zur Museumsgeschichte existiert. Zwar liegen durchaus Textsammlungen vor, die einen Eindruck davon vermitteln, welch immense kulturgeschichtliche Bedeutung die Institution seit ihrer Entstehung in Europa und dann auch in Nordamerika hatte. Beispielhaft sei hier nur auf neuere englischsprachige Publikationen wie Museum Origins.

Read-ings in Early Museum History and Philosophy aus dem Jahr 2008, The Emergence of the Modern Museum. An Anthology of Nineteenth-Century Sources, ebenfalls aus dem

Jahr 2008, oder Museum Studies. An Anthology of Contexts aus dem Jahr 2004

ver-wiesen.2 Bereits Ende der neunziger Jahre legte Susan M. Pearce in London eine

eindrucksvolle, aber unkommentierte vielbändige Reihe faksimilierter Schriften von Samuel Quiccheberg, Caspar Friedrich Einckel, Johann Joachim Winckel-mann oder Gustav Friedrich Waagen vor, mit der sich wesentliche intellektuelle

und politische Motive des Sammelns zwischen 1650 und 1870 erfassen lassen.3

Andere Anthologien wie die von Walter Grasskamp richten ihr Augenmerk auf literarische Texte und individuelle Besuchererfahrungen oder kombinieren, wie Bettina Messias Carbonells Museum Studies. An Anthology of Contexts, historische

Quellen mit Beiträgen aus der jüngeren Forschungsliteratur.4 All diese

Publika-tionen beleuchten jedoch lediglich zeitliche, geographische oder thematische Teilaspekte der Museumsgeschichte. Zudem ist ihnen gemein, dass jeweils unter-schiedlichste Museumstypen angesprochen werden, dass also Stellungnahmen zu naturkundlichen, historischen, kunstgewerblichen oder auch zu ethnologischen Sammlungen einbezogen sind, die in ihrer Fülle den Blick speziell für die Funktion und Rezeption des Kunstmuseums nicht zu schärfen vermögen.

Der vorliegende Band rückt erstmals die Entwicklung des öffentlichen Kunst-museums von seiner Formierung um 1750 bis zur Epochenzäsur um die Mitte des 20. Jahrhunderts in den Mittelpunkt. Anhand ausgewählter historischer Texter werden Schwerpunkte in den immer wieder hitzigen Diskussionen um

2 Museum Origins. Readings in Early Museum History and Philosophy, hg. v. Hugh H. Genoway u. Mary Anne Andrei. Walnut Creek 2008; The Emergence of the Modern Museum. An Anthology of Nineteenth-Century Sources, hg. v. Jonah Siegel. Oxford 2008; Museum Studies. An Anthol-ogy of Contexts, hg. v. Bettina Messias Carbonell. Malden 2004.

3 Museums and their Development. The European Tradition 1700–1900, hg. v. Susan M. Pearce. 8 Bde., London 1999.

4 Vgl. Walter Grasskamp: Sonderbare Museumsbesuche. Von Goethe bis Gernhardt. München 2006; Carbonell 2004.

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die Institution aufgezeigt, entscheidende Entwicklungsphasen und prägnante Positionen beispielhaft vermittelt. Neu ist in diesem Zusammenhang nicht zuletzt die transnationale Perspektive, die sich trotz aller Länderspezifika der Debatten und divergierender Entwicklungsgeschwindigkeiten gerade für die Genese des Kunstmuseums als konstitutiv erweist. Vor diesem Hintergrund kommen im folgenden Journalisten, Politiker, Schriftsteller, Architekten, Künstler und nicht zuletzt immer wieder auch Museumspraktiker aus Deutschland, Frankreich, England, Italien, Österreich, den Niederlanden, Russland und den USA zu Wort. Konkret handelt es sich um teils einschlägig bekannte, teils neu entdeckte, an entlegenen Stellen veröffentlichte, oft bislang nicht aus museumshistorischer Perspektive betrachtete Äußerungen, von denen etliche hier erstmals in deutscher Übersetzung vorliegen. Sie stehen repräsentativ für gängige Museumsfragen und -urteile, die in so unterschiedlichen Textgattungen wie Kunst- und Kul-turkritiken, Katalogvorworten, Künstlermanifesten oder Briefen, aber auch in der ästhetischen Theorie oder im Zuge des wissenschaftlichen wie fachlichen Diskurses formuliert wurden.

