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Von Dr. Ottfried Hennig MdB, Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen

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Darf Preußen wieder in die deutsche Geschichte zurückkehren?

UNABHÄNGIGE WOCHENZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND

Jahrgang 31 — Folge 1 E r s c h e i n t w ö c h e n t l i c h .

P o s t v e r t r i e b s s t ü c k . G e b ü h r b e z a h l t . 5. Januar 1980 Landsmannschaft O s t p r e u ß e n e.V.

P a r k a l l e e 84/86. 2000 H a m b u r g 13 C 5 5 2 4 C X

Das Jahr der Entscheidung

Von Dr. Ottfried Hennig MdB, Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen

und Liebe O s t p r e u ß e n !

1980 wird mit absoluter Sicherheit ein schick- salhaftes Jahr für die weitere Entwicklung unse- res Vaterlandes im allgemeinen und für die g r u n d s ä t z l i c h e n Anliegen der Landsmannschaft O s t p r e u ß e n im besonderen. Ich bitte Sie daher sehr herzlich um Ihren v e r s t ä r k t e n Einsatz für unsere gemeinsame Sache. Es kann und m u ß uns gelingen, unsere Arbeit zu intensivieren ihren Wirkungsgrad zu steigern.

V o n besonderer Bedeutung für uns alle ist die Bundestagswahl am 5. Oktober. Aber bereits bei der n o r d r h e i n - w e s t f ä l i s c h e n Landtagswahl am 11. M a i fallt eine sehr wichtige Vorentscheidung.

Manche von Ihnen werden fragen: W a s haben diese W a h l e n mit den Belangen der parteipoli- tisdi u n a b h ä n g i g e n Landsmannschaft Ostpreu- ß e n zu tun? Ich will Ihnen diese Frage beant- worten; aber gestatten Sie mir eine Vorbemer- kung:

Ich bin keineswegs froh d a r ü b e r , d a ß mit mir nun ein weiterer Bundestagsabgeordneter der Union die F ü h r u n g einer Landsmannschaft ü b e r - nommen hat. Im Gegenteil: Schon vor meiner Wahl zum Sprecher habe ich vor der O s t p r e u ß i - schen Landesvertretung mein Bedauern ü b e r diese Tatsache g e ä u ß e r t . Es ist mir ernst damit.

Es w ä r e ein für die politische Entwicklunq un- seres Landes besseres Zeichen, wenn sich auch einmal ein SPD-Abgeordneter bereitfinden w ü r - de, eine solche Funktion zu ü b e r n e h m e n .

Die Schuld daran, d a ß das nicht so ist, lieqt aber nicht bei den Landsmannschaften, sondern ganz eindeutig bei der SPD. Sie hat sich von patriotischen Positionen wegentwickelt.

— W e n n W e h n e r im Bundestag das für uns grundlegende Urteil des Bundesverfassungs- gerichts von 1973 als „Senf" und „ G e s c h w ä t z "

bezeichnet, wie das in der letzten deutsch- landpolitischen Debatte geschah,

— wenn der SPD-Bundesvorstand in seinem Leitantrag zur A u ß e n - und Deutschlandpolitik für den Berliner Bundesparteitag eine recht- liche Gleichstellung der O d e r - N e i ß e - L i n i e und der Zonengrenze mit allen anderen Gren- zen in Europa vornimmt,

— wenn der SPD-Vorsitzende W i l l y Brandt Be- richte der amerikanischen Gesandtschaft in Stockholm aus dem Jahre 1944 nicht demen- tieren kann, er habe als erster in einem Memorandum vorgeschlagen, Polen nach dem Krieg mit einem f e i l O s t p r e u ß e n s e i n s c h l i e ß - lich K ö n i g s b e r g abzufinden und die B e v ö l k e - rung in den betroffenen Gebieten komplett

„ a u s z u t a u s c h e n " ,

dann sagt das doch alles ü b e r die Haltunq die- ser Partei. Nein, mit dieser SPD ist eine solche Politik, wie wir sie als Landsmannschaft für rich- tig halten, nicht mehr zu machen. Noch einmal:

Ich bedauere diese Entwicklung, aber sie beruht leider auf harten Tatsachen.

W e n n diese Tendenz noch weitere vier oder acht Jahre für die Politik der Bundesregierung bestimmend bleibt, fürchte ich,

— d a ß dann diese Koalition die v ö l k e r r e c h t l i c h e Anerkennung der „DDR" vornehmen wird,

— d a ß dann die deutsch-polnischen Schulbuch- richtlinien ihre Teilwahrheiten weiter in den Hirnen unserer Kinder festschreiben werden,

— d a ß dann die kirchenrechtliche Festschreibunq der deutschen Teilung durch den Vatikan nicht mehr zu verhindern ist, . . .

— d a ß dann das ganze Deutschland wirklich zu einem „ j u r i s t i s c h e n Sdiattenreich" geworden ist, als das es Horst Ehmke, der f r ü h e r e Bun- desjustizminister und jetzige Stellvertreter Herbert Wehners, im Bundestag bezeichnet hat. Es liegt nicht zuletzt an den Heimatver- triebenen,' eine solche Entwicklung zu ver- hindern. , .,_

1980 ist ein Jahr der Entscheidung auch f u i W sere in den deutschen Ostgebieten freiwillig o d * unfreiwillig verbliebenen Landsleute. Es m u ß un- ser vorrangiges Bestreben sein, für sie em M . n d e s t m a ß an Volksgruppenrechten durchzusetzen^

Erst wenn dies geschehen ist, wird es eine freie Entsdieidung für sie sein, ob sie in ihre: - u n serer — Heimat bleiben wollen oder nicht. Das g ü T a u c h Jür die Deutschen in Osteuropazum

ß e n als starke Lands Weise annehmen m u ß .

Und wenn sie zu uns ^ T ^ X ' i ü ^ sie ausreisen wollen, weil das ^ ^ * o t t f t « £ e nidit e r t r ä g l i c h ist, m ü s s e n wir dieses selbs tve s t ä n d l i c h e Menschenrecht a u * ^ Z u k « A « g nach dem Auslaufen unserer Zahlungen an Volksrepublik Polen, s.cherste lern Es woHen immer noch Hunderttausende diesen

aber ihnen notwendig erscheinenden W e g ,

Zu den Tugenden des p r e u ß i s c h e n Staates g e h ö r t e n Gewissens- und Glaubensfreiheit Eindrucksvolles Beispiel hierfür ist die Aufnahme der ihres Glaubens wegen verfolgten Hugenotten. Das G e m ä l d e von Hugo Vogel zeigt den Empfang der Abgesandten fran- z ö s i s c h e r Refugies durch den G r o ß e n K u r f ü r s t e n Foto Ullstein

den Verlust der bisherigen Heimat für sie be- deutet, gehen.

Und s c h l i e ß l i c h : W i r m ü s s e n ihnen, wenn sie dann hierher kommen, mindestens mit der glei- chen Welle der Hilfsbereitschaft, der qleichen menschlichen Zuwendung, der gleichen wohl- wollenden Aufmerksamkeit g e g e n ü b e r t r e t e n wie den F l ü c h t l i n g e n aus S ü d o s t a s i e n .

W i r m ü s s e n in diesem neuen Jahr, dem tünf- u n d d r e i ß i g s t e n seit unserer Vertreibung, unser Recht mit Z ä h n e n und Klauen, mit langem Atem verteidigen. Dabei haben wir V e r b ü n d e t e . W i r m ü s s e n uns ihrer b e w u ß t werden. W i r m ü s s e n das V e r h ä l t n i s zu ihnen pflegen und uns ver- s t ä r k t um sie k ü m m e r n .

