Umbrüche im Nahen Osten - Hintergründe und Handlungs-
optionen für westliche Politik und Zivilgesellschaft
9/2011 Jan Hanrath
Inef Policy Brief
INEF Policy Brief 9/2011
Einleitung:
Die Entwicklungen im Nahen Osten beförderten die Region seit Be‐
ginn des Jahres 2011 einmal mehr ins Rampenlicht der Weltpolitik – wenngleich mit zunächst positiveren Vorzeichen als in der Vergan‐
genheit. Nach Jahren der Stagnation und der Verkrustung in autoritä‐
ren Strukturen begannen Demokratiebewegungen, breite gesell‐
schaftliche Mobilisierungen und in einzelnen Fällen aufständische Gruppen plötzlich und zunächst erfolgreich gegen diese Zustände aufzubegehren. Obwohl es bereits seit Jahren in den Gesellschaften der Region unter der Oberfläche brodelte, überraschten der Zeit‐
punkt, die Geschwindigkeit und vor allem der schnelle Erfolg der Bewegungen in Tunesien und Ägypten fast alle Beobachter. Begin‐
nend mit dem Sturz Ben Alis in Tunesien war vermeintlich eine Dy‐
namik in Gang gekommen, die nach und nach auf die meisten Länder der Region überzugreifen schien und erwarten ließ, dass oftmals seit Jahrzehnten herrschende Eliten gestürzt würden. Doch schon der beginnende Bürgerkrieg und die darauf folgende internationale Mili‐
tärintervention in Libyen sowie die gewaltsamen Entwicklungen in Ländern wie Jemen, Bahrain oder ganz aktuell Syrien machten deut‐
lich, dass die Protestbewegungen weder automatisch und schnell in demokratischen Verhältnissen münden, noch dass diese Revolutio‐
nen identisch verlaufen würden.
So war auch das häufig bemühte Bild des „Dominoeffekts“ nicht stimmig, denn es impliziert eine Zwangsläufigkeit und Gleichför‐
migkeit der politischen Umbrüche, die der Realität nicht entspricht.
Zwar teilen die Länder des Nahen Ostens eine Reihe von Gemein‐
samkeiten und durchleben mitunter parallele Entwicklungen. Sie unterscheiden sich jedoch in Form und Entwicklung des Staatswe‐
sens, ihren gesellschaftlichen und politischen Strukturen, dem Grad der sozioökonomischen Entwicklung und dem Status der Zivilgesell‐
schaft erheblich.
Die deutsche Regierung wie auch zivilgesellschaftliche Akteure sehen sich aktuell mit einer veränderten Situation konfrontiert, die die Su‐
che nach angemessenen Reaktionsmöglichkeiten und mitunter eine strategische Umorientierung notwendig macht. Vor allem in den Be‐
reichen der Wirtschafts‐ und Migrationspolitik sowie bei der Bewer‐
tung von und dem Umgang mit gesellschaftlicher Akteuren in der Region besteht dabei besonderer Reformbedarf.
Im vorliegenden INEF Policy Brief werden zunächst einige Charakte‐
ristika der gegenwärtigen Entwicklungen im Nahen Osten zusam‐
Neben einer Reihe von Gemeinsamkei‐
ten ist der Nahe Osten durch große Unter‐
schiede geprägt.
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mengefasst und besonders das Zusammenspiel von regionalen und nationalen bzw. lokalen Faktoren analysiert. Nach einer Betrachtung der Auswirkungen dieser Ereignisse auf die Politik und Interessen westlicher Regierungen, wird der Frage nachgegangen, welche Chan‐
cen und Herausforderungen die Umbrüche in der Region für die deutsche Politik und zivilgesellschaftliches Engagement bedeuten.
1 Die Staaten im Nahen Osten –
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Die Aneinanderreihung von Protesten und Aufständen unterstützte einmal mehr die gängige Wahrnehmung, dass es sich bei den Staaten des Nahen Ostens um eine weitgehend einheitliche, eng verbundene und geschlossene Region handelt. Die Staaten von Marokko bis O‐
man werden häufig einem politisch‐kulturellen Raum zugeordnet, der vermeintlich vor allem durch den Islam geprägt ist. Und tatsäch‐
lich beeinflussen sich Entwicklungen in diesem Teil der Welt oftmals gegenseitig. Auch historisch betrachtet gleicht die Region „einem gewaltigen Klangkörper, in dem Gedankenströmungen und Informa‐
tionen weithin zirkulierten und sich erheblicher Resonanz über Staatsgrenzen hinweg erfreuten“ (Noble 2010: 92, eigene Überset‐
zung). Dies spiegelt sich auch in einer ausgeprägten arabischen Iden‐
tität wider. Gerade in den vergangenen zwei Jahrzehnten haben sich – auch dank der erfolgreichen panarabischen Medien – ein neues Gemeinschaftsgefühl und eine neue arabische Öffentlichkeit entwi‐
ckelt. Nicht zuletzt, weil die einzelnen nationalen Ideologien – wel‐
cher Art auch immer – mittlerweile völlig diskreditiert sind. Die je‐
weiligen nationalen Kontexte unterscheiden sich jedoch erheblich, sodass sich regionale Entwicklungen und Ideen mit lokalen Macht‐
und Konfliktkonstellationen vermengen. Die Ursachen der jüngsten Ereignisse dürften daher im Zusammenspiel lokaler und regionaler Entwicklungen zu finden sein.
Wenn wir uns die Staaten der Region betrachten, so fallen einige Un‐
terschiede direkt ins Auge. Sie unterscheiden sich erheblich in Größe, Bevölkerungszahlen und ‐dichte. Auf der einen Seite haben wir große Flächenstaaten mit teilweise recht geringer Bevölkerung wie z. B.
Libyen oder Saudi‐Arabien, auf der anderen Seite kleine Staaten und Territorien mit hoher Bevölkerungsdichte wie z. B. der Libanon, Ku‐
wait oder die palästinensischen Autonomiegebiete.
Die Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung sind extrem stark ausgeprägt und die jeweiligen gesellschaftlichen Strukturen und Lebensbedingungen klaffen entsprechend auseinander. So weist
Ursachen der jüngs‐
ten Ereignisse liegen im Zusammenspiel lokaler und regionaler Entwicklungen.
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ein bevölkerungsreiches Land wie der Jemen – das häufig auch als das Armenhaus Arabiens bezeichnet wird – ein Bruttosozialprodukt pro Kopf und Jahr von nur etwas über 1000 $ auf, während bevölke‐
rungsschwache, aber ölreiche Golfstaaten wie die Vereinigten Arabi‐
schen Emirate oder Katar auf rund 50.000 $ bzw. fast 70.000 $ pro Kopf und Jahr kommen (World Bank 2011).
Bezogen auf die politischen Systeme stehen Republiken wie Tunesi‐
en, Ägypten oder Syrien Monarchien wie Marokko, Jordanien oder Bahrain gegenüber, die jeweils sehr unterschiedlich legitimiert sind und sehr verschiedene Regierungsstrukturen aufweisen. Die offiziel‐
len Staatsideologien reichen von verschiedenen Formen des säkula‐
ren arabischen Sozialismus und Nationalismus bis hin zu religiösen Begründungen und Rechtfertigung politischen Handelns.
