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Heute auf Seite 3: Alternative Allianzen

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UNABHÄNGIGE WOCHENZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND

Jahrgang 42 - Folge 27 Erscheint wöchentlich £ • J Q Q J

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt ©• J U I I l y y i Landsmannschaft Ostpreußen e.V. ' i ^ ^ d C

Parkallee 84)86, 2000 Hamburg 13 ^

BdV-Bundesversammlung:

Ringen um die Zukunft

Auseinandersetzung „um bessere Verträge" geht weiter

Bei der am 30. Juni 1990 in Berlin zusammengetretenen Bundesver- sammlung des Bundes der Vertriebe- nen wurde die nachstehende „Berli- ner Erklärung" mit 51 gegen 30 Stim- men verabschiedet:

In der Hauptstadt Deutschlands bekennen wir unsere Treue z u m ganzen deutschen V a - terland, z u unserem Volk und unserer Heimat.

Die Charta der deutschen Heimatvertriebenen hat schon 1950 eine feierliche Absage an Ge- walt, Vertreibungen u n d Unterjochungen er- teilt. Sie forderte die Realisierung des Rechtes auf die Heimat und sagte die zähe Mitarbeit am Wiederaufbau Deutschlands und an einer ge- rechten, dauerhaften europäischen Friedens- ordnung z u .

Diese Ziele sind noch nicht erreicht. In den vielen Verträgen der letzten Zeit fehlt jeder Hinweis auf die Verwirklichung des Rechtes auf die Heimat und ein Kompromiß, der das Selbstbestimmungsrecht des ganzen deut- schen Volkes u n d den Ausgleichswillen der Betroffenen beachtet. W i r setzen auf bessere Verträge i n friedlichem Wandel i n beharrli- chen Verhandlungen mit den Nachbarn. Da- nach mit Maß und Verantwortung zu streben, ist unser Recht und unsere Pflicht. Selbstver- ständlich achten w i r in gleicher Weise die W ü r d e , Rechte und Existenz der Nachbarn.

In der europäischen Politischen Union wer- den die Nachbarstaaten und Deutschland fortbestehen. Ihr enges Zusammenwirken w i r d die Völker und Volksgruppen stärken. In europäischer Verantwortung u n d auf dem Wege zur Politischen Union m u ß sich Deutschland u m die volle Mitwirkung der Ost- und Sudetendeutschen bei der sinnvollen Einfügung ihrer Heimatgebiete i n neue Strukturen b e m ü h e n . Was 700 und mehr Jahre zum deutschen Gemeinwesen gehörte, kann nicht total preisgegeben werden. Ein gerechter Kompromiß dient auch unseren Nachbarn und Europa.

Eine Viertelmillion Deutscher hat präzise Vorschläge für Alternativen persönlich unter- schrieben. Dabei w i r d auch empfohlen, durch Abstimmung die Möglichkeit z u prüfen, d a ß in einem Teil der umstrittenen Gebiete ein ei- genes Gemeinwesen mit umfassender Selbst- verwaltung der beiden Volksgruppen u n d gemeinsamen ausgewogenen Organen samt europäischer Streitschlichtung entsteht. W i r wollen an einem gemeinsamen Wiederaufbau mit unseren Nachbarn mitwirken.

Gute Verträge dienen der Verständigung, schlechte dem Streit. Das deutsch-polnische Vertragswerk bestätigt zwar die Existenz der Deutschen, enthält jedoch eine Fülle von Dis- sensen u n d widersprüchlichen Formeln; es mißachtet das Selbstbestimmungsrecht und einen glaubhaften Kompromiß. Solche Ver- träge können w i r nicht mittragen. Unser Rin- gen um bessere Verträge geht weiter.

Das Völkerrechtsprinzip friedlichen Wan- dels schließt Handlungen über bessere Lösun- gen nicht aus. Diese Verträge setzen keinen

Aus dem Inhalt

Seite

Ein Kunstgebilde zerbricht... 2 Lastenausgleich und Eigentum .... 4 Drogenlawine steigt weiter 5 Neues aus Lüneburg 9 JLO in K ö n i g s b e r g 10

Das Bartnerland » 1 2

Wiedersehen mit K ö n i g s b e r g 13 40 Jahre LO-Kreisgruppe Bonn .... 23

Schlußstrich in der Geschichte. W i r stehen zu unserer Absage an Gewalt, Vertreibung und Unterjochung und z u m Bemühen u m ein Miteinander i m Interessenausgleich und beim Wiederaufbau.

Die Deutschen daheim sind tief enttäuscht und besorgt: es gibt keine Zusagen zu gemein- samer Finanzierung deutscher Kindergärten und Schulen und zur Volksgruppenselbstver- waltung, zur Respektierung deutscher Staats- angehörigkeitsrechte, zur Regelung von K o l - lisionsfragen in Schiedsgerichten und z u m Recht auf die Heimat. Unsere Landsleute da- heim lassen w i r nicht i m Stich.

Viele unserer Mitglieder werden die Unter- lassung von Absprachen zur Wiedergutma- chung privater Schäden i m Herbst mit allen Rechtsmitteln verfolgen.

Hier in Berlin begrüßen wir das erste M a l z u einer Bundesversammlung des Bundes der Vertriebenen auch gewählte Repräsentanten unserer Landsleute i n Thüringen, Sachsen- Anhalt, Sachsen, Brandenburg und Mecklen- burg-Vorpommern. W i r werden sie weiter beim Aufbau landsmannschaftlicher Struktu- ren sowie eines Gesamtverbandes aktiv un- terstützen. A u c h bei den Bemühungen u m ei- nen bislang vorenthaltenen Ausgleich für das erlittene Vertreibungsschicksal stehen wir fest an der Seite unserer Landsleute in den neuen Bundesländern.

Die uns ständig zugemuteten Sonderopfer verpflichten zur verstärkten öffentlichen För- derung unserer erweiterten Aufgaben, umso mehr als uns viele Institutionen unserer Hei- mat fehlen. Einschränkungen wegen unseres Eintretens für Recht und Heimat sind unstatt- haft.

Wir bekennen uns in Berlin zum geschicht- lich notwendigen dauerhaften deutsch-polni- schen Ausgleich ohne Selbstpreisgabe, in aus- gewogenem Geben und Nehmen. Dazu wol- len wir mit allen Kräften beitragen.

PS.: Die umstrittenen Sätze - „Solche Verträ- ge können w i r nicht mittragen. Unser Ringen u m bessere Verträge geht weiter" - wurden nach eingehender Diskussion mit großer Mehrheit gebilligt.

Zeichnung aus „Welt am Sonntag'

Streben nach Maß und Verantwortung

H. W. - Wer den Heimatvertriebenen und vor allem ihren rechtmäßig gewählten Vertre- tern gerecht werden will, wird bestätigen müssen, d a ß sie vom Schicksal mehr als schwer gebeutelt wurden. Obwohl die Kriegskoalition sich letztlich schon bei Kriegsende darüber ei- nig war, das polnische Staatsgebiet nach We- sten zu verschieben, wurde seitens der Alliier- ten die Beruhigungspüle gereicht, eine endgül- tige Lösung hinsichtlich der deutschen Ostge- biete solle erst in einem Friedensvertrag her- beigeführt werden. Da die Deutschen - wie bereits 1918 auf die Worte Wilsons - auch nach dem verlorenen Krieg (1945) an eine gerechte Lösung der Probleme glaubten, ergab sich vor allem bei den Vertriebenen die Hoffnung, nach den Erfahrungen dieses schrecklichen Krieges - der seine unglückliche Ausgangsposition nicht zuletzt aus dem Vertrag von Versailles ableitete - , werde nun tatsächlich das Recht zur Grundlage einer neuen Ordnung erhoben.

Dieser Meinung müssen wohl auch die großen

Nördliches Ostpreußen:

Schweizer Dienst bestätigt Ostpreußenblatt

Gerüchte um abgelehntes Sowjet-„Verkaufsangebot" erhärtet

B u n d e s a u ß e n m i n i s t e r Genscher m u ß mit einer A n k l a g e wegen des Verstoßes gegen seinen A m t s e i d rechnen. E i n bayerischer Kreisrat stellte Strafantrag gegen den M i n i - ster, w e i l dieser gegen seinen Schwur, „ d e n N u t z e n z u mehren u n d Schaden v o m Deut- schen V o l k abzuwenden" v e r s t o ß e n habe.

