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Archiv "Männer der ersten Stunde sprechen zu uns" (04.05.1989)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

Männer der ersten Stunde sprechen zu uns

ls am 24. Juni 1933 nach über 30jährigem Bestehen die „Ärztlichen Mitteilun- gen", das offizielle Organ des „Verbandes der Ärzte Deutsch- lands", ihr Erscheinen einstellten, um mit dem „Deutschen Ärzteblatt"

vereinigt zu werden, glaubten mit größeren Teilen des deutschen Vol- kes auch viele Ärzte noch an die Zu- kunft des neuen deutschen Staates unter autoritäter Führung. Die Zeit hat sie bitter enttäuscht. 12 Jahre später standen sie vor den Trüm- mern des geliebten Vaterlandes in bitterster seelischer und körperlicher Not, ein Teil der „geführten" Ärzte wenig später vor dem Nürnberger Gerichtshof.

Wie schwer es ist, auf Trümmern wieder aufzubauen, sehen wir an un- seren zerstörten Städten! Mit den ärztlichen Organisationen ist es nicht anders! Durch Parteizugehörizkeit und -gesinnung nicht belastete Arzte mußten nach dem Zusammenbruch des schwierigen Wiederaufbau der Ärztekammer in die Hand nehmen, teilweise gewählt, teilweise von deut- schen Regierungsstellen oder von Stellen der Besatzungsmächte einge- setzt. Es waren zumeist ältere Ärzte mit Erfahrungen aus früherer Mitar- beit in den ärztlichen Vereinen, die zum größten Teil vom Nationalsozia- lismus aus dieser frühen Tätigkeit entfernt worden waren. Eine schwe- re aufopferungsvolle Arbeit in einer rechtsunsicheren, politisch und wirt- schaftlich höchst verworrenen Zeit!"

Das waren die ersten Sätze des Geleitworts von Dr. Carl Oelemann (Bad Nauheim), eines der beiden verantwortlichen Herausgeber der neuen „Ärztlichen Mitteilungen"

und ihr erster Hauptschriftleiter, im Nachkriegsheft Nr. 1, das am 15. Mai

1949 erschien. Und weiter:

„Den Ärztekammern oblag nach dem nicht aufgehobenen Erlaß des früheren Reichsinnenministers die planmäßige Verteilung der Ärzte für eine zweckmäßige ärztliche Versor- gung der Bevölkerung — ein wahres

Danaergeschenk. Die Aufgabe war bei einer solchen Sturmflut von heimkehrenden und vertriebenen, von Flüchtlings- und entlassenen ak- tiven Militärärzten, bei den vielen Jungärzten und verschleppten aus- ländischen Ärzten, bei den Ausge- bombten ohne Wohnung Dastehen- den, den aus der russisch besetzten Zone und teilweise auch aus den Berliner Westsektoren Nachströ- menden unmöglich zu lösen! Dabei mußten Niederlassungen und Kas- senzulassung geregelt werden. Hinzu kam die Beschaffung von Wohn- und Praxismöglichkeiten, von Praxisin- ventar und Instrumentarium, von Fahrzeug, Benzin und Reifen . . . Si- cher wurde nicht in jedem Fall die beste und gerechteste Lösung gefun- den. Das hätte niemand vermocht.

Aber der ehrliche gute Wille und der teilweise bis zur Selbstaufopferung getriebene Einsatz der Verantwort- lichen hat in den weitüberwiegend meisten Fällen eine brauchbare Lö- sung gefunden."

Energie und Mäßigung" (ein Wort Willy Hellpachs aus dem Jahre 1907) stellten die Autoren des ersten Hef- tes der neuen „ÄM" die Situation des Jahres 1949 dar. Zitate aus ihren Aufsätzen lassen sich eindrucksvoll zu einem „Leitartikel" zusammenfü- gen, der für das Jahr 1989 geschrie- ben sein könnte.

„Wir haben niemals das großar- tige, wenn auch mit vielen und nicht nur kleinen Mängeln behaftete so- ziale Versicherungswerk des jungen Deutschen Reiches zerstören wollen, das als Bismarcks zweite schöpferi- sche Staatsmannleistung ebenbürtig neben seiner Reichsgründung steht und der ganzen Welt draußen schließlich zum Modell geworden ist.

