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Archiv "Rna-Interferenz: Wie man Gene „stumm“schaltet" (13.10.2006)

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A2682 Deutsches ÄrzteblattJg. 103Heft 4113. Oktober 2006

M E D I Z I N R E P O R T

D

as Glück des Nobelpreises für Medizin hat in diesem Jahr die beiden amerikanischen Biologen Prof. Craig Mello von der Massachu- setts Medical School in Worcester (Massachusetts) und Prof. Andrew Fire von der School of Medicine der Stanford University (Kalifornien) getroffen. Sie haben entdeckt, dass doppelsträngige RNA-Moleküle die Aktivität von Genen spezifisch hem- men können und sich dieser Mecha- nismus gezielt zur Untersuchung von Genaktivitäten nutzen lässt. Sie ha- ben außerdem gefunden, dass diese Form des Stummschaltens von Ge- nen an das Funktionieren spezieller, für diesen Mechanismus erforderli- cher Gene geknüpft ist.

Fire und Mello waren vom Nobel- preis nach eigenen Worten über- rascht, weil ihre Entdeckung erst vor acht Jahren veröffentlicht worden ist (Nature 1998, 391: 806–10). Für In- sider aber kommt die Wahl nicht überraschend. Bereits im April haben die beiden Laureaten den internatio- nal renommierten Paul-Ehrlich-Lud- wig-Darmstaedter-Preis erhalten, ei-

ne Auszeichnung, die häufig schon dem Nobelpreis voranging. Der Vi- rologe Prof. Dr. med. Bernhard Fleckenstein (Universität Erlangen- Nürnberg) würdigte zu diesem An- lass die Arbeiten von Fire und Mello mit den Worten: „Die RNA-Interfe- renz ist eine vergleichsweise einfa- che und universelle Methode, um einzelne Gene abzuschalten, indem ihre Boten-RNA über einen komple- xen Mechanismus mithilfe von dop- pelsträngigen, kleinen RNA-Mo- lekülen gezielt abgebaut wird. Sie ist in den vergangenen Jahren zu ei- nem unverzichtbaren Werkzeug der Grundlagenforschung geworden und hat bereits jetzt einen unschätzbaren Beitrag zum Verständnis molekula- rer und medizinisch relevanter Zu- sammenhänge geleistet.“

Bis in die 1990er-Jahre wurden RNA-Moleküle in erster Linie als Befehlsempfänger betrachtet, die strikt die Anweisung der DNA befol- gen und nach deren Vorlage helfen, die genetische Information in den Bauplan der Eiweißmoleküle umzu- wandeln. Im Mittelpunkt des Interes-

ses stand die vergleichsweise lang- kettige Boten-RNA (m-RNA). Bei der genetischen Manipulation von Pflanzen in den 1990er-Jahren stellte sich jedoch heraus, dass RNA- Stückchen Gene für die Blütenfär- bung unterdrücken können. Erst Andrew Fire und Craig Mello beleg- ten 1998 in Versuchen mit dem Fa- denwurm Caenorhabditis elegans, dass die Injektion von Doppelstrang- RNA-Molekülen, die jeweils spezi- fisch für verschiedene Gene waren, die Funktion dieser Gene unter- drückte, und zwar deutlich wir- kungsvoller als genspezifische Ein- zelstrang-RNA.

Bei dieser Entdeckung hat das Glück etwas mitgeholfen. Denn Craig und Mello hatten ihr Experi- ment mit doppelsträngiger RNA nur zur Kontrolle für ihre Versuche mit Einzelstrang-RNA mitlaufen lassen.

Als sie aber die unerwarteten Effekte des Kontrollexperiments entdeckten, gingen sie ihnen systematisch auf den Grund – wie einst Alexander Fleming dem fehlenden Wachstum von Sta- phylokokken um den Pilz Penicilli- RNA-INTERFERENZ

Wie man Gene „stumm“schaltet

Zum Potenzial des molekularbiologischen Verfahrens, welches das Nobelkomitee in Stockholm im Bereich Medizin für preiswürdig erachtete

GRAFIK

Das Prinzip der RNA-Interferenz

Ein RNA-Doppelstrang wird durch Enzyme in kleinere Einheiten zerlegt.