Unsere n a t ü r l i c h s t e n , unsere wichtigsten und notwendigsten V e r b ü n d e t e n sind die, an die wir die Stafette eines Tages weitergeben m ü s s e n : unser eigener Nachwuchs, die Gemeinschaft Jun- ges O s t p r e u ß e n . Die Landsmannschaften sind zum Tode verurteilt, wenn es ihnen nicht gelingt, der an Zahl abnehmenden Erlebnisgeneration immer mehr neue Mitglieder und F u n k t i o n s t r ä - ger aus der j ü n g e r e n Generation an die Seite zu stellen. Die Forderung nach V e r j ü n g u n g ist daher weder eine Taktlosigkeit noch eine Undankbar- keit g e g e n ü b e r den Hunderttausenden ä l t e r e n Vertriebenen, sondern sie ist eine absolute Not-

wendigkeit, wenn unsere Arbeit langfristig ge- sichert sein soll. Es ist auch von g r o ß e r Bedeu- tung, d a ß Sie, und ich meine Sie, den Leser die- ses Beitrages, jetzt ganz p e r s ö n l i c h , 1980 min- destens einen, m ö g l i c h s t aber viel mehr Abonnenten des O s t p r e u ß e n b l a t t e s hinzugewin- nen, denn dies ist eine Basis unserer S t ä r k e .

V e r b ü n d e t e sind auch unsere S c h i c k s a l s g e f ä h r - ten, die u n t e r d r ü c k t e n V ö l k e r Osteuropas: die Polen, die baltischen V ö l k e r , die Ukrainer und die vielen anderen gegen ihren W i l l e n in den Staatsverband der Sowjetunion und ihrer Satel- liten gezwungenen V ö l k e r . Sie sind in ihrer gro- ß e n Mehrheit aus leidvoller Erfahrung gegen den Kommunismus, und das sind wir auch. Ungeach- tet der Grenzfrage eines wiedervereinigten Deutschlands gibt es gemeinsame Interessen, be- darf es s t ä r k e r e r und besserer Kontakte.

Unsere V e r b ü n d e t e n sind auch die Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich und England.

Sie bleiben v ö l k e r r e c h t l i c h bindend verpflichtet, mit uns zusammenzuwirken, um mit friedlichen Mitteln die Wiedervereinigung Deutschlands zu verwirklichen. Eine frei vereinbarte friedensver- tragliche Regelung für ganz Deutschland ist nach Artikel VII des Deutschlandsvertrages ein wesentliches Ziel gemeinsamer Politik, und die e n d g ü l t i g e Festlegung der Grenzen Deutschlands m u ß danach bis zum A b s c h l u ß eines Friedens-

vertrages aufgeschoben werden. Das alles ist gel- tendes V ö l k e r r e c h t . Beklagenswert ist, d a ß un- sere westlichen V e r b ü n d e t e n von der amtieren- den Bundesregierung an dieses gegebene Wort schon seit vielen Jahren nicht mehr erinnert wor- den sind.

Unser V e r b ü n d e t e r bleibt auch die Bayerische Staatsregierung. Der M i n i s t e r p r ä s i d e n t unseres Patenlandes, Franz-Josef S t r a u ß , hat dies in einer bemerkenswerten Rede vor der O s t p r e u ß i s c h e n Landesvertretung am 17. November 1979, die das O s t p r e u ß e n b l a t t bereits v e r ö f f e n t l i c h t hat, im einzelnen a u s g e f ü h r t . Staatsminister Dr. Pirkl, der für diese Patenschaft in besonderer Weise zu- s t ä n d i g ist, hat dies in seinem G l ü c k w u n s c h - schreiben zu meiner Wahl als Sprecher bekräf- tigt.

W i r sind also nicht allein. W i r haben V e r b ü n - dete auf unserem langen Weg. Also brauchen wir keine Furcht zu haben, wenn wir in dieses neue Jahr hineingehen, sondern wir k ö n n e n es als die q r o ß e Chance zu friedlicher V e r ä n d e r u n g begrei- fen. Es steht viel auf dem Spiel, auch und be- sonders für uns Heimatvertriebene.

1980 ist auch auf dem Felde der Medienpolitik ein Jahr der Entscheidung. Gerade wir Vertrie- benen sind Hauptleidtragende der Blindheit und Einseitigkeit vieler Zeitungen und h a u p t s ä c h l i c h des H ö r f u n k s und des Fernsehens. Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als h ä t t e n sich nahezu alle verschworen, die berech- tigten Anliegen der Landsmannschaften totzu- schweigen oder — wenn ü b e r h a u p t — höchst ein- seitiq zu kommentieren. W i r haben es ja im ver- gangenen Jahr selbst erlebt: Mehr als 100 000 O s t p r e u ß e n hatten sich zum g r o ß e n Bundestref- fen in K ö l n versammelt, aber haben Sie in der

„ T a q e s s c h a u " oder in „ heu te ", in q r o ß e n und kleinen Zeitungen ein angemessenes Echo ge- sehen? Ich nicht. Und auch unsere O s t p r e u ß i s c h e Landesvertretung gab es — trotz einer wichtigen Rede von Franz-Josef S t r a u ß und der Neuwahl des Sprechers — im Fernsehen nicht und in den Zeitungen bestenfalls mit einer Drei-Zeilen- Meldung.

Ich meine deshalb, d a ß ich als Sprecher der Landsmannschaft O s t p r e u ß e n berechtigt bin, den M i n i s t e r p r ä s i d e n t e n Albrecht und Stoltenberg D u r c h s t e h v e r m ö g e n und Erfolg auf ihrem Weg zu einer Reform des einseitigsten Senders, des NDR, zu w ü n s c h e n . So viel Sendezeit, wie sie Fernsehen und H ö r f u n k in diesen Wochen plötz- lich in eigener Sache zur V e r f ü g u n g stellen, ha- ben die 1,5 Millionen O s t p r e u ß e n in den ver- gangenen 30 Jahren nicht bekommen. Da m u ß jetzt Remedur geschaffen werden, und auch dar- über fällt 1980 die Entscheidung.

ü b r i g e n s : Gerade wenn wir so oft vergeblich gegen diese Mauer des Schweigens anrennen, muß man eine Ausnahme dankend anerkennen.

Die „ W e l t am Sonntag" berichtet derzeit in einer q r o ß e n Serie objektiv und umfassend ü b e r die Vertreibung. Ich hoffe, Sie alle verfolgen dieses Vorhaben aufmerksam und tragen zur Verbrei- tung dieser wichtigen Fakten bei.

Es wird viel Arbeit geben im neuen Jahr. Der Bundesvorstand wird sich bald in einer Klausur- tagung mit den P r i o r i t ä t e n und den Details be- s c h ä f t i g e n . Das „ W i e " unserer gemeinsamen Arbeit wird dann auch an dieser Stelle zur Dis- kussion gestellt werden und hoffentlich Ihr In- teresse finden. Erfolg haben werden wir nur, wenn Sie mithelfen und sich auch 1980 k ä m p f e - risch engagieren. Darum geht es jetzt in beson- derer Weise.

A m 11. Juli 1980 wird es genau 60 Jahre her sein, d a ß sich bei der g r o ß e n Volksabstimmung, die nach dem Ersten Weltkrieg in Teilen Ost- und W e s t p r e u ß e n s d u r c h g e f ü h r t wurde, 96,66 Prozent der betroffenen B e v ö l k e r u n g zu ihrem Vaterland bekannten. 460 054 stimmten für Deutschland und nur 15 871 für Polen. Diese ge- schichtliche Wahrheit wieder bekannt zu machen, wird eine unserer g r o ß e n Aufgaben sein. Diese 96,66 Prozent des Jahres 1920 nehmen uns in diesem Jahr der Entscheidung 1980 in die Pflicht.

Sie nehmen uns beim Wort, wie wir es heute mit unserer Heimat halten, ob wir in unserer Treue zur Heimat hinter ihnen z u r ü c k b l e i b e n . W i r soll- ten es nicht tun. Darum bitte ich Sie.

In diesem Sinne grüßt Sie herzlich und mit den besten W ü n s c h e n für das neue Jahr in heimat- licher Verbundenheit

Ihr

0fl

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Ö a s a i u r a i r i m M o t f 5. J a n u a r 1980 — F o l g e 1 — Seite 2

In Kürze: Kontakte:

Polnische K r i t i k e r

In W a r s c h a u und mehreren anderen pol- nischen S t ä d t e n läuft zur Zeit eine P o l i z e i - a k t i o n gegen R e g i m e k r i t i k e r . Sie h ä n g t ver- mutlich mit geplanten Trauerkundgebungen für die Opfer der Demonstrationen v o n Dan- z i g i m Dezember 1970 zusammen. W i e W a r - schauer Dissidentenkreise mitteilten, hat die Staatsanwaltschaft gegen mindestens zehn v o n rund 100 festgenommenen R e g i m e k r i t i - k e r n ein- bis dreimonatige Untersuchungs- haft v e r h ä n g t .