Wie der g e w ö h n l i c h gut informierte Infor- mationsdienst „Vertraulicher Schweizer Brief" a m 7. Juni dieses Jahres berichtete, habe der A u ß e n m i n i s t e r ein sowjetisches Verkaufsangebot für das n ö r d l i c h e Ostpreu- ßen b r ü s k mit der Ä u ß e r u n g z u r ü c k g e w i e - sen, er wolle es nicht einmal geschenkt ha- ben („Das O s t p r e u ß e n b l a t t " berichtete be- reits a m 18. Mai). Damit habe Genscher, so der Antragsteller, gegen seinen Amtseid v e r s t o ß e n , da er so weder den N u t z e n des deutschen Volkes gemehrt noch Schaden von i h m abgewandt habe. Ganz i m Gegen- teil sei so vereitelt worden, d a ß eine aner- kannte Rechtsposition Deutschlands i n friedlicher Form umgesetzt werde.

M i t der M e l d u n g des Schweizer Informa- tionsdienstes und der Strafanzeige des baye- rischen Kreisrates ist eine Vermutung er- neut aufgebracht worden, die das A u s w ä r t i -

ge A m t dem „ O s t p r e u ß e n b l a t t " g e g e n ü b e r schon lange vor der Verbreitung i m „Ver- traulichen Schweizer Brief" beharrlich de- mentierte. Dabei sind die „ B e g r ü n d u n g e n " , die Genscher seinen sowjetischen G e - s p r ä c h s p a r t n e r n für seine ablehnende H a l - tung geliefert haben soll, nach Angaben des schweizerischen Dienstes ähnlich denen, die bereits unserer Zeitung vorlagen.

Hierbei geht es insbesondere u m die „Be- lastungen i n den neuen B u n d e s l ä n d e r n " , die weitere finanzielle Belastungen durch den A n k a u f N o r d - O s t p r e u ß e n s ausschlössen sowie u m die g r u n d s ä t z l i c h e Haltung Gen- schers, an den ostdeutschen Gebieten auf keinen Fall r ü h r e n z u wollen. Letzteres scheint hier ausschlaggebend z u sein, da das A u s w ä r t i g e A m t mit Transferleistungen an a u s l ä n d i s c h e Staaten ansonsten ä u ß e r s t g r o ß z ü g i g verfährt, ohne dabei die ange- spannte Finanzlage Deutschlands sonder- lich z u berücksichtigen.

W o m ö g l i c h ist damit z u rechnen, d a ß nach dem vorliegenden Strafantrag eine g r ü n d l i - chere Untersuchung der V o r g ä n g e unaus- weichlich geworden ist, die weiteren Auf- s c h l u ß v e r s p r ä c h e . Torsten H e c k

Parteien des Deutschen Bundestages gewesen sein, denn selbst in den Reihen der SPD haben führende Persönlichkeiten wie Wehner, Brandt, Bahr, Schmidt usw. den Heimatver- triebenen auf deren Treffen bekundet: „Ver- zicht ist Verrat." A l s der FDP-Vorsitzende Thomas Dehler 1956 einen neuen Weg der FDP auch in der Frage der Ostpolitik propagierte, mußten die Liberalen den Austritt einer natio- nalliberalen Gruppe ihrer Abgeordneten i m Deutschen Bundestag (unter dem Vizekanzler Blücher) hinnehmen.

Die sozialliberale Koalition (SPD/FDP) glaubte, den „Realitäten" der Stunde Rech- nung tragen z u müssen, eine Politik, die ihre Kulmination i n den Verträgen v o n Moskau und Warschau fand.

So blieb letztlich die Hoffnung auf die Unionsparteien, die ihrerseits stets das beson- dere Verständnis für die Vertriebenen und ihre Rechte betonten.

Die Vertriebenen selbst haben in ihrer Char- ta von Stuttgart-Bad Cannstatt (1950) sich ge- gen Gewalt und Rache und für ein friedliches Zusammenleben auf einer gerechteren Grund- lage ausgesprochen. Dabei gingen sie sicher- lich davon aus, d a ß auch das polnische Volk nach dem leidvollen Geschehen für den Frie- den auf der Grundlage des Rechts und der Selbstbestimmung eintreten werde.

Die Verhandlungen mit Polen jedoch haben letztlich ergeben, daß Warschau die territoriale Frage bereits seit 1945 als entschieden betrach- tet. Die Zustimmung der Allüerten zur Verei- nigung West- und Mitteldeutschlands soll, so jedenfalls wird es behauptet, nur unter der Voraussetzung der Regelung der deutsch-pol- nischen Gegensätzlichkeiten auf der Grundla- ge des Verzichts auf die deutschen Ostgebiete zu erreichen gewesen sein.

„Mit dem Blick nach vorne" haben die Volks- vertretungen in Bonn und Berlin dieser Abtre- tung zugestimmt und damit die Allüerten der ihnen gewiß peinlichen Aufgabe enthoben, diese Abtretung der deutschen Ostgebiete an- zuordnen.

Das ist eine nüchterne Bilanz der Entwick- lung, die alsdann z u m deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag geführt hat, der von der Regierung unterschrieben und der dem Bundestag zur Ratifizierung vorliegen wird.

Wie es heißt, haben die polnischen Vertreter bereits nach Fertigstellung des Vertrages er- klärt, hieran könne nicht einmal ein Komma geändert werden. Mit diesem Vertragstext, der inzwischen vorliegt, hat sich die Bundesver-

(2)

Politik

IXI5

SMiprru firnbfait

6. Juli 1991 - Folge 27 - Seite 2

Sammlung des Bundes der Vertriebenen be-

Balkan!

schäftigt und hierzu Stellung bezogen: sie ver- kennt nicht Ansatzmöglichkeiten für ein bes- seres Nebeneinander, weist aber dezidiert auch auf die Mängel hin, die es der Mehrheit der Delegierten unmöglich macht, dem Ver- trag in der vorliegenden Fassung zuzustim- men.

U O l R t t U i

Die Jalta-Ordnung zerbricht vollends

Das bedeutet keineswegs, daß man sich nun in einen Schmollwinkel zurückziehen will.

Vielmehr wird man diesen Vertrag als ein aus- baufähiges Instrument sehen müssen, mittels dessen man versuchen sollte, doch noch zu gerechteren Lösungen zu kommen, die dann letztlich wieder der europäischen Gemeinsam- keit dienen.

Kein Vertrag bildet einen Schlußstrich in der Geschichte. Der deutsch-polnische Vertrag sollte die Grundlage bilden, den berechtigten Bedenken der Heimatvertriebenen, die als Treuhänder der in der Heimat verbliebenen Landsleute handeln, Rechnung zu tragen. Nie- mand wird bereit sein, Unrecht als Recht zu bezeichnen, doch das schließt nicht aus, an ei- nem gemeinsamen Wiederaufbau mit unseren Nachbarn mitzuwirken.

Gewiß, vierzig Jahre harten Einsatzes für ihre Schicksalsgefährten haben den Repräsen- tanten der Heimatvertriebenen sehr viel an Kraft (und nicht zuletzt auch an Mut) abver- langt. Wie überall wird auch hier zu gegebener Zeit ein Generationswechsel vorzunehmen sein. Diese in die Verantwortung einrückende Generation, ob der Söhne oder gar der Enkel der „Gründerväter", wird vor der Geschichte daran gemessen werden, ob sie sich als Wahrer des Rechts und der Selbstbestimmung zu be- haupten vermögen.

Möllemann:

Der Bürgerkrieg im zerfallenden Jugoslawien zeigt den Triumph des Selbstbestimmungsrechtes an

cheundallerAppelleandiesogenannteVer- verschobene Stein, v e r r ü c k t durehw^erna- nunft nicht e i n z u d ä m m e n sind. F ü r die türliche Machte, seiner»alten ^ ^ d c r - S p h ä r e des Politischen gibt es in der Neuzeit gefunden hat. Es m u ß daher nicht uberma Für vorerst 90 Tage ist die nun gerade erst

frisch v e r k ü n d e t e Souveränität Sloweniens und Kroatiens, zuvor mit dem gar nicht hoch genug z u bewertendem Begriff Selbstbe- stimmung installiert, ausgesetzt worden.

Wer immer darauf hofft, d a ß damit das Pro- blem Jugoslawien schon einer dauerhaften L ö s u n g zugeführt worden sei, m u ß entwe- der anderes i m Schilde führen oder kann kaum hinreichende Kenntnisse ü b e r die Zählebigkeit u n d Dauerhaftigkeit von N a - tionalitätenkämpfen aufweisen. Es sei hier an die teilweise schon jahrhundertelangen V o l k s t u m s k ä m p f e der Basken u n d Iren erin- nert, die trotz aller Beschwichtigungsversu-

keinen anderen vergleichbaren Begriff als den der Selbstbestimmung, der nach dem Fortfall von monarchischem Gottesgnaden- tum und ähnlich geartetem politischen F ü h - rertum, soviel irrationale Energie bindet, die gleichwohl als ein unerläßliches, der menschlichen N a t u r schlichtweg z u g e h ö - rendes Element anzusehen ist.