Diese einzelnen Segmente werden dem Patienten zum Beispiel für eine Netzhautbehandlung injiziert.

In der Zelle lagern sich die RNA-Seg- mente an einen weiteren Enzymkom- plex an. Der Doppelstrang wird dabei geteilt, und die überschüssigen RNA- Basen werden abgeschnitten.

Enzymkomplex und RNA-Strang bilden ein Blockademolekül, das an die Boten-RNA (mRNA) andockt und diese deaktiviert. Krankhafte Entwicklungen können so gestoppt werden.

Quelle: Nature RNA-Doppelstrang

Enzym

einzelne Segmente

Enzymkomplex mit Einzelstrang Enzymkomplex

mRNA

mRNA blockiert

mRNA wird zerstört

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A2684 Deutsches ÄrzteblattJg. 103Heft 4113. Oktober 2006

M E D I Z I N R E P O R T

um herum, der sich auf einer verges- senen Petrischale angesiedelt hatte.

Doppelsträngige RNA unter- drückt die Genfunktion während oder nach der Transkription mithilfe einer komplizierten intrazellulären Maschinerie: Zunächst zerhäckselt ein Enzym namens Dicer größe- re RNA-Moleküle in kleine. An- schließend werden die kurzen Dop- pelstränge entwunden und lagern sich mit Proteinen zu einem RNA-in- duced silencing complex (RISC) zu- sammen. Dieser Komplex fängt Bo- ten-RNA mit passender Bausteinfol- ge und spaltet ihn. Auch künstlich in menschliche Zellen eingebrachte RNA-Moleküle können die Synthese bestimmter Proteine auf diese Weise spezifisch hemmen. „Hierin liegt das große Potenzial der RNA-Interferenz für die medizinische Anwendung“, sagt Fleckenstein.

Thomas Tuschl verhalf der Methode zum Durchbruch Aber in Säugetierzellen funktionierte die Methode zunächst nicht. Erst der deutsche Biochemiker Dr. Thomas Tuschl, damals am Max-Planck-In- stitut für Biophysikalische Chemie in Göttingen, heute am Howard-Hughes Medical Institute an der Rockefeller University in New York, fand den Zugang zu Säugerzellen und ebnete damit der Anwendung der Methode für Untersuchungen am Menschen den Weg: Er fand heraus, dass kürze- re RNA-Sequenzen als die bisher verwendeten notwendig waren, um Gene in Säugerzellen gezielt stillzu- legen; er nannte die 21 bis 22 Basen- paare langen Fragmente small inter- fering RNA oder siRNA (Nature 2001; 411: 494–98).

„Mit dieser Publikation war klar, dass die RNA-Interferenz als univer- selles Werkzeug zur funktionellen Genanalyse auch in Säugerzellen ge- nutzt werden kann“, sagt Prof. Mat- thias Eder von der Medizinischen Hochschule Hannover. Die Arbeits- gruppe um Eder und Prof. Michae- la Scherr erforscht, wie sich bei bestimmten Leukämieformen die Funktion des Fusions-Gens bcr-abl ausschalten lässt mit dem Ziel, neue therapeutische Zielstrukturen zu fin- den und Resistenzen gegen Medika- mente wie den Tyrosinkinase-Inhibi-

tor Imatinib zu überwinden. Weil Tuschl der Methode den Durchbruch für die Nutzung in der grundlagen- und anwendungsorientierten For- schung beim Menschen verschaffte, galt er ebenfalls als Kandidat für den Medizin-Nobelpreis.

„Nach der Verkündung der Preis- träger stand das Telefon in meinem Labor nicht mehr still“, sagte Tuschl dem DÄ. Aber er klingt versöhnlich:

„Ich habe mit meinen Arbeiten erst ein Jahr nach der wegweisenden Pu- blikation von Mello und Fire begon- nen, und zwar aufbauend auf deren Forschungsergebnisse. Die Entschei- dung des Nobelpreiskomitees ist nachvollziehbar.“ Vielleicht wird es in Stockholm nicht die letzte gewe- sen sein, die das Gebiet der RNA-In- terferenz würdigt.