Die meisten Länder im Nahen Osten sind sowohl ethnisch als auch religiös stark heterogen, was sich in unterschiedlichem Maße in der innergesellschaftlichen Machtverteilung widerspiegelt. Mal dominie‐
ren Machthaber aus einer religiösen Minderheit, wie in Syrien oder Bahrain, oder es wird umgekehrt wie in Saudi‐Arabien einer Minder‐
heit politische und gesellschaftliche Teilhabe verwehrt, und manch‐
mal sind diese Trennlinien Anlass für immer wiederkehrende Kon‐
flikte und wechselnde Allianzen wie im Libanon. Ähnliches gilt auch für Stammesstrukturen, die z. B. in Libyen, dem Jemen oder Saudi‐
Arabien von großer Bedeutung für die Innenpolitik sind, während sie in Ländern wie Ägypten, Palästina oder Tunesien kaum eine Rolle spielen (Hippler 2008).
Gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch bildet die Region also keine Einheit. Allerdings gibt es eine Reihe von Merkmalen und Ent‐
wicklungen, die alle Länder und Systeme dieser Region betreffen – wenngleich in unterschiedlichem Maße.
Vielleicht entscheidendste Gemeinsamkeit ist das Demokratiedefizit.
Keine Region der Welt hat sich in der Vergangenheit so nachhaltig einem allgemeinen Trend zur Demokratisierung widersetzt. In der jüngsten Studie von Freedom House wird von den 20 Staaten, die der Region zugerechnet werden – Israel ist hier ein Sonderfall – kein ein‐
ziges als frei eingestuft, lediglich vier als ʺteilweise freiʺ (Freedom House 2011). Hier ist nun nicht der Ort, um auf all die möglichen Gründe für diese Demokratieresistenz einzugehen, aber einige we‐
sentliche Ursachen liegen sicherlich im kolonialen Erbe, im Vorhan‐
densein von Ölrenten (Beblawi/Luciani 1987) – d. h. von finanziellen Zuwendungen, denen keine Investitions‐ oder Arbeitsleistungen der Empfänger gegenüberstehen – sowie in der langjährigen Unterstüt‐
zung der autoritären Regime durch den Westen. Damit mangelt es in allen Ländern der Region an politischen Partizipationsmöglichkeiten, Demokratiedefizit als
Gemeinsamkeit nah‐
östlicher Staaten.
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sind Menschen‐ und Bürgerrechte teilweise massiv eingeschränkt und sind die Bürger oft heftiger staatlicher Repression ausgesetzt. Die politischen Systeme der Region, deren Führungspersonal mitunter seit Jahrzehnten an der Macht ist, sind zudem von Korruption, Klien‐
telpolitik und Ineffizienz geprägt.
Bereits 2004 analysierte der Arab Human Development Report die Abwesenheit von Demokratie und Good Governance in der Region (UNDP 2005). Den Autoren zufolge sind die arabischen Staatsappara‐
te charakterisiert durch repressive Staatsstrukturen, Fehlen von freien und fairen Wahlen, korrupte Führungseliten, massive Beschränkun‐
gen der Presse‐ und Versammlungsfreiheit, Menschenrechtsverlet‐
zungen und eine Instrumentalisierung der Justiz durch die Machtha‐
ber. Weiter heißt es: ʺIn einem solchen Regime wird selbst die regie‐
rende Partei zu einem bloßen Teil des Verwaltungsapparates, der von
‚Beamten geführt wird, die weder über Energie noch Effizienz’ ver‐
fügen. (…) Wir können dieses Modell mit einem ‚Schwarzen Loch’
vergleichen, also mit dem astronomischen Phänomen erloschener Sterne, die sich zu einem Materieball verdichten und zu gigantischen Magnetfeldern werden, aus denen nicht einmal Licht entkommt. Der moderne arabische Staat nähert sich in einem politischen Sinn diesem Modell, bei dem der Verwaltungsapparat einem ‚Schwarzen Loch‘
gleicht, das seine soziale Umgebung so umformt, dass sich nichts mehr bewegt und dem nichts entrinnen kannʺ (UNDP 2005: 126 ff., eigene Übersetzung). Dieses Grundmodell gilt nicht für alle Staaten der Region im gleichen Maße, beschreibt aber doch präzise die Reali‐
tät – unabhängig davon, ob es sich um Monarchien oder Republiken handelt, um ʺlinkeʺ, säkulare oder religiös legitimierte Regime. In einigen Ländern, wie z. B. dem Jemen, kommt es dadurch zu Abwei‐
chungen, dass der Staat die Gesellschaft weniger durchdrungen hat, etwa weil Stämme noch Bereiche und Regionen besetzen, in denen der Staatsapparat keine durchgreifende Kontrolle ausübt, oder wie im Libanon die Fragmentierung der Gesellschaft eine umfassende Kontrolle der Gesellschaft durch den Staat erschwert oder verhindert.
In solchen Fällen beschränkt sich die überwältigende Rolle des Staa‐
tes entweder auf Teile des eigenen Landes oder wird durch ein star‐
kes Element der Instabilität ergänzt, das immer wieder in Gewalt umschlagen kann (Hippler 2011). Insgesamt ist die Distanz zwischen den Herrschenden und ihren Bevölkerungen heute so groß wie nie zuvor. Im Gegensatz zu den verkrusteten Machtstrukturen und Herr‐
schaftsapparaten haben sich die Gesellschaften nämlich erheblich weiterentwickelt.
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In vielen Ländern entstand in den letzten Jahrzehnten eine zuneh‐
mend selbstbewusst auftretende Mittelschicht, die nach mehr politi‐
schen Partizipationsmöglichkeiten und gesellschaftlicher Teilhabe strebt. Häufig stieg das Bildungsniveau deutlich an (UNDP 2010).
Gerade der Bevölkerungsanteil mit Universitätsabschlüssen wuchs lange Zeit als Folge einer Kombination aus einem kostenfreien Hoch‐
schulzugang und einer Jobgarantie im öffentlichen Sektor. Da die Regime aber immer weniger in der Lage sind, diese Jobs bereit zu stellen, wächst unter der jungen Bevölkerung und gerade bei Hoch‐
schulabsolventen die Arbeitslosigkeit. Wie auch in anderen Teilen der Welt machen eine große Jugendbevölkerung, ein steigendes Bil‐
dungsniveau, hohe Jugendarbeitslosigkeit, somit kaum Chancen auf den Erwerb von gesellschaftlichem Status, sowie eine allgemeine wirtschaftliche Wachstumsschwäche wesentliche Kriterien von Kri‐
senherden aus (Apt 2011) und bilden so eine der zentralen Grundla‐
gen für die derzeitigen Entwicklungen im Nahen Osten.
2 Nationale Kontexte und regionale
Gemeinsamkeiten der Protestbewegungen und Aufstände
So unterschiedlich die Länder und ihre politischen Strukturen sind, so unterschiedlich sind auch die einzelnen Demokratisierungs‐ und Protestbewegungen und ihre Aktionsmöglichkeiten und Forderun‐
gen. Die jeweiligen Bewegungen tragen daher zunächst einen natio‐
nalen Charakter. Es gibt also kein gemeinsames „gesamtarabisches Projekt“. Auch kann man nicht sagen, dass die eine Revolution ur‐
sächlich für Aufstände im nächsten Land ist. Aber erfolgreiches Auf‐
begehren dient durchaus als Inspiration für andere Bewegungen, es finden Lernprozesse statt und teilweise gibt es auch grenzüberschrei‐
tenden Austausch zwischen den Aktivisten.