Das Gegensatzpaar Fremdbestimmung macht dies, insbesondere in den praktischen politischen R a u m ü b e r t r a g e n , deutlich:

W i r d ein V o l k besetzt u n d besiegt, so wer-

MMENKUChT

Wie

ANDERE es sehen:

„ H e r r W a i g e l , haben w i r noch was i m Topf? D a kommt noch einer! t"

Zeichnungaus

„Kölnische Rundschau'

Es war doch alles nicht so gemeint

Minister verwässert Rücktrittsdrohung - Subventionsberg bleibt

lag mit seinem Vorstoß goldrichtig: Der Sub ventionsbericht der Bundesregierung weist Bundeswirtschaftsminister Jürgen Mölle-

mann sitzt i n der Klemme. A u s seinem v o l l - mundigen Versprechen, wieder ins Heer einfacher Abgeordneter z u r ü c k z u k e h r e n , wenn es nicht schon für den Haushalt 1992

{

gelingt, den Subventionsberg u m zehn M i l - iarden z u erleichtern, ist bitterer Ernst ge- worden. A l l e m Anschein nach w i r d nämlich nichts aus der Roßkur. Angesichts des allge- meinen Murrens ü b e r S t e u e r e r h ö h u n g e n i m Westen u n d Massenentlassungen i n Mittel- deutschland ist man i n Bonn wenig geneigt, jetzt noch weiteren Zündstoff zuzulegen. D a m ü ß t e der so konsequent vorgepreschte Minister jetzt eigentlich dem Bundeskabi- nett Lebewohl sagen.

Doch so schlimm soll es denn w o h l doch nicht kommen: U n t e r s t ü t z t v o n den G r ö ß e n seiner Partei versucht der liberale Minister derzeit, die scharfen Konturen seiner noch

f

p r nicht so lange z u r ü c k l i e g e n d e n - eigent- ich unzweideutigen - R ü c k t r i t t s d r o h u n g e n zu vernebeln. Es m u ß ja nicht gleich 1992 sein, wispert man am Rhein. V o n „jetzt oder nie" habe M ö l l e m a n n eigentlich - wenn man genau hinsieht - gar nicht gesprochen. Hat er doch.

Daß Minister M ö l l e m a n n mit seiner Dro- hung nicht das E r w ü n s c h t e erreicht hat u n d nun auf leisen Sohlen davonschleichen m u ß , ist aber nicht nur für sein eigenes Ansehen schädlich. So etwas ist hierzulande schnell wieder hergestellt. Die Deutschen sind nicht nachtragend, da sie ohnehin gleich alles wie- der vergessen. Schlimmer ist es für unser Land, denn der forsche Wirtschaftsminister

bereits U n t e r s t ü t z u n g s z a h l u n g e n v o n 30 M i l l i a r d e n M a r k für Bereiche der Wirtschaft aus, die längst unrentabel sind u n d sicher- lich auch für immer unrentabel bleiben wer- den. Mächtige Lobbyisten sorgen da etwa für die staatliche Finanzierung eines Stein- und Braunkohleabbaus, der nicht nur die Kassen der öffentlichen H a n d , sondern auch (vor allem bei der Braunkohle) unsere Natur schwer schädigt. W i r werfen unser knapp gewordenes G e l d mit vollen H ä n d e n hin- aus, damit Jahr für Jahr ein Dorf nach dem anderen v o m Braunkohlebagger i m Rhein- land oder der Lausitz a b g e r ä u m t , wertvolle Kulturlandschaft i n Mondlandschaft ver- wandelt w i r d u n d Menschen v o n Haus u n d Hof vertrieben werden. Einziges Argument:

Arbeitsplätze m ü s s e n gesichert werden.

Das mag besonders für die Lausitz noch zumindest bedingt diskutabel sein. Doch für Westdeutschland erheben sich da doch Zweifel. Die jahrelange Hochkonjunktur hätte hier so gute Chancen wie lange nicht mehr eröffnet, arbeitslos gewordene Berg- leute anderweitig z u beschäftigen. Doch es geschah fast nichts.

Was am Ende herauskommt, wenn unren- table Wirtschaftszweige ohne Aussicht auf wer- D D R an einer ganzen Volkswirtschaft studieren.

Der sichtbare Lerneffekt bleibt da ä u ß e r s t dürftig. Hans H e c k e l Besserung dauerhaft durchgeschleppt den, k ö n n e n wir derzeit anhand der Ex-1

^ 25os XXtpttuambrait 1

UNABHÄNGIGE WOCHENZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND Chefredakteur: Hugo Wellems

Verantwortlich für den redaktionellen Teil (IT32)

Politik, Zeitgeschehen, Jugend: Heimatkreise, Gruppen, Peter Fischer ( » 3 7 ) , Ansgar Graw, Hans Heckel f**30) Mitteldeutschland und Leseriorum:

_ Herbert Ronigkeit, Silke Berenthal (TT 36) Kultur, Unterhaltung, Frauenseite:

Silke Osman (W33) Ostpreußische Familie:

Geschichte, Landeskunde, Ruth Geede Literatur und Aktuelles: Bonner Büro: Jürgen Liminski

Horst Zander (TT34) Anzeigen (1*41) und Vertrieb (ff 42): Karl-Heinz Blotkamp Anschrift für alle: Parkallee 84/86, 2000 Hamburg 13. Verlag: Landsmannschaft Ostpreußen e. V., Parkallee 86, 2000 Hamburg 13. Das Ostpreußenblatt ist das Organ der Landsmannschaft Ostpreußen und erscheint wöchentlich zur Information der Mitglieder des Förderkreises der Landsmannschaft Ost- preußen. - Bezugspreis Inland 7,90 DM monatlich einschließlich 7 Prozent Mehrwertsteuer. Ausland 9,40 DM monatlich. Bankkonto: Landesbank Hamburg BLZ 200 500 00, Konto-Nr. 192 344. Postgirokon-

A

to für den Vertrieb: Postgiroamt Hamburg, Konto-Nr. 84 26-204; für Anzeigen: Postgi- roamt Hamburg, Konto-Nr. 907 00-207. - Für unverlangte Einsendungen wird nicht gehaftet. Rücksendung erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. - Druck Gerhard Rautenberg, 2950 Leer (Ostfriesland), Telefon (04 91) 42 88

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den sofort, entsprechende Befehle liegen in fast jeder Generalstabsstube, die Schlüssel- stellungen aus Politik, Wirtschaft, M e d i e n und Kultur ausgewechselt; die entsprechen- den F ü h r u n g s k ö p f e aus den genannten Be- reichen werden entweder vernichtet, kor- rumpiert und „ u m g e d r e h t " - das V o l k w i r d fortan fremdbestimmt. Es verliert den un- mittelbaren Zugang z u seiner Geschichte, es w i r d dann entweder mit den Schattenseiten, die jedes V o l k n a t u r g e m ä ß aufzuweisen hat, ü b e r m ä ß i g gefüttert, oder mit der Wunder- waffe „Brot u n d Spiele", v o n der schon die M ä c h t i g e n des Römischen Reiches hinrei- chend Kenntnis hatten, so von seinen eigent- lichen Problemen abgelenkt, d a ß es den sug- gerierten Schein für die Wirklichkeit nimmt.

Dabei ist es auch bedeutsam, d a ß mit einer generationenlangen Ü b e r n a h m e fremdbe- stimmter Doktrinen das Gefühl für die Wirklichkeit so verkommen kann, d a ß die M a x i m e n der jeweiligen Siegermacht für das Eigentliche genommen werden, womit dann nicht nur der Okkupant sich am siche- ren Z i e l w ä h n t , sondern auch - die mensch- liche Geschichte mit ihren ehernen Gesetzen w i l l es so - der Zeitpunkt gekommen ist, w o diese Entwicklung sich i n ihr Gegenteil ver- kehrt. A u c h in „ J u g o s l a w i e n " ist, wie überall in Europa, nunmehr dieser Zeitpunkt ge- kommen, w o die mit so viel Scharfsinn ge- formte Jalta-Ordnung zerbricht.

