DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT KONGRESSBERICHTE
D
ie Deutsche Gesellschaft für Katastrophenmedizin hat im April 1989 in der Universität Würz- burg unter ihrem Präsidenten, Pro- fessor Dr. med. Peter Se, rin (Würz- burg), ihre 5. Jahrestagung abgehal- ten. Sie stand unter dem Leitmotiv„Katastrophenbewältigung im Kran- kenhaus".
Das Leitthema war in Anbe- tracht der Katastrophen der letzten Zeit nicht nur in Deutschland, son- dern in der ganzen Welt hoch aktu- ell. Gerade die katastrophalen Ge- schehnisse in Ramstein, Sheffield (England) und Armenien (UdSSR) zeigten, daß bei der Katastrophenbe- wältigung auch die Frage, inwieweit Krankenhäuser auf den Massenan- fall von Verletzten und Kranken vor- bereitet sind, im Mittelpunkt aller Diskussionen stehen muß.
Die Referenten konnten erneut darstellen und darlegen, daß der Massenanfall von Verletzten grund- legend andere Strategien als der Notfalleinsatz bei der individualen Notfallmedizin erfordert. Erfreulich war nicht nur die rege Beteiligung, sondern auch, daß bei dieser Thema- tik jede ideologisch verbrämte Stör- aktion bekannter und bestimmter Randgruppen ausblieb. Dies kann als ein Zeichen aufgefaßt werden, daß nunmehr auch eine breite Ak- zeptanz der Katastrophenmedizin im allgemeinen bei diesen Minder- heiten eingetreten ist. Das General- thema wurde in drei Untergruppen 1. Krankenhausalarmplan, 2. Medi- zinische Aspekte bei der Versorgung von Massenanfall von Verletzten und Erkrankten im Krankenhaus und 3. praktische Umsetzung der Ka- tastrophenplanung im Krankenhaus von sachkundigen Referenten abge- handelt.
In einem Großteil der Referate kam immer wieder zum Ausdruck,
daß die Hauptlast der definitiven medizinischen Versorgung im Kran- kenhaus liegt. Dort sei aber bei den derzeitigen Vorbereitungen keine optimale Betreuung zu erwarten.
Die dazu notwendigen Vorausset- zungen, wie regionale und überregio- nale Koordinationen und gesetzlich geregelte Kompetenzzuweisungen, die für den Katastrophenort unab- dingbar, aber ebenso auch in den Krankenhäusern vorhanden sein müssen, fehlen bei uns. Von vielen Referenten wurde der Gesetzgeber energisch zu einer Vereinheitlichung der Katastrophenschutzplanung auf- gefordert. Darüber hinaus verlang- ten sie und auch Diskussionsteilneh- mer die beschleunigte Verabschie- dung des Katastrophen-Zivilschutz- ergänzungsgesetzes.
Das Gravierendste, das bei allen bisherigen Planungen und Bestim- mungen auffällt, ist der Tatbestand, daß es keinerlei gesetzliche Grundla- gen für die Kompetenzen und Auf- gaben der Ärzte und auch nicht über die Bedeutung der Krankenhäuser beim Massenanfall von Verletzten und Kranken gibt. Die Nichterwäh- nung von Ärzten oder Krankenhäu- sern in Bestimmungen und Planun- gen würde eindeutig zeigen, daß bei uns immer noch eine teils bewußt, teils unbewußt diletantische Vorstel- lung der Katastrophensituation bei den verantwortlichen Politikern und Behörden vorhanden sei.
Unter diesen Gesichtspunkten wurde erneut auf die Notwendigkeit eines Engagements der Deutschen Gesellschaft für Katastrophenmedi- zin, aber auch der gesamten Ärzte- schaft für die Katastrophenhilfe auf- merksam gemacht. Eine Vorausset- zung dazu sei es aber, daß die Stel- lung des Arztes durch eine entspre- chende Qualifikation für Rettungs- wesen und Katastrophenmedizin ge-
festigt ist. Die Zahl von in der Not- fallmedizin und im Rettungswesen vorzüglich ausgebildeten Ärzten ist immer noch zu klein, und darüber hinaus gibt es keine Registrierungs- pflicht, um den ganzen Personen- kreis, der sich für eine erste Hilfe- maßnahme beim Massenanfall eig- nen würde, heranziehen zu können.
Referenten und Diskutanten be- tonten immer wieder, daß im Kran- kenhaus beim Katastrophenfall die unabdingbare Kapazitätssteigerung nur dann rasch und problemlos mög- lich sei, wenn eine Krankenhauska- tastrophenplanung vorhanden, be- kannt und durch Übungen erprobt werde. Geradezu vehement wurde eine gesetzliche Grundlage für die regelmäßigen Übungen in den Kran- kenanstalten gefordert. Das gesamte Krankenhauspersonal müsse die Möglichkeit haben, sich in Fortbil- dungsveranstaltungen auf dem Ge- biete des Rettungswesens und der Katastrophenmedizin umfassend aus- und weiterzubilden. Entspre- chende Erlasse und finanzielle Un- terstützungen seien vom Gesetzge- ber vorzunehmen.
Der Präsident und eine Reihe von Referenten bemerkten, daß es nach den jüngsten Katastrophen er- staunlich sei, wenn die verantwort- lichen Stellen nunmehr nicht die Konsequenzen ziehen und derartige Übungen anordnen, sondern sich da- mit aus der Affäre ziehen, daß solche nicht erzwungen werden dürften.
In einem Referat über „Die kli- nische Problematik beim Massenan- fall von Verletzten" wurde abschlie- ßend betont, daß die Verabschie- dung eines Gesetzes, gleichgültig wie man es benennen wolle, das sowohl den zivilen als auch den militäri- schen Katastrophenfall mit ein- schließt, die entscheidendste und vordringlichste Grundlage für eine Verbesserung in der Organisation und der ärztlichen Versorgung beim Massenanfall von Verletzten sei.
Hierauf haben auch die Bundesärz- tekammer und die Deutsche Gesell- schaft für Katastrophenmedizin schon öfters hingewiesen.
Prof. Dr. med.
Edgar Ungeheuer Steinbacher Hohl 2-26 6000 Frankfurt 90
Krankenhäuser brauchen Zivilschutzgesetz
5. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Katastrophenmedizin, April 1989, Würzburg
Dt. Ärztebl. 86, Heft 37, 14. September 1989 (61) A-2549