Denn Tuschls Veröffentlichung in Nature 2001 hat einen regelrechten Forscher-Boom ausgelöst. „Der Vor- teil der Methode ist, dass man jetzt nicht mehr transgene Tiere oder Knock-out-Mäuse braucht, um die Bedeutung einer bestimmten Gen- funktion zu erforschen, sondern mit viel geringerem Aufwand in vivo un- tersuchen kann, was passiert, wenn die Expression eines bestimmten Gens auf wenige Prozent seines nor- malen Levels reduziert wird“, erläu- terte Tuschl. Diese vergleichsweise unaufwendige Technik habe auch Pharmafirmen motiviert, in diese Forschung zu investieren.

Die Antisense-Technik, die mit der RNA-Interferenz verwandt ist, aber darauf basiert, dass ein Stück einzelsträngiger Nukleinsäure ge- zielt an ein Stück Messenger-RNA bindet und damit die Proteinsynthese hemmt, hat es bereits in die klinische Anwendung geschafft. So ist 1998 in den USA und 1999 in Europa ein auf diesem Prinzip basierender Wirk- stoff (Fomivirsen) zur lokalen Thera- pie einer durch Zytomegalie-Viren verursachten Retinitis zugelassen, in Deutschland aber aus kommerziellen Gründen 2002 wieder vom Markt ge- nommen worden. Zahlreiche andere Arzneimittel auf Antisense-Basis sind in der klinischen Prüfung.

Medikamente, die auf RNA-In- terferenz beruhen, haben es bislang noch nicht bis zur Zulassung ge- schafft, sind aber in klinischer Prü-

fung, zum Beispiel für die Therapie der altersabhängigen Makula-Dege- neration. Bei der Jahrestagung der Oligonucleotide Therapeutics So- ciety in New York (19. bis 21. Okto- ber) werden Wissenschaftler die Da- ten klinischer Prüfungen vorstellen, darunter eine Phase-I-Studie zur Behandlung von Infektionen mit dem Respiratory-Syncytial-Virus (RSV).

Auch an siRNA-Medikamenten gegen HIV, Hepatitis C und Polio- myelitis wird geforscht. Tuschl sieht gute Chancen, dass sich einmal Stoffwechselerkrankungen wie Bei- spielsweise Hyperlipidämie auf der Basis von RNA-Interferenz werden behandeln lassen, wie er dem DÄ sagte. Dabei wird die Aktivität des Apolipoprotein-B-Gens durch Injek- tion chemisch stabilisierter siRNA herunterreguliert. Auch neue Strate- gien gegen Krebserkrankungen sol- len auf dem Prinzip der RNA-Inter- ferenz entwickelt werden. Die Nobel- preisträger selbst warnen vor über- höhten Erwartungen. „Trotz der in- tensiven medizinischen Forschung auf diesem Gebiet können wir heute nicht vorhersagen, ob sich jemals ei- ne Krankheit mit einer auf RNA-In- terferenz basierenden Methode wird heilen lassen“, sagte Fire.

EU fördert Konsortium

Denn noch ist unklar, wie die RNA- Moleküle an den Ort des Gesche- hens gebracht und vor dem Abbau bewahrt werden können. Auch habe sich herausgestellt, dass die Mo- leküle nicht immer so spezifisch wirkten wie erwartet und die Akti- vität anderer Gene hemmen sowie unspezifisch die Produktion von Interferon stimulieren könnten, sag- te Dr. Simone Heß vom Max- Planck-Institut für Infektionsbiolo- gie in Berlin. Heß ist Projektma- nagerin des RIGHT-Konsortiums (RNA Interference Technology as Human Therapeutic Tool), das – mit EU-Geldern gefördert – Forschungen zur klinischen Anwendbarkeit der RNA-Interferenz koordiniert. 22 In- stitute arbeiten bei RIGHT mit, dar- unter sechs deutsche. „Was die kli- nische Anwendbarkeit der Methode in Zukunft anbelangt“, sagte Heß,

„sind wir sehr optimistisch.“ n Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

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