Es scheint wie in jener alten M y t h e z u sein, wonach die Erde nicht eher z u r Ruhe kommt, bis d a ß nicht jeder nur geringfügig

„ig verwundern, wenn ausgerechnet so ein- schlägig bekannte G r e m i e n w i e die Konfe- renz für Sicherheit u n d Zusammenarbeit dafür p l ä d i e r t , d a ß das alte Jugoslawien doch zusammenbleiben m ö g e , w o m i t nicht nur das eigentlich einzig herausragende Ele- ment, n ä m l i c h das Selbstbestimmungsrecht, auf den Kehricht der v o r d e m gefaßten Be- schlüsse landet u n d somit auch alle bisher v e r k ü n d e t e Ziele.

Ä h n l i c h agierte denn auch n a t u r g e m ä ß die E u r o p ä i s c h e Gemeinschaft unter der Ä g i d e des unvermeidlichen A u ß e n m i n i - sters Genscher, der freilich dann die Kolle- gen aus Luxemburg, Italien u n d den Nieder- landen in Bewegung setzte, u m i n Richtung S ü d o s t e u r o p a die frohe Kundschaft auszu- streuen, d a ß das Selbstbestimmungsrecht nun doch nicht mehr so vollkommene Ver- bindlichkeit beanspruchen k ö n n e .

Dies m u ß u m so mehr verwundern, als diese Lage ja nicht aus heiterem H i m m e l und gleichsam ü b e r Nacht entstanden ist, sondern sich bereits mit demTode Titos ab- zuzeichnen begann. Freilich w a r damals die großpolitische Lage noch nicht weit, die Sowjetunion konnte noch unangefochten mit der b e s c h r ä n k t e n S o u v e r ä n i t ä t auf au- ß e n p o l i t i s c h e m Felde i n i h r e m Machtbe- reich wuchern, weshalb auch die Völker des jugoslawischen Gebildes noch vorsichtig in einer Machttroika Zuflucht z u finden glaub- ten, die sich freilich i m Z u g e des allgemei- nen A u f l ö s u n g s p r o z e s s e s u n d der sattsam bekannten wirtschaftlichen Schwierigkeiten alsbald verbrauchte. S p ä t e s t e n s mit den aus- wuchernden Inflationsraten m u ß t e eigent- lich weiterblickenden Politikern deutlich werden, d a ß in dieser angezeigten Krise auch schon der K e i m nationalstaatlicher Regungen stak, der bei erstbester Gelegen- heit in nicht mehr u n t e r d r ü c k b a r e U n a b h ä n - gigkeitsbestrebungen e i n m ü n d e n w ü r d e . Die Gelegenheit k a m mit der T e i l l ö s u n g der deutschen Frage, die den Status v o n Jalta ins W a n k e n u n d damit auch dessen Produkt aus der Scheinblüte z u m V e r w e l k e n brachte.

Es kommentiert das politische Unver- s t ä n d n i s am ehesten, w e n n m a n die Ä u ß e - rung des A u ß e n m i n i s t e r s des Kleinstaates L u x e m b u r g w ä g t , wonach die Zeit kleiner L ä n d e r e n d g ü l t i g v o r ü b e r sei. W i r meinen freilich, d a ß sie erst jetzt gerade anfängt, denn billigerweise fallen uns dabei nicht nur, wie Frankreich etwa K o r s i k a , w i e Itali- en Sardinien oder w i e H o l l a n d etwa die A n t i l l e n ein, sondern w i r denken auch an die Volksgruppen der O s t p r e u ß e n , der Schlesi- er u n d d e r Sudetendeutschen, die durch das aus politischen Z w e c k m ä ß i g k e i t s g r ü n d e n für den A u g e n b l i c k verleugnete Selbstbe- stimmungsrecht i n ihrer physischen Exi- stenz bedroht sind. D o c h es w i r d kommen, wie es jene alte M y t h e berichtet, die Erde w i r d nicht eher ruhen, bis jeder verschobene Stein seinen Platz wiedergefunden hat...

Peter Fischer

Junge Landsmannschaft:

Slowenien und Kroatien anerkennen

JLO-Vorsitzender Rüdiger Stolle: „Frieden nur durch Selbstbestimmung"

Für eine Anerkennung des Selbstbestim- mungsrechts der Kroaten u n d Slowenen sprach sich der Bundesvorsitzende der „Jun- gen Landsmannschaft O s t p r e u ß e n " , R ü d i - ger Stolle, i n H a m b u r g aus. Die westlichen Regierungen seien aufgefordert, den P r i n z i - pien von Demokratie u n d Volkssouveräni- tät, auf die sie sich zur Abgrenzung v o n den marxistisch-leninistischen Unrechtsregi- men des früheren Ostblocks immer wieder berufen hätten, z u m Durchbruch z u verhel- fen. Gerade die Deutschen, denen das ver- gangene Jahr die Möglichkeit der Wieder- herstellung der staatlichen Einheit einge- r ä u m t habe, sollten mit gutem Beispiel vor- angehen und die legitimen Regierungen von Slowenien und Kroatien anerkennen, so Stolle.

Europa befinde sich in einem historischen Umbruch, in dem Regionen u n d Völkern größere Beachtung geschenkt werden m ü s - se. Die E u r o p ä i s c h e Gemeinschaft werde ihrem Anspruch nur gerecht, wenn sie ü b e r die einst vom „Eisernen V o r h a n g " gebilde-

ten, jetzt aber der Vergangenheit angehö- renden Grenzen hinausschaue u n d auch die Nationen Ostmittel- u n d S ü d o s t e u r o p a s in- tegriere. Stolle wörtlich: „ S l o w e n e n und Kroaten haben sich entschieden, innerhalb dieses Europas ihren weiteren W e g ohne die serbische Zentralregierung i n Belgrad zu gehen. Dieser W u n s c h m u ß respektiert werden, w i l l sich der Westen nicht z u den K o m p l i z e n des jugoslawischen Militärs machen, das d e m Selbstbestimmungsrecht mit A r m e e n u n d Panzern begegnet.'9

Das Europa v o n morgen sei ein Europa der Regionen, i n dem es für ü b e r s t a r k e Zentral- oder gar K o l o n i a l m ä c h t e keinen Platz gebe, sagte Stolle. Dies gelte nicht nur für den Bal- kanraum, sondern beispielsweise auch für A B^i.t lj ^u m-I n einem solchen Europa wer- de es V o l k s g r u p p e n u n d N a t i o n a l i t ä t e n zu- nehmend leichter fallen, ihre Eigenständig- keit z u bewahren u n d ihre Interessen z u rea- lisieren. N u r auf der Basis des Selbstbestim- mungsrechts sei i m ü b r i g e n eine tragfähige Fnedensordnung für Europa z u entwickeln.

E. B.

(3)

6. Juli 1 9 9 1 - Folge 27 - Seite 3

£Ü5 tfipmißfliMaif Im Blickpunkt

Gab es nach Beginn des

„Unternehmens Barbarossa"

(siehe auch Folgen 25 und 26) noch Gelegenheit, das

Verhängnis abzuwehren?

Der Historiker Harald Rüddenklau untersucht

die Motivation von Stalins Waffenstillstandsangeboten.

Und er enthüllt:

Auch London und Paris planten einen Krieg

gegen Rußland!

V

or H i t l e r waren es England u n d Frankreich, die seit A u s b r u c h des Krieges i m Herbst 1939 P l ä n e schmie- deten, ihrerseits die Sowjetunion mit K r i e g z u ü b e r z i e h e n , u m - w i e es der französische Oberbefehlshaber G a m e l i n i m Februar 1940 formulierte - „ d i e Blockade gegen Deutschland auch i m Osten z u schließen".

Die U n t e r s t ü t z u n g der Wirtschaftskriegs- f ü h r u n g des Deutschen Reiches d u r c h die Sowjetunion - auf G r u n d des deutsch-so- wjetischen Vertrages v o m A u g u s t 1939 -

>

M o s k a u s A u ß e n m i n i s t e r M o l o t o w b e i seinem A b s c h i e d aus B e r l i n i m N o v e m b e r 1940 nach kontroversen G e s p r ä c h e n m i t der Reichsregierung: Die Entfremdung hatte begon-

w a r jn de r Tat erheblich; u n d i n den A u g e n nen u n d gipfelte i m deutsch-sowjetischen Krieg. Doch auch s p ä t e r gab es noch Alternati- der W e s t m ä c h t e m u ß t e die Zerschlagung Ve n .

Renschen Wirtschaftsmacht, v o r af- der sowj'

lern der E r d ö l i n d u s t r i e i m Kaukasusgebiet, das z u n ä c h s t z e r s t ö r t werden sollte, die Machtstellung Deutschlands ins W a n k e n bringen. Das Vorhaben der W e s t m ä c h t e w a r Hitler seit d e m Frankreichfeldzug bekannt.