A u s s i e d l e r

4473 A u s s i e d l e r aus den kommunistischen Staaten Europas trafen i m N o v e m b e r In der Bundesrepublik Deutschland e i n . D a v o n k a m e n 2891 aus P o l e n , 954 aus R u m ä n i e n , 392 aus der U d S S R , 71 aus der C S S R , 26 aus U n g a r n und 21 aus J u g o s l a w i e n . Das w a r e n r u n d 13 Prozent w e n i g e r als i m O k t o b e r und die bisher niedrigste M o n a t s z a h l 1979 v o n A u s s i e d l e r n aus der U d S S R .

M e h r für V e r t e i d i g u n g

Z u m erstenmal seit zehn J a h r e n hat sich eine M e h r h e i t der U S - B ü r g e r für h ö h e r e V e r t e i d i g u n g s a u s g a b e n ausgesprochen: 51 Prozent w ü n s c h e n nach einer N B C - U m f r a g e ein g r ö ß e r e s M i l i t ä r b u d g e t , 31 Prozent h a l - ten das derzeitige für ausreichend, n e u n P r o - zent s i n d für eine R e d u z i e r u n g der Rü- stungsausgaben und neun Prozent sind un- entschieden.

Erneute Berufung

Der stellv. Sprecher der Landsmannschaft O s t p r e u ß e n , G e r h a r d Prengel, Richter am Oberlandesgericht Bremen, wurde v o n der Bremischen B ü r g e r s c h a f t für eine weitere Legislaturperiode zum Richter am Staats- gerichtshof Bremen g e w ä h l t .

D K P w i l l i n Bundestag

Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) w i l l sich an den Bundestagswahlen 1980 beteiligen und in allen B u n d e s l ä n d e r n Landeslisten und in den W a h l k r e i s e n D i - rektkandidaten aufstellen.

Verhaltensklausel als Fallgrube

Zur Aufkündigung der Partnerschaft Nürnberg/Krakau - Von Dr. Herbert Hupka MdB

G e g e n die Stimmen der C S U w a r die S t ä d t e p a r t n e r s c h a f t zwischen N ü r n b e r g und K r a k a u v o m N ü r n b e r g e r Stadtrat g e b i l l i g t und am 2. O k t o b e r 1979 i n K r a k a u feierlich in Kraft gesetzt w o r d e n . Z w e i M o n a t e da- nach hat die Stadt K r a k a u diese Partner- schaft g e k ü n d i g t .

Die W o h l v e r h a l t e n s k l a u s e l , w i e sie auch in den beiden anderen Partnerschaftsver- t r ä g e n zwischen G ö t t i n g e n und T h o r n , z w i - schen H a n n o v e r und Posen Inhalt der Rah- menvereinbarung geworden ist, w u r d e jetzt zur F a l l g r u b e . D i e W o h l v e r h a l t e n s k l a u s e l besagt, „ d a ß die Gestaltung v o n V e r - trauensbeziehungen zwischen der V o l k s - republik P o l e n und der B u n d e s r e p u b l i k Deutschland eine politische E i n s t e l l u n g er- fordert, die dem Geist und dem Buchstaben des V e r t r a g e s v o n 1970 nicht z u w i d e r l ä u f t " . A u ß e r dem W a r s c h a u e r V e r t r a g w i r d w e i -

terhin das j e w e i l i g e K o m m u n i g u e nach dem Besuch v o n G i e r e k i n B o n n und des Bundes- kanzlers i n W a r s c h a u als m a ß g e b l i c h mit- einbezogen und versichert, d a ß beide S t ä d t e

„die rechtlichen und politischen F o l g e n des V e r t r a g s v o m 7. Dezember 1970 anerkennen und z u diesem Zweck entsprechende Schritte unternehmen, damit diese v o n den i h n e n unterstehenden s t ä d t i s c h e n Institutionen v o l l a u f beachtet und eingehalten w e r d e n " .

In der A u s e i n a n d e r s e t z u n g um die deutsdi-polnischen P a r t n e r s c h a f t s v e r t r ä g e i n der v o r l i e g e n d e n F o r m w a r w i e d e r h o l t s o w o h l auf diese W o h l v e r h a l t e n s k l a u s e l als auch auf die F o r d e r u n g nach E i n f ü h r u n g der deutsch-polnischen Schulbuchempfehlun- gen u n d die dekretierte U b e r o r d n u n g des Vertragsrecht ü b e r das Verfassungsrecht als unzumutbare A u f l a g e n und M i t t e l der Erpressung h i n g e w i e s e n w o r d e n . D i e deut-

Zum 6. Januar: Die H e i l i g e n D r e i K ö n i g e 1980 Zeichnung aus „Die Welt"

BdV:

Politik für ganz Deutschland

Das Motto für den „Tag der Heimat" 1980

Bonn — Das P r ä s i d i u m des Bundes der V e r t r i e b e n e n , das M i t t e Dezember z u seiner letzten Sitzung i m alten J a h r zusammenge- treten war, b e f a ß t e sich, nachdem P r ä s i d e n t Dr. Herbert C z a j a einen Ü b e r b l i c k ü b e r die aktuelle politische Lage gegeben hatte, mit der T e r m i n p l a n u n g für das J a h r 1980.

V e r b i n d l i c h w u r d e n festgelegt: D i e Bundes- v e r s a m m l u n g am 22. J u n i 1980 i n B o n n ; der

„ T a g der H e i m a t " am 14. September 1980.

Eine detaillierte T e r m i n ü b e r s i c h t ü b e r die B d V - B u n d e s v e r a n s t a l t u n g e n 1980 erfolgt zu B e g i n n n ä c h s t e n Jahres i m Deutschen Ost- dienst. A l s L e i t w o r t für den T a g der H e i m a t wurde a u s g e w ä h l t : P o l i t i k für ganz Deutsch- land!

Folgende Schwerpunktthemen sollen 1980 in allen Ebenen des V e r b a n d e s behandelt w e r d e n :

— D i e A u s s a g e der C h a r t a der deutschen H e i m a t v e r t r i e b e n e n und ihre heutige Bedeutung;

— der A u f t r a g des Grundgesetzes, die E i n - heit Deutschlands i n Freiheit z u v o l l - enden;

— die V e r m i t t l u n g eines richtigen Deutsch- landbildes an die J u g e n d durch die Schu- len (Lehrbücher, Landkarten).

H i e r z u w e r d e n den G l i e d e r u n g e n bis zur Kreisverbandsebene i m Februar 1980 A n - leitungsunterlagen ü b e r s a n d t werden.

W e i t e r h i n b e f a ß t e sich das P r ä s i d i u m mit der Lage der Deutschen i n R u m ä n i e n . A l s G r u n d l a g e dazu diente e i n Referat v o n M i n i s t e r i a l r a t a. D. D r . Schebesch ü b e r „Die Hauptforderungen der Landsmannschaft der S i e b e n b ü r g e r Sachsen".

N a m e n s des P r ä s i d i u m s und i m eigenen N a m e n ü b e r m i t t e l t e D r . C z a j a an Bundes- p r ä s i d e n t Professor K a r l Carstens anläßlich dessen 65. Geburtstages die herzlichsten Glück- und S e g e n s w ü n s c h e . In dem Tele- gramm h e i ß t es: „ M ö g e Ihre hervorragende Integrationskraft und Ihre S t ä r k e , Ihre mit so g r o ß e r V e r a n t w o r t u n g i m h ö c h s t e n Staatsamt erwiesene Pflichterfüllung das W o h l unseres ganzen V o l k e s und Deutsch- lands mehren." i

sehen B e f ü r w o r t e r der plötzlich zur p o l i t i - schen M o d e gewordenen deutsch-polnischen P a r t n e r s c h a f t s v e r t r ä g e schlugen a l l diese E i n w ä n d e in den W i n d .

