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Europas Job im Nahen Osten

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82 Internationale Politik IP Januar 2008

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82 Internationale Politik IP Januar 2008

82 Internationale Politik IP Januar 2008

Die Konferenz in Annapolis Ende November hat neuen Schwung in den Nahost-Friedensprozess gebracht. Un- mittelbare Ergebnisse gab es zwar nicht, aber immerhin haben beide Sei- ten sich verpflichtet, wieder miteinen- ander zu verhandeln und bis Ende 2008 zu einer Einigung zu kommen.

Im Anschluss an die Konferenz ernannte US-Präsident George W.

Bush den ehemaligen NATO-Kom- mandeur in Europa, General James Jones, zum Sondergesandten für Si- cherheit im Nahen Osten. Jones will seine Erfahrungen aus Friedensmissi- onen auf dem Balkan und in Afgha- nistan nutzen, um den wiederbeleb- ten Friedensprozess zu begleiten und beide Seiten – unabhängig voneinan- der – in Sicherheitsfragen zu beraten.

Als NATO-Kommandeur hatte Jones gefordert, Truppen des Bündnisses zur Friedenssicherung in den Südli- banon zu schicken.1 Seine jetzige Er- nennung zeigt, dass die US-Regierung über einen Einsatz von NATO-Trup- pen bei zukünftigen Friedensmissio- nen in der Region zumindest nach- denkt. Dieser Einsatz müsste aus zwei Gründen von Seiten der europä- ischen Bündnispartner kommen: Ers- tens sind die US-Streitkräfte wegen ihrer Einsätze im Irak und in Afgha- nistan überlastet, zweitens werden die USA in der Region als zu prois- raelisch wahrgenommen, was ihre Truppen zu bevorzugten Anschlags- zielen macht.

Europäische Truppen könnten bei einem Friedensabkommen zwischen

Dr. SHLOMO SHPIRO, geb. 1966, ist amtierender Direktor des „Center for International Communications and Policy (CICP)“

an der Bar-Ilan Universität in Israel.

Shlomo Shpiro | Shimon Peres brachte es auf den Punkt: Wie kann Frieden gesichert werden, wenn es überhaupt keinen Frieden gibt? Sollten sich nun Israelis und Palästinenser doch endlich auf eine Konfliktlösung verständigen, könnten die Europäer eine wichtige Rolle bei der Friedenssicherung spielen und ihre Erfahrungen aus mehr als drei Jahrzehnten einbringen.

1 Judy Dempsey: NATO head says forces up to task, International Herald Tribune, 28.7.2006.

Europas Job im Nahen Osten

Friedensmissionen können die Lage in nahöstlichen Konfliktregionen erheblich verbessern – aber nur, wenn die Kontrahenten auch friedenswillig sind

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IP Januar 2008 Internationale Politik 83

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IP Januar 2008 Internationale Politik 83

IP Januar 2008 Internationale Politik 83

IP Januar 2008 Internationale Politik 83

Israelis und Palästinensern in fünf Be- reichen aktiv werden:

• am Flughafen von Gaza,

• an den Grenzübergängen vom Gazastreifen nach Israel,

• am Hafen von Gaza,

• beim Verkehr zwischen dem Gazastreifen und der Westbank,

• beim Verkehr innerhalb der West- bank.

Der Flughafen von Gaza liegt in der Nähe des Grenzübergangs Rafah und ist seit Oktober 2000 geschlossen.

Seine Wiedereröffnung hängt davon ab, ob Regelungen gefunden werden können, die den Anspruch Israels er- füllen, den Schmuggel von schweren Waffen und Raketen zu unterbinden.

Die Grenzübergänge zwischen dem Gazastreifen und Israel sind ein stän- diges Hindernis für palästinensische Bauern, die ihre Produkte nach Israel exportieren wollen. Die Kontrollen sind langwierig und mühsam, und der Übergang ist häufig wochenlang ge- schlossen. Der Einsatz europäischer Beobachter könnte die Effektivität an diesen Übergängen erhöhen und al- lein dadurch die wirtschaftliche Situa- tion in Gaza deutlich verbessern.

