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Gesundheitsförderung adipöser, langzeitarbeitsloser Menschen

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Academic year: 2021

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H o c h s c h u l e N e u b r a n d e n b u r g

Gesundheit, Pflege, Management

Studiengang Gesundheitswissenschaften

GESUNDHEITSFÖRDERUNG ADIPÖSER,

LANGZEITARBEITSLOSER MENSCHEN

B a c h e l o r a r b e i t

zur

Erlangung des akademischen Grades

Bachelor of Science (B.Sc.)

Vorgelegt von: Anika Schröder

Betreuer: Prof. Dr. Gabriele Claßen

URN: urn:nbn:de:gbv:519-thesis 2014-0057-1

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I INHALTSVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS ... IV TABELLENVERZEICHNIS ... V

1.EINLEITUNG ... 1

2.DIE GRENZE ZWISCHEN ÜBERGEWICHT UND ADIPOSITAS ... 3

2.1BESTIMMUNG DER KÖRPERZUSAMMENSETZUNG ...3

2.1.1 Der Body-Mass-Index (BMI) ...3

2.1.2 Umfangsmessungen ...4 2.2ÜBERGEWICHT ...5 2.2.1 Primäres Übergewicht: ...5 2.2.2 Sekundäres Übergewicht: ...5 2.2.3 Androide Erscheinungsform ...6 2.2.4 Gynoide Erscheinungsform ...6 2.3ADIPOSITAS ...6

2.3.1 Adipositas Grad I: BMI >30< 35kg/m² ...7

2.3.2 Adipositas Grad II: BMI >35< 40kg/m²...7

2.3.3 Adipositas Grad III: BMI > 40kg/m² ...7

3.EPIDEMIOLOGIE ... 7

3.1HÄUFIGKEIT VON ADIPOSITAS ...7

3.2ENTWICKLUNG DER PRÄVALENZ VON ADIPOSITAS UND ÜBERGEWICHT ...8

4. ENTSTEHUNG UND AUFRECHTERHALTUNG VON ... 10

ADIPOSITAS ... 10

4.1DAS BIOPSYCHISCHE MODELL ...10

4.1.1 Genetische Faktoren ...10

4.1.2 Psychologische und psychosoziale Einflüsse ...11

4.1.3 Soziokulturelle Einflüsse ...11

4.1.4 Erläuterung des biopsychosozialen Modells ...12

(3)

II

5. RELEVANZ FÜR DIE GESUNDHEITSPOLITIK ... 16

5.1KOMORBIDITÄT ...16

5.2MORTALITÄT ...18

5.3LEBENSQUALITÄT ...19

5.4FOLGEN FÜR DIE GESUNDHEITSPOLITIK ...20

6. ARBEITSLOSIGKEIT, LANGZEITARBEITSLOSIG-KEIT UND ARBEITSUNFÄHIGKEIT IM FALL DER ARBEITSLOSIGKEIT ... 23

6.1ARBEITSLOSIGKEIT ...23

6.2LANGZEITARBEITSLOSIGKEIT ...23

6.3ARBEITSUNFÄHIGKEIT IM FALL DER ARBEITSLOSIGKEIT ...23

7. DERZEITIGE ARBEITSLOSENZAHLEN ... 24

8. FOLGEN VON ARBEITSLOSIGKEIT FÜR DIE GESUNDHEIT ... 25

8.1THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR AUSWIRKUNG DER ARBEITSLOSIGKEIT AUF DIE GESUNDHEIT ...25

8.1.1 Frühe „Phasenmodelle“ ...25

8.1.2 Das Modell der psychischen Deprivation ...27

8.2ZUSAMMENHÄNGE ZWISCHEN ARBEITSLOSIGKEIT UND GESUNDHEIT...27

8.2.1 Gesundheitliche Folgen von Arbeitslosigkeit ...27

8.2.2 Der BMI und das Ernährungsverhalten bei Erwerbslosen ...28

8.3ADIPOSITAS ALS FOLGE VON ARBEITSLOSIGKEIT ...29

9.GESUNDHEITSFÖRDERUNG ... 31

9.1GESUNDHEITSFÖRDERUNG ADIPÖSER ...31

9.1.1 Was zeichnet ein Gewichtsreduktionsprogramm aus? ...32

9.1.2 Qualitätskriterien für ambulante Adipositasprogramme ...32

9.2GESUNDHEITSFÖRDERUNG ARBEITSLOSER ...33

9.3GESUNDHEITSFÖRDERUNG ADIPÖSER LANGZEITARBEITSLOSER MENSCHEN ...34

10. FAZIT ... 36 11. LITERATURVERZEICHNIS... VI 12. QUELLENVERZEICHNIS ... X 13. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ... XIV

(4)

III 14. ANHANGSVERZEICHNIS ... XV EHRENWÖRTLICHE ERKLÄRUNG

(5)

IV A b b i l d u n g s v e r z e i c h n i s

ABBILDUNG 1: ZEITLICHE ENTWICKLUNG VON ÜBERGEWICHT UND ADIPOSITAS IN DER 25- BIS 79-JÄHRIGEN BEVÖLKERUNG ... 9

ABBILDUNG 2: BIOPSYCHOSOZIALES MODELL DER ENTSTEHUNG UND

AUFRECHTERHALTUNG VON ÜBERGEWICHT UND ADIPOSITAS ... 13

ABBILDUNG 3:LEISTUNGSBERECHTIGTE PERSONEN IN DER GRUNDSICHERUNG UND

(6)

V T a b e l l e n v e r z e i c h n i s

TABELLE 1:RISIKOKLASSIFIKATION FÜR MIT ADIPOSITAS ASSOZIERTE

(7)

1 1 . E i n l e i t u n g

Im Laufe der menschlichen Evolution haben sich die Erwartungen an die Qualität und Menge der Nahrung stätig verändert. Unsere Mahlzeiten sollen nicht nur unseren Appetit und unsere Sinne anregen, sondern uns auch satt machen. Heutzutage ist es für die Menschen selbstverständlich jederzeit und überall Zugriff auf Lebensmittel zu haben. Sie stehen uns im Überfluss zur Verfügung. Dies war jedoch nicht immer der Fall. In der Frühzeit gab es nur ein sehr eingeschränktes Angebot an Naturalien. Sammler, Jäger und Bauern waren selbst verantwortlich für ihre Versorgung.

Gegenwärtig gibt es in den Industrienationen mehr Lebensmittel, als wir verzehren können. Unterernährung und Mangelerscheinungen werden in unserer Gesellschaft kaum noch thematisiert. Stattdessen rückt immer mehr das Überangebot an Nahrungsmitteln mit deren Folgen auf die Bevölkerung in den Fokus der Forschung. Studien belegen, dass ein Großteil der Menschen nicht mehr verantwortungsvoll mit der Fülle an Essen umgehen kann und unter Übergewicht leidet.

Fettsucht und Fettleibigkeit sind Erscheinungen, denen in Deutschland eine immer größere Bedeutung beigemessen wird. Das bei einem starken Übergewicht definierte Krankheitsbild Adipositas zählt im 21. Jahrhundert zu einer der größten Gefährdungen der physischen sowie psychischen Gesundheit und wird von der Weltgesundheitsorganisation als Adipositas- Epidemie bezeichnet.1Im Ländervergleich zur Prävalenz von Adipositas befindet sich Deutschland im oberen Drittel.2

Im Rahmen der Bachelorarbeit werde ich die zuvor beschriebene Problematik der steigenden Prävalenz der Adipositaserkrankung erörtern. In der Ausarbeitung gehe ich besonders auf die Situation langzeitarbeitsloser, adipöser Menschen ein. Die Betroffenen sind häufig in ihrer Lebensqualität erheblich eingeschränkt und kommen ohne fremde Hilfe nicht aus dem Teufelskreislauf Adipositas heraus. Die erhöhte Morbidität und die Einschränkungen in deren Befindlichkeiten führen häufig zur Frühberentung oder sogar zum vorzeitigen Tod. Infolgedessen stellt die wachsende Anzahl an Übergewichtigen und Adipösen einen steigenden Kostenfaktor in unserem Gesundheitswesen dar. Es wurden zahlreiche Therapien zur Reduzierung des Gewichtes, Präventionsmaßnahmen zur

1 URL: Vgl. WHO, 2006, S.1.

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2 Verhinderung von Übergewicht und Maßnahmen zur Gesundheitsförderung von Arbeitslosen erarbeitet. Jedoch gibt es kaum Maßnahmen, die die beiden Aspekte Arbeitslosigkeit und Übergewicht kombinieren. Mit dieser Arbeit soll auf die Problematik mangelnder Angebote zur Gesundheitsförderung langzeitarbeitsloser, adipöser Menschen aufmerksam gemachen werden.

In dieser Arbeit sollen zwei aufeinander aufbauende Fragestellungen untersucht und beantwortet werden. Einerseits soll der Zusammenhang zwischen Adipositas und Arbeitslosigkeit mit deren gesundheitspolitischer Relevanz dargestellt werden und andererseits soll die Frage, wie zukünftig langzeitarbeitslose, adipöse Menschen in ihrem Gesundheitsverhalten gefördert werden können, beantwortet werden. Um die Komplexität des Themas darzustellen, ist die Arbeit in drei Themengebiete unterteilt. Zunächst wird das Krankheitsbild Adipositas erläutert in Abgrenzung zum Übergewicht. Es wird in der Arbeit auf epidemiologische Untersuchungen auf internationaler und nationaler Ebene eingegangen. Mit Hilfe des in Kapitel vier dargestellten biopsychosozialen Modells und den zuvor dargelegten Fakten werden zum Abschluss des Themengebietes die gesundheitlichen Folgen von Adipositas und deren gesundheitspolitische Relevanz erörtert. Im Anschluss wird die Problematik Arbeitslosigkeit veranschaulicht. Es werden zunächst die Begriffe der Arbeitslosigkeit erläutert und die derzeitigen Arbeitslosenzahlen dargestellt, um im folgenden Kapitel den Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und gesundheitlichen Einschränkungen zu verdeutlichen. Anhand von zwei verschiedenen Modellen zu den Folgen von Arbeitslosigkeit auf die Gesundheit und verschiedenen Untersuchungen sollen die gesundheitlichen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit dargestellt werden. Das dritte Themengebiet befasst mit der Gesundheitsförderung adipöser Menschen und Erwerbsloser. Im Anschluss werden Rückschlüsse auf eine Kombination der beiden Aspekte aufgeführt.

