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Archiv "Ungewollte Kinderlosigkeit: Adoption als Alternative" (16.03.2001)

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W

egen der ethisch und rechtlich kontroversen Diskussion um die genetische Präimplantati- onsdiagnostik (PID) generationsfähi- ger, aber mit genetischen Risiken bela- steter Paare sind die Alternativen – be- wusster Verzicht auf eigene Kinder oder Adoption fremder Kinder – fast aus dem ärztlichen Blickfeld geraten. Beide Al- ternativen werden – nach dem Vorwort zum Entwurf einer Richtlinie der Bun- desärztekammer zur PID – von Paaren mit hohen genetischen Risikofaktoren

„häufig nicht akzeptiert“ (1). Es ist zu fragen, ob Ärzte solche Optionen den betroffenen Paaren vorschlagen, seit ei- ne biotechnisch praktikable, in ihrer ethischen und gesellschaftlichen Trag- weite bisher aber nur unzureichend re- flektierte „Zeugung in vitro auf Pro- be“ in den reproduktionsmedizinischen Zentren methodisch verfügbar ist. Es ist den Gründen nachzugehen, die in den letzten Jahrzehnten zur Geringschät- zung der Adoption geführt haben.

Adoptionen von Waisenkindern auf- grund von Kriegsfolgen waren in Deutschland nach 1945 ein verbreitetes Motiv, das sich kurzfristig in den 70er- Jahren auf Waisenkinder aus außereu- ropäischen Katastrophengebieten aus- dehnte, seither aber abgenommen hat.

Obwohl 1976 ein grundlegend novellier- tes Adoptions- und Adoptionsvermitt- lungsrecht in der Bundesrepublik einge- führt wurde (§§ 1741 – 1772 BGB) (2), sind die jährlichen Zahlen an Adoptio- nen rückläufig; 1998 haben sie einen neuen Tiefstand erreicht: 7 119 intra- und extrafamiliäre Adoptionen. Dieser Rückstand geht besonders zulasten von Fremdadoptionen (45 Prozent) gegen- über den relativ gleich gebliebenen Fa- milienadoptionen (Kindesannahme von Stiefvater, -mutter oder Verwandten).

Seit einigen Jahren steigt die Quote der

Adoptionen von Kindern aus dem Aus- land: 1998 lag sie bei 26,5 Prozent (abso- lut: 1 889 Kinder).

Adoptionswillige Paare stehen vor der Schwierigkeit, dass zurzeit auf 14 Paare im Durchschnitt lediglich ein ge- sundes Adoptivkind kommt. Behinder- te Neugeborene sind im Inland nur sel- ten zu vermitteln. Die Möglichkeit, Kinder aus dem Ausland zu adoptieren, kann den Mangel nicht ausgleichen, da die administrativen Hürden hoch sind und nicht selten hohe Kosten anfallen.

Beides könnte verringert werden, wenn Deutschland die bereits in 36 Staaten geltende Haager Adoptionskonvention (3) von 1993 – im November 1997 un- terzeichnet – ratifiziert.

Haager Adoptionskonvention muss ratifiziert werden

Der Staat hat das Recht und die Pflicht, die Freigabe von Kindern zur Adop- tion an Vorschriften zu binden, um Missbrauch zu verhindern (4). Die leib- lichen Eltern und die Adoptivfamilie müssen strenge Voraussetzungen erfül- len, bevor das eigentliche Verfahren in der Zuständigkeit des Vormundschafts- gerichts beginnt (5). Das Wohl des Kin- des ist Leitgedanke jeder Adoptions- vermittlung.

Von reproduktionsmedizinisch täti- gen Ärzten, aber auch von Allgemein- und Sozialmedizinern muss erwartet werden, dass sie Rat suchende Paare mit Kinderwunsch sachgemäß beraten können (6). Hierbei ist es in den letzten Jahrzehnten zu Informationsdefiziten und Versäumnissen gekommen (7).

Die Bereitschaft zur Adoptionsfrei- gabe eines Kindes durch die leibliche Mutter/Eltern hat aus folgenden Grün- den abgenommen:

❃ Die hohe Zahl von Abtreibungen und die Abtreibungsbereitschaft in der Gesellschaft;

❃ das Unverständnis der Gesell- schaft für Kindesfreigabe zur Adoption („warum erst austragen und dann doch abgeben“);

❃ die zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz des Status allein erziehen- der Mütter oder Väter.