Wir haben auch niemals „streiken"

wollen in dem bösartigen Sinne, daß

wir die Behandlung von Kranken verweigert hätten. Wir wehrten uns nur dagegen, aus einem freien Be- rufsstande in eine Angestellten- schicht umgewandelt zu werden, und diese Abwehr geschah gerade im Sinne des elementaren Fundamentes alles ärztlichen Ethos, nämlich des persönlichen Vertrauensverliältnis- ses zwischen Kranken und Arzt.

Die Klarsichtigsten unter uns sa- hen es unweigerlich kommen, daß immer breitere Schichten in den Ge- nuß des Versicherungsanrechtes ge- gen Krankheit und ihre Folgen ge- langen würden, aber eben darum wollten wir für den breiten Durch- schnitt des Alltagsleides durch Er- krankung nicht das andere Anrecht der persönlichen Wahl des behan- delnden Arztes preisgegeben wissen;

die Arztwohnung sollte, drastisch ge- sprochen, nicht nur Polizeistation werden, der man unausweichlich zu- gewiesen ist, wenn man in einer be- stimmten Straße eines bestimmten Stadtteils lebt, ohne sich eine andere aussuchen zu können, deren Wacht- meister einem vielleicht besser zu- sagt."

Das schrieb Univ.-Prof. Dr. med.

et phil. Willy Hellpach (Heidelberg), der große Liberale, in den zwanziger Jahren badischer Kultusminister und badischer Staatspräsident, bei der Reichspräsidentenwahl 1925 Gegen- kandidat Hindenburgs, von 1907 bis 1921 Schriftleiter der „Ärztlichen Mitteilungen". Und: „Die technische Zivilisation, lichter Segen und dunk- ler Fluch unserer Epoche, hat man- cherlei Institutionen geschaffen, de- ren kollektive Vorzüge so groß (und uns so selbstverständlich geworden) sind, daß ihre individuellen Schat- tenseiten in Kauf genommen werden müssen: niemand möchte das moder- ne Krankenhaus wieder beseitigen, weil der Patient, der es aufsucht, sich den dort behandelnden, z. B. auf Le- ben und Tod operierenden Arzt nicht nach eigenem Vertrauenser- messen aussuchen kann. Für die breite Masse des Alltagskrankseins jedoch unternahmen wir den Ver- such, Sozialisierung und Individua- tion beieinander zu halten, diese nicht zu opfern, wenn jene ihr Recht forderte. Und das ist im Kleinen die Aufgabe, die sich seither noch weit

Leitworte, die heute noch Geltung haben

I

„Mit der richtigen Mischung von

Dt. Ärztebl. 86, Heft 18, 4. Mai 1989 (27) A-1279

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Herausgegeben

im Auftrage der Arbeitsgemeinschaft der Westdeutschen Arztekammern und der Arbettsgemeinszhaft der Landesstellen der Kassendrztlichen Vereinigungen für das Vereinigte Wirtschaltsgebiet

VerontwortlIche H•r ... b•r: Dr. Carl Oelemenn, Bad Nouharire und Dr. ludwig Slov•rs 31 Mouptsdulflialter: Dr. Carl Oelernenn, Bad Neuh•lre• SchrIffleltung: lad Neuhelm, MedIsin. Spriodelhof 1.1aensferr im V.l. ferdinend Enke, Puttriert-V4. Anstleenverwohen-- und Vertrieb: Knfeld» MItrallumre, Gleden, Berok 3 Mz.sprob für DM 1.1. monsti. auagel. Zugellgeld. Alle Peslandellee nekeren destellung... BI. 3.11sekrift .m 13. I.d. MIN.

Schriffillts• für dim Tmflefl nur an lila SchrifIlt... esdel.helm Send ggggg belr. •nd Vertrieb nur ..eh Olak., dergkeserne 3

Heft 1/34. Jahrgang 15. Mei 1949 Postverlagsort Gießen

Um das rechtzeitige Erscheinen der „Arztltehen Mitteilungen zu ermöglichen, hat sich der Verlag Ferdinand Enke, Stuttgart, freundlicherweise bereit erklärt, die Zeitschrift zunächst unter seiner Lizenz erscheinen zu lassen, bis der eigene Verlag lizenziert ist. Wir danken dem Verlag Ferdinand Enke hierfür. Die Schriftleitung

114HALTSVERZEICHNIS

Zum Geleit Seite 1 Hartmannbund und Kassenärztliche Vereinigung . . Seite 8 Standeskamp! als Gesellschaftsvorbild Seite 3 Berufspolitik gestern und haute Seite I I Verpflichtende Tradition Seite 4 Recht — Pflicht — Verantwortung Seite 15 Alfons Stauder zum Gedächtms ...Seite ti Bekanntmachungen Seite 19