(9)

3 2 . D i e G r e n z e z w i s c h e n Ü b e r g e w i c h t u n d

A d i p o s i t a s

2.1 Bestimmung der Körperzusammensetzung

Die Bestimmung der Körperzusammensetzung ist für die Ermittlung der Körperfettmasse und des Fettverteilungsmusters von großer Relevanz. Zur Klassifizierung von Übergewicht und Adipositas wird international der body mass index (BMI) und die Taillenhüftrelation (WHR) verwendet. Beide Orientierungsgrößen sind aus klinischer Sicht Indikatoren zur Bestimmung der Morbidität. Des Weiteren dienen sie als Kenngrößen mit deren Hilfe das viszerale Fett unter der Anwendung geeigneter therapeutischen Methoden vermindert werden kann. 3

2.1.1 Der Body-Mass-Index (BMI)

Beim BMI handelt es sich um eine Messmethode zur Ermittlung der Körperfettmasse. Durch die leichte und exakte Ermittlung des BMI hat er sich auf nationalem und internationalem Boden als Vergleichsgröße etabliert. Beschrieben nach dem Erfinder Lambert Adolphe Jaques Quetelet geht der BMI als Bezugsgröße von der Körperoberfläche aus.4 Die Formel wird wie folgt definiert:

>>Body- Mass- Index<< (BMI) =

Der BMI findet sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern und Jugendlichen Anwendung. Bei Jugendlichen ist jedoch zu beachten, dass der BMI von alters- und geschlechtsspezifischen Schwankungen abhängig ist. Somit müssen Alter und Geschlecht kritisch bei der Bewertung der Körperzusammensetzung berücksichtigt werden.5

Der BMI muss aber auch kritisch hinterfragt werden. Den Menschen kann man ansehen, ob die Körperstruktur von der gesunden Norm abweicht, jedoch kann man nicht äußerlich auf die Körperzusammensetzung schließen. Folglich stellen z.B. Erkrankte mit starken 3 Vgl. Wirth, 2008, S.23. 4 Vgl. Liebermeister, Hermann, 2002, S.49. 5 Vgl. Lehrke, Laessle, 2009, S.3f. Körpergewicht (kg) [Körperlänge (m)]²

(10)

4 Lymphödemen oder stark Trainierte eine Problemgruppe dar. Schwankungen in der Körperzusammensetzung durch eine hohe Muskelmasse oder durch starke Wassereinlagerungen beeinflussen das Körpergewicht. Der BMI ist in diesem Fall nur unzureichend aussagekräftig. Des Weiteren stellen sich mit dem Prozess des Alterns Veränderungen in der Beschaffenheit der Körperstruktur ein. So erhöht sich der Körperfettanteil mit zunehmendem Alter, trotz gleichbleibenden Gewichtes.6 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der BMI in wissenschaftlichen Untersuchungen als wichtige Vergleichsgröße zur Beurteilung vermehrter Fettmassen dient. Dipl.- Psych. Andrea Benecke und Dr. Heiner Vogel unterstreichen noch einmal die Relevanz des BMI als Orientierungsgröße in Heft 16 der Gesundheitsberichterstattung des Bundes. „Der BMI korreliert mit der Fettmasse zu 95% und gilt als das beste indirekte Maß für die Körperfettmasse.“7 Allerdings sollte beachtet werden, dass der BMI bei Älteren, bei stark Trainierten und an Ödemen erkrankten Personen in ihrer Aussagekraft überdacht werden sollte.8

2.1.2 Umfangsmessungen a) Taillen-Hüft-Relation (WHR)

Die Taillen-Hüft-Relation ist ebenfalls eine aussagekräftige Orientierungsgröße zur Klassifizierung von Übergewicht. Der WHR beschreibt anders als der BMI das Fettverteilungsmuster und unterscheidet zwischen einer androiden und gynoiden Form. Er wird durch das Verhältnis zwischen Taillen- und Hüftumfang gemessen.9

Taillen-Hüft-Relation (WHR) =

b) Taillenumfang

Nach den neuesten Erkenntnissen genügt der Taillenumfang zur Differenzierung des Fettverteilungsmusters. Als Parameter spiegelt er die Risikobelastung von Übergewicht wider und dient als Maßeinheit, um Veränderungen der Körperfettmasse festzustellen. Die

6 Vgl. Wirth, 2008, S.21.

7 URL: Benecke, Vogel, 2003, geänderte Auflage 2005, S.7. 8 Vgl. Wirth, 2008, S.21.

9 Vgl. ebenda, 2008, S.24.

Taillenumfang (cm) Hüftumfang (cm)

(11)

5 Literatur beschreibt, dass die Messung des Taillenumfangs weitaus mehr Menschen mit metabolischem Krankheitsrisiko erfasst als der BMI. Wirth gibt das wie folgt wieder:10

„Da der Taillenumfang strenger mit Adipositas-assoziierten Krankheiten und Beeinträchtigungen der Lebensqualität korreliert als der BMI und die WHR, werden mit ihm mehr Risikopersonen identifiziert.“ 11

Demzufolge stellt sich die Umfangsmessung der Taille als unkompliziertes und nützliches Verfahren dar. So ist das Krankheitsrisiko bei Frauen mit einem Taillenumfang von über 80 cm und bei Männern von über 94 cm mäßig erhöht. Deutlich erhöht ist das Risiko bei Frauen mit einem Umfang von mehr als 88 cm und bei Männern von mehr als 102 cm.12 2.2 Übergewicht

Übergewicht wird in der Fachliteratur als eine Erhöhung des Körpergewichtes bezeichnet, das durch eine über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung des Körperfettanteils gekennzeichnet ist. Es besitzt einen BMI von >25< 30 kg/m². Die Phase des Übergewichts beschreibt den Übergang zur Adipositas. Betroffene Personen haben zwar nicht das gesundheitliche Risiko Adipöser, aber unterliegen der Gefahr eines Tages adipös zu werden.13 Man differenziert zwischen einer primären und sekundären Form des Übergewichts sowie einer androiden und gynoiden Erscheinungsform.

2.2.1 Primäres Übergewicht:

x Entstehung durch eine erhöhte Energiezufuhr, einhergehend mit einem zu geringen Energieverbrauch (gesteigerter Verzehr von Kalorien mit hohem Fettanteil)14

2.2.2 Sekundäres Übergewicht:

x Entstehung durch einen genetischen Defekt oder einen erworbenen Hormondefekt15 10 Vgl. Wirth, 2008, S.12. 11 Wirth, 2008, S.12. 12 Vgl. Wirth, 2008, S.24. 13 Vgl. ebenda, S.10.

(12)

6 2.2.3 Androide Erscheinungsform

x Kennzeichnung durch eine zentrale Fettverteilung

x Maß: Verhältnis zwischen dem Taillen- und Hüftumfang (Frauen: WHR˃ 0,85; Männer: WHR ˃1,0)

x Form der Fettverteilung als apfelförmig beschrieben

x Neigung zu Hypertonie, Diabetes Mellitus, Gefäßkrankheiten und koronaren Herzkrankheiten16

2.2.4 Gynoide Erscheinungsform

x Kennzeichnung durch eine periphere Fettverteilung x Form der Fettverteilung als birnenförmig beschrieben

x Maß: Verhältnis zwischen dem Taillen- und Hüftumfang (Frauen: WHR˂ 0,85; Männer: WHR ˂1,0)

x Neigung zu Wasserretentionen, Veneninsuffizienz und Immobilität17

Die gynoide und abdominale Erscheinungsformen dienen auch als Einteilungsmaße der Adipositas.

2.3 Adipositas

Der Begriff Adipositas wird umgangssprachlich auch als Fettsucht oder Fettleibigkeit verwendet. 18 Adipositas wird als eine ausgeprägte Form des Übergewichts bezeichnet und laut WHO als eigenständige Krankheit eingestuft. Im Gegensatz zur Klassifikation der WHO ist in Deutschland der Begriff Adipositas als eigenständige Krankheit noch nicht anerkannt.19 Im Folgenden werden die drei anerkannten Schweregrade der Adipositas differenziert.

15URL: Vgl. Benecke , Vogel, 2003, geänderte Auflage 2005, S.7.

16 Vgl. Wirth, 2008, S.11f., URL:Vgl. Benecke, Vogel, 2003, geänderte Auflage 2005, S.7. 17 Vgl. Wirth, 2008, S.11f.; URL: Vgl. Benecke, Vogel, 2003, geänderte Auflage 2005, S.7. 18 URL: Vgl. Lange, Ziese, 2009, S.100.

(13)

7 2.3.1 Adipositas Grad I: BMI >30< 35kg/m²

Im ersten Erkrankungsstadium der Adipositas ist in jedem Fall eine Behandlungsindikation gegeben. Aufgrund der erheblich gesteigerten Morbidität und Mortalität können Heilmittel, Verfahren und medikamentöse Maßnahmen in die Therapie eingebunden werden.20

2.3.2 Adipositas Grad II: BMI >35< 40kg/m²

Bei einem erhöhten BMI von 35 bis 40kg/m² hat sich das Gesundheitsrisiko deutlich erhöht. Bei schwerwiegenden Begleit- und Folgeerkrankungen sollte infolge einer Basisbehandlung und einer indizierten medikamentösen Therapie auch eine operative Therapie in Erwägung gezogen werden.21

2.3.3 Adipositas Grad III: BMI > 40kg/m²

Das schlimmste Ausmaß der Adipositas ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Komorbiditäten. Prinzipiell sollte eine operative Therapie angestrebt werden, da eine konservative bei ca. 1-3% der Patienten das Gewicht nur um 15% reduziert.22

3 . E p i d e m i o l o g i e

Durch den Einsatz des Body-Mass-Indexes (BMI) und der Verwendung von Umfangsmessungen bietet sich die Möglichkeit, epidemiologische Untersuchungen zu erheben. Da Übergewicht und Adipositas in Deutschland schon zur Normalität gehören, lassen sich die Daten unkompliziert erheben.