Auch der Hafen in Gaza ist seit Jahrzehnten ungenutzt. Langfristig wäre der Entwicklung des Gazastrei- fens durch einen funktionierenden Hafen sehr geholfen, aber bisher haben Sicherheitsbedenken der Israelis jegli- chen Fortschritt verhindert. Aus dem- selben Grund ist der Verkehr zwischen dem Gazastreifen und der Westbank seit Ende 2000 stark eingeschränkt.

Palästinenser, die zwischen den Städ- ten der Westbank reisen wollen, müs- sen israelische Straßensperren passie- ren, welche die Mobilität von Men- schen und Gütern stark behindern.

Seit 1974 entsenden europäische Staaten Friedenstruppen in den Nahen Osten. Sie verfügen damit über vielfältige Erfahrungen, die für eine endgültige Beilegung des israelisch- palästinensischen Konflikts von Nut- zen sein könnten.

Sechs Friedens-, Beobachter- und Konfliktmanage- ment-Aktivitäten sollen im Folgen-

den bewertet werden: UNDOF, UNI- FIL, MFO, TIPH, EUPOL COPPS und EU BAM. Obgleich an manchen Ope- rationen auch Truppen und Beobach- ter aus anderen Nationen teilnehmen, werden nur die europäischen Kompo- nenten analysiert, um die Rolle der EU bei der Konfliktlösung im Nahen Osten einschätzen zu können.

UNDOF auf dem Golan

Nach dem Yom-Kippur-Krieg im Okto- ber 1973 unterzeichneten Israel und Syrien ein Entflechtungsabkommen, das die Zahl der Waffen und Soldaten beider Seiten auf dem Golan haben beschränkte. Im Mai 1974 verabschie- dete der UN-Sicherheitsrat die Resolu- tion 350, welche die „UN Disengage- ment Observer Force (UNDOF)“

schuf, um die Einhaltung des Abkom- mens zu überwachen.

UNDOF ist auf dem Golan statio- niert: Rund 1000 Soldaten, haupt- sächlich von europäischen Kampfein- heiten, unterstützt von kanadischen und japanischen Logistiktruppen. Die europäischen Teilnehmer an UNDOF sind Österreich, das den größten Teil stellt, Polen und die Slowakei. Um die Einhaltung des Abkommens kontrol- lieren zu können, unterhält UNDOF über 40 Beobachterposten entlang der

Europäische Friedenstruppen könnten Grenzübergänge und Verkehrswege mit kontrollieren.

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84 Internationale Politik IP Januar 2008

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UNDOF half sogar bei der grenzüberschreitenden Eheschließung von Drusen.

entmilitarisierten Zone, die Syrien und Israel trennt. In regelmäßigen Abständen macht UNDOF mobile Inspektionen und Patrouillen entlang der Grenze.

Mit der Zeit vergrößerte sich das Spektrum der Aktivitäten von UNDOF auch in Richtung humanitärer Hilfe für die drusische Bevölkerung beidseits der Grenze. UNDOF-Soldaten halfen mit bei der Beseitigung von Landmi-

nen aus dem Krieg von 1973, bei der Auslieferung von Post über die Gren- ze – und sie enga- gierten sich in einer einzigartigen hu- manitären Aktion: Drusische Frauen auf der israelischen Seite durften mit ihrer Hilfe die Grenze überqueren, um drusische Männer auf der syrischen Seite zu heiraten.2 UNDOF erwarb so den Ruf, unparteiisch zu sein, was für das Ansehen der Mission in der Regi- on sehr positiv war.

Die UNDOF-Operation wird daher generell als sehr erfolgreich betrachtet und alle sechs Monate vom UN-Si- cherheitsrat verlängert.

UNIFIL im Südlibanon

Im März 1978 drangen israelische Truppen in den Süden des Libanon ein, um Vergeltung für einen terroris- tischen Angriff von libanesischem Ge- biet aus auf Israel zu üben. Am 19.