Neben der national sehr unterschiedlichen Ausprägung der Proteste lassen sich allerdings einige Gemeinsamkeiten identifizieren. Ein we‐
sentliches Charakteristikum der Massenmobilisierungen liegt in ihrer sozialen und ideologischen Breite. An den erfolgreichen Protesten in Tunesien und Ägypten, aber auch in Bahrain, Jemen und Syrien be‐
teiligen sich wirtschaftlich und sozial benachteiligte und schwache Bevölkerungsgruppen ebenso wie Intellektuelle, Staatsbeamte, alte und neue Mittelschichten und Teile der Unternehmerschaft. Städti‐
sche und ländliche Bevölkerung, Männer und Frauen, Junge und Alte sind genauso vertreten wie rechte, linke, religiöse und säkulare Strö‐
mungen.
Eine zunehmend selbstbewusste Mit‐
telschicht und die steigende (Jugend‐) Arbeitslosigkeit bil‐
den wesentliche Grundlagen der der‐
zeitigen Entwicklun‐
gen.
Die einzelnen Demo‐
kratisierungs‐ und Protestbewegungen tragen einen nationa‐
len Charakter. Es gibt kein „gesamtarabi‐
sches Projekt“.
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Dabei sind Islamisten zwar ein Teil der Protestbewegung, spielen aber bisher – entgegen häufig geäußerter westlicher Befürchtungen – keine führende Rolle. Sowohl in Tunesien als auch in Ägypten spran‐
gen islamistische Bewegungen auf den fahrenden Zug der Ereignisse auf, waren jedoch weder eine treibende noch dominante Kraft. Zu‐
dem machten sie klar, dass es auch ihnen um demokratische Refor‐
men geht und sie einen zivilen Staat fordern.
Als der iranische Oberste Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei die Massendemonstrationen schlicht zu einer ʺislamischen Revoluti‐
onʺ erklärte und sie so politisch vereinnahmen wollte, reagierten die ägyptischen Muslimbrüder prompt. Sie wehrten sich gegen derlei Vereinnahmungen und erwiderten, dass es sich um eine anti‐
diktatorische und demokratische Bewegung handele (Ikhwanweb 2011).
Auch wenn die Proteste in manchen Ländern aufgrund einer hohen Beteiligung von Frauen mit Kopftüchern oder islamisch formulierten Parolen stärker religiös geprägt scheinen, bleiben sie im Kern zivil und auf säkulare, politische Forderungen ausgerichtet. Solche Protes‐
te sind dann eher Ausdruck allgemein konservativerer Gesellschaf‐
ten, als dies z. B. in Tunesien der Fall war.
Bezeichnend ist, dass sich bislang keine dominierenden Führungsfi‐
guren in den Protesten hausgebildet haben. Die Massenmobilisierun‐
gen fanden meist dezentral organisiert und spontan statt. Dabei se‐
hen die Protestbewegungen die Regime nicht nur als Gegner, sie wol‐
len auch ihr Gegenteil sein. Das heißt, es wird weitgehend auf nicht‐
gewaltsame Formen des Widerstands gesetzt, auf Transparenz und oftmals auf basisdemokratische Entscheidungsstrukturen.
Der Verlauf der Entwicklungen in Tunesien und Ägypten aber auch jüngst in Syrien machen deutlich, dass die Peripherie eine wichtige Rolle spielt und sich die Bewegungen häufig von dort aus erst auf die klassischen politischen Zentren auswirken. Zwar haben zentrale Orte wie der Tahrir‐Platz in Kairo oder der Perlen‐Platz in Manama eine hohe Symbolkraft und stehen im Zentrum der medialen Öffentlich‐
keit. Die Massenproteste werden jedoch häufig erst möglich durch die Unterstützung in abgelegeneren Teilen des Landes und weiten sich so zur Revolution aus (Bamyeh 2011: 43).
2.1 Die Rolle von Facebook, Twitter & Co
Gerade westliche Beobachter der Proteste fasziniert in besonderem Maße die Rolle, welche neue Kommunikationsmittel wie Facebook, Twitter und Youtube bei der Organisation der Proteste und der Mo‐
Islamisten spielen keine führende Rolle in den Protestbewe‐
gungen.
Die Bedeutung der neuen Medien sollte nicht überschätzt werden.
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bilisierung der Massen spielen. Dabei sollte jedoch deren Bedeutung nicht überschätzt werden. Sie sind eher ein Symptom grundlegender Veränderung als deren Ursache. Die Bezeichnung „Facebook‐
Revolution“ trifft also nicht den Kern der Ereignisse. Für die regiona‐
le und weltweite Verbreitung von Informationen über aktuelle lokale Ereignisse und Entwicklungen ist die Bedeutung von sozialen Medi‐
en von enormer Bedeutung. Durch Twitterfeeds und Statusmeldun‐
gen auf Facebook lassen sich die Geschehnisse vor Ort an jedem Computer oder Handy auf der Welt mitverfolgen. Durch Blogs und im Netz veröffentlichte Kurzvideos erfährt die Welt von den Protes‐
ten und den Reaktionen der Regierungen. Zudem greifen klassische Medien auf das Internet zur Informationsbeschaffung zurück.
Bereits bei den Protesten im Iran 2009 machte schnell das Schlagwort von der „Twitter‐Revolution“ die Runde, wobei jedoch bald klar wurde, dass hier manches Wunschdenken eine Rolle spielte. Denn für die Organisation der Proteste vor Ort und die Mobilisierung der Massen in den Städten waren klassische Kommunikationsformen wie Mund‐zu‐Mund‐Propaganda und Flugblätter weit wichtiger als die neuen sozialen Medien. In Tunesien und Ägypten stieg die Bedeu‐
tung von sozialen Netzwerken zur Organisation von Protesten zwar deutlich an. In Ägypten fanden sich z. B. innerhalb kürzester Zeit zehntausende Unterstützer der Facebook‐Seite „Wir sind alle Khaled Said“, die zu Protesten aufrief. Doch auch hier waren es Flugblätter und die Kommunikation über klassische Kanäle, die letztendlich zu der massenhaften Mobilisierung führten. Interessanter Weise spielten allerdings Internetcafés als real existente Orte eine wichtige Rolle als Treffpunkte und Sammelplätze der Protestbewegung. Deutlich wird das Ganze auch in Statistiken zur Mediennutzung in arabischen Län‐
dern. Studien zeigen, dass sich dort nach wie vor rund 85 % der Be‐
völkerung über das Fernsehen über internationale Nachrichten in‐
formieren. Das Internet liegt mit 8 % auf einem weit abgeschlagenen zweiten Platz (Telhami 2010: 79 ff.).
Ähnlich wie im Falle der Online‐Berichterstattung und der sozialen Netzwerke können die Enthüllungen über nahöstliche Regime auf der Internetplattform Wikileaks nicht als ursächlich für die Aufstän‐
de gesehen werden. An gewissen Punkten haben sie die Dynamik jedoch unterstützt. Zudem legten sie schonungslos offen, wie be‐
wusst den westlichen Regierungen die Zustände und Machenschaf‐
ten der Regime im Nahen Osten waren.