Mit ihren Eckdaten schlägt die Textsammlung einen weiten Bogen, der von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die Zeit kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs reicht. Den Beginn markiert die Öffnung erster fürstlicher Kunstsammlungen in deutschen und italienischen Städten für das europäische Publikum bereits Jahre vor der Gründung des Pariser Musée central des arts im Zuge der Französischen

Revolution.5 Im Umfeld dieser Öffnungen bildete sich in der zweiten Hälfte des

18. Jahrhunderts eine Museumskultur heraus, die uns noch heute vertraut ist, denkt man zum Beispiel an den didaktischen wie wissenschaftlichen Auftrag der Museen oder an die Schaffung autonomer und repräsentativer Ausstellungsorte. Zeitgleich begann man über Kunstgalerien in der Öffentlichkeit zu räsonieren. Zu den frühen Stimmen, die sich zum Zweck öffentlicher Kunstsammlungen oder zur Exponataufstellung äußerten, zählen der französische Kunstkritiker Étienne La Font de Saint-Yenne mit seinen Réflexions von 1747, die Dresdener Kuratoren Johann Anton Riedel und Christian Friedrich Wenzel mit ihrem Gale-rieverzeichnis von 1771 oder der Schweizer Kupferstecher Christian von Mechel, der um 1780 für die Neueinrichtung der kaiserlich-königlichen Gemäldegalerie im Belvedere bei Wien verantwortlich zeichnete. Chronologisch betrachtet bilden ihre Erklärungen den Ausgangspunkt des vorliegenden Buches.

Die jüngsten Texte stammen vom englischen Kunsthistoriker Kenneth Clark, der von 1933 bis 1946 die Londoner National Gallery leitete, vom französischen Schriftsteller und Kulturpolitiker André Malraux sowie vom New Yorker Walter Pach, der als Sammler, Historiker und Künstler mit den bedeutenden amerika-nischen Museumsleitern seiner Zeit in engem Kontakt stand. Ihre Äußerungen veranschaulichen, wie sehr der Zweite Weltkrieg und die nationalsozialistische

5 Vgl. Tempel der Kunst. Die Entstehung des öffentlichen Museums in Deutschland 1701–1815, hg. v. Bénédicte Savoy. Mainz 2006.

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Diktatur die Museumslandschaft weltweit erschüttert haben. Museumsvertreter und Kritiker suchten Wege aus der politischen und ideologischen Vereinnahmung und rangen um eine neue Definition der Aufgaben von Kunstmuseen. Mit diesem Ausblick auf die problematische Nachkriegszeit schließt die Publikation.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wandelten sich die Anforderungen an das Kunstmuseum so grundsätzlich, dass eine eigene Quellensammlung er-forderlich wäre, wollte man die Debatten dieser Zeit nicht verkürzt wiedergeben. Nicht nur die neuen ideologischen Fronten des Kalten Krieges beeinflussten nun die Arbeit der Museen untereinander wie den Besucherverkehr in Ost und West auf einschneidende Weise. Vielmehr sahen sich die Kunstmuseen spätestens seit den sechziger Jahren auch jenseits des engeren politischen Rahmens vor umwälzende Herausforderungen gestellt. Wesentlich war hier etwa das Bemühen vieler Künstler, den „Ausstieg aus dem Bild“ und im Zuge dessen alternative Präsentationsorte zu suchen, nicht zuletzt aber auch das Aufkommen der Neuen Medien, die die Kommunikation zwischen Museum, Presse und Besuchern wie auch die Inszenierung der Objekte grundlegend modifizierten.

Die vorliegende kommentierte Quellensammlung ist thematisch gegliedert. Die einzelnen Kapitel spiegeln zentrale inhaltliche Schwerpunktthemen wider, die die Debatten um das Kunstmuseum zweihundert Jahre lang geprägt ha-ben. Da die Texte innerhalb der einzelnen Kapitel chronologisch angeordnet sind, lassen sich zudem elementare Verschiebungen in den Argumentationen nachvollziehen, die über die Jahrhunderte hinweg, manchmal auch innerhalb weniger Jahre und Jahrzehnte, in denen ein bestimmtes Thema virulent war, stattgefunden haben.

Den Auftakt der Anthologie bildet das Kapitel Die Ordnung der Bilder. Von Anfang an standen Systematik und taxonomische Fragen im Mittelpunkt der Museumspraxis und damit auch vieler theoretischer Diskussionen europaweit. Die hier zusammengestellten Quellen führen vor Augen, wie der Begriff Ordnung indes nicht allein auf die Kategorisierung der Exponate und ihre Anordnung im musealen Raum oder wie bei Philippe de Chennevières auf ihre innerstaatliche Verteilung auf verschiedene Häuser zielte. Vielmehr hob „Ordnung“ auch auf die Bestimmung von Kriterien ab, die der Auswahl von Werken aus dem reichen Fundus der Kunstgeschichte zugrunde lagen, wie etwa die Pläne Gustav Fried-rich Waagens und Karl FriedFried-rich Schinkels für das 1830 eröffnete Königliche Museum in Berlin zu erkennen geben.