3.1 Häufigkeit von Adipositas

Die vom nationalen Gesundheitssurvey erhobenen Daten von 1998 dienen im Folgenden als Grundlage zur Darstellung des Gesundheitszustandes in Deutschland. Es werden die an Adipositas Erkrankten und Übergewicht leidenden Menschen abgebildet. Bei dieser

20 Vgl. Wirth, 2008, S.10. 21 Vgl. ebenda.

(14)

8 Untersuchung wurden 7124 Männer und Frauen im Alter von 18 bis 79 Jahren erfasst. Hierfür wurden Daten wie Körpergewicht, Körpergröße, Taillenumfang und Hüftumfang festgehalten, aus denen der BMI und WHR rechnerisch ermittelt wurde. Differenziert wurden die Ergebnisse nach Regionen (Ost-/ Westdeutschland), Übergewicht und Adipositas. Im Wesentlichen lässt sich festhalten, dass der BMI als Kennziffer bei Frauen und Männern in Deutschland deutlich erhöht ist. In Westdeutschland sind insgesamt 52% der Frauen und 67% der Männer übergewichtig. Prozentual sind in Ostdeutschland 57% der Frauen und 66% der Männer von Übergewicht betroffen. Adipös sind zu diesem Zeitpunkt 18% der Männer und 21% der Frauen im Westen sowie 21% der Männer und 24% der Frauen im Osten.23

So ist in Westdeutschland die Prävalenz der Männer mit 18% am geringsten und mit 24% der Frauen in Ostdeutschland am höchsten. Insgesamt findet man in Ostdeutschland eine größere Anzahl an Adipositas erkrankten Personen als in Westdeutschland. Allgemein lässt sich festhalten, dass der BMI bei Jugendlichen (geschlechtsunspezifisch) im Alter von 18-19 Jahren am geringsten ist und mit dem Alter allmählich wächst. Er erreicht seinen Höchstwert in der Altersspanne zwischen 60 und 69 Jahren.24

3.2 Entwicklung der Prävalenz von Adipositas und Übergewicht

Ergänzend zu den 1998 erarbeiteten Daten des Bundesgesundheits-surveys hat das Robert Koch Institut eine Nachfolgeuntersuchung erhoben zur repräsentativen Darstellung der Gesundheit Erwachsener in Deutschland. In der Nachfolgeerhebung wurden in einem Zeitraum von 2008 bis 2011 8125 Teilnehmer in einem Alter von 18 bis 79 Jahren befragt. Durch die Kombination des vom Robert Koch Institut erstellten Befragungssurveys und Untersuchungssurveys mit den in den Jahren 1998 und 1990-1992 erhoben Datensätzen wurde folgendes Liniendiagramm entwickelt. 25

23 URL: Vgl. Bergmann, Mensink, 1999, S.115ff. 24 URL: Vgl. ebenda.

(15)

9

Abbildung 1: zeitliche Entwicklung von Übergewicht und Adipositas in der 25- bis 79-jährigen Bevölkerung26

Abbildung 1 stellt die zeitliche Entwicklung von Übergewicht und Adipositas der deutschen Bevölkerung in einer Altersspanne von 25- bis 79- jährigen dar. Das Diagramm beschreibt die prozentuale Entwicklung, differenziert nach Adipositas und Übergewicht von 1990 bis 2011. Es ist ein deutlicher Anstieg der Adipositasprävalenz im Erwachsenenalter zu erkennen. So ist bei den Frauen ein prozentualer Anstieg von 3,7 Punkten und bei den Männern ein Anstieg von 4,9 Prozentpunkten zu vermerken. An Übergewicht leiden prozentual wesentlich mehr Männer als Frauen. 66,9 Prozent der Männer litten von 1990 bis 1992 an Übergewicht. Dieser Wert stieg um 3,9 Prozente bis 1998 und sank daraufhin nur geringfügig um 0,3 Prozent bis 2011. Prozentual waren 1990 bis 1992 52,8% der Frauen von Übergewicht betroffen. Der Wert stieg bis 1998 auf 53,4 Prozent an und fiel darauf hin wieder auf 51,5 Prozent. 27 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Übergewicht und Adipositas bei der deutschen erwachsenen Bevölkerung weit verbreitet sind. Verfolgt man die Ausweitung von Übergewicht und Adipositas, so zeigt

26 URL: Lampert , Mensink, 2013, S.4. 27 URL: Vgl. ebenda.

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10 sich, dass weniger als ein Drittel der männlichen Bevölkerung und etwas weniger als die Hälfte der Frauen normalgewichtig sind. Circa 20% der Bevölkerung können als adipös klassifiziert werden.28

4 . E n t s t e h u n g u n d A u f r e c h t e r h a l t u n g v o n A d i p o s i t a s

4.1 Das biopsychische Modell

Basierend auf den genetischen Faktoren, soziokultuellen Einflüssen, psychologischen und psychosozialen Einflüssen wird im Folgenden anhand des biopsychosozialen Modells Antwort auf die Entstehung und Aufrechterhaltung von Adipositas geben.

4.1.1 Genetische Faktoren

Das Krankheitsbild Adipositas ist durch die steigende Anzahl an Neuerkrankungen in den Fokus der Forschung getreten. Es warf die Frage auf, inwiefern genetischen Faktoren ursächlich für die Entstehung von Adipositas sind. Indizien für eine genetische Disposition lieferten Daten, in denen die familiäre Häufung erfasst wurde. So wiesen Kinder mit einem übergewichtigen Familienhintergrund ein 80%iges Risiko auf, ebenfalls adipös zu werden. Im Gegensatz dazu liegt das Erkrankungsrisiko von Kindern mit schlanken Eltern nur bei 20%. Die Aussagekraft dieser Daten sind jedoch fragwürdig, da der Einfluss der Umweltfaktoren nicht ausgeschlossen werden kann. Aussagekräftiger sind in diesem Fall die Zwillings- und Adoptionsstudien. Der BMI der leiblichen Eltern korreliert stärker mit den Adoptivkindern als mit den der Adoptiveltern. Das Resultat der Zwillingsstudien unterstützt das Ergebnis der Adoptionsstudien. Die Korrelation des BMI Wertes bei getrennt aufwachsenden eineiigen Zwillingen ist sehr hoch. Insgesamt belegen die Untersuchungen eine starke genetische Komponente. Jedoch ist zu beachten, dass nicht das Krankheitsbild Adipositas vererbt wird, sondern nur die Veranlagung. Dementsprechend kann trotz Neigung durch eine gesunde Lebensweise, Einfluss auf die Gewichtsentwicklung genommen werden. 29

28 URL: Vgl. Lampert, Mensink, 2013, S.4.

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11 4.1.2 Psychologische und psychosoziale Einflüsse

Die tägliche Nahrungsaufnahme sollte im Idealfall dem Hungergefühl angepasst sein. Das Krankheitsbild Adipositas kann in der Kalorienaufnahme aber auch durch emotionale Faktoren und dem Lernprozessen beeinflusst werden. Der familiäre Hintergrund spielt in der Gestaltung der Mahlzeiten eine große Rolle. Somit kann das Ess-, Trink-, Bewegungsverhalten und die Einstellung zum eigenen Körper durch die Vorbildfunktion der Eltern gesteuert und vermittelt werden.30

Die Assoziation von negativen Gefühlen mit der Nahrungsaufnahme kann dauerhaft zu einer unbewussten Verhaltensveränderung führen. Die Folge ist, dass trotz Sättigung gegessen wird. Gefühlszustände wie Stress, Angst und Einsamkeit werden dabei als Motive zur der vermehrten Nahrungsaufnahme genannt. Das Essen wird zum Trostspender oder als eine Art der Belohnung eingesetzt. Der Appetit als Ursache für das Essverhalten wird ausgeblendet und tritt in den Hintergrund. Die Nahrungsaufnahme als emotionales Verarbeitungsmuster kann noch zusätzlich durch das Fehlverhalten der Eltern verstärkt werden.31

4.1.3 Soziokulturelle Einflüsse

Gesellschaftliche Normen und Werte, welche sich beispielsweise im Freizeit- und Bewegungsverhalten widerspiegeln, können unter anderem auch Rückschlüsse auf die Konstitution einer Gesellschaft geben. Adipositas wird vornehmlich in den Industrienationen lokalisiert. In diesem Fall stellt sich die Frage, inwiefern gesellschaftliche Konventionen Einfluss auf das Körpergewicht haben.32

Eine Ursache für Adipositas, welche auf soziokulturelle Einflüsse zurückführbar sind, ist das Leben in einer Überflussgesellschaft. Heutzutage stehen einem Nahrungsmittel mit einer hohen Energiedichte zu jeder Zeit und überall zur Verfügung. In der Vergangenheit war die Knappheit von Nahrungsmitteln keine Seltenheit. Zudem war der Lebensunterhalt mit viel körperlicher Arbeit verbunden, sodass Übergewicht oder Adipositas nicht die Normalität war. Aufgrund von mangelnder Zeit, der Schnelllebigkeit und der hohen Akzeptanz in unserer Gesellschaft von Fast Food und Fertigprodukten sowie die immer

30 Vgl. Pudel, 2003, S.17; Vgl. Wirth, 2008, S.98f.; Vgl. Lehrke, Laessle, 2009, S.21f. 31 Vgl. ebenda, Vgl. ebenda, Vgl. ebenda.

(18)

12 weniger werdenden Mahlzeiten im Familienkreis kommt es zum Verlust der Esskultur. Ein weiterer Faktor basierend auf gesellschaftlichen Einflüssen ist die zunehmende körperliche Inaktivität.33 Das Robert Koch Institut beschreibt dies im Gesundheitssurvey wie folgt:

„ Die Notwendigkeit, sich körperlich zu betätigen, hat sich in vielen Lebensbereichen wie im Haushalt, bei der Arbeit und während des Transportes in den letzten Jahrzehnten ständig verändert. Deshalb ist ein sitzender Lebensstil inzwischen der Normalfall. Für unseren Organismus ist ein derartiger Lebensstil aber auf Dauer schädlich […]“34

Am Beispiel der Jugendlichen wird der Mangel an Bewegung u.a. an den unzulänglichen motorischen Fähigkeiten und dem zunehmenden Gewicht deutlich. Übergewicht und Adipositas können somit schon im Jugendalter durch mangelnde Bewegung initiiert werden. Computerspiele und Fernsehen sind dabei die häufigsten Freizeitaktivitäten, die durch ihre Passivität Übergewicht begünstigen.35 In der Literatur wird beschrieben, dass Jugendliche, die mehr als fünf Stunden pro Tag vor dem Fernseher verbringen, 4,6mal häufiger übergewichtig werden als Kinder, die nur zwei Stunden am Tag vor dem Apparat sitzen.36

Der sozioökonomische Status spielt in der Entstehung von Adipositas eine wichtige Rolle. Studien belegen, dass ein niedriger sozialer Status die Entstehung von Adipositas und Übergewicht fördern. Dementsprechend haben Frauen mit einem Hauptschulabschluss ein 4mal größeres Risiko an Adipositas zu erkranken als Abiturienten. Die hohe Prävalenz der Übergewichtigen mit einem geringen sozialen Status assoziiert einen ungesunden Lebensstil hinsichtlich der Ernährung und Bewegung.37

4.1.4 Erläuterung des biopsychosozialen Modells

Bei dem Krankheitsbild Adipositas handelt es sich um ein heterogenes Störungsbild, welches durch eine Vielzahl von Faktoren bestimmt ist. Das biopsychosoziale Modell

33 Vgl. Lehrke, Laessle, 2009, S.23. 34 Mensink, 1999, S.126.

35 Vgl. Pudel, 2003, S.17., Vgl. Wirth, 2008, S.98f., Vgl. Lehrke, Laessle, 2009, S.19f. 36 Tuschen- Caffier et al., 2005, S.28 (zit. nach: Grotmaker et al., 1996, S.356-362). 37URL: Vgl. Rieck, Lehmann, 2008, S.42.