Einen weitaus entscheidenderen Beitrag leisteten arabische Fernseh‐
sender wie Al Jazeera und Al Arabiya. Durch ihre Berichterstattung verbreiteten sie Informationen über die Proteste in die gesamte Regi‐
on und zeigten, dass die Regime die Kontrolle verloren. So trugen sie Klassische Kommuni‐
kationskanäle bleiben wichtig für die Mas‐
senmobilisierung.
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zu einem Übergreifen der Proteste auf weitere Länder bei. Durch ihre weite Verbreitung über Satellit – und bis zum Eingreifen mancher Machthaber auch über lokale Kabelnetze – sowie ihren Einfluss auf die arabische Öffentlichkeit offenbarten die Sender, dass die Regime der Region in Frage gestellt und überwunden werden können.
Bereits seit der Mitte der 1990er Jahre erlebte ein gesamtarabisches Denken eine Art von Wiedergeburt ‐ diesmal jedoch nicht durch staatliche Ideologien des Panarabismus, sondern durch die gestiege‐
ne Bedeutung arabischer Medien auf einer nicht‐staatlichen, indivi‐
duelleren Ebene (Valbjørn 2009: 163 ff.). Es entwickelte sich eine neue arabische Öffentlichkeit, die nicht mehr durch ein staatliches Medi‐
enmonopol zu kontrollieren ist. Diese Medien brachen mit der Tradi‐
tion üblicher Hofberichterstattung. Sie waren zwar westlicher Politik durchaus kritisch eingestellt – so etwa im Irakkrieg, nahmen aber vorher ungewohnte Themen auf und berichten zunehmend auch über Menschenrechtsverletzungen, sozioökonomische Ungleichheit und andere Defizite der autoritären Regime (Lynch 2006). Besonders dem Sender Al Jazeera wurde und wird von diesen Regimen daher immer wieder vorgeworfen, die Proteste anzuheizen und die Länder spalten zu wollen.
2.2 Nationale politische Gelegenheitsstrukturen
Der Erfolg der einzelnen Aufstände und Protestbewegungen hängt jedoch in hohem Maße vom jeweiligen nationalen Kontext ab. Also dem, was in den Theorien der sozialen Bewegungen auch die politi‐
schen Gelegenheitsstrukturen genannt wird (Tarrow 1996: 54 ff.).
Hier stellen sich z. B. Fragen nach einer möglichen Spaltung inner‐
halb der Eliten oder der Führungsclique und nach Machtverschie‐
bungen im System.
Ein entscheidender Faktor beim Verlauf und Erfolg der Proteste lag und liegt in der Rolle des Militärs. Wenn es den Herrschern gelingt, die Repressionsapparate in der Hand zu behalten, eröffnet sich die Möglichkeit, die Proteste trotz ihrer Breite und Verankerung gewalt‐
sam niederzuschlagen. Auch das schnelle Umschlagen friedlicher Proteste in einen Bürgerkrieg in Libyen unterstreicht diesen Punkt:
Solange die Regime also die Kontrolle über das Militär, die Polizei und Geheimdienste nicht verlieren, behalten sie eine Chance, durch Repression an der Macht zu bleiben. Ägypten und Tunesien haben hingegen gezeigt: Sobald die Regime sich nicht mehr auf die Repres‐
sionsorgane stützen können, brechen sie in sich zusammen.
Deshalb hängen die Erfolgsaussichten der Proteste in vielen Ländern nicht allein vom Mobilisierungsniveau der Bevölkerung ab, sondern
Sender wie Al Jazeera oder Al Arabiya tra‐
gen in hohem Maße zum Entstehen einer neuen arabischen Öffentlichkeit bei.
Ein wichtiger Faktor beim Verlauf der Pro‐
teste ist die Rolle des Militärs.
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auch davon, ob die herrschenden Eliten gespalten werden können. In einem solchen Fall kann dies entweder zu einer Lähmung des Re‐
gimes oder gar zum Anschluss eines Teils des alten Machtapparates an die Opposition führen – im besten Fall dann zu einem Sturz des Regimes durch übergelaufene militärische und zivile Eliten.
Ein entscheidender Faktor, ob es den Regimen gelingt, sich dem Druck aus der Bevölkerung heraus zu widersetzen, ist die Zusam‐
mensetzung der jeweiligen Gesellschaft. In der Vergangenheit wur‐
den immer wieder eine hohe innergesellschaftliche Fragmentierung oder das Vorhandensein mehrerer Machtzentren als Ursachen für schwache Staaten und Regierungen identifiziert (Buzan 1991: 96 ff., Ayoob 1995). Solche Strukturen und Dynamiken, die zunächst einen destabilisierenden Effekt zu haben scheinen, können jedoch auch von Vorteil für den Machterhalt der Regime sein. So ist es in solchen Fäl‐
len einfacher, unterschiedliche gesellschaftliche Strömungen und In‐
teressengruppen nach dem altbekannten Prinzip „divide et impera“
gegeneinander auszuspielen. Zudem ist bei mehreren Machtzentren die Gefahr geringer, dass Staatsversagen und korruptes Verhalten einer einzelnen Person oder eng begrenzten Gruppe angelastet wird.
So ist es für Protestbewegungen schwieriger, den Zorn auf ein be‐
stimmtes Hassobjekt zu kanalisieren. In Tunesien und Ägypten wa‐
ren es vor allem die Symbolfiguren Ben Ali und Mubarak, auf die sich der Volkszorn richtete. Auch im Falle Libyens ist das ganze Staatssystem in extremem Maße auf die Person Muammar Gaddafis ausgerichtet, sodass sein Sturz gleichzeitig auch das Zusammenbre‐
chen des ganzen Staatsapparates bedeuten würde. In Algerien hinge‐
gen gibt es z. B. mit dem Präsidenten und einer Reihe von einflussrei‐
chen Militärführern mehrere konkurrierende Machtzentren. Die ge‐
ringere Personalisierung und die Ungewissheit, wer gerade die Kon‐
trolle über bestimmte Bereiche der Politik oder der Wirtschaft hat, machen es einfacher, die Verantwortung auf andere abzuwälzen (As‐
seburg/Werenfels 2011: 2 f.).
Es kommt folglich darauf an, wie flexibel die Regime auf den Druck reagieren können. Neben dem Rückgriff auf einen Repressionsappa‐
rat oder aber auch der möglichen Unterstützung durch externe Ver‐
bündete spielt hier die Verfügbarkeit von Ressourcen eine entschei‐
dende Rolle. Das heißt welche Mittel eine Regierung aufwenden kann, um bestimmte Bevölkerungsgruppen „einzukaufen“ und ruhig zu stellen. Paradebeispiel dafür ist König Abdallah von Saudi‐
Arabien, der umgehend ein Investitionspaket von rund 36 Milliarden US‐Dollar auflegte, um sich der Loyalität verschiedener Bevölke‐
rungsgruppen zu versichern (Christian Science Monitor 23.2.2011).
Doch auch in weiteren Staaten der Region wurden Geldzahlungen an Wie flexibel die Re‐
gime auf Druck rea‐
gieren können, ist entscheidend für den Verlauf der Proteste.
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die Bevölkerung angewiesen und Programme zur Schaffung von Ar‐
beitsplätzen initiiert.