Im Kapitel Die Öffnung für das breite Publikum wird deutlich, wie an vielen Stand-orten Europas über Sinn und Zweck öffentlicher Museen nachgedacht wurde, oft bevor überhaupt konkrete Pläne für solche Institutionen vorlagen. Wie das Mu-seum den unterschiedlichen Ansprüchen seines Publikums gerecht werden und welche Instrumente es inner- und außerhalb musealer Mauern nutzen konnte, um das Verständnis für seine Schätze wie überhaupt für alle künstlerischen Belange zu wecken – darum kreisen die hier versammelten Texte. Dabei geht es zunächst um öffentliche Kunstsammlungen als privilegierte Orte der Künstlerausbildung,

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später dann, im ausgehenden 19. Jahrhundert, als regelrechte ästhetische Erzie-hungsanstalten für die breite Bevölkerung, ungeachtet ihrer sozialen Herkunft. Dass Museen auch in Provinzregionen, die fernab der eigentlichen Zentren des Kulturbetriebs lagen, geschmacksbildend wirken sollten, unterstreicht beispiel-haft der aus dem Jahr 1904 stammende Beitrag von Karl Ernst Osthaus zum Folkwang-Museum in der westfälischen Industriestadt Hagen.

Das Kapitel Museumsinszenierungen vereint demgegenüber Quellen, die die In-tensität erkennen lassen, mit der seit Mitte des 19. Jahrhunderts und im Kontext der besonders fortschrittlichen deutschen Museumsreformdebatte zunächst vor allem in Deutschland über die Frage diskutiert wurde, wie Kunstwerke im Museum angemessen zu präsentieren seien. Ob dabei eine kunst- oder kulturhistorische Inszenierung favorisiert wurde, wie sie im 1855 eröffneten Neuen Museum in Berlin Gestalt annahm, ob mit dem „Stilraum“ oder einem neutral-reduzierteren Wahrnehmungsrahmen zu Beginn des 20. Jahrhunderts neue Paradigmen der Inszenierung gefunden wurden oder praxisorientiert über die Wandfarbe oder über die Rolle der Architektur und der Dekoration für die Gestaltung des musealen Raums gestritten wurde – all diese Aspekte finden in den verschiedenen Texten Widerhall, in denen unter anderem Museumsdirek-toren wie der Stuttgarter Konrad von Lange oder der Leiter des Amsterdamer Rijksmuseums Frederik Schmidt-Degener, Reformer wie der Engländer John Ruskin, aber auch Architekten wie der in Amerika lebende Franzose Paul Cret ihre Haltungen mitteilen.

Mit ihren Bemühungen, durch bestimmte Inszenierungen das Interesse der Besucher zu wecken beziehungsweise zu wahren, reagierten die Museumsakteure nicht zuletzt auf die Kritik an der Institution Kunstmuseum, die insbesondere im Zuge von deren Expansion im Umfeld historistischen Sammeleifers seit dem späten 19. Jahrhundert immer unverhohlener artikuliert wurde. Ihr ist im Rahmen der Anthologie ein weiteres Kapitel vorbehalten. Die Fülle an Kunstwerken, die das Publikum erschlage, wurde hier ebenso angeklagt wie die Herauslösung der Artefakte aus ihrem ursprünglichen kulturhistorischen Zusammenhang. Marinettis Futuristisches Manifest von 1909 beispielsweise birgt eine regelrechte museumsstürmerische Revolution, die weit über kulturkritische Töne hinaus-ging, wie sie besonders im Deutschen Kaiserreich um die Jahrhundertwende laut geworden waren. 1923 klingt die ausgeprägte Skepsis noch in Paul Valérys Diktum nach, Museen seien „Friedhöfe der Kunst“. Beim Wiener Kunsthisto-riker und Museumspolitiker Hans Tietze oder auch beim ersten französischen Kulturminister André Malraux verband sich der kulturphilosophisch-kritische Blick auf das Kunstmuseum dann später mit konstruktiven Ansätzen für einen zeitgemäßeren Umgang mit der Institution.