N ü r n b e r g s O b e r b ü r g e r m e i s t e r A n d r e a s Urschlechter (SPD) w u r d e jetzt das erste Opfer der W o h l v e r h a l t e n s k l a u s e l . E r tat nicht das, was er nach kommunistischer und polnischer Auffassung h ä t t e tun sollen, er unterschied zwischen der Partnerschaft mit einer Stadt in Polen, w i e dies nun einmal K r a k a u sei, und mit einer Stadt innerhalb der G r e n z e n des Deutschen Reiches v o n 1937. E i n F a k t u m , das jedermann h i e r z u - lande v e r s t ä n d l i c h ist, und alles andere denn als ein V e r s t o ß gegen den „ G e i s t und Buch- staben des V e r t r a g e s v o n 1970" bezeichnet w e r d e n k a n n .

In K r a k a u (besser gesagt in Warschau)

Rundfunkstreit:

sah und sieht m a n es anders. D a nach polni- scher Lesart der W a r s c h a u e r V e r t r a g alles e n d g ü l t i g geregelt hat, gibt es n u r polnische S t ä d t e u n d k e i n e n w i e v o r s i c h t i g auch immer f o r m u l i e r t e n rechtlichen V o r b e h a l t , entsprechend den Entscheidungen des Bun- desverfassungsgerichts v o n 1973 und 1975.

O b e r b ü r g e r m e i s t e r Urschlechter hatte eben d e n F e h l e r begangen, als er die Besorgnisse der Sudetendeutschen, ob n u n e t w a e i n Su- detendeutscher T a g i n N ü r n b e r g nicht mehr m ö g l i c h s e i n d ü r f t e , z u zerstreuen versuchte, sich unsere Rechtsauffassung u n d damit auch Lesart des W a r s c h a u e r V e r t r a g s zu eigen z u machen.

Das w o l l t e n u n d w o l l e n die polnischen, sprich k o m m u n i s t i s c h e n Vertragspartner nicht zulassen. Sie h o n o r i e r e n n u r e i n V e r - halten w i e das des O b e r b ü r g e r m e i s t e r s v o n H a n n o v e r , H e r b e r t Schmalstieg (SPD), denn er hatte aus A n l a ß des Deutschlandtreffens der Schlesier i n H a n n o v e r diesen das G r u ß - w o r t v e r w e i g e r t .

Der W a r s c h a u e r K o r r e s p o n d e n t einer deutschen T a g e s z e i t u n g schrieb nach der in K r a k a u v o l l z o g e n e n U n t e r z e i c h n u n g des Partnerschaftsvertrags, d a ß derartige V e r - einbarungen „ d e r polnischen Seite eine H a n d h a b e geben, ihre V e r t r a g s i n t e r p r e t a - tion i n i m m e r g r ö ß e r e m A u s m a ß auf l o k a - ler Ebene anmahnen z u k ö n n e n " . D i e A n - mahnung w u r d e jetzt z u m E k l a t !

W i r m ü s s e n aufpassen, d a ß b e i uns p o l - nische K o m m u n i s t e n nicht m i t r e g i e r e n , i n - dem sie auf dem U m w e g ü b e r die deutsch- polnischen Schulbuchempfehlungen u n d die W o h l v e r h a l t e n s k l a u s e l deutsch-polnischer S t ä d t e p a r t n e r s c h a f t e n bestimmen, w a s rich- tig und falsch z u sein hat, w i e w i r d e n W a r - schauer V e r t r a g auszulegen haben.

A u c h w e n n sich N ü r n b e r g s O b e r b ü r g e r - meister recht e i l f e r t i g dazu bereit gefunden hat, den W a r s c h a u e r V e r t r a g n u n doch so auszulegen, w i e er polnischerseits als end- g ü l t i g e r A n e r k e n n u n g s v e r t r a g der O d e r - N e i ß e - L i n i e als G r e n z e interpretiert w i r d , ä n d e r t das nichts an d e m Sachverhalt, d a ß für uns der F r i e d e n s v e r t r a g s v o r b e h a l t aus dem Deutschlandvertrag u n d der G e m e i n - samen E n t s c h l i e ß u n g des Deutschen Bundes- tages gilt, d a ß die Entscheidungen des B u n - desverfassungsgerichts v e r b i n d l i c h sind.

N u r dann haben P a r t n e r s c h a f t s v e r t r ä g e einen S i n n und tragen zur besseren Nachbar-

schaft zwischen Deutschen u n d P o l e n bei, w e n n k e i n e Seite der anderen Seite v o r - schreibt, w i e sie z u reden u n d z u h a n d e l n habe. D i e A u f k ü n d i g u n g des Partnerschafts- vertrages durch K r a k a u ist A u s d r u c k der kommunistischen A r r o g a n z u n d Intoleranz.

P a r t n e r s c h a f t s v e r t r ä g e m i t W o h l v e r h a l t e n s - k l a u s e l n k ö n n e n k e i n e n N u t z e n bringen, sondern nur Schaden stiften. D i e Lehre des v o r l i e g e n d e n F a l l e s (ganz z u schweigen v o n der Blamage!) sollte N e u g i e r i g e schrecken.

Macht des „mündigen Bürgers"

Guter Vorschlag: Geräte in den Ferienmonaten abmelden

V O N Dr. E R I C H M E N D E M d B

^Dasöftptfußmülaii

UNABHÄNGIGE WOCHENZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND Chefredakteur: Hugo Wellems

Verantwortlich für den redaktionellen Teil Kultur, Unterhaltung, Frauenseite:

Silke Steinberg Geschichte, Landeskunde,

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Paul Brock Bonner Büro:

Clemens J. Neumann Berliner Büro:

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Beim Verlag

V e r l a g : L a n d s m a n n s c h a f t O s t p r e u ß e n e. V., P a r k a l l e e 84/86, 2000 H a m b u r g 13. B u n d e s g e s c h a f t s f u h r e r F r i e d r i c h - K a r l Milthaler. D a s O s t p r e u ß e n b l a t t ist d a s O r g a n d e r L a n d s m a n n s c h a f t O s t p r e u ß e n u n d erscheint w ö c h e n t l i c h zur Information der M i t g l i e d e r d e s F ö r d e r k r e i s e s d e r L a n d s m a n n s c h a f t O s t p r e u ß e n . - B e z u g s p r e i s Inland 5,80 D M monatlich e i n s c h l i e ß l i c h 6,5 Prozent Mehrwertsteuer, A u s l a n d 7 , - D M m o n a t l i c h . - B a n k k o n t o L a n d e s b a n k H a m b u r g , B L Z 200 500 00, K o n t o Nr. 192 344. P o s t s c h e c k k o n t o f ü r d e n V e r t r i e b : P o s t s c h e c k a m i H a m b u r g 8 426-204, für A n z e i g e n : P o s t s c h e c k a m t H a m b u r g 907 00-207. V e r l a g , R e d a k t i o n , A n z e i g e n a b t e i l u n g : Postfnch 32 32 55, 2000 H a m b u r g 13. F ü r unverlangte E i n s e n d u n g e n wird nicht gehaftet. - R ü c k s e n d u n g nur

wenn P o r t o beiliegt. - D r u c k : G e r h a r d R a u t e n b e r q , 2950 L e e r (Ostfriesl). T e l e f o n (04 <»n 42 88

A

F ü r A n z e i g e n gilt P r e i s l i s t e Nr. 19

Telefon (0 40) 44 65 41 (mit Anrufbeantworter) und 44 65 42

Wenn es eines Beweises bedurft hätte, d a ß der bisherige Norddeutsche Rundfunk (NDR) in Hamburg einseitig organisiert ist und ebenso

einseitig informiert hat, so haben die Reaktio- nen in Hamburg auf die K ü n d i g u n g des Staats- vertrages und auf die Absichten einer Entflech- tung des NDR diesen Beweis für alle erkennbar gemacht.