Bis in die 70er-Jahre trugen die trau- matischen Erfahrungen der Nachkriegs- gesellschaft dazu bei, dass sich Frauen in Schwangerschaftskonflikten leichter für das Leben des Kindes und gegen eine Abtreibung entschieden. Die sich als Notgemeinschaft bewährende Familie ließ ungewollt Schwangere nur aus- nahmsweise im Stich und gewährleistete über Familienpflege oder Verwandten- adoption die Integration des Kindes und der Mutter. Abtreibung galt fast generell noch als verwerflich, Adoption als ge- sellschaftlich tragfähige Konsenslösung.

Es gab – und gibt auch derzeit – Einrich- tungen, die Schwangeren eine diskrete Geburt mit Unterbringung des Kindes in einem Heim bis zur Familienpflege oder Fremdadoption ermöglichen.

Bis in die 80er-Jahre war bei der an- drologischen Beratung von therapie- resistent infertilen Männern, nach gynäkologischer Abklärung möglicher Ursachen bei der Partnerin, die Adopti- on ein anerkannter Weg, um den Kin- derwunsch zu erfüllen (6). Mit Ein- führung der In-vitro-Fertilisation (IVF) der Eizelle – seit den 90er-Jahren auch durch intrazytoplasmatische Spermi- uminjektion (ICSI) – ist das Interesse an Adoptionen bei den Reproduktionsme- dizinern erheblich zurückgegangen. ✁ T H E M E N D E R Z E I T

A

A674 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 11½½16. März 2001

Ungewollte Kinderlosigkeit

Adoption als Alternative

Die soziale Elternschaft wird nur noch selten in Betracht gezogen.

Es werden die Gründe erörtert und geprüft, wie die Bereitschaft zur Adoption und zur Freigabe gefördert werden kann.

1emeritiert, vormals Dermatologische Universitäts-Klinik Erlangen-Nürnberg

2Institut für Rechtsgeschichte, Westfälische Wilhelms- Universität Münster

Otto P. Hornstein

1

Heinz Holzhauer

2

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Im Vergleich zur medikamentösen, statistisch relativ erfolgsarmen, Be- handlung der polyätiologischen Oligo- Astheno-Teratozoospermie (OAT-Syn- drom) ermöglicht die IVF einen direk- ten instrumentellen Zugang zum Be- fruchtungsvorgang; sie wird seither vielfach zur therapeutischen Standard- methode erhoben. Beim Therapeuten besteht häufig die Gefahr des „blinden Flecks“ für mehrdimensionale, beson- ders sozio-psychogene Probleme des sterilen Paares. Für den technisch ver- sierten Reproduktionsmediziner endet der selbst gesetzte therapeutische Auf- trag mit der versuchten Erzeugung ei- nes Embryos mit anschließendem uteri- nen Transfer, gefolgt von pränataler Diagnostik. Im Bereitwilligkeitskon- flikt mit dem eigenen Kompetenz- verzicht liegt das größte emotionale Hemmnis bei hoch spezialisierten Ärz- ten, Adoptionen in ihr thera-

peutisches Kalkül zu ziehen.

In der Gesellschaft beste- hen gegen Adoptionen Vor- urteile. Besonders auf dem Land kann eine Kindesadop- tion immer noch als „Blama- ge“ für den Mann angesehen werden. Nicht selten wird – zu Unrecht – die Unter- schiebung „minderwertiger“

Kleinkinder durch das Ju- gendamt befürchtet. Ist die- ser Argwohn auch auszuräu- men, so können doch die pe- niblen Einblicke der adopti- onsvermittelnden Fachper- sonen in die Verhältnisse des Paares als Ärgernis empfun- den werden. Daran scheitert

manches primäre Adoptionsbegehren – was für das Kind manchmal auch ein Glück sein kann.