Es w a r a m 16. Juni 1940, Frankreichs N i e - derlage u n d der e n d g ü l t i g e Zusammen- bruch konnten nur mehr eine Frage v o n Tagen sein, als die Vorausabteilung einer deutschen Panzerdivision auf d e m Bahnhof L a Charite an der Loire eine sensationelle Kriegsbeute machte. In einem Z u g , dessen ü b e r s t ü r z t e Ausfahrt d u r c h die Beschie-

D i e erbeuteten A k t e n w u r d e n i n Deutsch- land teils der Presse z u g ä n g l i c h gemacht, teils als W e i ß b u c h N r . 6 des deutschen A u s - w ä r t i g e n Amtes i n Berlin veröffentlicht - u n d , was speziell die alliierten P l ä n e gegen R u ß l a n d betraf, ü b e r den Vertreter der so- wjetischen Nachrichtenagentur Tass i n Ber- l i n , F i l i p o w , an Stalin weitergeleitet. Gleich- w o h l , oder vielleicht gerade wegen dieses Zusammenhangs: die älteren anglo-franzö- sischen P l ä n e wirkten weiter, sie n ä h r t e n Stalins tiefes M i ß t r a u e n gegen die West- m ä c h t e , die i h m Hitler d u r c h seinen Angriff

Alternative Allianzen

Hitler, Stalin und der Westen im Ringen um Europa (I)

V O N D r . H A R A L D R Ü D D E N K L A U

ß u n g der L o k i n letzter M i n u t e gestoppt w o r d e n war, entdeckte m a n die Geneimak- ten des französischen Generalstabs u n d der 1939 nach Kriegsausbruch gebildeten „In- teralliierten K o m m i s s i o n " der G e n e r a l s t ä b e Frankreichs u n d G r o ß b r i t a n n i e n s . M i t ande- ren brisanten P l ä n e n z u r Kriegsausweitung gegen das Deutsche Reich - es ging bei- spielsweise u m eine Einbeziehung der neu- tralen Schweiz bei bestimmten A k t i o n e n - fielen den Deutschen sensationelle D o k u - mente i n die H ä n d e : die P l ä n e eines britisch- französischen Angriffs auf die Sowjet- union. Danach sollte „ n i c h t v o r Ende J u n i / Anfang J u l i " (1940) v o m französisch be- setzten Syrien u n d britisch beherrschten Irak mit L u f t w a f f e n v e r b ä n d e n die sowjeti- sche E r d ö l i n d u s t r i e i m Kaukasus vernichtet werden. A l s n ä c h s t e r Schritt waren V o r s t ö - ß e z u L a n d d u r c h die - neutrale - T ü r k e i geplant.

D i e französische Levante-Armee (Syrien) war bis M a i 1940 auf 80 000 M a n n gebracht w o r d e n (nach sowjetischen A n g a b e n sogar auf 150 000 M a n n ) . M i t neun Bomberstaffeln (sechs französischen, drei britischen, insge- samt ca. 120 Flugzeugen) sollten i n einem Zeitraum v o n 10 bis 45 Tagen die insgesamt 122 als Ziele markierten sowjetischen Erdöl- raffinerien (67 i n Baku, 43 i n Groznij, 12 i n Batum) z e r s t ö r t werden. In der britischen A b s c h l u ß b e u r t e i l u n g ( A p r i l 1940) h i e ß es euphorisch: „ D i e Z e r s t ö r u n g der vorgesehe- nen Ziele m u ß früher oder s p ä t e r z u d e m totalen Zusammenbruch des Kriegspoten- tials der U d S S R f ü h r e n ; " die Operation k ö n n e „ d e n ganzen Verlauf des Krieges ent- scheiden". F ü r den Angriff z u Lande durch die T ü r k e i hatte man die lächerliche G r ö ß e n - o r d n u n g v o n sechs Divisionen veran- schlagt.

n u n als V e r b ü n d e t e an die Seite gestellt hat- te. Wenngleich sich die sowjetischen A r c h i - ve w o h l k a u m öffnen werden, d r ä n g t sich dennoch der Schluß auf, d a ß hier eines der Hauptmotive für Stalins wiederholte A n l ä u - fe liegt, trotz der wachsenden beiderseitigen Erbitterung des sich hinziehenden blutigen Ringens z u einem Waffenstillstand mit Deutschland z u kommen.

W ä h r e n d der Schlacht v o n Stalingrad - ein sowjetischer Sieg unvorstellbaren A u s m a - ß e s begann sich abzuzeichnen - setzt eigent- lich unsere Geschichte ein. Z w a r hatte es schon w ä h r e n d des ganzen Jahres 1942 Ge- r ü c h t e ü b e r einen bevorstehenden deutsch- sowjetischen Waffenstillstand gegeben.

D o c n die Historiker sind sich einig, d a ß da- bei allein der W u n s c h der Vater des Gedan- kens w a r - u n d dieser war i n Japan z u Hause. Japan stand nicht i m Krieg mit der Sowjetunion, aber seit Pearl Harbour (im Dezember 1941) i m Krieg mit den U S A u n d G r o ß b r i t a n n i e n . M i t d e m Scheitern des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion u n d der Aussicht eines lang dauernden e r s c h ö p - fenden Ringens i m Osten, w o d u r c h zunen- mend deutsche Kräfte gebunden wurden, w ä r e n die japanischen Ziele aufs schwerste bedroht gewesen: Deutschland war dann nicht mehr i n der Lage, m a ß g e b l i c h e anglo- amerikanische Kräfte i m atlantischen R a u m z u binden, die damit i n wachsendem A u s - m a ß das Kräfteverhältnis i m Pazifik-Krieg z u Japans Lasten z u v e r ä n d e r n drohten.

So wurde ein Thema herbeigeredet: Doch w a r nichts dran. Hitler dachte gar nicht dar- an, den Krieg gegen die Sowjetunion z u be- enden, u n d aer deutsche A u ß e n m i n i s t e r Ribbentrop beschied i m Frühjahr 1942 den japanischen Botschafter i n Berlin, Oshima, der sein Land für Vermittlungen anbot, ab-

schlägig mit den Worten: „Es geht darum, i n diesem Jahr R u ß l a n d als Kriegsfaktor auszu- schalten."

Anders Stalin: 1941, nach dem Losschla- gen Hitlers gegen die Sowjetunion, war oh- nehin keine Politik möglich, galt es doch erst einmal militärisch ü b e r die Runden z u k o m - men. Z w a r war der deutsche Angriffs- schwung i m Winter z u m Erlahmen gekom- men, doch er war damit - wie sich bald her- ausstellte - keineswegs gebrochen. D i e Rote A r m e e hatte schon bis dahin allerschwerste Verluste erlitten. Bereits i m September 1941 hatte Stalin v o n C h u r c h i l l die Errichtung ei- ner „ Z w e i t e n Front" gefordert, u m den deutschen Druck auf die Sowjetunion ent- scheidend mindern z u k ö n n e n . Z w a r setzten bald ü b e r Persien u n d ü b e r die Murmansk- Route englische u n d (seit August 1941) auch amerikanische Hilfslieferungen für die So- wjetunion ein, doch blieben sie hinter Stalins Erwartungen, die v o n Kriegsbedürfnissen diktiert waren, weit z u r ü c k - u n d die „ Z w e i - te Front" blieb ü b e r h a u p t aus u n d w u r d e immer wieder verschoben. Anfang Juni 1943 teilte US-Präsident Roosevelt dem K r e m l - Herrscher mit, d a ß vor Frühjahr 1944 nicht mit der Eröffnung der „ Z w e i t e n Front" z u rechnen sei.

„Es bedarf keiner Worte", schrieb Stalin darauf verbittert an Churchill, „ d a ß sich die Sowjetregierung mit einer solchen Mißach- tung der lebenswichtigen Interessen der Sowjetunion i m Krieg gegen den gemeinsa- men Feind nicht abfinden kann." Die s t ä n d i - gen V e r t r ö s t u n g e n der V e r b ü n d e t e n hatten schon lange das alte M i ß t r a u e n Stalins gegen die W e s t m ä c h t e wiedererweckt, wenn es ü b e r h a u p t je eingeschlafen war; u n d der bohrende A r g w o h n , die Anglo-Amerikaner

de ja auch v o n C h u r c h i l l u n d Roosevelt i n Casablanca die Forderung nach „bedin- gungsloser Kapitulation" Deutschlands er- hoben).