Man erinnert sich an ä h n l i c h e Reaktionen in Hamburg, als es vor mehr als 20 Jahren um die Teilung des Nordwestdeutschen Rundfunks ging und das Land Nordrhein-Westfalen darauf be- stand, im Westdeutschen Rundfunk zu K ö l n eine eigene Sendeanstalt zu organisieren.

V o n Dr. Grimme, dem Generaldirektor, bis zum Schriftsteller A x e l Eggebrecht sorgten sich die Matadoren des kopflastigen sozialdemokra- tisch g e f ü h r t e n und besetzten Nordwestdeutschen Rundfunks um das Wohl und Wehe des Nord- westdeutschen Rundfunk- und Fernsehpublikums.

In Wirklichkeit ging es ihnen a u s s c h l i e ß l i c h — damals wie heute — um die Erhaltung ihrer parteipolitischen Machtpositionen und ihrer per- s ö n l i c h e n Gründe.

Wenn heute die „ m ü n d i g e n Bürger" in Schles- wig-Holstein und Niedersachsen die politische Bevormundung und die e l i t ä r e Arroganz der Hamburger Monopolanstalt NDR beenden wol- len, geht das gleiche Schauspiel ü b e r die rund- funkpolitische B ü h n e , dieses Mal dor gesamten Bundesrepublik Deutschland.

Nicht die Macher von gestern sollen die Sdiul- digen am Streit sein, sondern alle demokratisch

g e w ä h l t e n Staatsorgane Schleswig-Holsteins und Niedersachsens, die es morgen anders und bes- ser machen wollen, sind die b ö s e n Systemver- ä n d e r e r . Sogar ein bundesweiter Rundfunk- und Fernsehstreik wird vorbereitet.

Es ist h ö c h s t e Zeit, d a ß sich der „mündige Bürger" seiner demokratischen M ö g l i c h k e i t e n be- w u ß t wird. W i e w ä r e es, wenn alle, die sich nicht l ä n g e r bevormunden lassen wollen, in den Ferienmonaten Juli und August 1980 ihre Rund- funk- und Fernsehapparate abmelden und auf diese Weise die G e b ü h r e n zweier Monate ein- sparen? Eine Abmeldung bei der G e b ü h r e n - und Einzugszentrale in K ö l n g e n ü g t und damit ver- bunden eine Stornierung des Abbuchungsauftra- ges für die G E Z . Wenn nur jeder zehnte Teil- nehmer von dieser rundfunkpolitischen Mitbe- stimmung Gebrauch machen w ü r d e , w ä r e n 27 Millionen Mark im Juli und ebenso viele M i l - lionen im August 1980 weniger in den Kassen der Anstalten des ö f f e n t l i c h e n Rechts. Das w ä r e ein geeignetes Mittel, die Allgewaltigen der Me- dien und ihre Macht wieder in die Grenzen von A u g e n m a ß und staatspolitischer Verantwortung zurückzuführen.

Wie lange wollen wir Bürger uns im demo- kratischen und sozialen Rechtsstaat Bundesrepu- blik Deutschland eigentlich noch die einseitige

Informations- und Meinungspolitik unserer Me- dien als einer fast „ u n k o n t r o l l i e r t e n vierten Macht" im Staate unter dem Pseudonym von A n - stalten des ö f f e n t l i c h e n Rechts gefallen lassen?

(3)

5- JdllUdr 1980 — F o l g e 1 — S e i t e 3

£ n s a i p t n i f i r n b l i i i .

Zeitgeschichte

A

b 15. A u g u s t 1981 s o l l i m w i e d e r a u f g e - b a u t e n B e r l i n e r K u n s t g e w e r b e m u s e u m die seit l a n g e m i m G e s p r ä c h stehende P i e u ß e n - A u s s t e l l u n g stattfinden. D e r I m - p u l s d a z u k a m aus z w e i g r u n d v e r s c h i e d e n e n R i c h t u n g e n : Z u m e i n e n w a r es d e r für a l l e

— b e s o n d e r s a b e r f ü r d i e P o l i t i k e r — ü b e r - raschend g r o ß e P u b l i k u m s e r f o l g d e r Staufer- A u s s t e l l u n g i n S t u t t g a r t 1977 u n d das nicht w e n i g e r s t a r k e P u b l i k u m s i n t e r e s s e a n d e r N ü r n b e r g e r A u s s t e l l u n g ü b e r K a i s e r K a r l I V

1978. Z u m a n d e r e n s i n d es d i e g e q u ä l t e n V e r s u c h e d e r „ D D R " - F ü h r u n g , w e s e n t l i c h e T e i l e d e r G e s c h i c h t e P r e u ß e n s z u u s u r p i e - r e n u n d f ü r i h r e p o l i t i s c h e n A b s i c h t e n nutz- bar z u m a c h e n .

J ü n g s t h a t e i n M i t g l i e d d e r A k a d e m i e der W i s s e n s c h a f t e n d e r „DDR" d i e F a s z i - n a t i o n F r i e d r i c h s d es G r o ß e n für d i e s o z i a l i - stische G e s e l l s c h a f t entdeckt. E r — so k o n n t e m a n l e s e n — h a b e „auf d i e g ö t t l i c h e L e g i t i - m a t i o n s e i n e r K ö n i g s w ü r d e v e r z i c h t e t u n d s e i n A m t als g e s e l l s c h a f t l i c h e n A u f t r a g " v e r - s t a n d e n . W e i t e r h i e ß es d a : „ G e g e n d e n K o n k u r r e n z d r u c k d e r k a p i t a l i s t i s c h e n M ä c h - te v e r s u c h t e er, e i n e p r e u ß i s c h e W i r t s c h a f t s - a u t a r k i e a u f z u b a u e n . . . V o n h i e r a u s stellt sich d i e F r a g e nach e i n e m a n d i e K l a s s i k e r des M a r x i s m u s a n k n ü p f e n d e n , d i f f e r e n z i e r - t e n B i l d d e s P r e u ß e n k ö n i g s , d e r u n t e r d e n deutschen H e r r s c h e r n d e r N e u z e i t eine her- a u s r a g e n d e G e s t a l t w a r . "

A u c h d i e „ G e s e l l s c h a f t f ü r S p o r t u n d T e c h - n i k " d e r „ D D R " feierte k ü r z l i c h i n i h r e r Z e i - t u n g d e n G e n e r a l l e u t n a n t v o n Scharnhorst, S o h n e i n e s h a n n o v e r s c h e n R i t t e r g u t s b e s i t - zers, a l s „ B a u e r n s o h n " d e r d i e „ V o l k s b e - w a f f n u n g " durchgesetzt h a b e . „ N a c h d e m Z w e i t e n W e l t k r i e g w u r d e . . . das D e n k m a l S c h a r n h o r s t s g e g e n ü b e r d e r N e u e n W a c h e aufgestellt. U n s e r Staat e h r t d a m i t e i n e n g r o ß e n S o h n d e s deutschen V o l k e s , d e n S c h ö p f e r d e s V o l k s h e e r e s i n u n s e r e r G e - schichte. U n s e r F o t o " — so h e i ß t es w e i t e r —

„ z e i g t e i n e E h r u n g S c h a r n h o r s t s d u r c h d i e N a t i o n a l e V o l k s a r m e e , d e r e n h ö c h s t e r O r - d e n s e i n e n N a m e n t r ä g t . "

V o r d i e s e m d e m h i s t o r i s c h e n M a t e r i a l i s - m u s a n g e m e s s e n e n H i n t e r g r u n d , f r e i l i c h a b e r a u c h i m B l i c k a u f d i e 1981 i n B e r l i n s t a t t f i n d e n d e P r e u ß e n - A u s s t e l l u n g , s i n d d i e W o r t e v o n B u n d e s k a n z l e r H e l m u t Schmidt v o m 30. A u g u s t 1979 v o r d e r F e r n s e h k a m e r a nicht n u r p e i n l i c h , s o n d e r n h o c h g r a d i g m a - k a b e r . F ü r i h n schrumpft d i e fast t a u s e n d - j ä h r i g e G e s c h i c h t e des deutschen O s t e n s auf