Berücksichtigt man all diese Gemeinsamkeiten und Unterschiede, so bleibt es schwer vorherzusehen, welche Richtung die Entwicklungen in der Region einschlagen werden. Nach einem optimistischen Be‐
ginn haben Libyen, Jemen, Bahrain und Syrien je ganz unterschied‐
lich gezeigt, dass auch Eskalationen möglich sind und Demokratie‐
bewegungen auf erhebliche Widerstände stoßen. Doch auch in Tune‐
sien und Ägypten hat die Revolution noch nicht gesiegt. Es zeigen sich mächtige Beharrungskräfte und es bleibt fraglich, wie weit sich die politischen Systeme tatsächlich öffnen.
Die politische Landschaft im Nahen Osten erlebt gerade den deut‐
lichsten Wandel der vergangenen Jahrzehnte. In welche Richtung sich konkret die einzelnen Staaten entwickeln, ist schwer prognosti‐
zierbar und teilweise abhängig von Zufällen und Einzelereignissen.
Es lassen sich jedoch aus den jüngsten Entwicklungen bereits einige Tendenzen ablesen. So scheint das Zeitalter, in dem autoritäre Re‐
gime die einzige Regierungsform darstellten, vorbei zu sein und eine Rückkehr zur Erstarrung der Vergangenheit höchst unwahrschein‐
lich. Auch wenn es noch zu früh ist, konkrete Prognosen anzustellen, so ist bereits absehbar, dass sich das Spektrum der Regimeformen in der Region erweitern wird. Möglicherweise werden auch Demokra‐
tien darunter zu finden sein. Doch trotz aller Veränderungen werden autoritäre Strukturen in unterschiedlichem Ausmaß ein wesentliches Merkmal der nahöstlichen Regime bleiben.
3 Interessen und Politikziele westlicher Regierungen im Nahen Osten
Im Gegensatz zu Demokratiebewegungen in anderen Teilen der Welt, besonders in Osteuropa, wurden die Entwicklungen im Nahen Osten seitens des Westens zunächst sehr zurückhaltend aufgenom‐
menen. Anstelle von Euphorie herrschte die Sorge vor Instabilität in der Region. Teilweise gab es zunächst sogar Unterstützungsangebote an die Machthaber, um mit den „Unruhen“ fertig zu werden. So bot z. B. die französische Regierung dem tunesischen Präsidenten Ben Ali zu Beginn der Aufstände noch militärische Hilfe an (Meier 2011).
Immer schwangen Befürchtungen mit, dass ein Sturz der Regime in den Staaten des Nahen Ostens zum einen den Islamisten Tür und Tor öffnen und zum anderen unkontrollierbare Migrationsströme auslö‐
sen würde. Erst zögerlich erfolgte eine Parteinahme für die Protest‐
bewegungen in Tunesien und dann in Ägypten. Auch die ersten Re‐
Das Spektrum der Regimeformen wird sich erweitern.
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aktionen der deutschen Bundesregierung bekundeten zwar einerseits ihre Solidarität mit den Demonstranten, vermieden es aber, sich klar von den jeweiligen Machthabern zu distanzieren (Weiland 2011, Wes‐
terwelle 2011).
Hier werden die Probleme deutlich, die sich aus dem breiten Interes‐
senspektrum der westlichen Regierungen ergeben. Die aus diesen Interessen abgeleiteten Politikziele, konkrete wirtschaftliche und si‐
cherheitspolitische auf der einen Seite und wertebasierte auf der an‐
deren Seite, sind mitunter nicht einfach zu vereinbaren bzw. können sich in der politischen Praxis widersprechen.
Die wirtschafts‐ und sicherheitspolitisch motivierten Ziele lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Erstens geht es um die Sicherung der Energieversorgung durch das Öl und Gas der Region – und das Ganze zu einem erträglichen Preis; zweitens um die Gewährleistung der Kooperation in weiteren wirtschaftlichen und politischen Fra‐
gen – hier spielt die Migrationspolitik eine ganz besondere Rolle; drit‐
tens um den Schutz vor islamistischem Terrorismus und möglichst bereits schon im Vorfeld die Vorbeugung eines Erstarkens radikaler religiöser Bewegungen; viertens um die Sicherheit und Stabilität Isra‐
els – Deutschland sieht sich hier in einer besonderen historischen Verpflichtung – sowie weiterer westlicher Partnerländer; und fünf‐
tens – nach den jüngsten Entwicklungen noch mehr als zuvor – die Vermeidung von chaotischen Situationen in einzelnen Ländern bzw.
die Förderung regionaler Stabilität. Hier spielt auch die Sorge vor einer nuklear aufgerüsteten Regionalmacht Iran mit hinein. Als wer‐
tebasierte Ziele westlicher Außenpolitik gelten u.a. die Vermeidung von humanitären Notsituationen, die Förderung von Demokratie sowie die Achtung von Menschenrechten (Hippler i.E.).
Diese Interessenlage hat sich durch die Umbrüche in der arabischen Welt nur unwesentlich verändert, wenngleich nun über veränderte Strategien diskutiert wird. In der Vergangenheit blieben die werteba‐
sierten Zielsetzungen meist im Bereich des Rhetorischen und wurden den interessengeleiteten in der Regel untergeordnet oder als schmü‐
ckendes Beiwerk verstanden (z. B. im Falle von Waffenlieferungen an autoritäre Regime wie Saudi‐Arabien oder Ägypten, der Zusammen‐
arbeit in Migrationsfragen mit Diktatoren wie Gaddafi oder der still‐
schweigenden Akzeptanz von Menschenrechtsverletzungen in ver‐
schiedenen arabischen Ländern im Zuge des Kampfes gegen den Ter‐
rorismus, um nur einige zu nennen). Dies hat dazu geführt, dass westliche Regierungen vor allem auf Stabilität und eine Kooperation mit den autoritären Regimen gesetzt haben. Letztere hatten sich im‐
mer wieder erfolgreich als einzige Garanten für Stabilität und vor allem als verlässliche Partner im Kampf gegen den Terrorismus ver‐
Westliche Nahostpoli‐
tik steht vor der gro‐
ßen Herausforderung, wirtschafts‐ und si‐
cherheitspolitische Ziele mit wertebasier‐
ten zu vereinbaren.
Die Interessenlage westlicher Regierun‐
gen hat sich durch die Umbrüche in der arabischen Welt nur unwesentlich verän‐
dert.
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kaufen können. Nach Martin Beck können die Staatsbürokratien des Nahen Ostens als „Agenturen von Politikspezialisten“ bezeichnet werden, „die es gelernt haben, auf diplomatischem Parkett kosmeti‐
sche Korrekturen als weitreichende Reformen und repressive Maß‐
nahmen als im kollektiven Interesse liegende Sicherheitspolitiken zu vermitteln“ (Beck 2010: 39).
Trotz anders lautender Erklärungen wurden bislang entweder die autoritären Regime der Region im Interesse von Stabilität und Ko‐
operationsbereitschaft gestützt oder aber versucht, die Ergebnisse von Demokratisierungsprozessen im Vorfeld bereits vorzuschreiben (erinnert sei z. B. an die Forderungen nach freien Wahlen in den pa‐
lästinensischen Autonomiegebieten und die darauf folgende Isolie‐
rung der Wahlsiegerin Hamas). Der Westen trägt daher eine Mitver‐
antwortung an den politischen und wirtschaftlichen Zuständen, die nun zu den Aufständen und Protesten geführt haben.
