Kritik der Gefäßchirurgen
Es werden zu viele Beine amputiert
ine große Anzahl von Beinamputationen wäre vermeidbar, wenn die Patienten rechtzeitig an ei- nen gefäßchirurgischen Spezialisten überwiesen würden. Dies war Kritikpunkt bei der 13. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie (DGG) in Heidelberg. Prof. Hans Schweiger (Neustadt/Saale) faßte das Problem in Zahlen: „Nach realistischer Schätzung sind in Deutschland in den letzten fünf Jahren zirka 50 000 Beine unnötig amputiert worden.“ Laut Schweiger besteht zur Zeit bei etwa 80 000 Patienten eine kritische Extremitätenischämie. 25 000 Beinamputationen werden in Deutschland je Jahr vorgenommen. Dies sind, so Schweiger, 10 000 Extremitäten zuviel. Besonders Diabe- tiker zählen zu der Hochrisikogruppe für eine drohende Amputation. Ihr Risiko ist um den Faktor 15 erhöht.
uch die Weltgesundheitsorganisation vertritt die Ansicht, daß die Beinamputationsfrequenz bei Diabetikern um mehr als die Hälfte gesenkt wer- den könnte. 1990 haben sich die europäischen Gesund- heitsminister in der San-Vincente-Deklaration dieser Auffassung angeschlossen. Diabetiker-Selbsthilfegrup- pen warnen ihre Mitglieder davor, in eine Beinamputati- on einzuwilligen, bevor nicht die Notwendigkeit dieser Maßnahme durch einen Gefäßspezialisten überprüft worden sei. Diese Möglichkeit werde viel zuwenig ge- nutzt. Als Ursachen hierfür sieht die DGG den Mangel an gefäßchirurgischen Spezialisten und die – auch unter Ärzten – verbreitete Unkenntnis über die Möglichkeiten einer gefäßchirurgischen Intervention. Nicht zuletzt wer- de „aus Gründen der Marktabschottung“ so lange wie möglich versucht, Patienten mit einer Extremitätenisch- ämie konservativ zu behandeln, formulierte Schweiger.
ur Wiederherstellung der Durchblutung kommen interventionelle und operative Methoden in Be- tracht. So können kurzstreckige Gefäßverschlüs- se durch Aufdehnung mittels Ballonkatheter oder durch Atherektomiekatheter beseitigt werden. Längerstreckige Stenosen werden durch Bypässe umgangen. Die Laser- technik hat man nach Aussage der Experten wegen ungünstiger Ergebnisse inzwischen wieder verlassen.
Prof. Jens Allenberg (Heidelberg) beklagte einen ekla- tanten Mangel an gefäßchirurgischen Behandlungs- und Forschungszentren in Deutschland. Der Gefäßspezialist werde zumeist erst am Ende einer langen Behandlungs- strecke in das Therapiekonzept einbezogen. Der Angio- loge müsse jedoch frühzeitig an den therapeutischen Ent- scheidungen beteiligt werden. Voraussetzung hierfür sei, daß an den Schwerpunktkrankenhäusern der Regelver- sorgung flächendeckend qualifizierte Personalstellen ein- gerichtet werden. Ingeborg Bördlein A-2288
S P E K T R U M AKUT
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(4) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 37, 12. September 1997