März 1978 nahm der UN-Sicherheits- rat die Resolutionen 425 und 426 (1978) an und setzte die „UN Interim Force in Lebanon (UNIFIL)“ ein. Ihr Auftrag war, den israelischen Rück- zug aus dem Südlibanon zu überwa- chen, Frieden und Sicherheit herzu-

stellen und der libanesischen Regie- rung zu helfen, wieder die Kontrolle über den Süden des Landes zu über- nehmen. Anfangs bestand UNIFIL aus 4500 Soldaten aus mehreren euro- päischen Ländern, darunter Öster- reich, Finnland, Norwegen und Schweden; in den vergangenen Jahren kamen Truppen aus Polen und der Slowakei hinzu.

Die israelischen Streitkräfte zogen zwar nach Ankunft der UN-Truppen ab, doch UNIFIL gelang es weder, Frieden und Sicherheit zu schaffen, noch war die libanesische Regierung in der Lage, die Region zu kontrollie- ren. Der Südlibanon blieb ein gesetz- loses, von der PLO und anderen klei- nen palästinensischen Gruppen kon- trolliertes Gebiet. 1982 marschierte Israel wieder in den Libanon ein, und der Süden blieb bis zum Sommer 2000 unter israelischer Besatzung. Wäh- rend dieser Zeit spielte UNIFIL nur eine Nebenrolle. Als der Südlibanon zu einem Kampfgebiet zwischen der Hisbollah und israelischen Truppen wurde, musste UNIFIL sogar deutli- che Verluste hinnehmen. Man hielt jedoch an UNIFIL als Symbol interna- tionaler Verantwortung für die terri- toriale Integrität und Souveränität des Libanon fest, obwohl sie ihre Aufga- ben nicht erfüllen konnte.3

Nach dem Rückzug Israels im Mai 2000 nahm die Bedeutung von UNI- FIL wieder zu. Einige ihrer früheren Positionen entlang der Grenze wur- den reaktiviert. Doch inzwischen kontrolliert die Hisbollah die Grenzre- gion und hat dort Befestigungsanlagen gebaut. Nach dem Krieg zwischen der Hisbollah und Israel im Sommer 2006

2 Für ein Beispiel eines solchen Transfers siehe: The Syrian Bridegroom, Maariv, 13.3.2007.

3 Vgl. UNIFIL-Background, http://www.un.org/Depts/dpko/missions/unifil/background.html.

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IP Januar 2008 Internationale Politik 85

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IP Januar 2008 Internationale Politik 85

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verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1701, in der eine Ein- stellung der Kampfhandlungen gefor- dert und die UNIFIL-Truppenstärke von 2000 auf 15 000 erhöht wurde.

Viele europäische Länder entsandten Einheiten, um die UNIFIL-Mission aufzustocken; im Laufe eines Jahres wuchs sie auf über 13 000 Soldaten an (dazu gehört auch eine beträchtliche deutsche Flotteneinheit).4 UNIFIL- Truppen patrouillieren nun im Süden des Libanon, aber das ausgeweitete Mandat sieht keine Entwaffnung der Hisbollah vor, die noch immer frei agieren kann.

Der Misserfolg von UNIFIL bei der Herstellung von Sicherheit im Südli- banon resultiert vor allem aus der Schwäche der libanesischen Regie- rung – ein Problem, das sich in den letzten Monaten sogar noch verschärft hat.

Israel/Ägypten: MFO

Nach dem Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten im Jahr 1979 wur- den im August 1981 die ersten Ein- heiten der „Multinational Force and Observers (MFO)“ auf dem Sinai sta- tioniert. Die MFO ist eine einzigarti- ge, unabhängige multinationale Frie- denssicherungsinstanz, sie ist nicht Teil der Vereinten Nationen oder einer anderen internationalen Organi- sation.5 Die MFO besteht aus Trup- pen aus elf Ländern, inklusive Frank- reich, Italien, Ungarn und Norwegen.

Ihre Aufgabe ist es, die vier Sicher- heitszonen entlang der israelisch- ägyptischen Grenze zu kontrollieren.

Die MFO überwacht seit mehr als

26 Jahren sehr effektiv die Einhaltung des Friedensvertrags zwischen Israel und Ägypten. Beide Länder erkennen den Friedensvertrag als einen Grund- pfeiler der regionalen Stabilität an und halten seine Vereinbarungen ein, trotz der Machtergreifung der Hamas im Gazastreifen. Die Überwachungsmög- lichkeiten und der multinationale Cha- rakter der MFO erlauben eine effekti- ve Kontrolle; sie ist ein wichtiges, wenn auch international kaum wahrgenom- menes Element der Friedenssicherung zwischen Israel und Ägypten.