(19)

13 integriert die zuvor beschriebenen Einflussfaktoren bei der Darstellung der Adipositasentstehung.

Die Grundannahme für die Entstehung der Adipositas liegt in der Energiezufuhr und dem Energieverbrauch. Es stellt sich ein Gleichgewicht beziehungsweise ein konstantes Gewicht ein, wenn die Energiezufuhr dem Energieverbrauch entspricht. Ist die Kalorienaufnahme geringer als der Bedarf kommt es zur Gewichtsabnahme. Ist es jedoch umgekehrt, übersteigt die Nahrungsaufnahme den eigentlichen Energiebedarf, kommt es zur Gewichtszunahme. Relevant für die Gewichtsentwicklung ist dabei die qualitative38 und quantitative39 Nahrungsaufnahme.

Abbildung 2: biopsychosoziales Modell der Entstehung und Aufrechterhaltung von Übergewicht und Adipositas 40

38 Die Qualitative Nahrungsaufnahme beschreibt die Zusammensetzung der Nahrung. Sie gibt

Aufschluss über die Anteile von Kohlenhydraten, Eiweißen und Fetten.

39 Die Quantitative Nahrungsaufnahme beschreibt die Gesamtkalorienzahl am Tag d.h., wieviel

Energie, gemessen in Kalorien, am Tag zu sich genommen werden.

40 Eigene Darstellung auf Basis Lehrke, Laessle, 2009, S.24.

Psychosoziale Faktoren x Lerngeschichte/ Elternhaus

(Funktion des Essens, Nahrungsmittelpräferenzen) x Stress und emotionale

Befindlichkeit

Soziokulturelle Faktoren x leichte Verfügbarkeit von

Nahrungsmitteln mit hoher Energiedichte ( Überflussgesellschaft) x körperliche Inaktivität Genetische Faktoren x hohe Fettzellen-Anzahl x niedriger Energie-verbrauch x Fettpräferenz Essverhalten

(qualitative und quantitative Nahrungsaufnhme) Aktivitätsverhalten Ruhestoffwechsel

Energieaufnahme Energieverbrauch

(20)

14 Die Abbildung 2 zeigt, dass in Abhängigkeit mit der Energieaufnahme und dem Energieverbrauch ebenfalls die verhaltensbezogenen Faktoren, wie das Essverhalten, der Ruhestoffwechsel und das Tätigkeitsspektrum stehen. Die zuvor beschriebenen psychosozialen, soziokulturellen und genetischen Einflüsse wirken auf den Ruhestoffwechsel und das Aktivitätsverhalten. Die Lerngeschichte ist für die psychosoziale Komponente von großer Bedeutung. Sie hat Auswirkungen auf die Nahrungsmittelvorlieben, die unter anderem vom Elternhaus geprägt werden. Die soziokulturellen Faktoren wirken sich einerseits auf das Essverhalten und anderseits auf das Aktivitätsverhalten aus. Begründet liegt dies in unserer Überflussgesellschaft und in der zunehmenden körperlichen Inaktivität. Die Hohe Anzahl an Fettzellen, der geringe Energieverbrauch und die vermehrte Neigung fetthaltige Nahrung zu verzehren, welche als genetische Komponenten bekannt sind, beeinflussen den Ruhestoffwechsel und das Ernährungsverhalten.41

In dem von Lehrke und Laessle dargestellten Modell geht hervor, dass die Gesundheitsförderung von Adipösen eine komplexe Herausforderung ist. Durch die Vielfältigkeit der einzelnen Faktoren, müssen diese bei der Erstellung von Behandlungsstrategien besonders berücksichtigt und analysiert werden. Die Effektivität des Abnehmprozesses ist nicht nur abhängig von einer geringeren Kalorienaufnahme und mehr Aktivität, sondern auch von der individuellen Lebensgeschichte.

4.2 Hat das Krankheitsbild Adipositas eine Suchtkomponente?

Adipositas wird in der Literatur als Essstörung bezeichnet. Man assoziiert häufig mit dem Begriff Essstörungen eine Suchtkomponente. In diesem Zusammenhang werden vor allem Bulimia Nervosa und Anorexia Nervosa genannt.42 Daraus ableiten lässt sich die Frage, ob Adipositas als Essstörung auch als Suchterkrankung klassifiziert werden kann. Im Folgenden soll die Problematik genauer erörtert werden unter Berücksichtigung des zuvor beschriebenen biopsychosozialen Modells. Beise definiert hierfür den Begriff Sucht wie folgt:

41 Vgl. Lehrke, Laessle, 2009, S.23f. 42 Vgl. Tuschen- Caffier et al., 2005, S.10ff.

(21)

15 „Unter Sucht versteht man ein bestimmtes Verhaltensmuster, das mit einem unwiderstehlichen, wachsenden Verlangen nach einem bestimmten Gefühls- und Erlebniszustand beschrieben wird.“ 43

Die Entstehung von Suchterkrankungen unterliegt wie Adipositas den genetischen Faktoren, der Lerngeschichte und den gesellschaftlichen Faktoren.44 Bezieht man die Erkrankung Adipositas auf die zuvor beschriebene Definition und deren Entstehungsgeschichte, so lässt sich feststellen, dass das Krankheitsbild Adipositas basierend auf den genetischen Faktoren, wie z.B. der hohen Anzahl an Fettzellen und der Erblichkeit von Adipositas eine Suchtkomponente beinhaltet. Bezieht man die Entstehung von Adipositas auf psychologische, psychosoziale und soziokulturelle Einflüsse, kann Adipositas ebenfalls als Suchterkrankung klassifiziert werden. So können z.B. emotionale Faktoren, wie der Verlust eines Familienmitgliedes oder der Wegfall der Anstellung durch situationsgebundenes depressives Verhalten und Isolation begünstigt werden. Einerseits kann die resultierende Inaktivität die Entstehung von Adipositas fördern. Andererseits kann aufgrund der Lerngeschichte die Nahrungsaufnahme mit einem positiven Gefühl verbunden werden und mit einer erhöhten Nahrungsaufnahme kompensiert werden. Kann das Verlangen nach Lebensmitteln nicht gestillt werden, lässt sich schlussfolgern, dass eine dauerhafte Begierde nach Essen Gefühlszustände befriedigt und die Entstehung bzw. Aufrechterhaltung von Adipositas fördert. Die daraus resultierende psychische sowie auch körperliche Abhängigkeit kann demzufolge von vielen Ursachen bedingt sein. Ein weiteres Kriterium zur Beurteilung der Suchtkomponente von Adipositas liegt in der Symptomatik. Zur Klassifizierung der Abhängigkeit müssen laut Beise drei der folgenden sechs Symptome vorliegen, zum einen ein sehr starkes Verlangen nach dem Suchtstoff, dem kaum zu widerstehen ist und zum anderen ein Kontrollverlust. Des Weiteren werden Entzugssymptome beim Absetzen des Suchtstoffes (z. B. Unruhe, Zittern, Ängste, Stimmungsschwankungen) diagnostiziert. Es entwickelt sich eine Toleranz gegenüber dem Suchtmittel, d. h. der Abhängige oder Süchtige benötigt eine immer größere Menge des Suchtstoffs, um die gleichen Effekte zu erzielen. Die Betroffenen vernachlässigen immer mehr andere Interessen und setzen den Konsum fort trotz des Wissens über die

43 Beise,2009, S.333. 44 Vgl. ebenda.

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16 schädlichen Folgen.45 Um Adipositas nach den zuvor beschriebenen Symptomen als Sucht zu klassifizieren, müssen diese individuell für jeden Patienten untersucht werden. Ein Sonderfall, der häufig Adipositas zur Folge hat, ist die Binge- Eating Störung. Durch die unkontrollierten Schübe der Binge-Eating Störung mit der Folge von Übergewicht, kann Adipositas als Suchterkrankung klassifizieren. Die Betroffenen leiden häufig an Übergewicht aufgrund von immer wiederkehrenden Essanfällen, über die sie keine Kontrolle haben. Während der Essattacke haben die Erkrankten keinen Einfluss auf die qualitative und quantitative Nahrungsaufnahme.46 Insgesamt lässt sich festhalten, dass Adipositas Potential hat, sich zu einer Suchterkrankung zu entwickeln. Es muss jedoch für jedes Individuum einzeln abgewogen werden, ob die Problematik zutreffend ist.

5 . R e l e v a n z f ü r d i e G e s u n d h e i t s p o l i t i k

Adipositas und Übergewicht gehören in Deutschland schon zur Normalität. Die Erkrankung Adipositas und das Leiden an Übergewicht sind eines der größten Gefahren für das psychische und physische Wohlergehen. Im Folgenden wird anhand der Komorbidität47, der Mortalität48 und der Lebensqualität verdeutlicht, dass präventive und gesundheitsförderliche Eingriffe notwendig sind.

5.1 Komorbidität

Grundsätzlich ist der hohe gesundheitspolitische Stellenwert von Adipositas in der Vielzahl von Folgeerkrankungen zu sehen, die eine erhebliche Auswirkung auf den Gesundheitszustand der Betroffenen haben.

45 Vgl. Beise, 2009, S.333.

46 Tuschen- Caffier et al., 2005, S. 14f.

47Der Fachterminus Komorbidität ist eine statistische Größe in der Epidemiologie. Er beschreibt

in der Medizin eine oder mehrere zusätzliche Erkrankungen zusätzlich zu einer Grunderkrankung.

48 Mortalität ist ein Begriff der Demografie und wird als Sterberate definiert. Er beschreibt die

Anzahl an Todesfällen bezogen auf die Gesamtanzahl der Individuen einer betroffenen Population, welche meist auf einen bestimmten Zeitraum bezogen ist.