Auch von der Kritik am fehlenden Gegenwartsbezug der Kunstmuseen ani-miert, bildete sich schließlich im 19. Jahrhundert, von einer intensiven öffent-lichen Diskussion begleitet, noch einmal ein neuer Typus des Kunstmuseums heraus: das Museum für zeitgenössische Kunst. Entwürfe für die Neueinrichtung

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entsprechender Häuser, wie sie beispielsweise Gustav Friedrich Waagen 1861 in seinem Testament für die Berliner Nationalgalerie oder Alfred H. Barr für das kurz vor der Eröffnung stehende Museum of Modern Art in New York 1929 skizzierte, sind hier wiederabgedruckt. Weitere Texte vermitteln einen lebendigen Eindruck von den Vorbehalten und Widerständen, mit denen die Akteure einer modernen Ausrichtung des Kunstmuseums zu kämpfen hatten, schien doch das Museum als Hüter der künstlerischen Tradition par excellence kaum geeignet für die Aufnahme von Kunstwerken zu sein, die gerade erst entstanden waren und deren Museumsreife noch keineswegs als gesichert gelten konnte.

Gerade in den Diskussionen um das zeitgenössische Kunstmuseum offen-barte sich dann oft auch mit besonderer Vehemenz die politisch-ideologische Dimension, die im öffentlichen Diskurs um das Kunstmuseum von Beginn an mitschwang und die nach 1918 und mit dem Entstehen der totalitären Systeme in den frühen dreißiger Jahren eine immer stärkere Rolle zu spielen begann. Im abschließenden Kapitel Das Museum im Zeichen von Politik und Ideologie zeugen unter ganz unterschiedlichen historischen Bedingungen sowohl von Gegnern wie von aktiven Mitstreitern verfasste Texte von den wiederholten Versuchen, das Kunstmuseum politisch zu vereinnahmen und zu ideologisieren. Zum einen sprechen sich die Autoren dabei offen gegen einen Missbrauch der Institution zugunsten staatlicher Macht und Repräsentation aus, wie Quatremère de Quincy in seinen scharfen Kommentaren von 1796 zur brutalen Aneignungspraxis des Direktoriums in Rom oder Karl Scheffler in der Streitschrift Berliner Museumskrieg von 1921. Zum anderen lassen Artikel wie die von Ludwig Justi oder Kostjatin Grinewitsch ersichtlich werden, wie und aus welchen Gründen sich führende Museumsvertreter den totalitären Weltanschauungen ihrer Zeit annäherten – mit dem Resultat, dass die Institution zu einem Spielball widerstreitender Ideologien wurde. Jenseits dessen werden in diesem Kapitel aber auch Quellen berücksich-tigt, die früh die Relevanz des Museums für die Stärkung der demokratischen Gesellschaft wie auch für den kulturellen Austausch in der internationalen Staatengemeinschaft betonten.

Der vorliegende Band ist das Ergebnis einer fruchtbaren Kooperation des Fachgebiets Kunstgeschichte der Technischen Universität Berlin mit der Richard-Schöne-Gesellschaft für Museumsgeschichte e.V. Er versteht sich nicht zuletzt als Plädoyer für die Erhaltung des engen Zusammenhangs von Forschung und Lehre an deutschen Universitäten. Die Initialzündung ging von der Richard-Schöne-Gesellschaft aus, namentlich von Sven Kuhrau; eine Projektgruppe mit engagierten Studierenden und Doktoranden aller drei Berliner Universitäten verfasste im Rahmen eines zweisemestrigem Seminars die meisten der hier ver-sammelten Quellenkommentare; ausgewiesene Experten wie Alexis Joachimides, Sven Kuhrau und Christian Welzbacher ergänzten die studentischen Beiträge. All denen, die uns bei der Vorbereitung der Publikation mit Rat und Tat unterstützt haben, sei für ihr Vertrauen gedankt: Tanja Baensch, Nikolaus Bernau, David Blankenstein, Adrian von Buttlar, Victor Claas, Jennifer Falckenberg, Daniela

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Hönigsberg, Hubert Locher, Michael Müller, Bertram Pflüger, Elke Stappert, Maike Steinkamp, Ilka Rambausek, Maya Rosenberg, Carolin Tichter und Eva Wolff. Für die Drucklegung und die stets engagierte und freundliche Zusam-menarbeit bedanken wir uns bei Beate Behrens, Anja Diekhans, Ben Bauer und Hans-Robert Cram vom Reimer-Verlag.

Berlin, Juni 2010

Kristina Kratz-Kessemeier, Andrea Meyer und Bénédicte Savoy

Editorische Notiz: Die Wiedergabe der deutschen Quellen wie auch der älteren Übersetzungen folgt der Orthographie in den ursprünglichen Veröffentlichungen. Alle Hervorhebungen in den Originaltexten sind einheitlich kursiv gesetzt, Aus-lassungen und Zusätze durch eckige Klammern kenntlich gemacht worden.

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