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Afrikanisches Comeback

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Academic year: 2022

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44 |IP • März/April 2020

Der kühle Krieger Titelthema

Dr. András Rácz ist Senior Fellow beim Robert Bosch-Zentrum für Mittel- und Osteu- ropa, Russland und Zentralasien der DGAP.

B

eim „Familienfoto“ der Berliner Li- byen-Konferenz am 19. Januar 2020 stand er selbstbewusst in der ersten Reihe, gleich neben UN-Generalsekretär António Guterres und Gastgeberin Ange- la Merkel: Russlands Präsident Wladimir Putin. Für den Kreml ist Libyen das derzeit wichtigste afrikanische Land, um Russ- lands militärischen, energie- und migrati- onspolitischen Einfluss auszuweiten – in einem Land also, dass für Europas Sicher- heit von zentraler Bedeutung ist.

Und Libyen ist kein Einzelfall: In ganz Afrika hat Russland seine Präsenz in den vergangenen Jahren verstärkt, insbeson- dere als Waffenlieferant. Der bisher größ- te diplomatische Wurf gelang Moskau mit dem ersten Russland-Afrika-Gipfel, der Ende Oktober 2019 in Sotschi stattfand.

Alle 54 afrikanischen Staaten nahmen teil, zahlreiche Abkommen wurden un- terzeichnet oder angebahnt. Das Signal war klar: Moskau zielt nicht nur darauf, Beziehungen zu ehemaligen sowjetischen Verbündeten aus der Zeit des Kalten Krie- ges wieder aufleben zu lassen, sondern es geht um ganz neue Partnerschaften.

Dabei beschränken sich Russlands di- plomatische Anstrengungen längst nicht mehr nur auf Staatsbesuche und Gipfelt- reffen. Vielmehr nutzt Moskau insbeson- dere seine Position im UN-Sicherheitsrat dazu, seinen afrikanischen Verbündeten zur Seite zu stehen – beispielsweise mit der öffentlichen Unterstützung der Forderung nach einem ständigen UN-Sicherheitsrats- sitz für Afrika. Im Gegenzug kann Russ- land auf die Stimmen seiner afrikanischen Partner in der UN-Generalversammlung zählen. Bei einer Abstimmung am 9. De- zember 2019, bei der es um die Verurtei- lung der Militarisierung der Krim und der Verletzung der ukrainischen Souveränität ging, stimmten zahlreiche afrikanische Staaten mit Russland oder enthielten sich, obwohl territoriale Integrität für viele ein wichtiges Thema ist.

Magere Wirtschaftsbeziehungen

Moskau versucht stets, seine Außenpolitik mit ökonomischen Mitteln zu untermau- ern, kann dabei aber längst nicht mehr auf so große wirtschaftliche Kapazitäten zurückgreifen wie einst die Sowjetunion.

Afrikanisches Comeback Russland hat seine Beziehungen zu Afrika in den letz- ten Jahren systematisch ausgeweitet.

Im Zentrum des Interesses: Libyen.

Von András Rácz

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IP • März/April 2020 |45

Afrikanisches Comeback Titelthema

Zwar kletterte der russische Warenumsatz mit afrikanischen Staaten von 5,7 Milliar- den (2009) auf 20 Milliarden Dollar (2018).

Verglichen mit dem chinesisch-afrikani- schen Handel (etwa 200 Milliarden Dol- lar) oder dem Afrikas mit den USA (rund 300 Milliarden Dollar) nimmt er sich aber fast unbedeutend aus. Russlands wichtigs- ter Wettbewerbsvorteil ist „Flexibilität“:

Auf politische Konditionalitäten, auf die Amerikaner und Europäer oft pochen, verzichtet der Kreml. Und im Vergleich zu Peking stellt Moskau seinen Partnern keine Schuldenfallen.

Ähnlich sieht es bei Entwicklungshilfe und Investitionen aus. Während die EU, Japan, China und die Vereinigten Staaten allesamt über Entwicklungshilfe- und In- vestitionsprogramme für Afrika im Wert von mehreren zehn Milliarden Dollar ver- fügen, fehlen Russland dafür die Ressour- cen. Auf dem Russland-Afrika-Gipfel kün- digte Putin zwar spektakulär an, dass sein Land afrikanischen Staaten Schulden aus der Sowjetzeit in Höhe von 20 Milliarden Dollar erlassen würde. Angesichts der Tat- sache, dass diese Schulden ohnehin wohl niemals abbezahlt worden wären, war dies eher eine symbolische Geste.