(23)

17 „ Neben dem erhöhten psychosozialen Leidensdruck, der im Bewusstsein der Patienten zumeist stärker empfunden wird als körperliche Risikofaktoren, sind Adipositas und Übergewicht häufig mit einer Fülle anderer Krankheiten assoziiert […].“49

Pudel beschreibt, dass für das Krankheitsbild Adipositas eine große Anzahl an Begleiterkrankungen charakteristisch ist.50 Metabolische und endokrine Krankheiten werden vor allem durch Übergewicht begünstigt. Kardiovaskuläre Erkrankungen wie Hypertonus, Hyperlipidämie, Diabestes mellitus, Myokardinfarkte und cerebrale Insulte werden mit Adipositas assoziiert.51 Ebenso sind aber auch degenerative Gelenkerkrankungen, Karzinome, Atem- und Schlafstörungen charakteristisch.52 Die WHO klassifizierte die Folgeerkrankungen der Adipositas nach ihren belastenden Faktoren, wie folgt:

Risiko um mehr als das 3fache erhöht

Risiko um das 2- bis 3fache erhöht

Risiko um das 1- bis 2fache erhöht x Diabetes mellitus x Cholezytolithiasis x Dyslipidämie x Insulinresistenz x Schlafapnoe-Syndrom x Koronare Herzkrankheit x Hypertonie x Arthrosen x Hyperurikämie und Gicht x Karzinome x Polyzystisches Ovarsyndrom x Infertilität x Rückenschmerzen x Fetopathie

Tabelle 1: Risikoklassifikation für mit Adipositas assozierte Krankheiten53

Erkrankungen, die im Zusammenhang mit Übergewicht stehen, sind oftmals in kardiovaskulären Risikofaktoren begründet. Am Beispiel der Hypertonie wird deutlich, dass nur 8% der Normalgewichtigen mit einem zu hohen Bluthochdruck belastet sind.

49 Volker Pudel, 2008, S.7. 50 Vgl. ebenda.

51 Vgl. Ellrot, 1998, S.8. 52 Vgl. Wirth, 2008, S.43f.

(24)

18 Jedoch weisen schon Präadipöse ein zweifach so hohes Risiko auf und Adipöse sind sechsfach so hoch belastet wie Normalgewichtige. Insgesamt lässt sich festhalten, dass 74% der Normalgewichtigen überhaupt keine Risikofaktoren aufwiesen. Vergleichsweise geht der Prozentsatz bei Fettleibigen stark zurück. So sind nur 38% der Übergewichtigen und 22% der Adipösen unbelastet. Demzufolge sind Adipöse dreimal mehr gefährdet und haben zwei oder mehr Risikofaktoren als Normalgewichtige.54

Neben der Vielzahl an physischen Erkrankungen sind auch psychosoziale Auswirkungen erkennbar. Negative Attribute, wie dumm, faul und hässlich sind Makel, die häufig mit Adipositas in Verbindung gebracht werden. Diskriminierung, soziale Benachteiligungen und die Akzeptanz in unserer Gesellschaft stellen sich immer noch als problematisch dar. Die Folge sind beispielsweise Angstzustände und Depressionen. Diese können als typische Folgeerkrankungen klassifiziert werden und beeinträchtigen vor allem das Selbstwertgefühl und die Lebensqualität.55

5.2 Mortalität

„ Seit Jahrhunderten ist bekannt, dass Übergewicht mit einer erhöhten Mortalität aufgrund von Begleitkrankheiten und Komplikationen einhergeht. Aber erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ist es gelungen, den Zusammenhang zwischen Gewicht und Sterblichkeit überzeugend nachzuweisen, wenn auch nicht in allen Einzelheiten schlüssig.“56

Zur Erläuterung der Mortalitätsrate bei Adipositas müssen epidemio-logische Studien mit einer großen Anzahl an Teilnehmern über einen langen Zeitraum beurteilt werden. Im Folgenden werden die Ergebnisse verschiedener Studien zur Sterblichkeit zusammengefasst.

Frauen mit einem BMI zwischen 22,0 und 23,4 kg/m² und Männer mit einem BMI zwischen 23,5 und 24,9 kg/m² haben die höchste Lebenserwartung. Klassifiziert nach dem BMI Grad haben geschlechterunspezifisch Übergewichtige ein 1- 41%, Adipöse der Stufe

54 Vgl. Wirth, 2008, S.43f.

55 Vgl. Lehrke, Laessle, 2009, S.10f. 56 Vgl. Wirth, 2008, S.47.

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19 I ein 1 bis 97% und Adipöse der Stufe II und III ein 15 bis 249% erhöhtes Risiko zu versterben.57 Mit dem erhöhten Körpergewicht geht der Verlust an Lebensjahren einher. So ist der Verlust an Lebensjahren vor allem bei jungen, extrem Adipösen und männlichen Personen deutlich erhöht. Beispielsweise verliert ein 20- bis 30-jähriger Mann mit einem BMI von 35kg/m² 3,3 Lebensjahre und ein 20-jähriger Mann mit einem extremen BMI von 45kg/m² verliert sogar 13 Lebensjahre. So würde sich die Lebenserwartung, die bei Normalgewichtigen 75 Jahre beträgt, um 24% auf 62 Jahre verkürzen. Im Gegensatz dazu findet bei Übergewichtigen und gering belasteten Adipösen keine Lebensverkürzung ab dem 60.Lebensjahr statt. Resultierend lässt sich festhalten, dass jüngere Adipöse mehr Lebensjahre einbüßen als ältere Adipositaserkrankte.58 Begründet wird die Differenz in den Lebensjahren wie folgt:

Junge Personen entwickeln durch die Ansammlung von Fettgewebe über mehrere Jahre hinweg lebensbedrohende Krankheiten, die die Organfunktionen nachhaltig schädigen und Einbüßungen in den Lebensjahren einbringen. Im Gegensatz dazu hat Übergewicht im Alter nur eine geringe Wirkung auf die vorzeitige Sterblichkeit. Insgesamt lässt sich festhalten, dass das Risiko, an Übergewicht zu sterben, um 20 bis 40% erhöht ist und bei Adipösen um das 2 bis 3- fache sich erhöht.59

5.3 Lebensqualität

Einschränkungen hinsichtlich der Lebensqualität erfahren vor allem Übergewichtige und Adipöse in der Bewältigung von Alltagssituationen.

„ […] schon die Körperfülle alleine mit verdickter Unterhautschicht bereitet Luftnot bei Belastung, Schwitzen und Geruchsbelästigung für andere.“60

Adipöse sind nicht nur durch vegetative Störungen belastet. Viel häufiger sind sie von adipositasbedingten Krankheiten betroffen, sterben früher und sind meist durch die mit Adipositas assoziierten Begleiterkrankungen eingeschränkt. Die allgemeine

57 Vgl. Wirth, 2008, S.49 (zit. nach: Calle et al. Body mass-index and mortality in a prospective

cohortof US adults, 1999, 341: 1097-1105)

58 Vgl. Wirth, 2008, S.48ff 59 Vgl. ebenda.

(26)

20 Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper geht einher mit den körperlichen Funktionseinschränkungen. Durch die Beeinträchtigung der Beweglichkeit, bedingt durch das vermehrte Fettgewebe, werden Alltagsbewegungen wie das Gehen, das Laufen von weiten Strecken, das Treppensteigen, das Knien und das Bücken zu neuen Hürden des Alltags. Durch die allgemeine Behinderung in der Gelenkigkeit und Beweglichkeit sind bestimmte Berufe nicht mehr geeignet bzw. können nicht mehr ausgeführt werden. Die Fülle an Folgeerkrankungen mit Auswirkungen auf die Organe und Körperstrukturen unterstützen zunehmens die Arbeitslosigkeit von Adipösen. 61

Neben den körperlichen Einschränkungen fühlen sich Adipöse auch auf sozialer Ebene benachteiligt. Im jugendlichen Alter ist Übergewicht ein Makel, der mit einem starken Leidensdruck einhergeht. Hänseleien und Diskriminierungen, die sich bis zum Erwachsenenalter hinziehen, führen zu erheblichen Schuldgefühlen der Erkrankten. Den Betroffenen wird häufig Faulheit, Dummheit und eine mangelnde Willensstärke unterstellt. Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körperbild und die daraus resultierenden Identifikationskrisen haben psychosoziale Konsequenzen. Durch die geringe gesellschaftliche Akzeptanz, Diskriminierung und Ausgrenzung kommt es zur Verminderung des Selbstwertgefühls. Die Folge sind der soziale Rückzug, die Ängstlichkeit und Depressivität. Diese wirken sich gleichermaßen auf den Beruf, die Familie und das gesellschaftliche Leben aus. 62

So ist nachgewiesen, dass mit steigendem Gewicht die körperlichen und psychosozialen Konsequenzen zunehmen. Dabei wird von Frauen die eingeschränkte Lebensqualität deutlicher wahrgenommen als durch die Männer. 63

5.4 Folgen für die Gesundheitspolitik

Die Kapitel Morbidität, Mortalität und Lebensqualität beschreiben Adipositas als eine wachsende Herausforderung für die Gesundheit, die Wirtschaft und die Entwicklung. Der Verlust an Lebensjahren und das geringe Wohlbefinden bedingt durch das Übergewicht gehen einher mit einer hohen Krankheitslast. Mit der zunehmenden Tendenz von Adipösen und Übergewichtigen in unserer Gesellschaft steigt der Anteil an nichtübertragbaren

61 Vgl. Wirth, 2008, S.54.

62 Vgl. Lehrke, Laessle, 2009, S.10f. 63 Vgl. Wirth, 2008, S.54f.

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21 Krankheiten. Durch die Vielzahl an Folgeerkrankungen, die medizinische Versorgungsleistungen benötigen, erhöhen sich die wirtschaftlichen Belastungen. Somit sind durch Übergewicht bedingte Krankheiten eine jährliche Rate von fünf Millionen Todesfällen in den europäischen Regionen der WHO zu vermerken. Diese Fakten haben eine erhebliche Auswirkung auf die ökonomischen und sozialen Bereiche. Dementsprechend können 6% der Gesundheitsausgaben der Erkrankung Adipositas und dem Übergewicht zugeschrieben werden. Indirekte Kosten64 des Krankheitsbildes belaufen sich auf mindestens das Doppelte.65

Zwei Studien ermittelten für Deutschland die Gesamten Krankheitskostenkosten für Adipositas und deren Folgekrankheiten in den Jahren 2001 und 2002 mittels Top- down- Ansatzes66. Für das Jahr 2001 konnten 4,24 Mrd. Euro ermittelt werden. Die direkten Kosten, die durch die Inanspruchnahme von medizinischen Versorgungsleistungen entstehen, beliefen sich auf 2,03 Mrd. Euro und die indirekten Kosten auf 2,21 Mrd. Euro. Vergleichsweise wurden im Jahr 2002 9,87 Mrd. Euro an adipositas- assoziierten Kosten berechnet. Die deutlich höheren Gesamtkosten setzen sich aus 4,85 Mrd. Euro direkten und 5,02 Mrd. Euro indirekten Kosten zusammen. Die Gesamtkosten lassen sich Prozentual wie folgt zuteilen. 39,9% können den kardiovaskulären, 24,8% den endokrinologischen Erkrankungen und 25,4% den Neubildungen zugeschrieben werden.67

„Die Adipositas ist eine kostenträchtige Krankheit. Sie kostet ebenso viel wie der Diabetes und das Rauchen und mehr als die koronare Krankheit.“68

Aufgrund der zuvor dargestellten Daten wird die Relevanz von Projekten zur Gesundheitsförderung und Prävention deutlich. Es müssen auf nationaler und internationaler Basis wirksame Konzepte entwickelt werden zur Förderung eines gesunden

64 Indirekte Kosten bedingt durch den Verlust von Menschenleben und Produktivität bzw. damit

verbundener Einkommen. Vgl. WHO, 2006, S.2.