„ W e n d e n , P o l e n , R u s s e n u n d deutsche O r - d e n s r i t t e r " z u s a m m e n . D o c h d a m i t nicht ge- n u g . D e r B u n d e s k a n z l e r v e r k ü n d e t e i n j e - n e m F e r n s e h g e s p r ä c h s e i n e u m w e r f e n d e E n t -

d e c k u n g , „ d a ß d i e P r e u ß e n ü b e r h a u p t k e i n e D e u t s c h e n w a r e n , s o n d e r n e i n e Sprache s p r a - chen, d i e d e m L i t a u i s c h e n ä h n l i c h w a r . "

Siegerwillkür

gegen Preußen

Wie Preußen aus der Geschichte hinausgeschwiegen wurde

V O N D r . W O L F G A N G V O N W O L M A R

D i e „ t e u e r s t e d i p l o m a t i s c h e N a c h h i l f e s t u n d e d e r W e l t " : (von Ii nach re) i m A u g u s t 1945 i n P o t s d a m

C h u r c h i l l , T r u m a n u n d S t a l i n Foto Archiv H e l m u t Schmidt w a r f u n b e k ü m m e r t d i e

e i n s t i g e n P r u z z e n i n e i n e n T o p f m i t d e m O r d e n s s t a a t , d e m H e r z o g t u m P r e u ß e n , m i t d e m s p ä t e r e n K u r b r a n d e n b u r g - P r e u ß e n u n d s c h l i e ß l i c h sogar m i t d e m seit 1701 bestehen- d e n K ö n i g r e i c h P r e u ß e n . E r h a t m i t d i e s e r G e s c h i c h t s k l i t t e r u n g eine v ö l l i g neue, 32 J a h r e nach d e r f r a g w ü r d i g e n A u f l ö s u n g P r e u ß e n s durch d i e S i e g e r m ä c h t e v o n 1945 k a u m f ü r m ö g l i c h g e h a l t e n e V a r i a n t e z u r D e m o n t a g e der deutschen Geschichte erfun- den. E r h a t m i t j e n e r n e u e n V a r i a n t e nicht n u r u r a l t e s ostdeutsches T e r r i t o r i u m aufge- geben. A u c h m e h r a l s 800 J a h r e deutscher K u l t u r l e i s t u n g s i n d v o n i h m leichtfertig ab- geschrieben w o r d e n . O s w a l d S p e n g l e r s u n - anfechtbare E r k e n n t n i s , d a ß d i e G r e n z e n E u r o p a s l e t z t l i c h dort l i e g e n , w o d i e deutsche K o l o n i s a t i o n s w e l l e z u m S t e h e n g e k o m m e n ist, h a t d e r „ M a c h e r " H e l m u t Schmidt aus e i g e n e r M a c h t v o l l k o m m e n h e i t f ü r u n g ü l t i g e r k l ä r t . E s w a r i h m w o h l nicht b e w u ß t , d a ß die geschehene Geschichte nicht n a c h t r ä g - l i c h „ g e m a c h t " , d a ß s i e h ö c h s t e n s m a n i p u - l i e r t oder gebeugt w e r d e n k a n n .

Die Flucht der Deutschen aus ihrer Geschichte

S i e g e r h o c h m u t b e g a n n n a c h 1945 m i t d e r D e m o n t a g e d e r d e u t s c h e n Geschichte m i t d e n M i t t e l n d e r C h a r a k t e r w ä s c h e u n d d e r R e - e d u c a t i o n , d e r U m e r z i e h u n g . D i e D i r e k - t i v e f ü r d i e s e s w e l t g e s c h i c h t l i c h e i n z i g d a - s t e h e n d e U n t e r n e h m e n w u r d e i n d e n N a c h t - s t u n d e n d e s 1. A u g u s t 1945 i m P o t s d a m e r S c h l o ß des d e u t s c h e n K r o n p r i n z e n , C ä c i l i e n - hof, g e g e b e n , w o S t a l i n a l s G a s t g e b e r des U S - P r ä s i d e n t e n T r u m a n , C h u r c h i l l s u n d A t t l e e s a u f g e t r e t e n ist. I m S c h l u ß p r o t o k o l l d e r K o n f e r e n z h i e ß es: „ D a s deutsche V o l k h a t b e g o n n e n , f ü r d i e s c h r e c k l i c h e n V e r b r e - chen z u b ü ß e n , d i e u n t e r d e r F ü h r u n g der- j e n i g e n b e g a n g e n w u r d e n , d e n e n es i n d e r S t u n d e d e s E r f o l g e s l a u t a p p l a u d i e r t hat."

C . F r h r . v o n S c h r e n c k - N o t z i n g n e n n t d i e P o t s d a m e r K o n f e r e n z d i e „ t e u e r s t e d i p l o - matische N a c h h i l f e s t u n d e d e r W e l t g e - schichte".

D a s P o t s d a m e r V e r d i k t f ü h r t e z u e i n e r deutschen G e s c h i c h t s v e r d r o s s e n h e i t ohne- g l e i c h e n . D i e e i g e n e G e s c h i c h t e w u r d e d e n D e u t s c h e n v o n a u ß e n w i e v o n i n n e n v e r - e k e l t . I n r a d i k a l a n t i h i s t o r i s c h e r W e i s e d e - k r e t i e r t e n fremde U m e r z i e h e r u n d i m K i e l - w a s s e r d e r S i e g e r m ä c h t e a g i e r e n d e M e i - n u n g s m a c h e r v e r s c h i e d e n s t e r P r o v e n i e n z d e n „ I r r w e g d e r g a n z e n deutschen G e - schichte". M i t w a h r e r I n b r u n s t e r r i c h t e t e n sie H i t l e r e i n e i l l e g i t i m e A h n e n g a l e r i e , i n - d e m s i e v o r g a b e n , d e n b e r ü c h t i g t e n „ R o t e n F a d e n " entdeckt z u h a b e n , d e r sich — w i e sie z u v e r k ü n d e n nicht m ü d e w u r d e n — v o n M a r t i n L u t h e r ü b e r F r i e d r i c h d e n G r o ß e n , O t t o v o n B i s m a r c k , W i l h e l m II. u n d H i n d e n - b u r g b i s h i n z u A d o l f H i t l e r „ b r u c h l o s nach- w e i s e n lasse.

D i e s e a b g r ü n d i g e S i m p l i f i z i e r u n g d e r deutschen G e s c h i c h t e hatte (und h a t noch heute) s c h w e r e F o l g e n . D i e K o n t i n u i t ä t d e r deutschen G e s c h i c h t e w a r s c h l a g a r t i g abge- r i s s e n . M a n hatte d e n Deutzen d i e e i g e n e G e s c h i c h t e s o s e h r v e r e k e l t , d a ß d i e N e i g u n g , sich v o n i h r l o s z u s a g e n , a u s i h r aus-

z u s t e i g e n , w i e a u s e i n e m v e r u n r e i n i g t e n V e r k e h r s m i t t e l , s i c h z u e i n e r A r t v o n G e g e n w a r t s n e u r o s e a u s g e f o r m t h a t M i t fast rauschhafter B e s c h l e u n i g u n g setzte eine F l u c h t i n d i e G e g e n w a r t e i n , v o n d e r m a n sich e i n z u r e d e n b e m ü h t e s i e a l l e i n sei R e a l i t ä t " . D i e V i r u l e n z d i e s e r E n t w i c k l u n g

m ü n d e t e i n e i n n u r noch m a t e r i e l l e s D e n k e n u n d H a n d e l n . M a t e r i e l l e E r f o l g e w u r d e n er- k e n n b a r , d e r W i e d e r a u f b a u aus d e n K r i e g s - t r ü m m e r n g l i t t i n das „ D e u t s c h e W i r t s c h a f t s - w u n d e r " h i n ü b e r . F r i e d r i c h S i e b u r g aber sprach m i t v o l l e m Recht v o m „ h i s t o r i s c h e n A n a l p h a b e t e n t u m d e r D e u t s c h e n " .