TIPH in Hebron

Nachdem im Februar 1994 ein jüdi- scher Siedler in der Abraham-Moschee in Hebron 29 betende Palästinenser getötet hatte, wurde mit der UN-Reso- lution 904 die „Temporary Internatio- nal Presence in Hebron (TIPH)“ einge- setzt. Die Hauptaufgabe dieser multi- nationalen Beobachtermission ist die Eindämmung potenzieller Konflikte.

Die Umsetzung von TIPH war langwierig und umständlich. Die erste

4 Ian Pannel: Familiar task for UN troops in Lebanon, BBC News, http://news.bbc.co.uk/2/hi/

middle_east/5311058.stm.

5 Vgl. Multinational Force and Observers, http:/www.mfo.org/1/4/22/base.asp.

© Chappatte in “International Herald Tribune”

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86 Internationale Politik IP Januar 2008

86 Internationale Politik IP Januar 2008

86 Internationale Politik IP Januar 2008

86 Internationale Politik IP Januar 2008

86 Internationale Politik IP Januar 2008

86 Internationale Politik IP Januar 2008

86 Internationale Politik IP Januar 2008

86 Internationale Politik IP Januar 2008

86 Internationale Politik IP Januar 2008

6 European Union Police Mission for the Palestinian Territories, EU Council Secretariat Fact- sheet, November 2005.

Wegen der Hardliner auf beiden Seiten konnten in Hebron bislang keine Fortschritte gemacht werden.

Mission 1994 dauerte nur drei Mona- te und wurde beendet, als es Israelis und Palästinenser nicht schafften, sich auf eine Verlängerung des Man- dats zu einigen. Im Mai 1996 wurde TIPH wieder eingesetzt und das Man- dat im Januar 1997 ausgeweitet. Die neue TIPH umfasst 60 Beobachter aus sechs europäischen Ländern: Ita- lien, Dänemark, Schweden, Schweiz, Norwegen und Türkei. TIPH konzen- triert sich auf die Sicherheit für die palästinensische Bevölkerung in Heb-

ron, die wirtschaft- liche Entwicklung und die Unterstüt- zung für extern fi- nanzierte Projekte.

Sie hat keine mili- tärischen oder polizeilichen Funktio- nen, und ihr Personal greift nicht in Streitigkeiten oder Aktivitäten von israelischen oder palästinensischen Sicherheitskräften ein.

Hebron ist trotz TIPH weiterhin ein politischer Brennpunkt, ohne An- zeichen für ein Abklingen der Gewalt.

Wegen der Hardliner auf beiden Seiten konnte TIPH bisher keinen Fortschritt in Richtung Normalität bewirken.

Polizeiwesen: EU COPPS

Das „European Union Coordination Office for Palestinian Police Support (EU COPPS)“ wurde Anfang 2005 ge- gründet, um unterstützende Maßnah- men der Europäer für die Palästinensi- sche Zivilpolizei (PCP) zu koordinie- ren. EU COPPS wurde als eine Mission von Polizeiexperten und Sicherheitsbe- ratern eingesetzt, die mit dem palästi- nensischen Innenministerium bei der Ausbildung und Reform der Polizei

zusammenarbeiten soll. Die Erfahrun- gen der europäischen Polizeien im Be- reich des zivilen Krisenmanagements und beim Wiederaufbau von Polizei- kapazitäten in verschiedenen Regio- nen, auf dem Balkan oder in Albanien, sollten genutzt werden, um die sich im Aufbau befindliche palästinensische Polizei im Gazastreifen und in der Westbank bei der Schaffung von Recht und Ordnung zu unterstützen. EU COPPS versorgt die palästinensische Polizei auch mit Trainingsmöglichkei- ten, technischer Hilfe, Fahrzeugen, Ausrüstung und Logistik.6

Im Januar 2005 begann eine kleine Gruppe europäischer Polizeiexperten ihre Arbeit in Gaza und Ramallah. EU COPPS übernahm die Leitung des Po- lizei-Trainingscenters in Jericho, eine Einrichtung, die seit 1994 palästinen- sische Sicherheitskräfte ausbildet und zuvor von britischen und amerikani- schen Experten betrieben worden war.