65 URL: Vgl. WHO, 2006, S.1f., Vgl. Bäumel, 2012, S.3f.

66 Top- down- Ansatz beschreibt die Berechnung von Krankheitskosten aus hoch kumulierten

Inanspruchnahme- oder Kostendaten (z.B. von statistischen Ämtern). Vgl. Lewandowski, Bein, 2012, S.4.

67 Vgl. Lewandowski, Bein, 2012, S.4ff. 68 Wirth, 2008, S.61.

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22 Lebensstils. Bewegung und gesunde Ernährung müssen Schlüsselpunkte der Gesundheitspolitik werden, um das Fortschreiten der Epidemie Adipositas zu verhindern. Gesamtgesellschaftlich muss das Ernährungs- und Bewegungverhalten nachhaltig verbessert werden. Erwachsene müssen gesünder leben, um den Kindern ein Vorbild zu sein. Insgesamt würde das Leben der Betroffenen an Qualität gewinnen. Die Leistungsfähigkeit im Privatleben, Beruf und im Bereich der Bildung würde sich steigern. Ein zweiter positiver Effekt wäre die Reduzierung der Begleiterkrankungen von Adipositas, die durch den ungesunden Lebensstil begünstigt werden. Wirth zeigt in seinem Buch auf, dass schon bei einem 10%igen Gewichtsverlust die Kosten für Diabestes Mellitus um 33%, für Arthrose um 25% und für Hypertonie um 18% gesenkt werden können.69

(29)

23 6 . A r b e i t s l o s i g k e i t , L a n g z e i t a r b e i t s l o s i g -k e i t u n d A r b e i t s u n f ä h i g -k e i t i m F a l l d e r A r b e i t s l o s i g k e i t

Die Begriffe Arbeitslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit werden im Folgenden anhand der im Sozialgesetzbuch II und III aufgeführten Gesetzestexte erläutert. Ergänzend sollen die Verwaltungsdaten der Bundesagentur für Arbeit Aufschluss über die derzeitige Arbeitsmarktsituation geben.

6.1 Arbeitslosigkeit

Personen, die nach § 16 Abs. 2 SGB III von Arbeitslosigkeit betroffen sind, sind Menschen, die Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Diese Individuen stehen vorübergehend in keinem Beschäftigungsverhältnis oder gehen einer Tätigkeit mit weniger als 15 Stunden nach. Die nach versicherungspflichtigen Beschäftigungen Suchenden müssen sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos melden und den Vermittlungsversuchen dieser auch zur Verfügung stehen. Die Arbeitslosendefinition des SGB III wird in den Grundsätzen auf die im §7 des SGB II definierten Personenkreis angewandt. Des Weiteren ist geregelt, dass Teilnehmer arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen nicht als arbeitslos gelten.70

6.2 Langzeitarbeitslosigkeit

Der Begriff Langzeitarbeitsloser, welcher im §18 SGB III niedergeschrieben ist, charakterisiert eine Person, die ein Jahr und länger arbeitslos ist. 71

6.3 Arbeitsunfähigkeit im Fall der Arbeitslosigkeit

Arbeitsunfähigkeit wird laut § 2 Absatz 3 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien wie folgt definiert:

„¹Versicherte, die arbeitslos sind, […], sind arbeitsunfähig, wenn sie krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage sind, leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den sie sich bei der Agentur für Arbeit zur Verfügung

70 Vgl. Schulin, 2012, S.113; URL: Vgl. Bundesagentur für Arbeit, 2004, S.3. 71 Vgl. Schulin, 2012, S.113.

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24 gestellt haben. ²Dabei ist es unerheblich, welcher Tätigkeit die oder der Versicherte vor der Arbeitslosigkeit nachging. […]“72

Hervorzuheben ist, dass die Arbeitsunfähigkeit an der Vermittlungsfähigkeit einer aktuell zumutbaren Arbeitstätigkeit gemessen wird. Bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im Verhältnis der Arbeitslosigkeit ist der Arbeitslose verpflichtet, diese laut § 56 SGBII und § 311SGBIII unverzüglich zu melden. 73

7 . D e r z e i t i g e A r b e i t s l o s e n z a h l e n

Anhand der folgenden Graphik wird die derzeitige Situation der Arbeitslosigkeit erläutert. Dafür werden die Daten der Bundesagentur für Arbeit des Monats März 2014 dargestellt.

Abbildung 3: Leistungsberechtigte Personen in der Grundsicherung und Arbeitslose nach Rechtskreisen74

72URL: Gemeinsamer Bundesausschuss, 2013, S.3. 73 Vgl. Hollederer, 2011, S.113.

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25 Derzeitig sind nach dem SGB II 6,1 Mio. Menschen leistungsberechtigt und in einer Bedarfsgemeinschaft lebend. 4,4 Mio. der Leistungsberechtigten sind erwerbsfähig und davon 2 Mio. beim Jobcenter als arbeitslos gemeldet. Von diesen 2 Mio. Arbeitslosen, welche im SGBII erfasst sind, sind 947000 langzeitarbeitslos. Die Zahl nicht erwerbsfähiger Leistungsberechtigter75 beläuft sich auf 1,7 Mio. Menschen. Die Gesamtzahl von 3,1 Mio. Arbeitslosen verteilt sich mit 1,026 Mio. auf den Rechtskreis SGBIII und dem Rechtskreis II sind 2 Mio. Personen zuzuordnen. Insgesamt sind 1,1 Mio. der Arbeitslosen langzeitarbeitslos. Dabei sind 11,8% der Arbeitslosen des Rechtskreises SGB III und 46,6% der Arbeitslosen im Rechtskreis SGB II Langzeitarbeitslose.76

8 . F o l g e n v o n A r b e i t s l o s i g k e i t f ü r d i e G e s u n d h e i t

Der Gesundheitszustand Arbeitsloser ist Inhalt vieler Forschungsprojekte. Es stellt sich die Frage, ob Arbeitslosigkeit als eigenständiger Faktor Auswirkungen auf den Gesundheitszustand hat.

8.1 Theoretische Ansätze zur Auswirkung der Arbeitslosigkeit auf die Gesundheit

Um die Wirkungen der Arbeitslosigkeit auf den gesundheitlichen Zustand zu erklären, wurden mehrere Theorien entwickelt. Im Folgenden sollen zwei Erklärungsansätze näher erläutert werden.

8.1.1 Frühe „Phasenmodelle“77

Basierend auf der soziographischen Darstellung „ Die Arbeitslosen von Marienthal“ von Jahoda, Lazarsfeld und Zeisel entwickelten Eisenberg und Lazarsfeld das grundlegende Phasenmodell zum Thema langandauernder Arbeitslosigkeit.78 In der von Jahoda et al. beschriebenen Untersuchung wird die psychologische Situation einer Gemeinde während

75 Von den 1,7 Mio. Leistungsberechtigten sind rund 96% Kinder unter 15 Jahren. 76 Vgl. Bundesagentur für Arbeit, 2014, S.1.

77 Vgl. Hollederer, 2011, S.26. 78 Vgl. ebenda.

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26 der großen Weltwirtschaftskrise von 1930 beschrieben. Die Studie gibt Aufschluss über die Auswirkung von langandauernder Arbeitslosigkeit und deren psychosozialen Belastungen.79 Durch die Ergebnisse von Interviews mit den Familien, Berichten und anhand von Beobachtungsprotokollen konnten vier Haltungsgruppen gegenüber der Arbeitslosigkeit klassifiziert werden. Die Ergebnisse sahen wie folgt aus: 16% der betroffenen Familie wurde der Haltungsgruppe „ungebrochen“ zugeordnet, 48% der resignierten Gruppe, 11% standen der Situation verzweifelt gegenüber und 25 % der Betroffenen befanden sich in einem apathischen Zustand.80

„ Zwar haben wir verschiedene Haltungstypen unterschieden: eine aktivere, zuversichtlichere als die charakteristische Gruppe der Resignierten, zwei andere darüber hinaus gebrochen und hoffnungslos. Aber jetzt zum Schluß haben wir erkannt, daß hier vermutlich nur verschiedene Stadien eines psychischen Abgleitens vorliegen, […] Am Ende dieser Reihe stehen Verzweiflung und Verfall.“81

Aufbauend auf der Darstellung, dass die vier Haltungstypen in einen zeitlichen Ablauf integriert wurden, erstellten Eisenberg und Lazarsfeld ein grundlegendes Phasenmodell für das Erleben von Arbeitslosigkeit.82 Die Theorie von Eisenberg und Lazarsfeld differenziert drei Phasen für die Erfahrung von Arbeitslosigkeit. Die erste Phase beschreibt die tatkräftige Suche nach Arbeit. Die Arbeitssuchenden sind noch optimistisch und zuversichtlich. Sind die Versuche der Arbeitsfindung erfolglos, erfahren die Betroffen ein Schockerlebnis. Daraufhin werden die Arbeitslosen von Eisenberg und Lazarsfeld in der zweiten Phase als pessimistische, ängstliche und unter Stress leidende Personen charakterisiert. Als Folge des psychischen Leidensdruckes passen sich die Betroffenen dem neuen Status an und ergeben sich ihren Schicksal bei anhaltender Arbeitslosigkeit.83