Trotz des vergleichsweise geringen wirtschaftlichen Stellenwerts Russlands verzeichnen einige seiner Unterneh- men dort – oft dank der Unterstützung des Kremls – durchaus bemerkenswer- te Erfolge. So schloss Rosatom während des Russland-Afrika-Gipfels mit Äthio- pien einen Vertrag über den Bau eines

Kernkraft werks und mit Ruanda einen über den Bau eines Wissenschafts- und Technologiezentrums ab. Die staatliche geologische Gesellschaft Rosgeo brachte Kooperationsvereinba rungen mit dem Südsudan, Äquatorial guinea und Ruanda unter Dach und Fach. Die Diamantenmi- nengesellschaft Alrosa ist bereits in Ango- la und Simbabwe aktiv, und die staatliche russische Ölgesellschaft Rosneft arbeitet in Nigeria an der Ent wicklung von mehr als 20 Erdölförderanlagen.

Russische Waffenexporte

Die größte Rolle spielt Afrika aus russischer Sicht allerdings als Waffenexportmarkt.

Es ist allseits bekannt, dass Waffenver- käufe eine wichtige Einnahmequelle für die russische Wirtschaft sind. Darüber hinaus sind sie jedoch auch ein außen- und wirtschaftspolitisches Instrument:

Durch Waffenexporte kann Moskau an- dere Staaten an sich binden, langfristige Abhängig keiten schaffen und bestehende russlandfreundliche Regime an der Macht halten.

Die afrikanischen Staaten, die schon zu Zeiten der Sowjetunion zu Moskaus Ver- bündeten zählten, unterhalten auch heute noch Armeen, die sich alter sowjetischer Waffen bedienen. Und bis heute verkauft Russland weiter Waffen in eben diese Län- der. In einigen Fällen schließt Moskau Waf- fenverkäufe als Ersatz für das Eintreiben von Altschulden ab.

Das Beispiel Algerien verdeutlicht die- se Strategie: Als Moskau Algier 2006 alte Schulden in Höhe von 4,7 Milliarden Dol- lar erließ, wurde gleichzeitig eine ganze Reihe von Rüstungsaufträgen vereinbart;

zugleich sicherte sich Russland Schlüssel- positionen im Agrar- und Energiesektor.

2017 vereinbarten beide Staaten sogar die Lieferung von taktischen Langstrecken- raketen vom Typ Iskander-E.

Rosatom baut in Äthiopien ein Atomkraftwerk, Rosneft entwickelt in Nigeria

Erdölförderanlagen

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46 |IP • März/April 2020

Der kühle Krieger Titelthema

Nach dem Sotschi-Gipfel bestätigte Russland, derzeit 20 afrikanische Länder mit Waffen zu beliefern, darunter Ugan- da, Ruanda, Angola und Mosambik. Der Gesamtwert der Waffenexporte lag dem- nach 2019 bei vier Milliarden Dollar – er macht also mittlerweile etwa ein Fünftel des gesamten Handelsvolumens aus.

Algerien kauft alles

Laut Berechnungen des Stockholmer Frie- densforschungsinstituts SIPRI war Alge- rien in den vergangenen zehn Jahren, also zwischen 2009 und 2019, der mit Abstand größte Käufer russischer Waffen auf dem Kontinent. Russland lieferte in dem Zeit- raum rund 75 Prozent aller Waffenimpor- te. Dabei bediente sich die Regierung in Algier praktisch der gesamten Bandbreite des russischen Waffenarsenals und kauf- te vom Panzer bis zum U-Boot und vom Hubschrauber bis zum Flugabwehrsystem alles, was die russische Rüstungsindustrie hergab.

Auch Uganda ist ein wichtiger Abneh- mer russischer Waffen. Das Land kauft nicht nur alte T-55-Panzer und neuere T-90-Modelle, sondern auch Raketen für ebenfalls in Russland hergestellte Suchoi Su-30-Kampfbomber. Ägypten erwirbt derweil vor allem Luftabwehrsysteme, also Radartechnik, Raketen und ande- re Ausrüstung. Zuvor war Libyen unter Muammar al-Gaddafi für lange Zeit der wichtigste Absatzmarkt für Waffen „made in Russia“. Mit dem Sturz des Diktators brachen Russland mit einem Schlag ver- traglich vereinbarte Waffengeschäfte im

Wert von etwa vier Milliarden Dollar weg – und sämtliche Hoffnungen auf zukünftige Deals lösten sich in Luft auf.

Russlands allseits bekannte Abnei- gung gegenüber von außen unterstützten Regimewechseln fußt also nicht nur auf der Tatsache, dass man eine derartige In- tervention im eigenen Land fürchtet. Sie beruht vielmehr auch auf der Angst, dass politische Umwälzungen im Ausland er- hebliche wirtschaftliche Verluste mit sich bringen können.

Exportschlager Hubschrauber

Das beliebteste russische Rüstungspro- dukt auf dem afrikanischen Kontinent sind Hubschrauber, seien es militärische Transporthubschrauber der Klasse Mi-8/17 oder Angriffshubschrauber vom Typ Mi- 24/35 (die jeweils hinter dem Schrägstrich stehende Ziffer bezeichnet den für den Ex- port bestimmten Bautyp).