Die neuerdings von den Adoptions- vermittlungsstellen zunehmend favori- sierte „offene“ Adoption stellt zwar zu- sätzliche Anforderungen an die Adop- tiveltern, wirkt sich aber auf das seeli- sche Wohl des Kindes und der leibli- chen Mutter meist günstig aus. Da das Recht auf Kenntnis der biologischen Abstammung vom Bundesverfassungs- gericht mit Grundrechtqualität ausge- stattet ist (Urteil vom 31. Januar 1989) (8), entfällt bei „offenen“ Adoptionen die bei Inkognito-Adoptionen häufige

Unsicherheit über den Modus und Zeit- punkt der Kindesaufklärung über seine genetische Herkunft. Die künftigen Adoptiveltern lernen die Mutter ken- nen, diese kann die neuen Lebensbe- dingungen ihres Kindes erfahren und dadurch Trennungsschmerz leichter überwinden.

Die rechtliche Konsequenz, dass bei einer Adoption die Rückgabe ausge- schlossen ist, rechtfertigt es eo ipso, an die erzieherischen Fähigkeiten der künftigen Eltern strenge Maßstäbe zu legen. Bei genetisch fremden Kindern fehlt der sonst durch biologische Ver- wandtschaft gleichsam genuine Ab- stand als gegenseitiger Schutz vor dys- sozialen, zum Beispiel inzestuösen Be- ziehungen. Es gibt jedoch keine sozial- statistischen Hinweise, dass die Rate se- xuellen Missbrauchs von Adoptivkin- dern erhöht ist.

Ärzte, die zur Adoption raten, soll- ten klare Vorstellungen über die fami- liären Bedingungen und soziale Belast- barkeit haben. Nachdrücklich warnt der Bundesverband der Pflege- und Adoptiveltern vor falschen Intentionen (9). Mitleid ist ein gefährliches Motiv für eine tragfähige Adoption. Auch ist ein Adoptivkind kein präsumptives Ob- jekt zur Bewältigung ungelöster Part- nerschaftskonflikte.

Der Diskussionsentwurf zur PID- Richtlinie der Bundesärztekammer for- dert, dass sich „die Beratung auf Auf- klärung durch den Humangenetiker und den Gynäkologen . . . auf mögliche

Alternativen erstrecken muss, wie zum Beispiel Adoption oder Verzicht auf ei- gene Kinder“ (1). Viel spricht dafür, die Hausärzte in die primäre Entschei- dungs- und Konsiliarebene einzubezie- hen. Sie kennen die individuelle und fa- miliäre Biografie ihrer Patienten.

Zweifellos erfordert das staatliche Adoptionswesen noch Verbesserungen, um größere Wirksamkeit zu entfalten (10, 11). Unabdingbar – in Befolgung der im Urteil des Bundesverfassungsge- richts vom 28. Mai 1993 geforderten Schutzpflicht des Staates für das Leben der Ungeborenen – sind nachhaltige so- zialpolitische Maßnahmen zur Verrin- gerung der hohen Abtreibungsquoten und zur Förderung der individuellen Bereitschaft zur postpartalen Abgabe.

Es gibt Stiftungen, die ideelle und fi- nanzielle Hilfe für Schwangere in sozial begründeten Konfliktfällen anbieten, zur Austragung des Kindes motivieren und auch dessen Nachsorge unterstützen wol- len. Sie verdienen wirksame gesellschaftliche und staatli- che (zum Beispiel auch steu- erliche) Förderung.

Künftig ist die gesetzlich verpflichtende Einbeziehung des Erzeugers, möglichst auch naher Verwandter, des Unge- borenen in die Schwanger- schaftskonfliktberatung er- forderlich, um der werden- den Mutter günstige Per- spektiven für das Leben ihres Kindes zu öffnen. Die Bun- desregierung wird in Hin- blick auf aktuell notwendi- ge Verbesserungen des zwi- schenstaatlichen Adoptionswesens auf- gefordert, die schon in 27 Staaten (zum Beispiel in Frankreich, Spanien und den skandinavischen Staaten) ratifizier- te Haager Konvention ebenfalls zu be- stätigen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2001; 98: A 674–676 [Heft 11]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

PPrrooff.. DDrr.. mmeedd.. OOttttoo PP.. HHoorrnnsstteeiinn Danziger Straße 5

91080 Uttenreuth T H E M E N D E R Z E I T

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A676 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 11½½16. März 2001

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