79 Vgl. Jahoda et al., 1975, S.9 und 30f. 80 Vgl. ebenda, S.73.

81 Jahoda et al., 1975, S.101f. 82 Hollederer, 2011, S.26. 83 Vgl. Hollederer, 2011, S.26.

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27 8.1.2 Das Modell der psychischen Deprivation

Aufbauend auf der zuvor beschriebenen Darstellung von „Die Arbeitslosen vom Marienthal“ entstand die Theorie der psychischen Deprivation von Jahoda.84 Sie schreibt dem Arbeitsplatz eine Vielzahl von unterschwelligen und deutlich hervorgehenden Funktionen zu. Sie beschreibt die Arbeit als zentrales Mittel zur Finanzierung des Lebensunterhalts. Als `unbeabsichtigtes Nebenprodukt` der Arbeit bezeichnet sie die Knüpfung weiterer sozialer Bindungen über die Familie und Nachbarschaft hinaus und die Zeitstrukturierung des Tages. Ein Beschäftigungsverhältnis hilft bei der Identitätsfindung, weist einem einen sozialen Status zu, gibt dem Leben einen Sinn und fördert regelmäßige Aktivität.85 Der Verlust zuvor beschriebenen Funktionen bei eintretender Arbeitslosigkeit zieht unter anderem psychosoziale Konsequenzen mit sich und führt zu einer Modifikation der Sozialstrukturen. Mit unterschiedlichem Ausmaß wirkt sich die veränderte Zeitstruktur belastend auf die Lebenssituation der Betroffenen aus. Ebenfalls prägt der ausgeführte Beruf den sozialen Status und die Identität. Bei Wegfall des Tätigkeitsfeldes sind dementsprechend die psychologischen Belastungen nicht nur von den ökonomischen Faktoren abhängig, sondern auch von den psychosozialen Faktoren.86

8.2 Zusammenhänge zwischen Arbeitslosigkeit und Gesundheit

Zur Darstellung der Zusammenhänge zwischen Arbeitslosigkeit und Gesundheit beruft sich diese Arbeit auf die Kausalitätshypothese. Sie geht von der Annahme aus, dass Arbeitslosigkeit ursächlich für Erkrankungen ist.87 Im Folgenden sollen die möglichen gesundheitlichen Folgen von Arbeitslosigkeit näher erläutert werden.

8.2.1 Gesundheitliche Folgen von Arbeitslosigkeit

Die in Kapitel 8.1 und 8.2 beschriebenen Modelle zeigen die Folgen von Arbeitslosigkeit auf. Es stellt sich jedoch die Frage, wie genau sich Arbeitslosigkeit auf den

84 Vgl., Hollederer, 2011, S.27. 85 Vgl. Jahoda,1983, S.136f. 86 Vgl. ebenda S.138ff. 87 Vgl. Grobe, 2003, S.18ff.

(Die Selektionshypothese behauptet im Gegensatz zur Kausalitätshypothese, das Krankheit oder gesundheitliche Einschränkungen die Arbeitslosigkeit fördern. Vgl. Grobe, 2003, S.17f.

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28 Gesundheitszustand auswirkt. Grundsätzlich ergaben Studien, dass die Arbeitslosigkeitsdauer und das Erkrankungsrisiko in einer Beziehung stehen. Dementsprechend ist circa die Hälfte der Erwerbslosen mit gesundheitlichen Befindlichkeiten langzeitarbeitslos. 88

Auf der im Anhang I dargestellten Erhebungen des Statistischen Bundesamtes von 2011 lässt sich festhalten, dass der allgemeine Gesundheitszustand von Arbeitslosen im Vergleich zu den der Erwerbstätigen in der Selbsteinschätzung ungünstiger ausfällt. Insgesamt schätzen 13,9% der befragten Arbeitslosen ihren Gesundheitszustand als schlecht oder sehr schlecht ein. Der Prozentsatz der Arbeitslosen liegt weit über der Quote der Erwerbstätigen mit 3,0%.89

Verhältnismäßig früh nach Eintritt ins Arbeitslosenverhältnis sind psychosoziale Auswirkungen erkennbar. Unter anderem kommt es zu gesundheitsriskanteren Verhaltensweisen, die sich in einem gesteigerten Alkohol-, Tabak- und Medikamentenkonsum äußern. Bezogen auf die psychische Komponente ergaben Studien, dass sich die psychische Verfassung mit dem Übergang zur Erwerbslosigkeit verschlechtert.90 Sehr viel häufiger sind Arbeitslose laut Elkeles von psychosomatischen Beschwerden betroffen, wie Schlaflosigkeit, depressiven Symptomen, Ängsten, Antriebsschwächen, Magen-, Darm- und Esstörungen. 91 Im folgenden Kapitel soll die Problematik des Essverhaltens von Arbeitslosen noch genauer erläutert werden.

8.2.2 Der BMI und das Ernährungsverhalten bei Erwerbslosen

Der Mikrozensus 2005 erstellte auf Basis der Freiwilligkeit ein Fragebogen zum Gesundheits- und Suchtverhalten. Im Folgenden wird das Ergebnis zum Schwerpunkt Body-Mass-Index und Ernährungsverhalten bei Arbeitslosigkeit dargestellt. Die Daten des Mikrozensus sollten mit Vorsicht betrachtet werden. Aufgrund der Freiwilligkeit der Verwendung von Selbstangaben und Fremdauskünften mittels Proxyinterviews kann es zur Verfälschung der Daten kommen.92

88 Vgl. Badura, 2006, S.220.

89 URL: Vgl. Statistisches Bundesamt, 2012, S.39.; 90 Vgl. Badura, 2006, S.221.

91 Vgl., Elkeles, 2004, S.21. 92 Vgl. Hollederer, 2011, S.233.

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29 Insgesamt lässt sich festhalten, dass der durchschnittliche Wert des BMI sowohl bei Männern als auch bei Frauen höher ist als der von der arbeitenden Bevölkerung. Die im Anhang II dargestellte Tabelle des BMI von Männern und Frauen unterschiedet nach dem Erwerbsstatus und stellt die prozentuale Verteilung dar. Geschlechterspezifisch differenziert sind Frauen mit 16,6% fast doppelt so oft von Adipositas mit einem BMI von über 30 betroffen als Frauen, die erwerbstätig sind. Der prozentuale Betrag bei erwerbstätigen Frauen beläuft sich dabei auf 8,6%. Unter Übergewicht leiden 26,1% der erwerbslosen Frauen, nur 22,5% der Frauen in einem Arbeitsverhältnis. Bei den Männern stellt sich die Verteilung anders als bei den Frauen dar. So sind 15,1% der erwerbslosen und 12,2% der erwerbstätigen Männer von Adipositas betroffen. Im Gegensatz zu den Frauen ist die Prävalenz der Männer mit Übergewicht insgesamt deutlich höher. Mit einem Prozentsatz von 37,9% sind Erwerbslose und sogar 42,1% der Erwerbstätigen von Übergewicht betroffen. Anhand der statistischen Daten der Frauen mit Übergewicht und Adipositas, und an den Prozentzahlen der übergewichtigen Männer lässt sich vermuten, dass es einen Zusammenhang zwischen Adipositas und Arbeitslosigkeit gibt. 93 Unter Berücksichtigung der vom Mirkrozensus erhobenen Daten wird die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Gesundheitsförderung von Erwerbslosen deutlich. Im Zusammenhang mit den im Kapitel 5 dargestellten Einschränkungen in der Lebensqualität und den Folgeerkrankungen von Adipositas in Kombination mit der Arbeitslosigkeit entsteht ein Bedarf an neuen Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit und Reintegration auf dem Arbeitsmarkt.

8.3 Adipositas als Folge von Arbeitslosigkeit

Der Eintritt in die Arbeitslosigkeit zeigt relativ zeitnah soziale Auswirkungen. Durch die Umstellung der gewohnten Strukturen bei Arbeitsverlust treten Befindlichkeitsstörungen, psychische Störungen und Verhaltensänderung auf. Die Problematik des Suchtverhaltens als Folge der Veränderungen im Verhalten von Arbeitslosigkeit stellt einen Einflussfaktor auf die Gesundheit dar. Vergleichsweise zeigen Erwerbstätige ein risikoaverseres Gesundheitsverhalten auf als Erwerbslose. 94

93 Vgl. Hollederer, 2011, S.174ff.; S.

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30 Die Im Anhang II dargestellte Abbildung95 von Mielck lässt vermuten, dass die aus der Arbeitslosigkeit resultierenden sozialen Ungleichheiten und die neu eintretenden Lebensverhältnisse das Gesundheitsverhalten und den Gesundheitszustand beeinflussen. Es lässt sich ableiten, dass es infolge der Arbeitslosigkeit zur sozialen Ungleichheit kommt. Durch die veränderten Lebensverhältnisse zum Beispiel den Verlust von sozialen Kontakten und dem Wegfall eines strukturierten Arbeitstages kommt es zu Veränderungen im Verhalten. Diese Verhaltensveränderung wirkt sich negativ auf den Gesundheitszustand aus.

Dementsprechend konnte in Untersuchungen eine überproportional hohe Rate an Suchterkrankungen von Arbeitslosen festgestellt werden. Die Untersuchungen spezialisierten sich vor allem auf den Alkoholkonsum, der bei Arbeitslosen mit 42% beschrieben wird und auf den Konsum von Opiaten mit 60%.96 Im vorherigen Kapitel wurde die Auswirkung von Arbeitslosigkeit auf das Körpergewicht beschrieben. Es konnte im Vergleich festgestellt werden, dass eine deutlich höhere Anzahl an Erwerbslosen von Adipositas betroffen sind als Erwerbstätige. Betrachtet man Adipositas wie in Kapitel 4.2 als Suchterkrankung, lässt sich ableiten, dass das Krankheitsbild Adipositas durch den Eintritt in die Arbeitslosigkeit gefördert wird. Diese Schlussfolgerung, lässt sich mit den eintretenden Verhaltensveränderungen und den neuen Lebensumständen begründen.

95 Die im Anhang dargestellte Abbildung von Mielck lässt sich auf die Arbeitslosenforschung

übertragen, da soziale Ungleichheit eng mit unterschiedlichen Risiken der Arbeitslosigkeit verstrickt ist. Vgl. Hollederer, 2011, S.34.