Innentitel der ersten NachIcriegsausgabe der „Ärztlichen Mitteilungen" am 15. Mai 1949

umfassender als damals vor einem reichlichen Menschenalter im Gro- ßen den Völkern stellt: Sie wird jetzt z. B. in der mächtigen politischen Partei, die sich auf deutschem Boden zur sozialistischen Gesellschaftsord- nung bekennt, der Sozialdemokratie, klar gesehen und ist von ihrer Füh- rung wiederholt verkündet worden:

wie können die imponderablen Men- schentumswerte der persönlichen Verantwortung, Beziehung, Ge- meinschaftsformung gewahrt wer- den, wenn viel stärkere kollektive Bindungen als früher die Gesell- schaft zusammenklammern sollen?"

Die deutsche Ärzteschaft, so Hellpach, „hat . . . nämlich durch ih- re Organisation der freien Arztwahl in Gestalt von freikörperschaftlichen Vertrags- und Kontrollinstanzen dem Begriff der Sozialisierung sei- nen sinnvollen Inhalt zurückgege- ben, der in seiner ursprünglichen Wortbedeutung eingeschlossen lag;

Sozialismus heißt Genossenschafts- ordnung, nicht Verstaatlichungsord- nung, durch welche letztere aller So- zialismus sich selber entfremdet, gleichsam entwesent und zum blo- ßen Etatismus, Fiskalismus, Büro- kratismus wird."

Heute — noch oder wieder — be- klemmende Worte, an denen die Ärzte des Jahres 1989 ihren Standort gegenüber den politischen Mächten in der Bundesrepublik Deutschland messen mögen.

„Es ist die ewig unwandelbare Idee wahrhaften Arzttums, an deren

Tradition wir festhalten wollen. Wir befinden uns dabei im Einklang mit den Aerzten aller anderen Kulturna- tionen, zu denen geistige Brücken zu schlagen mit eine der Aufgaben der ÄM sein soll. Dieser Idee entspricht das Recht des Arztes auf eine freie Entfaltung der sittlichen ärztlichen Persönlichkeit in all seinem Tun und Handeln. Ihr entspricht es weiterhin, daß der Arzt mit der gleichen Selbst- verständlichkeit sich jederzeit willig in das Recht des Kranken, in das Recht auf freie Wahl des Arztes und in das Recht auf volle Wertung der menschlichen Persönlichkeit einord- nen muß. Schließlich aber gehört hierzu auch das Recht des gewissen- haften und sorgsam tätigen Arztes auf Schutz vor geschäftstüchtigen Berufsgenossen, die den nötigen Ge- meinsinn vermissen lassen und die der Allgemeinheit der Kranken nicht weniger gefährlich werden als der der Aerzte".

Lediglich mit „-er" waren diese grundsätzlichen Bemerkungen si- gniert, die sich mit der „Verpflich- tenden Tradition" der „Ärztlichen Mitteilungen" und der Ärzteschaft selbst befassen, mündend in die Schlußworte:

„Einzig und alleine diese Idee wahrhaften Arzttums kann auch die Linie einer ärztlichen Berufspolitik bestimmen, die in ihrem innersten Grunde auf dem allgemeinen Sektor wie innerhalb des Rahmens der So- zialversicherung immer die gleiche sein muß. Allerdings ergeben sich

dabei in einem Lande, dessen Ein- wohner zum größten Teil dieser So- zialversicherung angehören, einige besondere Aspekte. Denn die Tätig- keit im Dienste staatlicher Einrich- tungen macht bestimmte Ueberwa- chungsmaßnahmen notwendig, die nur die Möglichkeit offen lassen, zwischen unmittelbarer Staatsauf- sicht, zwischen der Aufsicht durch die Krankenkassen und einer sol- chen durch Organe des eigenen Be- rufsstandes zu wählen. Daß dabei nur die dritte Möglichkeit ein Höchstmaß an verantwortungsbe- wußter Freiheit gestattet, dürfte über jeden Zweifel erhaben sein."