I n d e r T a t b r e i t e t e sich a l s F o l g e j e n e r Flucht aus d e r e i g e n e n Geschichte eine m a ß - lose Ü b e r b e w e r t u n g des A u g e n b l i c k s aus, d i e u n s z u m V e r g n ü g e n derer, d i e u n s auf der K o n f e r e n z v o n P o t s d a m das B ü ß e r g e - w a n d ü b e r g e z o g e n hatten, v e r g e s s e n machte, w a s j e d e s K u l t u r v o l k (man d e n k e n u r a n d i e Franzosen) tief e i n g e w u r z e l t i n sich t r ä g t : D a ß e i n V o l k , das a u s seiner Geschichte flieht, bereits d i e F l u c h t aus s e i - n e r Z u k u n f t a n g e t r e t e n hat, w e i l es i n seiner G e g e n w a r t s n e u r o s e d i e eigene Z u k u n f t u n d d a m i t auch d i e Z u k u n f t j e d e s e i n z e l n e n d e r A n a r c h i e des n a c k t e n Z u f a l l s ü b e r l ä ß t .

In seiner A b s c h i e d s r e d e als B u n d e s p r ä s i - dent h a t W a l t e r Scheel a m 1. J u l i 1979 d i e D i n g e b e i m N a m e n g e n a n n t : „ . . . D i e M e n - schen f ü h l e n sich i n d e r G e g e n w a r t w o h l , aber d i e Z u k u n f t scheint i h n e n d u n k e l . . . S o z i e h e n w i r uns i n d i e G e g e n w a r t w i e i n eine F e s t u n g z u r ü c k , d i e w i r g e g e n d i e Z u - kunft v e r t e i d i g e n . D i e s e s Z u k u n f t s b i l d ist i m G r u n d e nichts anderes als eine V e r l ä n g e - r u n g d e r G e g e n w a r t . A b e r w i e s o l l sich d i e J u g e n d für e i n e n Staat u n d eine Gesellschaft e n g a g i e r e n , d i e k e i n anderes Z i e l k e n n t als eine b l o ß e V e r l ä n g e r u n g d e r G e g e n w a r t ? "

W a l t e r Scheel hat das S y m p t o m beschrie- b e n , w a s er aber nicht e r w ä h n t e , ist d i e U r - sache j e n e r G e g e n w a r t s - S t i m u l a n z . G e m e i n t ist d e r folgenschwere V e r l u s t unseres G e - s c h i c h t s b e w u ß t s e i n s . D e r i t a l i e n i s c h e H i s t o - r i k e r u n d G e s c h i c h t s p h i l o s o p h Benedetto C r o c e n a n n t e dies d i e „ s i t t l i c h e S c h w ä c h e , durch d i e d i e m o r a l i s c h e S o u v e r ä n i t ä t e i n e r N a t i o n z e r s t ö r t " w i r d . E i n V o l k , das seine H e r k u n f t nicht oder n u r v e r z e r r t kennt, m u ß seine Z u k u n f t f ü r c h t e n , w e i l es seine G e - schichte, d i e d e r Z u k u n f t die u n v e r z i c h t b a r e n E r f a h r u n g s p e r s p e k t i v e n gibt, w i l l f ä h r i g oder d e m o r a l i s i e r t d e r G e g e n w a r t z u m O p f e r v o r - g e w o r f e n h a t .

D i e B i l a n z i s t a l s o : D i e Deutschen stehen als N a t i o n i n d e r W e l t e t w a s o da, w i e d e r reiche M a n n , d e r d u r c h e i n e n U n f a l l s e i n G e d ä c h t n i s v e r l o r u n d d e r deshalb v o n s e i -

ner U m w e l t u n t e r K u r a t e l gestellt w i r d . W e r v o n uns a n e i n e i n i g e s E u r o p a denkt, m u ß Sorge haben, d a ß w i r Deutschen a l s d i e e i n z i g e n geschichtslos i n dieses E u r o p a e i n - treten, ü b e r d i e s e n M a k e l hilft auch unsere s p r i c h w ö r t l i c h g e w o r d e n e W i r t s c h a f t s k r a f t nicht h i n w e g . S i e s t i m u l i e r t eher das M i ß - t r a u e n der a n d e r e n e i n w e i t e r e s M a l g e g e n die Deutschen.

Es i s t fraglos b e m e r k e n s w e r t , d a ß B u n - d e s p r ä s i d e n t Prof. K a r l C a r s t e n s i n seiner A n t r i t t s r e d e a m 1. J u l i 1979 i n A n k n ü p f u n g a n d i e A u s s a g e seines A m t s v o r g ä n g e r s d i e W o r t e fand: „ M e i n e s Erachtens sollte s t ä r - k e r als b i s h e r a n d e n S c h u l e n d i e deutsche K u l t u r u n d n a m e n t l i c h d i e deutsche G e - schichte b e h a n d e l t w e r d e n , d i e deutsche G e - schichte m i t i h r e n H ö h e n u n d T i e f e n u n d m i t d e m Z i e l z u z e i g e n , w i e d i e deutsche Geschichte seit 30 J a h r e n m e h r u n d m e h r i n eine g e m e i n s a m e e u r o p ä i s c h e Geschichte e i n z u m ü n d e n beginnt."

D i e s e aus d e r Sorge u m d i e deutsche Z u - kunft ausgesprochene M a h n u n g a n a l l e er- w e i s t sich freilich a l s eine s c h w i e r i g e A u f - gabe v o r a l l e m deshalb, w e i l nach d e r P e - r i o d e d e r o b e n g e s c h i l d e r t e n Flucht aus d e r deutschen Geschichte, u n m i t t e l b a r anschlie- ß e n d , d i e Profis der „ V e r g a n g e n h e i t s b e w ä l - t i g e r " auf d e n P l a n getreten s i n d , u m n u n nach A r t technokratischer Geschichtsaufar- b e i t u n g s - M a n a g e r i d e o l o g i s c h - p o l i t i s c h das W e r k d e r U m e r z i e h e r auf i h r e W e i s e fort- zusetzen.

K a n n V e r g a n g e n h e i t , das h e i ß t G e - schichte, d i e n u n e i n m a l geschehen ist u n d die a l l e i n aus d i e s e m G r u n d e i h r e A u t o n o - m i e u n d v e r ä n d e r b a r e E i g e n s t ä n d i g k e i t hat, w i r k l i c h „ b e w ä l t i g t " w e r d e n ?

V e r g a n g e n h e i t s b e w ä l t i g u n g bedeutet — w i e d e r N a m e sagt — , d i e Geschichte auf e i n e n S c h l u ß p u n k t h i n „ a u f a r b e i t e n " , h e i ß t schlicht, s i e m i t e i n e m E r l e d i g u n g s e f f e k t t r a k t i e r e n z u w o l l e n . Geschichte aber i s t i h r e m W e s e n nach n i e z u „ e r l e d i g e n " , d e n n sie fließt v o m G e s t e r n ü b e r das H e u t e z u m M o r g e n . D i e B e w ä l t i g u n g s a k t i o n e n — w i e w i r s i e i n g r o t e s k e n a n t i h i s t o r i s c h e n F o r m e n seit J a h r e n e r l e b e n — z e i g e n n u r sehr deut- l i c h d i e A b s i c h t , s i e a l s eine A r t v o n H e i l - v e r f a h r e n therapeutisch i m S i n n e b e s t i m m - ter p o l i t i s c h e r Z i e l v o r s t e l l u n g e n a n z u w e n - den. M a n n i m m t d e r Geschichte b e d e n k e n -

los d i e i h r i n n e w o h n e n d e A u t o n o m i e , u m sie s o d a n n i n d e n Schatten d e r P o l i t i k d e r G e g e n w a r t z u z w i n g e n . D i e s e G e g e n w a r t i s t aber n o l e n s v o l e n s m i t G e f ü h l s m o m e n t e n u n d m i t A n t i a f f e k t e n b e l a d e n , s o d a ß f ü r eine r u h i g e wissenschaftliche E i n s i c h t k e i n R a u m b l e i b t . S o e r s c h ö p f e n sich d i e B e w ä l t i - g u n g s a k t i o n e n i m E r t e i l e n v o n Z e n s u r e n durch eine a n m a ß e n d e B e s s e r w i s s e r e i e x post u n d durch t e n d e n z i ö s e Befangenheit.