Bis November 2005 wurde EU COPPS auf 30 europäische Experten aufge- stockt. Mit ihrer Hilfe gelang es der – rund 20 000 Mann starken – palästi- nensischen Zivilpolizei, die Polizeiar- beit in mehreren Städten der Westbank zu institutionalisieren.

Der Erfolg von EU COPPS in der Westbank wurde aber zum Teil zu- nichte gemacht, als die neue Hamas- Regierung darauf bestand, im Gaza- streifen ihre eigenen Polizeikräfte aufzubauen, die die PCP in Gaza weitgehend ersetzen. In den letzten Monaten zogen sich EU COPPS-Ex- perten aus Gaza zurück und konzen- trieren ihre Arbeit nun auf die Aus- bildung und den Einsatz der PCP in der Westbank. Sie sind Teil der EU-

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IP Januar 2008 Internationale Politik 87

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Bestrebungen, Palästinenserpräsi- dent Mahmoud Abbas zu stärken.

Grenzkontrolle in Rafah: EU BAM Nach dem Rückzug Israels aus dem Gazastreifen im Sommer 2005 unter- zeichneten Israel und die Palästinensi- sche Autonomiebehörde das „Rafah- Abkommen“ über die Öffnung eines Grenzübergangs zwischen Gaza und Ägypten in Rafah. Es ist der erste palästinensische Grenzübergang, der ohne israelische Präsenz nur von der Palästinensischen Autonomiebehörde kontrolliert wurde. Das Abkommen basiert auf dem Einsatz einer EU-Be- obachtertruppe, die den Grenzüber- gang beaufsichtigen und den Schmug- gel von Waffen und Terrorverdächti- gen unterbinden soll.

Die „EU Border Assistance Missi- on (EU BAM)“ wurde formell von der EU im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) eingesetzt und durch Finanz- mittel der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) finanziert.

EU BAM besteht aus 30 Beobach- tern, die neben palästinensischen Be- amten am Grenzübergang in Rafah arbeiten. Computer und Videokame- ras übertragen Informationen in einen gemeinsamen israelisch-paläs- tinensisch-europäisch-ägyptischen- regionalen Kommandoposten (RCP), der im israelischen Kerem Shalom liegt. Gemäß dem Vertrag können is- raelische Beamte die Einreise be- stimmter Personen an der Grenze ablehnen, aber eine endgültige Ent- scheidung trifft die Palästinensische Autonomiebehörde.

Zwischen Dezember 2005 und Juni 2006 wurde der Grenzübergang jeden Tag geöffnet, über 1000 Perso- nen überquerten täglich die Grenze.

Insgesamt waren es 320 000 Perso- nen. Aber immer wieder wurde gegen das Abkommen verstoßen, weil Ver- treter der Hamas riesige Mengen an Bargeld von Ägypten nach Gaza schmuggelten.7 Die EU BAM-Be- obachter konnten

dies nicht verhin- dern. Zudem dran- gen viele Terror- verdächtige durch Tunnel unter dem

Grenzzaun nach Gaza ein. Ägyptische Soldaten schienen unfähig, auf ihrer Seite den massiven Schmuggel von Waffen und Sprengstoff nach Gaza zu stoppen.

Seit der Entführung eines IDF- Soldaten in der Nähe von Kerem Shalom im Juni 2006 wird die Gren- ze in Rafah nur noch sporadisch und für kurze Zeit geöffnet. EU BAM-Be- fehlshaber taten ihr Bestes, um beide Seiten zu bewegen, die Schließung aus humanitären Gründen aufzuhe- ben. In den ersten Monaten 2007 stabilisierte sich dann die Situation an der Grenze etwas, sie wurde wie- der täglich geöffnet. Doch mit der Machtübernahme der Hamas im Ga- zastreifen im Juni 2007 brach Gewalt am Grenzübergang aus, Computer und Überwachungskameras wurden zerstört und der Übergang wurde wieder geschlossen.8 Die Beobachter von EU BAM wurden nach Ashkelon im Süden Israels abgezogen, um einen möglichen politischen Wechsel abzu-

Jeweils 30 Europäer sind bei der Polizeiausbildung und der Grenzkontrolle in Rafah im Einsatz.