In dieser Situation - so berichtet Kleist in seinem Buch „Die e u r o p ä i s c h e T r a g ö d i e " -

„ g e s c h a h das Erstaunliche, d a ß i n der östli- chen Mauer, die ich eben noch für undurch- dringlich gehalten hatte, sich ein Tor z u öff- nen schien, oder wenn nicht ein Tor, so doch ein kleines Pförtchen sich z u einem schma- len Spalt auftat". Kleist w i r d mit einem Ge- schäftsmann namens Edgar C l a u ß bekannt gemacht, der ü b e r beste Beziehungen z u m ersten Botschaftsrat der Sowjetgesandt- schaft, Semjonow (später sowjetischer Bot- schafter i n Bonn), verfügte - u n d sogar zur sowjetischen Botschafterin, der Frau K o l l o n - tai selbst.

Frau Kollontai, Tochter eines zaristischen Flügeladjutanten, war i n der Oktoberrevo- lution 1917 als Frau eines kommunistischen Matrosen mit auf die Barrikaden gegangen, sie schrieb Bücher ü b e r die freie Liebe u n d war i m ü b r i g e n eine der engsten Mitarbeite- rinnen Lenins gewesen. D i e Angaben ü b e r C l a u ß sind recht w i d e r s p r ü c h l i c h . E r stammte irgendwo aus Osteuropa, vermut- lich aus Riga/ sprach ebenso schlecht Deutsch wie Russisch, hatte i n Lettland, L i - tauen u n d Deutschland als Geschäftsmann gelebt u n d war mit einer Schwedin russi- scher Abkunft verheiratet. Seit dem F r ü h - jahr 1940 war Edgar C l a u ß als Agent der

„ A b w e h r " des A d m i r a l s Canaris tätig. Es war dann auch ein weiterer Agent der „ A b - wehr", Werner G . Boening, seit gemeinsa- men Studien an der Berliner Hochschule für Politik mit Kleist bestens bekannt, der den Kontakt z u C l a u ß herstellte.

A m 14. Dezember 1942 kommt es i n einem Wochenendhaus Boenings an der Küste z u m ersten Treffen zwischen C l a u ß u n d Kleist. C l a u ß verschleierte natürlich seine Tätigkeit für die „ A b w e h r " , gab sich als rei- ner Geschäftsmann aus, der freilich ü b e r die- se u n d jene Verbindung verfuge. Er habe dabei den Eindruck gewonnen, „ d a ß auf sowjetischer Seite die Bereitschaft besteht, einen Ausgleich mit Deutschland z u suchen, u m diesen verlustreichen Krieg so schnell wie möglich z u beenden." Er sei jederzeit bereit „einen Kontakt mit den Leuten i n der Sowjetbotschaft z u arrangieren". So be- schreibt Kleist die Eröffnungen seines Ge-

f

e n ü b e r s . Obgleich der deutsche Diplomat etont, ausschließlich privates Interesse z u haben u n d keineswegs i n dienstlichem Auf- trage das G e s p r ä c h z u führen, fährt C l a u ß fort u n d kommt auf den Kern des sowjeti- schen Angebots: „Ich garantiere Ihnen, wenn Deutschland auf die Grenzen v o n 1939 eingeht, so k ö n n e n Sie i n acht Tagen Frieden haben."

Z u r ü c k i n Deutschland, informierte Kleist verschiedene persönliche Bekannte, die er i m A u s w ä r t i g e n A m t hatte, ü b e r jenen brisanten W e g , der sich i h m aufgetan natte, u . a. auch den letzten deutschen Botschafter i n M o s k a u , Graf v o n der Schulenburg (der z w e i Jahre s p ä t e r wegen seiner Beteiligung am Attentat auf Hitler v o m 20. Juli 1944 hin- gerichtet wurde). A u c h Schulenburg ging davon aus, d a ß es sich u m ein ernsthaftes Angebot handle. Stalin k ö n n e damit z w e i Ziele verfolgen: Entweder wolle er den Krieg mit Deutschland w i r k l i c h beenden, u m z u m Status quo z u r ü c k z u k e h r e n , oder aber er beabsichtige i n seinem M i ß t r a u e n gegen die westlichen Alliierten ein Spiel mit

War die Rote Armee noch vor den Toren Europas zu stoppen?

wollten erst einmal Hitler schonen, damit er Sowjetrußland bis z u m W e i ß b l u t e n bringen k ö n n e , u m sodann beim Sieg ü b e r Deutsch- land u n g e s t ö r t z u sein, ließ Stalin z u a u ß e r - g e w ö h n l i c h s t e n Mitteln greifen: Waffen- stillstands-/Friedensangebote an Hitler- Deutschland.

Anfang Dezember 1942 unternimmt der deutsche Diplomat Peter Kleist, betraut mit der R ü c k s i e d l u n g v o n Finnen aus Inger- manland (südlich Leningrad) nach Finnland u n d der sogenannten „ I n s e l - S c h w e d e n " (die auf den dem Baltikum vorgelagerten Ost- seeinseln seit Jahrhunderten ansässig w a - ren) nach Schweden, eine Reise nach Stock- holm. W i e es die Zeit nahelegte, führte er G e s p r ä c h e mit Deutschen u n d Schweden i n Stockholm, ob denn nicht die W e s t m ä c h t e z u einer Beendigung des Krieges bereit w ä - ren, u n d wenn ja, unter welchen Vorausset- zungen. Kleist konnte keinen Hoffnungs- schimmer erkennen (und wenig s p ä t e r w u r -

Deutschland z u treiben, u m die W e s t m ä c h t e mit der Drohung eines deutsch-sowjeti- schen Ausgleichs z u erpressen. Sei die zwei- te Vermutung richtig, wofür sehr viel s p r ä - che, dann begebe sich Deutschland i n ein heikles Spiel, das aber auch für die Sowjet- union gefährlich sei, w e i l Hitler den Spieß umkehren u n d gegen den K r e m l wenden k ö n n e . A u ß e r d e m oleibe sehr fraglich, ob Hitler, der die viel klarer zutage hegende Chance einer politischen Kriegsfuhrung ge- gen den Bolschewismus verkannt habe, jetzt die notwendigen Raffinessen für das diplo- matische Kunststück aufbringen werde, das sich hier vielleicht anbahne. Einig waren sich Graf v o n der Schulenburg u n d Kleist darin, d a ß man die Verbindung mit C l a u ß auf das sorgfältigste i m A u g e benalten m ü s - se, u m auch die vageste Möglichkeit ausnut- zen z u k ö n n e n , die Rote Armee auf irgendei- ner Grenzlinie vor den Toren Europas auf- zuhalten. Schluß folgt

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Politik £Ü5 SflpmiSmbfflU

6. Tuli 1991 - Folge 2 7 - S e i t e 4

In Kürze

Baukonjunktur läuft an

Fritz Eichbauer, Präsident des Zentralver- bandes des deutschen Baugewerbes, sieht die mitteldeutsche Bauwirtschaft unmittelbar vor einem deutlichen Aufschwung. Nach einer Blitzumfrage stelle sich die Entwicklung auf diesem Sektor schon jetzt sehr viel besser dar, als noch zu Jahresbeginn. „Der Aufschwung wird bald erkennbar werden", versichert Eichbauer. Die „Lokomotive Bauwirtschaft"

werde den Karren nach vorn ziehen und die gesamte Konjunktur beflügeln.

Immer reicher

Die Deutschen i n den alten Bundesländern werden immer reicher. A l l e i n 1990 erhöhte sich das Geldvermögen i n Westdeutschland um 7,7 Prozent. Seit Beginn der 80er Jahre hat sich das private Vermögen verdoppelt. Z u - letzt sorgte unter anderem die Steuerreform für die nochmalige Steigerung des Privat- vermögens. Hauptsächlich lagert das G e l d auf Sparbüchern (45 Prozent), bei Jüngeren beginnt jedoch auch die Aktie an Zuspruch zu gewinnen.

Keinen Pfennig

Japan weigert sich weiterhin strikt, Finanz- hilfe an die UdSSR zu leisten wie etwa Deutschland. Die Sowjetwirtschaft sei ein Faß ohne Boden, heißt es in Tokio. Mögen die Deutschen zahlen, Japan lehne dies ab. Der eigentliche Grund für diese schroffe Haltung dürfte aber in dem Verlangen Tokios liegen, vor irgendwelcher Hilfe die Kurilen-Inseln von Moskau zurück zu erhalten, die seit 1945 unter sowjetischer Verwaltung stehen.

KSZE nach Bonn

K . - H . Hornhues, stellvertretender Vorsit- zender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, w i l l das 1992 i n Budapest erstmals zusam- mentretende „KSZE-Parlament" nach Bonn holen. Damit w i l l Hornhues die Stadt für den Umzug der Bundesregierung und des Bun- destages nach Berlin entschädigen.