D a r a u s i s t eine G e f a h r entstanden, d i e k a u m j e m a n d e r k a n n t h a t u n d e r k e n n e n w i l l . A u f s i e h a t d e r H i s t o r i k e r W e r n e r F r a u e n d i e n s t h i n g e w i e s e n : „ W i r h a b e n i n der f r e i h e i t l i c h e n B u n d e s r e p u b l i k Deutsch- l a n d eine m e h r o d e r w e n i g e r offizielle, v o n der s o g e n a n n t e n g r o ß e n Presse (und d e n a n d e r e n M e d i e n ) b e i n a h e e i n s t i m m i g v e r - tretene A u f f a s s u n g v o n u n s e r e r Geschichte, die i m a l l g e m e i n e n noch a u f d e n P r o p a - g a n d a t h e s e n nach d e m Z u s a m m e n b r u c h v o n 1945 aufbaut u n d d e r k o m m u n i s t i s c h e n i n manchem ä h n e l t . A l l e s , w a s nicht i n dieses Schema p a ß t , w i r d v e r d r ä n g t . . . D i e ganze E r ö r t e r u n g u m d i e sogenannte u n b e w ä l t i g t e V e r g a n g e n h e i t r e s u l t i e r t z u m T e i l hieraus."

„Vergangenheitsbewältiger

In d e r T a t s i n d w i r d u r c h d i e P r a k t i k e n der V e r g a n g e n h e i t s b e w ä l t i g e r g e i s t i g i n d i e N ä h e des H i s t o r i s c h e n M a t e r i a l i s m u s v o n K a r l M a r x , F r i e d r i c h E n g e l s u n d L e n i n g e - raten. D i e m a r x i s t i s c h - l e n i n i s t i s c h e G e - s c h i c h t s d o k t r i n leitet d a s Interesse a n d e r Geschichte e i n z i g v o n d e r v o r g e f a ß t e n i d e o - l o g i s c h - p o l i t i s c h e n Z w e c k b i n d u n g a b . D a s e i n g a n g s a u f g e f ü h r t e B e i s p i e l v o m j ü n g s t e n Interesse d e r „DDR" a n F r i e d r i c h d e m G r o - ß e n u n d a n Scharnhorst b e w e i s t es n u r z u d e u t l i c h .

Schon L e o p o l d v o n R a n k e schrieb: „Schrift- s t e l l e r s i n d aufgetreten u n d t r e t e n t ä g l i c h auf, d i e i n d e r H i s t o r i e w e d e r e t w a s suchen, noch finden, a l s w a s m i t i h r e r p o l i t i s c h e n D o k t r i n gut ü b e r e i n s t i m m t . . . S o w e i t ent- fernt i s t d i e H i s t o r i e d a v o n , d i e P o l i t i k z u v e r b e s s e r n , d a ß s i e g e w ö h n l i c h v o n i h r v e r - derbt w i r d . " Ä h n l i c h u r t e i l t e d e r g r o ß e d e u t s c h - ö s t e r r e i c h i s c h e H i s t o r i k e r H e i n r i c h R i t t e r v o n S r b i k nach 1945, w e n n e r schrieb:

„Die Geschichtsschreibung h a t sich — auch i n j ü n g s t e r Z e i t — a b i r r e n d v o n R a n k e , a l l - zusehr auf d e n R i c h t e r s t u h l e r h o b e n u n d ist z u h ä u f i g i n A n k l a g e u n d V e r t e i d i g u n g , B e - l a s t u n g u n d E n t l a s t u n g aufgegangen, anstatt a l l s e i t i g a b z u w ä g e n u n d z u e r k l ä r e n . . "

U n d d e r G ö t t i n g e r H i s t o r i k e r R e i n h a r d W-itr- r a m m a h n t e : „ W i r w e r d e n uns m i t a l l e r S o r g - falt g e g e n d e n v e r n ü n f t e l n d e n oder f r ö m - m e l n d e n M o r a l i s m u s u n d g e g e n d i e rasch aufgeschlagenen T r i b u n a l e r e v o l u t i o n ä r e r T u g e n d r i c h t e r z u v e r w a h r e n h a b e n " , w e n n - g l e i c h w i r u n s d e m h i s t o r i s c h e n W a n d e l der sittlichen N o r m e n s t e l l e n m ü s s e n .

Ein klassisches Beispiel

E i n klassisches B e i s p i e l f ü r das W i r k e n solcher „ T u g e n d r i c h t e r " i s t das V e r d i k t i n G e s t a l t des K o n t r o l l r a t s g e s e t z e s N r . 46 v o m 25. F e b r u a r 1947, d u r c h das d e r Staat P r e u - ß e n f ü r a u f g e l ö s t e r k l ä r t w o r d e n ist. I n der P r ä a m b e l z u d e m G e s e t z h e i ß t es: „ D e r Staat P r e u ß e n , d e r seit j e h e r T r ä g e r des M i l i t a r i s - mus u n d d e r R e a k t i o n i n D e u t s c h l a n d g e - w e s e n ist, h a t i n W i r k l i c h k e i t zu b e s t e h e n a u f g e h ö r t . G e l e i t e t v o m Interesse a n d e r A u f r e c h t e r h a l t u n g des F r i e d e n s u n d d e r Sicherheit d e r V ö l k e r u n d e r f ü l l t v o n d e m W u n s c h e , d i e w e i t e r e W i e d e r h e r s t e l l u n g des p o l i t i s c h e n L e b e n s i n D e u t s c h l a n d a u f d e m o k r a t i s c h e r G r u n d l a g e zu sichern, e r l ä ß t der K o n t r o l l r a t das f o l g e n d e G e s e t z . . . "

H i e r hat S i e g e r w i l l k ü r sich m i t d e m m o r a - lisch v e r z i e r t e n M a n t e l eines U r t e i l s s p r u c h s der Geschichte drapiert, dessen a n t i h i s t o r i - sches Pathos v o r d e r W i s s e n s c h a f t w i e F l i t - ter a b b r ö c k e l t , d e n n P r e u ß e n w a r i n W a h r - h e i t anders. ( W i r d fortgesetzt)

Mit diesem Beitrag des Historikers und Publizisten Dr. phil. Wolfgang von Wolmar beginnen wir eine mehrteilige Serie über Preußen, wie es wirklich ge- wesen ist. Es geschieht mit dem Blick auf die Preußen-Ausstellung, die am 15. Au- gust 1981 in Berlin eröfinet werden soll. In antihistorischer Weise und mit z. T.

durchtriebenen Mitteln haben fremde Umerzieher und auf ihren Spuren einher- gehende Profis für „Vergangenheitsbewältigung" Preußen und mit ihm den ge- samten deutschen Osten aus der deutschen Geschichte hinauszuschweigen ver- standen. Geschichte kann aber nicht totgeschwiegen werden — auch Teile von ihr lassen dies nicht zu — und die Geschichte Preußens ist ein integrierender Teil der deutschen Geschichte.

Die geplante Ausstellung in Berlin hat bereits jetzt schon Kassandrarufe aus- gelöst. „Preußens Gloria" drohe zu neuem Leben erweckt zu werden, so heißt es bereits. Man warnt vor einer möglichen „Preußen-Nostalgie* und die Zeitschrift

„Der Monat", Heft 3/1979, überschrieb einen politologisch angelegten Artikel höhnisch mit: „Preußen ist wieder chic — Der Obrigkeitsstaat im Goldrähmchen."

Vorgeplänkel zu einem noch zu erwartenden Trommelfeuer auf die Ausstellung?

Man wird sehen, ob die um die Ausstellung bemühten Kreise den Mut aufbringen, der historischen Wahrheit zu dienen und sich nicht von den professionellen Ver- gangenheitsbewältigern einschüchtern zu lassen.

Unsere Serie wird keine Apologie Preußens sein. Sie wird aber den Geschichts- klitterern mit wissenschaftlicher Akribie entgegentreten und dabei Licht und Schatten dieses einzigartigen Staatskunstwerks unseren Lesern vorstellen.

Die Redaktion

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