Dabei verkauft Moskau seine Militär- hubschrauber offensichtlich an jeden, der sie bezahlen kann, sei es Sambia, der Tschad, Angola oder ein Dutzend anderer Länder. Den jüngsten Kaufvertrag über ins- gesamt zwölf Mi-35-Angriffshubschrauber unterzeichnete Nigeria am Rande des Sot- schi-Gipfels.

Neben neueren Waffensystemen ver- kauft Russland jedoch auch viel ältere, schon lange ausrangierte Waffen nach Afrika. Denn in den Low-Tech-Konflikten des Kontinents sind selbst Waffen aus der Zeit des Kalten Krieges nützlich. Klein- waffen, Mörser, Panzerwagen und ver- altete Panzer, die sonst nirgendwo mehr benötigt werden, kommen hier noch zum Einsatz. Über das größte Arsenal alter sowjetischer Waffen verfügt der Sudan, der auch regelmäßig Motoren aus russischer Herstellung erwirbt, um alte T-55-Panzer und BTR-80-Transportpanzer in Betrieb zu halten.

In Afrikas Low-Tech-Konflik-

ten sind selbst Waffen aus

sowjetischen Zeiten nützlich

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Afrikanisches Comeback Titelthema

Russische Söldner in Afrika

Russland betreibt zwar keine einzige offi zielle Militärbasis in Afrika. Private russische Militärunternehmen und Söld- nergruppen sind dort jedoch in vielen bewaffneten Konflikten im Einsatz. Die berüchtigte „Gruppe Wagner“, ein priva- tes Sicherheits- und Militärunternehmen mit engen Verbindungen zum russischen Militärgeheimdienst (GU, früher GRU), war bereits in der Zentralafrikanischen Republik, im Südsudan, in Mosambik und in Libyen aktiv. Tatsächlich funktio- niert die Einheit trotz ihres vermeintlich privaten Status eher wie eine russische Stellvertreterarmee.

In der Zentralafrikanischen Republik, im Südsudan und in Mosambik unterstüt- zen die Wagner-Söldner die Zentralregie- rungen im Sicherheitsdienst, bei der mili- tärischen Ausbildung und angeblich auch im aktiven Kampfgeschehen. Im Gegenzug erhält der russische Oligarch Jewgeni Pri- goschin, der als Kopf der Söldnerarmee gilt, regelmäßig vorteilhafte Berg bau- oder Ölförderverträge sowie andere großzügige Zuwendungen.

Aus Sicht des Kremls bietet der Ein- satz privater Militärunternehmen wie der Gruppe Wagner gleich mehrere Vorteile.

Zum einen muss sich die russische Regie- rung – anders als bei offiziellen Militär- schlägen – für die Einsätze der angeblich autark agierenden Söldnertruppen in der Heimat nicht öffentlich rechtfertigen. Zum anderen ermöglicht der Einsatz einer Stell- vertreterarmee, auf dem internationalen

Parkett jegliche russische Beteiligung an den Konflikten in Afrika zu verleugnen.

Dabei ist die Gruppe Wagner so eng mit dem GU verbunden, dass sie sogar gemein- same Ausbildungseinrichtungen nutzen – und Wagner-Rekrutierer Dmitri Utkin ist ein ehemaliger Geheimdienstler.

Geheimoperation in Libyen

Die wahrscheinlich größte Operation der Söldnerarmee findet derzeit in Libyen statt. Zwar schwanken die Schätzungen, es scheint jedoch wahrscheinlich, dass dort derzeit mindestens 1500 Wagner-Söld- ner im Einsatz sind – und nicht nur ihre üblichen Unterstützungsdienste leisten, sondern auch aktiv an Kampfhandlungen beteiligt sind.

Laut US-Quellen sind darüber hinaus auch reguläre russische Landstreitkräfte in Libyen stationiert. Verlässliche Infor- mationen über eine derartige Präsenz sind jedoch nur schwer zu beschaffen. Was den Einsatz russischer Truppen in Libyen be- sonders interessant macht, ist, dass Russ- land in Libyen nicht die von den Vereinten Nationen anerkannte Regierung mit Sitz in Tripolis unterstützt, sondern die Streitkräf- te des Generals Khalifa Haftar, der gegen die Zentralregierung kämpft.

Zu den wahrscheinlichsten Beweg- gründen für Russlands Engagement in Libyen gehören das Kalkül, sich hier – wie vorher schon in Syrien – einen weiteren strategisch wichtigen Militärstützpunkt in der Region Nordafrika und Mittlerer Os- ten zu sichern, dem Land Konzessionen bei der Erdölförderung abzuringen und einen Knotenpunkt für die Kontrolle der Migrationsströme aus Subsahara-Afrika nach Europa zu besetzen. All diese Fakto- ren machen Libyen für Moskau zu einem äußerst lohnenden Ziel.

Übersetzung aus dem Englischen: Kai Schnier

US-Quellen gehen davon aus,

dass auch reguläre russische

Truppen in Libyen präsent

sind – neben 1500 Söldnern

Referenzen

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