Überzeugungstäter

Gerhard Schröder, SPD-Ministerpräsident von Niedersachsen, gab jetzt zu, in seiner Zeit als Juso-Chef 1978 bis 1980 zwar viel über Marxismus geredet, aber kaum etwas davon verstanden zu haben. Seine Weisheiten habe er aus den Klappentexten der einschlägigen Werke bezogen, das linke Vokabular aus ei- nem deutschsprachigen Lexikon der Univer- sität Tokio.

Recht:

Die überaus zählebige Potsdamer „Ordnung"

Die Lastenausgleichsgesetze regeln noch keineswegs die enormen Besitzverluste der Ostdeutschen

Einer der G r u n d p f e i l e r unserer freiheits- d e n Staat, d a ß Enteignungen „ z u m W o h l e u n d rechtsstaatlicnen G r u n d o r d n u n g ist der A l l g e m e i n h e i t " , das h e i ß t des verein- das Recht auf E i g e n t u m . Dies Recht auf E i

gentumserwerb geht z u r ü c k auf A r t i k e l 1 der „Bill of Rights" v o n V i r g i n i a / U S A v o m 12. J u n i 1776. D o c h gerade m i t diesem elementaren G r u n d r e c h t tut sich neuer- dings unser Staat ä u ß e r s t schwer.

In eklatanter Weise trat dies z u m V o r -

ten West- u n d M i t t e l d e u t s c h l a n d , n u r d u r c h Gesetz erfolgen d ü r f e n , „ d a s A r t u n d A u s m a ß der E n t s c h ä d i g u n g regelt".

W o ist dieses Gesetz?

V o r d e m 2 + 4-Deutschlandvertrag h ä t t e i m B l i c k auf die f r e i w i l l i g e / e r z w u n g e n e Gebietsabtretung per Gesetz v o r h e r d i e schein bei der Frage der E i g e n t u m s r ü c k g a - E n t s c h ä d i g u n g s f r a g e geregelt w e r d e n be oder E n t s c h ä d i g u n g der d u r c h k o m m u - m ü s s e n . D i e s ist nicnt gesehenen u n d a u c h nistische W i l l k ü r i n der sowjetischen Be- k e i n A u f s c h r e i g i n g d u r c h das V o l k . D o c h satzungszone z w i s c h e n 1945 u n d 1949 ent- die Frage ist legitim: W o bleibt die F ü r s o r - eigneten G r u n d e i g e n t ü m e r . N a c h d e m gepflient des Staates g e g e n ü b e r d e n U r t e i l des Bundesverfassungsgerichts S t a a t s b ü r g e r n , die o h n e h i n a m meisten zeichnet sich z u m i n d e s t eine P a r t i a i l ö s u n g

ab m i t einer gewissen M i n i m a l e n t s c h ä d i - T>;:„lm~U„ r,nfn*Ar>*i g u n g u n d g r u n d s ä t z l i c h e r R ü c k k a u f s - KUCKgaoe gejOraerl m ö g l i c h k e i t oei g ü n s t i g e n Z i n s k o n d i t i o

nen. D o c h w i e sieht es m i t der E n t s c h ä d i g u n g der heimatvertriebenen Ostdeut- schen aus? N a c h M a r s c h a l l Sergij A c h r o - meiew (Die W e l t v o m 20. J u n i 1991, Seite 3) sollte d i e Potsdamer „ O r d n u n g " , d i e

„ n a t ü r l i c h die historischen, k u l t u r e l l e n u n d ethnischen A s p e k t e nicht b e r ü c k s i c h - tigt" hat, n u r einige Jahre l a n g gelten. G e - m ä ß dieses Zeithorizonts w u r d e n die L a - stenausgleichsgesetze k o n z i p i e r t .

D i e Potsdamer „ O r d n u n g erwies sich als z ä h l e b i g u n d heute stehen w i r v o r d e m F a k t u m , d a ß diese W i l l k ü r - O r d n u n g R e c h t s - O r d n u n g g e w o r d e n ist. In A r t i k e l 1 (3) des Deutschlandvertrages v o m 12. Sep- tember 1990 h e i ß t es, „ d a s vereinte Deutschland hat keinerlei G e b i e t s a n s p r ü - che gegen andere Staaten". U n t e r (2) h e i ß t es, „ d a s vereinte D e u t s c h l a n d u n d die R e - p u b l i k P o l e n b e s t ä t i g e n z w i s c h e n i h n e n bestehende G r e n z e i n e i n e m v ö l k e r r e c h t - l i c h g ü l t i g e n V e r t r a g " . H i e r ist eindeutig eine Gebietsabtretung angesprochen w o r d e n u n d nicht allein eine Grenzaner- k e n n u n g . D e r N a m e „ G r e n z a n e r k e n - nungsvertrag" ist eigentlich Etiketten- s c h w i n d e l .

Eine Gebietsabtretung k a n n jedoch erst d a n n d e n Charakter eines v ö l k e r r e c h t l i c h v e r b i n d l i c h e n Vertrages beanspruchen, w e n n vorher alle Individualrechte, das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen u n d das Recht auf E i g e n t u m g e m ä ß A r t i - kel 14 Grundgesetz a b s c h l i e ß e n d geregelt s i n d . A b s a t z 3 v o n A r t i k e l 14 verpflichtet

Die R ü c k g a b e ihres enteigneten Grundbe- sitzes i n der Tschecho-SIowakei forderte jetzt die sudetendeutsche Landsmann- schaft. Dies wurde jetzt auf der Jahresver- sammlung der bayerischen Landesgruppe der weltweit 3,8 M i l l i o n e n Sudetendeut- schen beschlossen. Deutliche Kritik ü b t e die Versammlung an dem Prager Staatspräsi- denten Vaclav H a v e l , der eine R ü c k g a b e ihres Eigentums kategorisch ablehnte, ob- schon er die Vertreibung öffentlich verur- teilt hatte. N u r auf der Grundlage v o n Recht u n d Gerechtigkeit sei, so die Sudetendeut- schen, die Herstellung gegenseitigen Ver- trauens möglich. Einer Vertreibung der i m Sudetenland angesiedelten Tschechen habe man, wie jeder anderen weiteren Vertrei- bung auf der Welt, eine deutliche Absage erteilt. Entsprechende V o r w ü r f e seien „rei- ne Agitation". H . T .

unter d e n F o l g e n des „ K r i e g e s aller Deut- schen" gelitten haben? - d u r c h Flucht, V e r t r e i b u n g , B l u t z o l l , soziale Deklassie- r u n g ' Jahr für Jahr zahlt „ u n s e r " Staat 130 M i l l i a r d e n D M an S u b v e n t i o n e n für Bahn, Bergbau, L a n d w i r t s c h a f t u s w . S i n d die aus d e n abgetretenen ostdeutschen Pro- v i n z e n V e r t r i e b e n e n e n d g ü l t i g d i e Parias der N a t i o n , d i e Entrechteten?

N e i n , w i r Ostdeutschen sollten massivst nach A r t i k e l 3 G r u n d g e s e t z „Gleichheit v o r d e m G e s e t z " fordern. D i e s m u ß auf d i e T a g e s o r d n u n g der P o l i t i k . D e n n nie- m a n d darf w e g e n „ s e i n e r H e i m a t und H e r k u n f t " benachteiligt o d e r bevorzugt w e r d e n . D i e Frage der E n t s c h ä d i g u n g für i n O s t d e u t s c h l a n d verlorenes H a b und G u t h ä t t e schon v o r A b s c h l u ß des Deutschlandvertrages p e r Gesetz geregelt w e r d e n m ü s s e n .

Jetzt ist eine R e g e l u n g erst recht z w i n - g e n d , w i l l s i c h der Gesetzgeber nicht einer V e r l e t z u n g des Z u s a t z p r o t o k o l l s z u r K o n - v e n t i o n z u m Schutze der Menschenrechte u n d G r u n d f r e i h e i t e n v o m 20. M ä r z 1952 - dieses ist für d i e B u n d e s r e p u b l i k a m 13.

Februar 1957 i n Kraft getreten - schuldig machen. In A r t i k e l 1 h e i ß t es: „ J e d e n a t ü r - liche oder juristische P e r s o n hat e i n Recht auf A c h t u n g ihres E i g e n t u m s . N i e m a n - d e m darf sein E i g e n r u m entzogen werden, es sei d e n n , d a ß das ö f f e n t l i c h e Interesse es verlangt, u n d n u r unter d e n d u r c h Gesetz u n d d u r c h d i e a l l g e m e i n e n G r u n d s ä t z e des V ö l k e r r e c h t s vorgesehenen Bedin-

f

ungen." D a s A t t r i b u t Rechtsstaat ist eine ohe V e r p f l i c h t u n g . Wolfgang Thune

Bürgernähe:

Die letzte freie Kneipe macht dicht

Im Bonner Regierungsviertel triumphiert der Provinzialismus

Neuer Mieter des mit neun K o n f e r e n z r ä u - Totaler T r i u m p h der Provinz: Im Bonner

Regierungsviertel schließt Ende Juni das einzige für die Öffentlichkeit z u g ä n g l i c h e

„ R e s t a u r a n t am Tulpenfeld". Wieder emmal hat sich der Bonner Regierungssitz-An- spruch selbst erledigt, der n u n durch das deutsche Parlament eine knappe, aber

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leichwohl entscheidende Regelung gefun- en hat.