In diesem Sinne begrüßten die Kassenärztlichen Vereinigungen 1949 „das Wiedererstehen der ‚Arzt- lichen Mitteilungen' auf das lebhaf- teste und hoffen, daß durch dieses Standesblatt die Beziehungen des einzelnen Arztes zu seinen Organi- sationen, nämlich den Ärztekam- mern und den Kassenärztlichen Ver- einigungen, wesentlich gestärkt wer- den". So Dr. Ludwig Sievers, der er- ste Vorsitzende der „Arbeitsgemein- schaft der Landesstellen der Kassen- ärztlichen Vereinigungen des Verei- nigten Wirtschaftsgebietes".

Sorge um die wirtschaftliche Si- cherung der ärzlichen Berufsaus- übung hatte die Kassenärztliche Vereinigung vom „Leipziger Ver- band" übernommen, auf einem wei- ten Weg von der Reichsversiche- rungsordnung des Jahres 1911 bis zu der öffentlich-rechtlichen Regelung der Aufgaben der Kassenärztlichen Vereinigungen.

1911: „Der § 368 RVO bestimm- te lediglich, daß der kassenärztliche Dienst durch schriftlichen Vertrag geregelt wurde. In einer weiteren Bestimmung war die Vorschrift ge- geben, daß die Krankenkasse den Versicherten, soweit es sie finanziell nicht mehr belaste, mindestens die Auswahl unter 2 Aerzten gewährlei- sten sollte. Hierin erschöpften sich die gesetzlichen Vorschriften über das Kassenarztrecht. Dieser Zustand war für die Aerzteschaft untragbar, da die erforderliche berufliche Un- abhängigkeit des Arztes in keiner Weise gewährleistet war. Auf Grund der abgeschlossenen Einzel-Dienst- verträge konnte der Arztvertrag A-1280 (28) Dt. Ärztebl. 86, Heft 18, 4. Mai 1989

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fristgerecht gekündigt und damit der den Wünschen der einzelnen Kran- kenkasse nicht nachkommende Arzt aus der kassenärztlichen Tätigkeit entlassen werden und ein anderer, vielleicht willfähriger und billigerer an seine Stelle treten . ."

1949: „Es besteht für die Versi- cherten die organisiert freie Arzt- wahl unter den zugelassenen Kas- senärzten, wobei nach dem Grund- satz einer gewissen Bedarfsdeckung durch Gesetz wie durch Zulassungs- ordnung die Verhältniszahl: ein Kas- senarzt auf 600 Versicherte gegeben ist." Und:

„Es wird erforderlich sein, für die Gestaltung der Honorare, insbe- sondere in der Krankenversicherung, andere Grundsätze als bisher aufzu- stellen. Es dürfen bei der Honorar- bemessung nicht nur finanzielle Ge- sichtspunkte der Träger der Sozial- versicherung, sondern die gleichmä- ßige Berücksichtigung der Finanzla- ge beider Teile, d. h. also auch der Aerzte, maßgebend sein. . . .

. . . Bei der Erfassung weiter Be- völkerungskreise durch die Sozial- versicherung muß endlich die These fallen, als ob es sich bei den Versi- cherten lediglich um die ,Aermsten der Armen' handelte. Durch den Zu- sammenschluß der Versicherten und durch die Beitragserhebung nicht nur von den Versicherten, sondern auch von den Arbeitgebern, muß mit dieser Fiktion endlich Schluß ge- macht werden, und es müssen Mittel und Wege gefunden werden, die dem Ziele dienen, welches unter Be- rücksichtigung der sozialen Struktur der Gesamtbevölkerung als absolut gerecht erscheint, daß dem Arzt für seine ärztliche Tätigkeit, gleichgültig für welchen Versicherungsträger er sie ausübt, ein Entgelt zukommt, das der sozialen Stellung, der theoreti- schen wie praktischen Ausbildung und der Verantwortung, die er in sei- nem Beruf zu tragen hat, gerecht wird."

Zu jenen entschlossenen Män- nern, die nach dem Zusammenbruch der Reichskörperschaften der deut- schen Ärzte durch das Vertrauen ih- rer Kollegen mit dem Neuaufbau der Kammern und der Kassenärztlichen Vereinigungen beauftagt wurden, gehörte auch Karl Haedenkamp, der

1923 die Redaktion der „Ärztlichen Mitteilungen" übernommen hatte und sie auch nach 1933 fortführte, als die Zeitschrift mit dem damali- gen „Deutschen Ärzteblatt" verei- nigt wurde. Karl Haedenkamp hat im Dritten Reich wohl auch Schuld auf sich geladen; seine Leistungen für die Aufrechterhaltung der ärzt- lichen Versorgung der Bevölkerung, für die Wiederherstellung demokra- tischer Formen der Berufsvertretung und für die Freiheitlichkeit der ärzt- lichen Berufsausübung sind indes unbestreitbar.