4 Notwendigkeit einer Neuorientierung westlicher Nahostpolitik
Das Scheitern der autoritären Staaten im Nahen Osten macht die Fortführung eines westlichen Ansatzes zunehmend problematisch, wenn nicht unmöglich, der vermeintliche Stabilität durch die Unter‐
stützung dieser Regime zu erkaufen sucht. Wie weit auch immer ein politischer Wandel in den einzelnen Ländern gehen wird, auch in diesem Teil der Welt können sich die Herrschenden nicht mehr den Stimmen aus der Gesellschaft versperren.
Die wachsende innenpolitische Rolle (zivil‐)gesellschaftlicher Akteu‐
re und ihre Wahrnehmung der westlichen und deutschen Außenpoli‐
tik werden deshalb von eher peripheren zu zentralen Faktoren der Politikformulierung und ‐implementation. Neben wirtschaftlichen und militärischen Mitteln werden zunehmend Instrumente eine Rolle spielen, die die Bevölkerungen als Adressaten in den Blick nehmen und die Erreichung der gesetzten Ziele durch Attraktivität und Über‐
zeugung zu erreichen vermögen. Es wird darum gehen, auf die Ziele und Präferenzen der politischen Akteure im Sinne der eigenen Inte‐
ressen einzuwirken, um so Einfluss auf die Entwicklungen in der Region zu nehmen. Zentraler Punkt für die Wirksamkeit und die Möglichkeiten einer solchen Außenpolitik wird der Grad ihrer Glaubwürdigkeit sein.
Durch ihre wachsen‐
de innenpolitische Rolle rücken zivilge‐
sellschaftliche Akteu‐
re in das Zentrum westlicher Politikfor‐
mulierung und –implementation.
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Die westliche Außenpolitik und besonders die Demokratieförderung im Nahen Osten tragen aufgrund der in der Vergangenheit angeleg‐
ten doppelten Maßstäbe (z. B. im Falle der Missachtung von UN‐
Sicherheitsratsresolutionen durch Israel und arabische Staaten oder der einseitigen Unterstützung pro‐westlicher Akteure in der Zivilge‐
sellschaft) und eines inkonsequenten Vorgehens die schwere Hypo‐
thek einer stark beschädigten Glaubwürdigkeit. Dementsprechend gilt es, verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen und so auch die Möglichkeiten deutscher Politik zu stärken. Es müssen die passenden Instrumente gefunden werden, die nicht nur kurzfristigen Erwägun‐
gen unterworfen sind, sondern auch langfristig eine positive Ent‐
wicklung unterstützen. Die Interessen der Bürgerinnen und Bürger der Staaten in der Region sollten dabei stärker als bisher in den Mit‐
telpunkt gerückt werden. Das heißt außerdem, dass auch im Sinne weiterer Interessen westlicher Regierungen den normativen Zielen von Demokratieförderung und Einhaltung der Menschenrechte ein höherer Stellenwert eingeräumt werden muss. Ein bloßer rhetorischer Verweis auf die Wichtigkeit dieser Aspekte – wie in der Vergangen‐
heit so oft passiert – untergräbt die Glaubwürdigkeit und verengt den politischen Handlungsspielraum.
5 Anknüpfungspunkte für westliche Demokratieförderung und
zivilgesellschaftliches Engagement
So groß die Vielfalt der Faktoren und Akteure ist, die eine Rolle in den derzeitigen Umbrüchen im Nahen Osten spielen, so breit ist auch das Spektrum der Anknüpfungspunkte, an denen deutsche und eu‐
ropäische Aktivitäten zur Unterstützung von Demokratisierungspro‐
zessen ansetzen können. Dies reicht von der wirtschaftlichen Zu‐
sammenarbeit und Hilfe über die Unterstützung bei der Reform von Staatsapparaten und Regierungssystemen bis hin zur Förderung der Zivilgesellschaft und einer demokratischen politischen Kultur. In vielen dieser Bereiche gibt es bereits positive Ansätze und Kooperati‐
onen, die weiter ausgebaut werden müssen. Selbst wenn die Aktivitä‐
ten westlicher Akteure im Bereich der Demokratieförderung bislang zu eher dürftigen Ergebnissen geführt haben, bieten sie einen reichen Erfahrungsschatz und die Möglichkeit, die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden (Hanrath 2008a).
Will die deutsche und westliche Nahostpolitik allgemein und die Unterstützung von Demokratie‐ und Reformbewegungen in der Re‐
Entscheidender Fak‐
tor für den Erfolg westlicher Außenpoli‐
tik ist ihre Glaubwür‐
digkeit.
Jan Hanrath
gion im Besonderen glaubwürdig und nachhaltig sein, so muss es zu einer Neuorientierung vor allem in drei Bereichen kommen:
1. muss die Abschottung Europas in wirtschafts‐ und migrationspoliti‐
scher Hinsicht abgebaut werden,
2. müssen die gesellschaftlichen Bedingungen und Strukturen sowie ins‐
besondere die zivilgesellschaftlichen Akteure in den Zielländern eine stärkere Berücksichtigung finden und
3. muss die Kommunikation mit der arabischen Öffentlichkeit und die Selbstdarstellung deutscher Nahostpolitik verbessert werden.
5.1 Reform der Wirtschafts‐ und Migrationspolitik
Um den Ökonomien im Nahen Osten tatsächlich langfristig zu hel‐
fen, müssen die europäischen Märkte für Produkte aus der Region geöffnet und die Abschottung des europäischen Binnenmarktes ab‐
gebaut werden. Dies gilt vor allem gegenüber den Ländern, in denen bereits ein Transformationsprozess begonnen hat. Hier ist es beson‐
ders wichtig, dass ein solcher Wandel auch von ökonomischen Ver‐
besserungen für breite Teile der Bevölkerung begleitet wird. Wie be‐
reits erläutert wurde, stellen wirtschaftliche Missstände und insbe‐
sondere die hohe (Jugend‐)Arbeitslosigkeit wesentliche Instabilitäts‐
faktoren in den Staaten der Region dar. Zwar war es dieser gesell‐
schaftliche Druck, der einen entscheidenden Beitrag zu den Aufstän‐
den geleistet hat. Um beginnende Demokratisierungsprozesse zu konsolidieren, müssen diese Probleme nun angegangen werden. Der europäische Agrarprotektionismus verschärft z. B. das Problem feh‐
lender Arbeitsplätze weiter und verhindert eine nachhaltige Entwick‐
lung. Die Märkte des Nahen Ostens werden mit subventionierten Produkten überschwemmt, während der Zugang zum europäischen Markt blockiert wird. Im Interesse einer lebensfähigen Wirtschaft abseits der Rohstoffexporte müssen Handelsbarrieren konsequent abgebaut werden. Hier kann Deutschland als einflussreiches Mit‐
gliedsland der EU, das zudem in hohem Maße von den Subventionen und der Abschottung profitiert, eine Vorreiterrolle spielen und sich für einen Politikwandel einsetzen. Neben den direkten wirtschaftli‐
chen Auswirkungen würden deutsche und westliche Regierungen weiter an Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn sie in zentralen Politik‐
bereichen die Bereitschaft demonstrieren, die Interessen der sich de‐
mokratisierenden Länder stärker zu berücksichtigen.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, auch die Abschottung Eu‐
ropas gegenüber Migration aus dem Nahen Osten und Sub‐Sahara‐
Afrika zu lockern (für viele Migranten aus dem südlichen Afrika die‐
nen die Staaten Nordafrikas lediglich als Transitstaaten). Durch die
Die Abschottung des europäischen Bin‐
nenmarktes muss abgebaut werden.