Geburtstag:

Viel zu jung, um schon Pensionär zu sein

Harry Poley, amtierender Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, ist 75 Jahre alt geworden

zender H a r r y Poley v o n 1964 bis 1975 fun- tisches Engagement erworben hat: So ist er Wenn i n diesen Tagen das Telefon i n sei-

ner Duisburger W o h n u n g klingelt, dann werden die Anrufer Pech haben. Denn derje- nige, dem sie z u m 75. Geburtstag gratulieren wollen, v o n H a r r y Poley ist die Rede - hat sich, wie man so schön sagt, - „in Deckung gebracht", u m den Gratulanten z u entgehen (was i h m letztlich doch nicht gelingen wird!). Der „Jubüar", hat sich auf die N e h - rung, genauer gesagt, nach N i d d e n abge- setzt, u m dort einige Tage auszuspannen u n d vor allem, u m sein geliebtes Königsberg z u besuchen. A m 9. Juli 1916 i m pommer- schen Z ü l l c h o w , Kreis Randow, also nahe Stettin, geboren, ist er i m Forsthaus M ü h l i n g i m ostpreußischen Kreis Gerdauen aufge- wachsen, eigentlich mit dem Berufswunsch, i n die Fußstapfen des Vaters z u treten u n d Förster z u werden.

Doch oftmals kommt es anders u n d so auch für H a r r y Poley, der i m Krieg seine Pflicht erfüllte u n d erst die Kriegsgefangen- schaft durchkosten m u ß t e , bevor er i m We- sten einen beruflichen Neubeginn bei der F i n a n z b e h ö r d e fand; aus diesem Dienstver- hältnis ist er mit dem 65. Lebensjahr ausge- schieden. Der Aufbau einer Existenz war jedoch nur ein Teil seines abwechslungsrei- chen Lebens: er stellte sich i n den Dienst seiner heimatvertriebenen Schicksalsge- fährten, war 1947 M i t b e g r ü n d e r des Vertrie- benen Verbandes i n Duisburg, w o er 1952 bereits eine Kreisgruppe der Landsmann- schaft O s t p r e u ß e n ins Leben rief u n d enga- gierte sich i m Kreisvertriebenenbeirat. Seme Landsleute w ä h l t e n i h n 1955 i n den V o r - stand der Landesgruppe der O s t p r e u ß e n i n Nordrhein-Westfalen, als deren 1. Vorsit-

gierte.

In den Bundesvorstand g e w ä h l t , war er ab 1971 als stellvertretender Sprecher i n beson- ders verantwortungsvoller Position tätig.

Seit mehr als einem Jahr wirkt er als „ a m t i e - render Sprecher" der Landsmannschaft Ost- p r e u ß e n , i h m obliegt, gemeinsam mit dem ü b r i g e n Bundesvorstand, Gestaltung u n d Wahrung der Verbandspolitik.

Es ist nicht ganz leicht, alle die Anerken- nungen aufzuzeigen, die Poley für sein poli-

Harry Poley: Vital wie eh u n d je

Foto Jürgens

Ehrenvorsitzender des Landesverbandes des Bundes der Vertriebenen i n N o r d r h e i n - Westfalen u n d Ehrenmitglied der Stadtver- tretung Königsberg. D e r B u n d der Vertrie- benen, dem Poley ebenfalls seit langen Jah- ren a n g e h ö r t , berief i h n 1985 i n sein Präsidi- um; dem er heute als einer der V i z e p r ä s i d e n - ten a n g e h ö r t . A u f seine Tätigkeit ais Vorsit- zender des Kuratoriums der Stiftung Ost- p r e u ß e n , sowie i n zahlreichen anderen Gremien der Landsmannschaft kann hier nur summarisch hingewiesen werden.

D e m Inhaber des Goldenen Ehrenzei- chens verlieh die Landsmannschaft i n A n e r - kennung seines u n e r m ü d l i c h e n politischen Wirkens ihre h ö c h s t e Auszeichnung, den P r e u ß e n s c h i l d .

Harry Poley, der auch z u den g e s c h ä t z t e n Mitarbeitern unserer Zeitung zählt, g e h ö r t z u jenen glücklichen Menschen, deren A l t e r durch die Aktivitäten ü b e r w u n d e n w i r d . So w ü n s c h e n auch w i r i h m Gesundheit u n d Schaffenskraft z u n ä c h s t für viele weitere Jahre z u m Wohle unserer Landsmann- schaft.

G e w i ß , v o m Alter her h ä t t e er ein wenig mehr Ruhe verdient. A b e r w i r finden, dieser dynamische u n d jung gebliebene H a r r y Po- ley, der einem guten Rotspon ebenso wenig abgeneigt ist, wie man i h n sich nicht ohne Pfeife vorstellen kann, ist einfach nicht der Typ des Pensionärs, der i m Ruhrgebiet die Tauben füttert. V o r allem: er w i r d noch ge- braucht u n d er sollte sich auch nicht versa- gen. H . W.

men ausgestatteten Restaurants ist - wie sollte es anders sein - der Deutsche Bundes- tag. W o bislang gegessen u n d getrunken w i r d , werden vermutlich nach d e m U m b a u ab Herbst Beamte der V e r w a l t u n g ihren Arbeitsplatz finden. Vielleicht w i r d die Kü- che des Restaurants auch weiterbetrieben u n d produziert dann Kantinen Verpflegung für den Bundestag.

Der P ä c h t e r des Restaurants hatte es nach eigenen A n g a b e n i m m e r schwerer, seine Speisen an den M a n n z u bringen. D e n n rund u m das Tulpenfeld tummelt sich aus dem Steuersäckel subventionierte Konkurrenz.

In erster Linie ist das Restaurant des Pres- seclubs z u nennen: 320 000 M a r k kassiert dessen Geschäftsführer i n diesem Jahr vom Bundespresseamt, für das G r u n d s t ü c k ist keine Pacht z u entrichten.

A u c h die Parlamentarische Gesellschaft in direkter Nachbarschaft w i r d subventio- niert: l , 0 7 M i l l i o n e n M a r k 1991 v o m Staat. In der „ P a r l a m e n t a r i s c h e n " u n d i m Presseclub treffen sich nur Insider z u m Speisen. „Otto Normalverbraucher" darf erst gar nicht rein.

A u c h die K ü c h e n der verschiedenen Lan- desvertretungen sind eine nicht z u unterbie- tende K o n k u r r e n z . „ T u l p e n f e l d " - P ä c h t e r Franz-Guido Schmitz w e i ß , w a r u m : „Dort gibt's fast jeden A b e n d Gastronomie zum Nulltarif" - n a t ü r l i c h nur für Geladene.

Die „ T u l p e n f e l d " - S c h l i e ß u n g bedeutet mehr als eine Etappe. Sie ist A u s d r u c k der e n d g ü l t i g e n V e r ö d u n g des Bonner Regie- rungsviertels. Der F.D.P.-Bundestagsabge- ordnete Detlef Kleinert gibt der Stadt Bonn eine g e h ö r i g e Portion M i t s c h u l d . Oberbür- germeister Hans Daniels ( C D U ) unterstellt er das „ B e m ü h e n , jegliche gewachsene Struktur b ü r g e r l i c h e n Lebens zugunsten ei- ner nichtsnutzigen Feierlichkeit z u beseiti- gen Klemert i n einem Brief z u r Gastrono- mie-Situation: „ D i e G a s t s t ä t t e P r o v i n z , die

Zti o r Art in ei n e m K i lo r n e t e r Umkreis u m das Bundeshaus, ist niedergewalzt wor- den, ohne d a ß d a f ü r irgendein G r u n d er- kennbar gewesen w ä r e " .

Bonn-Besucher ohne Einladungs- und E i n l a ß k a r t e n haben i m Regierungsviertel dennoch d le Möglichkeit, wenigstens satt zu werden: R u n d u m den Bundestag empfeh- len sich drei W ü r s t c h e n - B u d e n .

Hans-Jürgen Leersch

Referenzen

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