7 Herb Keinon: Analysis: Stopping the Hamas money flow, The Jerusalem Post, 15.12.2006.

8 EU Border Assistance Mission at Rafah marks first year of operations, the European Commission‘s Delegation to Israel, www.eu-del.org.il/newsletter/english/default.asp?edt_id=21.

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88 Internationale Politik IP Januar 2008 Verlässliche Partner auf

beiden Seiten sind die wichtigste Voraussetzung für erfolgreiche Missionen.

warten, der eine Wiedereröffnung der Grenze möglich machen würde.

Obgleich die Präsenz von EU BAM den Schmuggel von Geld und Waffen nach Gaza nicht verhindern konnte, ist die maßgebliche Errungenschaft der Mission die nahezu kontinuier- liche Öffnung des Grenzübergangs in Rafah für mehr als zwölf Monate.

Dies ermöglichte es der Palästinensi- schen Autonomiebehörde, Erfahrun- gen bei der Kontrolle der eigenen Grenzen zu sammeln; es demonstrier-

te aber auch die eingeschränkte Fä- higkeit der Euro- päer, in solch in- stabilen Situatio- nen zu operieren.

Solange es ein stabiles Regime gibt, mit dem man auf palästinensischer Seite arbeiten kann, können die EU BAM-Beobachter die Grenzen offen halten. Wenn aber Recht und Ord- nung zerfallen, kann ihre Sicherheit nicht mehr garantiert werden und sie müssen abgezogen werden.

Schlussfolgerungen

Europäische Friedenstruppen sind seit 30 Jahren – mit unterschiedli- chem Erfolg – im Nahen Osten aktiv.

Analysiert man ihr Vorgehen, ist die wichtigste Erkenntnis, dass verlässli- che Partner auf beiden Seiten eine Voraussetzung für erfolgreiche Frie- denssicherung sind. Shimon Peres hat einmal gesagt: „Man kann keinen Frieden sichern, wenn überhaupt kei- ner da ist.“ UNDOF und MFO waren erfolgreich, weil ihre Beobachter eine stabile Grenze überwachten, wo auf beiden Seiten Partner bereit waren, ihren vertraglichen Verpflichtungen

nachzukommen. UNIFIL scheiterte am Fehlen jeglicher Stabilität und Si- cherheit im Südlibanon. Im politi- schen Chaos Gazas und des südlichen Libanons waren die Friedenstruppen zu oft damit beschäftigt, um ihr eige- nes Leben zu kämpfen; sie hatten keine Möglichkeit, die Sicherheitslage wesentlich zu beeinflussen.

Sowohl die EU BAM- als auch die EU COPPS-Einsätze stellen innovati- ve Bemühungen dar, zwar nicht per- fekte, aber praktische Lösungen für lokale Sicherheitsprobleme zu finden.

Die Einsätze beweisen, dass sich so- wohl auf israelischer als auch auf eu- ropäischer Seite die Wahrnehmung verändert hat. Die Europäer sind heute bereit, Friedensmissionen trotz des Risikos für ihre Soldaten auf- rechtzuerhalten. Sie haben eingese- hen, dass es nicht nur von umfassen- den politischen Übereinkünften ab- hängt, ob und wie Gewalt in der Regi- on verhindert werden kann, sondern auch von praktischen Lösungen im kleinen Rahmen.

Die Israelis ihrerseits lassen euro- päische Beobachter in den Palästinen- sergebieten zu. Sie akzeptieren, dass die EU im Nahen Osten künftig eine größere Rolle spielen wird. Die Erfah- rungen aus kleineren Missionen wie EU BAM können für größere europä- ische Friedenseinsätze im Nahen Osten gut genutzt werden. Doch alle künftigen Einsätze werden davon ab- hängen, ob die neuen israelisch-paläs- tinensischen Verhandlungen echte Fortschritte machen. Bis dahin wer- den europäische Friedensmissionen im Nahen Osten bruchstückhaft blei- ben, und ihre künftige Durchset- zungskraft ist ungewiss.

Referenzen

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