(37)

31 9 . G e s u n d h e i t s f ö r d e r u n g

Der Begriff Gesundheitsförderung beschreibt insgesamt die Förderung gesundheitlicher Ressourcen und gesundheitsförderlicher Strukturen in der Arbeits- und Alltagswelt. Der Mensch soll lernen, verantwortungsbewusste und gewissenhafte Entscheidungen bezüglich seiner Gesundheit zu treffen. Die WHO beschreibt dies wie folgt:97

"Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen."98

Basierend auf dieser Definition stärkt das Fördern der psychischen, physischen und sozialen Komponente der Gesundheit die Fähigkeit der Menschen, ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit zu bewahren und wieder aufzubauen. Sie dient der Entwicklung von Widerstandskräften gegen Erkrankungen und Beeinträchtigungen.

9.1 Gesundheitsförderung Adipöser

In den letzten Jahren hat sich der multidimensionale Interventionsansatz zur Förderung der Gesundheit adipöser Menschen durchgesetzt. Es hat sich die Kombination einer Ernährungsumstellung mit Sport und eines verhaltenstherapeutischen Ansatzes bewährt. Durch die Anwendung multimodaler Therapiekonzepte soll vor allem eine langfristige Veränderung der aufrechterhaltenden Faktoren der Adipositas angestrebt werden. Laut Lehrke und Leassle basiert die moderne Adipositastherapie auf den zuvor beschriebenen drei Säulen. Mittels dieser Kombination wurden die besten und stabilsten Therapieerfolge erzielt. Ein Grund des Erfolges liegt wohlmöglich in der Berücksichtigung der multifaktoriellen Genese. 99 Basierend auf der steigenden Prävalenz von Adipösen, welche im Kapitel drei näher erläutert wurde, ist der Markt mit Gewichtsreduktionsprogrammen überfüllt. Es stellt sich die Frage, woran man seriöse und wissenschaftlich evaluierte Adipositasprogramme erkennt. Im Folgenden soll darauf genauer eingegangen werden.

97 Vgl. Schaps , 2008, S.282f.

98 Bramesfeld , 2006, S.327. (zit. nach WHO, 1986). 99 Vgl. Lehrke, Laessle, 2009, S.33.

(38)

32 9.1.1 Was zeichnet ein Gewichtsreduktionsprogramm aus?

Wie schon zuvor beschrieben sollte ein effektives Adipositasprogramm aus einer Dreifachkombination auf Basis einer Ernährungsumstellung, einer gesteigerten körperlichen Aktivität und einer Verhaltensveränderung beruhen. Ein Punkt des Adipositasprogramms ist das Ernährungsmanagement. Empfohlen wird eine langfristige qualitative und quantitative Ernährungsumstellung mittels hypokalorischer, gesunder Mischkost100, die mit einer anschließenden Gewichtsstabilisierung einhergehen soll. Ergänzend durch die Vermittlung flexibler Verhaltenskontrollen gegenüber den qualitativen und quantitativen Nahrungsaufnahmen kann das Ernährungsmanagement optimiert werden. Mit Hilfe der sportlichen Ebene soll der Gewichtsverlust gesteigert und die erneute Gewichtszunahme verhindert werden. Ein Nebeneffekt, den die sportliche Aktivität mit sich bringt, ist die Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens. Neben der Ernährungsumstellung und der Steigerung der sportlichen Aktivität kommt der dritten Komponente, dem psychologischen Interventionsansatz eine große Bedeutung zu. Durch eine anfängliche Analyse der aufrechterhaltenden Faktoren für ungünstiges Ess- und Bewegungsverhalten wird der Weg für Veränderungen und Modifikationen geebnet. Durch das Erlernen von Selbstkontrolltechniken, Stimuluskontrolltechniken, neuer kognitiver Fähigkeiten und Methoden des Stressmanagements kann aktiv gegen die psychischen und sozialen Folgeproblematiken der Adipositas vorgegangen werden.101 9.1.2 Qualitätskriterien für ambulante Adipositasprogramme

Resultierend aus dem multimodalen Konzept ist ein breit gefächertes, fachlich geschultes Personal mit entscheidend für den Therapieerfolg. Dementsprechend sollte ein interdisziplinäres Team aus Ärzten, Ernährungsfachkräften, Psychologen und Physiotherapeuten zusammengestellt werden. Die im Kapitel 9.1.1 beschriebenen drei Säulen des Therapieprogramms sollte mindestens sechs Monate durchgeführt werden, um den Qualitätsmerkmalen für ambulanten Adipositasprogrammen zu entsprechen. Strukturierte Gruppenschulungen mit ca. 10-15 Teilnehmern sollten Inhalt der Schulungen werden. Die Gruppendynamik beeinflusst dabei das Abnehmergebnis positiv. Das

100 Hypokalorische Mischkost beschreibt eine herkömmliche Nahrungsmittelaufnahme mit 1000-1800kcal/

Tag. Vgl. Lehrke, Leassle, 2009, S.25.

(39)

33 Interventionsprogramm baut auf den Kompetenzen der Fachkräfte auf. Dementsprechend sollte eine medizinische Eingangsuntersuchung und die Dokumentation von Gewicht, Ernährung, Essverhalten und Bewegung standardisiert werden. Entscheidendes Kriterium für den Erfolg einer Maßnahme ist die Ergebnisqualität. Dementsprechend sollten 50% der Teilnehmer nach 12 Monaten einen Gewichtsverlust von über 5% vorweisen und 20% der Adipösen einen von über 10%.102

9.2 Gesundheitsförderung Arbeitsloser

Bezieht man sich auf die in Kapitel 8 beschriebene Kausalitätshypothese und auf die von Badura getroffene Aussage, dass der Anteil an Arbeitslosen mit gesundheitlichen Einschränkungen steigt, lässt sich schlussfolgern, dass ein besonderer Bedarf an Maßnahmen zur Gesundheitsförderung besteht. Die Notwendigkeit von frühzeitigen Interventionsmaßnahmen wird vor allem daran deutlich, dass mit steigender Arbeitslosigkeitsdauer die gesundheitlichen Einschränkungen zunehmen. Dementsprechend zeigen Langzeitarbeitslose ein deutlich höheres Erkrankungsrisiko. Die daraus resultierenden, ungünstigeren Wiedereingliederungschancen müssen rechtzeitig mittels arbeitsmarktintegrativer Gesundheitsförderung durchdrungen werden.103 Projekte zur Gesundheitsförderung Arbeitsloser muss man nach ihrem beschäftigungsfördernden und gesundheitsfördernden Bezug differenzieren. Idealerweise sollte ein gleichberechtigtes Mischungsverhältnis beider Komponenten bestehen. 104 Geht man aber von der Kausalitätshypothese aus, wird deutlich, dass der Fokus zur Gesundheitsförderung von Arbeitslosen besonders auf den beschäftigungsförderndem Teil liegen müsste, um die gesundheitlichen Folgen von Arbeitslosigkeit einzuschränken. Man muss jedoch berücksichtigen, dass infolge langandauernder Arbeitslosigkeit das Risiko zu erkranken, erhöht ist und es häufiger zur Arbeitsunfähigkeit und Frühberentung kommt.105 Infolgedessen sind die Chancen, wieder auf den Arbeitsmarkt integriert zu werden, gering oder können erst gar nicht erfüllt werden. Aus diesem Grund ist der gesundheitsförderliche Bezug ebenso wichtig wie der beschäftigungsfördernde.

102 Vgl. Wirth, 2013, S. 348f. 103 Vgl. Badura, 2006, S. 233f. 104 Vgl. Elkeles, 2004, S. 207f. 105 Vgl. Elkeles, 2004, S.20f.

(40)

34 9.3 Gesundheitsförderung adipöser langzeitarbeitsloser Menschen

Beruhend auf den im Kapitel 8.3 dargestellten Zusammenhang zwischen Adipositas und Arbeitslosigkeit sowie die im Kapitel 3 aufgeführte steigende Anzahl von Adipositaserkrankten wird ein besonderer Bedarf an Maßnahmen zur Gesundheitsförderung adipöser Langzeitarbeitsloser deutlich. Die Problematik besteht jedoch darin, dass sich die arbeitsmarktintegrative Gesundheitsförderung in einer relativ frühen Etappe befindet und die Anzahl wissenschaftlich geprüfter Praxisprojekte für Arbeitslose mit gesundheitlichen Einschränkungen noch sehr gering sind. Die Bedeutung gesundheitsförderlicher Maßnahmen bezogen auf Arbeitslose mit gesundheitlichen Einschränkungen wächst unter anderen aufgrund der hohen Morbiditätslast Arbeitsloser.106 Betrachtet man Adipositas wie in den zuvor beschriebenen Kapiteln als Folge der Erwerbslosigkeit, so stellt die mit ihr einhergehende hohe Krankheitslast einen großen Kostenfaktor auf ambulanter und stationärer Ebene für die Gesundheitspolitik dar. Aus diesem Grund müssen geeignete und evaluierte Projekte zur Gesundheitsförderung adipöser Langzeitarbeitsloser erstellt werden. Resultierend wirft es die Frage auf, wie ein Konzept zur Gesundheitsförderung adipöser Langzeitarbeitsloser aussehen sollte. Da es zu dem Themengebiet Gesundheitsförderung adipöser, langzeitarbeitsloser Menschen noch keine wissenschaftlich evaluierten Arbeiten gibt, kann im Folgenden nur ein Ansatz geschaffen werden, indem die Gesundheitsförderung Adipöser und Arbeitsloser kombiniert wird. Der Therapieansatz zur Gesundheitsförderung sollte zu 50% auf einer beschäftigungsfördernden Ebene und ebenfalls zu 50% aus einen gesundheitsfördernden Ebene durchgeführt werden. Die gesundheitsfördernde Ebene sollte basierend auf der psychologischen Betreuung, der sportlichen Aktivität und der Ernährungskomponente aus der Adipositastherapie den Weg für ein gesünderes Leben ebnen. Der Grundstein für eine erfolgreiche Behandlung adipöser Langzeitarbeitsloser sollten die drei Säulen der Adipositastherapie bilden. Ergänzend auf Basis der Beschäftigungsebene sollte eine möglichst frühe Reintegration in die Arbeitswelt durchgeführt werden. Dies kann z.B. in Form von Praktika oder ehrenamtlicher Arbeit geschehen. Dementsprechend sollte die Gesundheitsförderung adipöser Langzeitsarbeitsloser aus vier Säulen bestehen, dem Ernährungsmanagement, der Verhaltenstherapie, der sportlichen Aktivierung und der

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