„Kein Kulturvolk der Welt hat Ärzte, die ihren Beruf als Heilbeam- te, Angestellte oder abhängige Ar- beitnehmer auszuüben wünschen, und wenn Weltmeinung, Weltgewis- sen und Nürnberger Gericht die ver- brecherischen Handlungen einzelner deutscher Arzte mit Recht als verab- scheuungswürdigen Frevel verurteilt haben, so sei man sich bewußt, daß diese Verbrechen nur von Ärzten be- gangen werden konnten, die ihre Ge- wissensfreiheit der Anbetung des Obrigkeitsgeistes opferten, dem sie sich unter Verleugnung ihrer Berufs- idee unterworfen hatten.

Um so mehr sollten diejenigen, die heute die Macht haben, über den Fortbestand oder die Beseitigung der deutschen ärztlichen Standesein- richtungen zu entscheiden, deren Wesen und wirkliche Bedeutung zu erkennen und zu würdigen versu- chen. Wir sind nicht Gewerbetrei- bende und wünschen es nicht zu wer- den. Unsere Berufskörperschaften sind keine Trusts, die es vermöchten oder die im Sinne hätten, Krankheit, Not und Unglück wirtschaftlich aus- zunutzen und die vom Schicksal Heimgesuchten auszubeuten . ."

Und Haedenkamp weiter:

„Von einem der wirtschaftlichen Verelendung entgegentreibenden Ärztestande können vollgültige Lei- stungen, selbstloses Handeln und menschliche Hingabe nicht erwartet werden. Wir sind keine Übermen- schen, und die ersten Jahre nach dem Zusammenbruch, in denen

mancher Priester zum Kohlendieb und mancher Staatsbeamte zum be- stechlichen Sachwalter des Volkes wurde, sollten gezeigt haben, daß Not und mehr noch das Bewußtsein erlittenen Unrechtes auch starke Charaktere schwächen und den ehr- lichsten Idealisten zu einem Manne zu machen vermögen, der um der nackten Existenz willen vom rechten Wege abweicht. Der Verzicht der Ärzteschaft auf den offenen Kampf um seine Rechte und Ansprüche er- legt ihren Vertragspartnern die Pflicht auf, die Leistungen des Arz- tes angemessen zu vergüten und da- zu alle Mittel aufzuwenden, die sie für diesen Zweck ohne Benachteili- gung der Versicherten zur Verfü- gung stellen können . . . Auf der an- deren Seite ist es Aufgabe des Kas- senarztes, an der Überwindung der Schwierigkeiten mitzuwirken, in de- nen sich die Sozialversicherung heu- te unverschuldet befindet, unnötige Ausgaben der Krankenkassen zu vermeiden und gemeinsam mit ihnen an das Verantwortungsgefühl der Kassenmitglieder gegenüber den von ihnen selbst und von der Wirtschaft getragenen sozialen Einrichtungen zu appellieren."

Vierzig Jahre sind seit jenen Worten vergangen. Vielgestaltige Probleme sind seither bewältigt wor- den, viele neue sind seither entstan- den. An ihrer Erörterung im „Deut- schen Ärzteblatt — Ärztliche Mittei- lungen" haben seitdem ungezählte Kollegen teilgenommen, „die guten Willens sind, und denen die Zukunft ihres Berufes am Herzen liegt".

Haedenkamps Schlußformulierun- gen im ersten Nachkriegsheft mögen heute pathetisch erscheinen, pro- phetisch waren sie allemal:

„Nur aktive Mitarbeit und die Bereitschaft zur Übernahme eigener Verantwortung schützen vor negati- ver Kritik und fruchtloser Opposi- tion. Nur in der Vereinigung der Kräfte aller liegt die Möglichkeit zur Überwindung der Nöte der Gegen- wart. Der Arzt muß wie unser ganzes Volk den harten Weg durch die Nie- derungen gehen, in die wir durch ei- gene Schuld gestoßen sind. Der Auf- stieg ist uns nicht verwehrt, aber er kostet Einsicht und Arbeit, vor allem

— Arbeit an uns selbst."

I Der harte Weg durch die Niederungen

Dt. Ärztebl. 86, Heft 18, 4. Mai 1989 (31) A-1283

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