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Archiv "Mit Schleife dran" (07.07.2014)

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A 1238 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 27–28

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7. Juli 2014

GESETZ ZUR TARIFEINHEIT

Jetzt wird es ernst

Eine Arbeitsgruppe der Bundesregierung verständigt sich auf Eckpunkte für ein Tarifeinheitsgesetz.

Der Marburger Bund kündigt Verfassungsklage an.

V

ertreter aus dem Arbeits-, In- nen- und Justizministerium haben sich auf „Eckpunkte für eine gesetzliche Regelung der Tarifein- heit“ verständigt. Die Vorlage sollte bereits am 2. Juli im Bundeskabi- nett beraten und auch beschlossen werden (nach Redaktionsschluss).

Den Gesetzentwurf werde Arbeits- ministerin Andrea Nahles (SPD) dann im Herbst vorlegen, heißt es.

„Wenn die Eckpunkte tatsächlich in eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit münden, haben wir in Deutschland ein Zweiklassenrecht für Gewerkschaften“, kritisierte Rudolf Henke, der Vorsitzende des Marburger Bundes (MB), die Pläne:

„Die einen dürfen dann mit staatli- cher Genehmigung Tarifverträge schließen und ihre Mitglieder zum Streik aufrufen, die anderen müssen sich unterordnen und Ruhe geben.“

Wer so denke und handele, wolle keine Tarifautonomie und keine Koalitionsfreiheit – „der will Ge- werkschaftsmonopole und Streik-

verbote gesetzlich verordnen“. Der MB werde sich mit allen Mitteln gegen einen solchen Frontalangriff auf seine gewerkschaftliche Exis- tenz wehren. „Wir werden zum frü- hestmöglichen Zeitpunkt gegen das Gesetz Verfassungsbeschwerde er- heben“, betonte Henke, selbst CDU-Abgeordneter im Bundestag.

Die Eckpunkte der Regierung für ein Tarifeinheitsgesetz im Wortlaut:

Um die Funktionsfähigkeit des Tarifvertragssystems sicherzu- stellen, wird eine gesetzliche Rege- lung der Tarifeinheit vorgesehen, durch die Tarifpluralitäten aufgelöst werden.

Eine Auflösung ist nicht erfor- derlich, wenn die Gewerkschaften ihre jeweiligen Zuständigkeiten ab- gestimmt haben und die Tarifverträ- ge jeweils für verschiedene Arbeit- nehmergruppen gelten (sogenannte gewillkürte Tarifpluralität). Eine Auflösung ist ebenfalls nicht erfor- derlich, wenn die Gewerkschaften inhaltsgleiche Tarifverträge abge-

schlossen haben (sogenannte An- schlusstarifverträge).

Zur Auflösung wird auf das Mehrheitsprinzip im Betrieb abge- stellt: Die definitorische Ausgestal- tung erfolgt in der weiteren Geset- zesausarbeitung. Soweit sich im Be- trieb Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften überschneiden, kommt nur der Tarifvertrag der Ge- werkschaft zur Anwendung, die im Betrieb mehr Mitglieder hat (Mehr- heitsgewerkschaft). Dies schließt insoweit auch eine Erstreckung der Friedenspflicht aus dem Tarifver- trag der Mehrheitsgewerkschaft auf die Minderheitsgewerkschaft ein.

Für zu einem Stichtag bereits geltende Tarifverträge wird eine Übergangsregelung vorgesehen.

Um verfassungsrechtlichen Belangen Rechnung zu tragen, soll die Regelung der Tarifeinheit unter Einbindung der Spitzenorganisatio- nen der Arbeitgeber und Arbeitneh- mer durch flankierende Verfahrens- regelungen abgesichert werden.

Altbekannte Forderung der Arbeitgeberverbände Mit den Eckpunkten greift die Bun- desregierung eine Forderung der Arbeitgeberverbände auf. Seitdem das Bundesarbeitsgericht im Som- mer 2010 seine ständige Rechtspre- chung dahingehend geändert hatte, dass der frühere Grundsatz „ein Betrieb, ein Tarifvertrag“ nicht mehr gilt, drängen diese auf eine gesetzliche Fixierung des Grund- satzes. Wie jetzt geplant, solle eine Gewerkschaft in einem Betrieb nicht zum Arbeitskampf aufrufen dürfen, solange eine andere Ge- werkschaft mit mehr Mitgliedern im selben Betrieb wegen eines gül- tigen Tarifvertrags in der Friedens- pflicht ist. Da der Marburger Bund selbst bei einem hundertprozenti- gen Organisationsgrad unter den Ärzten in einem Krankenhaus ge- genüber Verdi immer in der Min- derheit wäre, träfe ein solches Ge- setz die Ärztegewerkschaft ins Mark. Verfassungsklage kann der Marburger Bund jedoch erst einle- gen, wenn ein Gesetzentwurf vor- liegt; nach jetzigem Zeitplan also im Herbst dieses Jahres.

Jens Flintrop Laut Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD

will die Bundesregierung den Grundsatz der Tarif- einheit nach dem betriebsbezogenen Mehrheits- prinzip gesetzlich festschreiben, um den „Koaliti-

ons- und Tarifpluralismus“ in geordnete Bahnen zu lenken. Das erweckt den Eindruck, als sei Deutschland im Streikchaos versunken, seitdem das Bundesarbeitsgericht 2010 seine Rechtspre- chung geändert hat. Das ist mitnichten der Fall:

Die Zahl der tariffähigen Gewerkschaften ist seit

Jahren konstant. Und auch eine Zunahme der Ar- beitskämpfe ist nicht zu beobachten – Deutsch- land zählt weiterhin zu den Ländern mit den we- nigsten Streiktagen. Massive Störungen des Be- triebsfriedens sind vielmehr erst jetzt zu erwarten, wenn ein Teil der immerhin 600 000 in Sparten- gewerkschaften organisierten Arbeitnehmer für ihre gewerkschaftlichen Rechte eintreten wird.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass die ge- setzliche Fixierung der Tarifeinheit vor allem als ausgleichendes Geschenk für die Arbeitgeber zu verstehen ist, gegen deren Widerstand der flä- chendeckende Mindestlohn Gesetz werden soll.

Wirklich gute Argumente dafür fehlen jedenfalls.

KOMMENTAR

Jens Flintrop

Mit Schleife dran

P O L I T I K

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