Migration nach Euro‐
pa muss erleichtert werden.
INEF Policy Brief 9/2011
effektive Abriegelung der EU‐Außengrenzen verschließt sich den Ländern des Südens ein wichtiges Überdruckventil. Kernpunkte der EU‐Strategie sind die Auslagerung der Migrationskontrolle und die Rückführung der „illegalen“ Migranten. Hier setzte die EU zum ei‐
nen auf die Zusammenarbeit mit diktatorischen Regimen, wie z. B.
dem libyschen, dem rund 50 Millionen Euro dafür zugesagt wurde, die Migranten an einer Weiterreise zu hindern (Borchardt 2011: 71 f.).
Zum anderen auf den massiven Ausbau der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (FRONTEX), deren Budget von 2005 bis 2011 auf fast 90 Millionen Euro mehr als vervierzehnfacht wurde (FRONTEX 2011).
Dringend notwendig ist ein rationaler Umgang mit den Migrations‐
bewegungen, der vor allem auf den tatsächlichen Migrationszahlen fußt und nicht auf den reißerischen Diskursen von „Flüchtlings‐
Tsunamis“ und „Migranteninvasion“. Die illegale Migration über das Mittelmeer hat z. B. in keiner Weise ein bedrohliches Ausmaß oder stellt gar eine Überforderung der europäischen Länder dar (Riedel 2011: 7 ff.). Die temporäre Emigrationsmöglichkeit kann jedoch für viele Volkswirtschaften des Südens eine zeitweise Entlastung bieten und durch die Rücküberweisungen der Migranten zur wirtschaftli‐
chen Entwicklung der nahöstlichen Staaten beitragen.
Um Glaubwürdigkeit für Politiken zu gewinnen, die im Namen der Menschenrechte geführt werden, muss auch auf die Einhaltung der Menschenrechte in der europäischen Einwanderungspolitik geachtet werden. Die Fehler vergangener Migrationspolitik sollten daher be‐
hoben und nicht die nordafrikanischen Regime für ihren menschen‐
unwürdigen Umgang mit Migranten belohnt werden, solange sie diese von der Weiterreise nach Europa abhalten. Zudem muss auch bei FRONTEX auf mehr Transparenz und die strikte Einhaltung von menschenrechtlichen Standards gedrängt werden.
Die Rolle der deutschen Zivilgesellschaft liegt im Bereich der Wirt‐
schafts‐ und Migrationspolitik vor allem in der Lobbyarbeit und im Aufbau eines Drucks für einen solchen Politikwandel. Hier kann sie für eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Themen wie Migration und Entwicklung eintreten.
5.2 Zivilgesellschaftliche Akteure in den Fokus nehmen
Die Aufstände und Reformbewegungen haben die Bedeutung der Bevölkerungen und der arabischen Öffentlichkeit deutlich gemacht.
Um Einfluss auf die Entwicklungen in der Region nehmen zu kön‐
nen, müssen zivilgesellschaftliche Akteure daher stärker in den Fo‐
kus der deutschen Außenpolitik und der Aktivitäten der deutschen Ein rationaler Um‐
gang mit Migrations‐
bewegungen ist drin‐
gend notwendig.
Jan Hanrath
Zivilgesellschaft rücken. Das bedeutet einerseits, Gruppen, Zusam‐
menschlüsse und Einzelpersonen zu stärken und in ihren politischen Aktivitäten zu unterstützen. Das heißt andererseits auch, sie als poli‐
tische Akteure ernst zu nehmen und sie als Adressaten deutscher Außenpolitik und ihrer Vermittlung zu verstehen.
Was die bislang sehr lose organisierten Protestbewegungen im Nahen Osten angeht, können deutsche und europäische Akteure – seien sie nun staatlich oder zivilgesellschaftlich – Hilfe bei deren Konsolidie‐
rung leisten, um sie bei der Durchsetzung ihrer Forderungen im an‐
stehenden Transitionsprozess zu unterstützen. Was sich während der Proteste noch als Vorteil erwies – z. B. die dezentrale Organisation, das Fehlen von Führungspersönlichkeiten etc. – kann sich nun nega‐
tiv auf eine Einflussnahme im politischen Prozess nach den Umbrü‐
chen auswirken. Gerade angesichts auf absehbare Zeit fortbestehen‐
der autoritärer Strukturen sollten zivilgesellschaftliche Akteure in ihrer Rolle als Kontrollorgan und kritischer Watchdog unterstützt werden. Um auch solche Organisationen und Zusammenschlüsse der Zivilgesellschaft zu erreichen, die eben keinen hohen Organisations‐
grad aufweisen, ist auch auf europäischer Ebene die Rückkehr zum Prinzip der dezentralen Kooperation notwendig. Zwar gab es nie eine offizielle Abkehr von diesem Ansatz in den diversen Förderpro‐
grammen der EU, in der Praxis dominieren jedoch zentrale Koopera‐
tionsmechanismen und die Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen in den Partnerländern (Hanrath 2008b).
Demokratie beschränkt sich nicht allein auf die Durchführung von Wahlen und einen möglichen Regierungswechsel. Vielmehr müssen sich Partizipation der Bürger, solider öffentlicher Glaube an demo‐
kratische Prinzipien, Verantwortlichkeit und Interaktion zwischen Staat und Gesellschaft umfassend und auf allen gesellschaftlichen Ebenen entwickeln. Es ist daher notwendig, das Spektrum der Ko‐
operationspartner in den Gesellschaften zu erweitern und ideologi‐
sche Scheuklappen abzulegen. Es sollte vielmehr mit allen Kräften zusammengearbeitet werden, die für einen friedlichen Wandel ein‐
treten. Ob es sich dabei um islamistische Gruppierungen, säkulare Kräfte oder sonstige Bewegungen handelt, sollte dabei keine Rolle spielen.
Im Bereich der islamistischen Parteien und Bewegungen gibt es näm‐
lich eine Vielzahl von Akteuren, die aktiv im Demokratisierungspro‐
zess involviert sind. Sie sollten daher auch als Ansprech‐ und Koope‐
rationspartner ernst genommen und in einen kritischen Dialog einbe‐
zogen werden. Hier ist also eine differenzierte Betrachtung des is‐
lamistischen Lagers notwendig.
Protestbewegungen müssen bei ihrer Kon‐
solidierung unter‐
stützt werden.
Unabhängig von ihrer ideologischen Aus‐
richtung sollte mit allen Kräften koope‐
riert werden, die für einen friedlichen Wandel eintreten.
INEF Policy Brief 9/2011
Um den innergesellschaftlichen Dialog zu fördern und teilweise not‐
wendige Versöhnungsprozesse zu begleiten, sollten darüber hinaus Runde Tische und Dialogforen mit breiter gesellschaftlicher Reprä‐
sentation initiiert und unterstützt werden. Hier können z. B. die poli‐
tischen Stiftungen oder NGOs eine positive Rolle als Organisatoren und Mediatoren spielen. Ziel sollte es sein, den Rahmen für solche Begegnungen zu schaffen, nicht jedoch die Agenden vorzugeben.
5.3 Kommunikation und Außendarstellung verbessern
Neben der inhaltlichen Neuausrichtung der deutschen Nahostpolitik und der Ausweitung des Spektrums an Kooperationspartnern sollte die Bundesregierung auch ihre Außendarstellung und ihre Kommu‐
nikation mit den dortigen Gesellschaften verbessern.
Noch vor wenigen Jahren hatte die neue arabische Öffentlichkeit, in der sich wie erläutert kritische Meinungen und politischer Dialog auf einer medialen Ebene entwickeln konnten, die Grenzen ihrer Mög‐
lichkeiten erreicht. Weitgehend losgelöst von den lokalen Beschrän‐
kungen und der staatlichen Kontrolle konnten sich auf einer eher regionalen Ebene Diskussionen gegenseitig befruchten und Reform‐
vorstellungen herausbilden. Es gelang jedoch nicht, diese Dynamik wieder zurück auf die Ebene der einzelnen Staaten zurückzuführen und dort einen politischen Wandel auszulösen (Lynch 2006). Die aus den Bevölkerungen erwachsenen und von einer großen Bandbreite gesellschaftlicher Akteure getragenen Reformbewegungen – und in einzelnen Fällen gar der Sturz der Machthaber durch diese – zeigen nun jedoch die Vitalität und Handlungskraft der Öffentlichkeit ge‐
genüber ihren Regierungen. Daher ist es für die Bundesregierung wichtig, die Bevölkerungen in das Zentrum ihrer Politik zu nehmen, gesellschaftliche Dynamiken zu verstehen und mit „der arabischen Straße“ zu interagieren.
Das heißt sie muss stärker als bisher den Dialog mit gesellschaftlichen Akteuren suchen, um die Öffentlichkeiten dieser Länder im Interesse deutscher Politiken zu gewinnen und ein positives Deutschlandbild zu stärken. Dabei sollten zunehmend interaktive Ansätze verfolgt werden. Die neue arabische Öffentlichkeit zeichnet sich vor allem durch Partizipation und Dialogorientierung aus (Lynch 2006: 32).
Deutsche politische Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation mit den ausländischen Gesellschaften sollten daher wechselseitig sein und die Ziele und Vorstellungen der Bundesregierung klar vermit‐
teln. Neue Medien und soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter bieten dabei eine Vielzahl von Möglichkeiten, wobei sie jedoch nicht lediglich als neue Kanäle zur einseitigen Verbreitung von Informati‐
Westliche Politik muss stärker den Dialog mit der arabi‐
schen Öffentlichkeit suchen.
Jan Hanrath
on missverstanden werden dürfen. Vielmehr geht es darum, über diese Medien mit dem Zielpublikum in Kontakt und Austausch zu kommen. Vertreter der Bundesregierung sollten zudem öfter Ge‐
brauch von den vielfältigen Talkshow‐ und Call‐in‐Programmen der arabischen Nachrichtensender wie Al Jazeera oder Al Arabiya ma‐
chen, um ihre Standpunkte zu vertreten. Dies birgt zwar immer auch einen gewissen Grad von Kontrollverlust, da nicht immer nur vorge‐
fertigte Statements verlesen werden können. Allerdings ließe sich so ein in der Mediennutzung durchaus versiertes Publikum eher gewin‐
nen und deutsche Perspektiven vermitteln.
Die Heterogenität des Nahen Ostens und die vielen Unterschiede der politischen Entwicklungen in den einzelnen Ländern der Region stel‐
len die westliche Politik vor neue Herausforderungen. Weder können alte Strategien wie bisher fortgeführt werden noch gibt es einen „O‐
ne‐size‐fits‐all‐Ansatz“. Die Bundesrepublik befindet sich wie ihre westlichen Partner auf der Suche nach einem neuen Strategieansatz, bei dem die Eigeninteressen weiter gewahrt werden können, der sich aber als offener und fördernder in Bezug auf gesellschaftliche Umge‐
staltungen in Richtung Demokratisierungen erweist. Eine Neuorien‐
tierung westlicher Außenpolitik gegenüber der Region erfordert da‐
her eine stärkere Berücksichtigung der gesellschaftlichen Bedingun‐
gen und Strukturen in den Zielländern allgemein, und insbesondere der zivilgesellschaftlichen Akteure. Für eine solche Politik wird Glaubwürdigkeit als eine bestimmende Größe zunehmend an Bedeu‐
tung gewinnen und muss bei allen Strategieplanungen mitgedacht werden.
INEF Policy Brief 9/2011
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Herausgeber:
© Institut für Entwicklung und Frieden, INEF Lotharstraße 53 D - 47057 Duisburg Phone +49 (203) 379 4420 Fax +49 (203) 379 4425
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Jan Hanrath, Dipl. Soz.-Wiss., ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen. Seine Arbeitsschwerpunkte sind der Nahe und Mittlere Osten, Demokratie- und Zivilgesellschaftsförderung, Public Diplomacy sowie Migration und Integra- tion.
Kontakt: jan.hanrath@inef.uni-due.de
FAKULTÄT
FÜR GESELLSCHAFTSWISSENSCHAFTEN
Umbrüche im Nahen Osten - Hintergründe und Handlungsoptionen für westliche Politik und Zivilgesellschaft
Die politische Landschaft im Nahen Osten erlebt gerade den deutlichsten Wandel der vergangenen Jahr- zehnte. Nach Jahren der Stagnation und der Verkrustung in autoritären Strukturen begannen Demokra- tiebewegungen, breite gesellschaftliche Mobilisierungen und in einzelnen Fällen aufständische Gruppen gegen diese Zustände aufzubegehren. Die deutsche Regierung wie auch zivilgesellschaftliche Akteure sehen sich aktuell mit einer veränderten Situation konfrontiert, die die Suche nach angemessenen Reak- tionsmöglichkeiten und mitunter eine strategische Umorientierung notwendig macht. Vor allem in den Bereichen der Wirtschafts- und Migrationspolitik sowie bei der Bewertung von und dem Umgang mit gesellschaftlicher Akteuren in der Region besteht dabei besonderer Reformbedarf. In diesem INEF Policy Brief werden Charakteristika der gegenwärtigen Entwicklungen im Nahen Osten zusammengefasst und besonders das Zusammenspiel von regionalen und lokalen Faktoren analysiert sowie konkrete Empfeh- lungen für zukünftige deutsche und westliche Nahostpolitik formuliert.
Das Institut für Entwicklung und Frieden (INEF)
Das Institut für Entwicklung und Frieden (INEF), das im Jahr 1990 gegründet wurde, ist eine Forschungs- einrichtung der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen am Campus Duisburg. Es kooperiert eng mit der Stiftung Entwicklung und Frieden (SEF), Bonn. Das INEF verbindet wissenschaftliche Grundlagenforschung mit anwendungsorientierter Forschung und Politikberatung in folgenden Bereichen: Global Governance und menschliche Sicherheit, fragile Staaten, Krisenprävention und zivile Konfliktbearbeitung sowie Entwicklung, Menschenrechte und Unternehmensverantwortung.
Direktor des INEF ist Prof. Dr. Tobias Debiel und Wissenschaftliche Geschäftsführerin ist Dr. Cornelia Ulbert.
Die Reihe INEF Policy Brief
In den INEF Policy Briefs werden wichtige aktuelle Ereignisse und Forschungsthemen in prägnanter Form aufgegriffen und im Hinblick auf politische Handlungsempfehlungen diskutiert. Sie erscheinen in unregelmäßigen Abständen.
Jan Hanrath: Umbrüche im Nahen Osten - Hintergründe und Handlungsoptionen für westliche Politik und Zivilgesellschaft.